Matthias Mala

Weiße Magie im Alltag

Praktische Rituale, Schutz- und Abwehrzauber

Reihe Theurgia

Band IV

Books on Demand

© 2008 Matthias Mala, München

Alle Rechte sind vorbehalten.

www.theurgia.de

ISBN 978-3-8482-6852-8

Herstellung und Verlag:

Books on Demand GmbH, Norderstedt (www.bod.de)

Lektorat:

Gerhild Gerlich, München

Umschlaggestaltung:

Gabriel Nemeth, Graphik Design, Wien

(www.nemethstudio.de)

Titelfoto:

Heike Ruttkowski, Berlin (© www.icepixx.de)

Zeichnungen und Vignetten:

Matthias Mala

Layout und Satz:

Claudia Wagner, Berlin (www.cb-buchgestaltung.de)

Printed in Germany

Anmerkungen zum Titelbild

Die Felskugel auf dem Titelbild ist ein Findling in der Bretagne, genauer im Department Côtes-du-Nord. Er heißt Roche de Kiriou (Fels von Kiriou), besteht aus Granit und liegt nahe dem Städtchen Plounérin auf einem Plateau mit hervorragender Aussicht. Zur Bucht von Lieue de Grève sind es etwa zehn Kilometer. Der Fels war bereits bei den Kelten ein Heiligtum. Auch im Christentum hielt die Verehrung an, weswegen er als heiliger Ort mit einem Kreuz gekrönt wurde. Der Roche de Kiriou ist kein Megalith, sondern ein Findling. Findlinge wurden von den Gletschern der Eiszeit weit in das Land getragen.

Inhalt

Vorwort

Magie ist eine gültige Form der Weltbetrachtung. Durch sie erkennt man andere Zusammenhänge und findet andere Lösungen für bedrängende Lebenswirklichkeiten. Allerdings ist dieser dem Eingeweihten selbstverständliche Blick für viele Menschen überraschend, was wiederum den Eingeweihten gelegentlich selbst überrascht. Jedenfalls überraschten mich die Reaktionen meiner Leser auf mein erstes Buch zur weißen Magie (Weiße Magie – 365 schützende und stärkende Praktiken; Reihe Theurgia, Band 1). Zwar wusste ich, als ich es schrieb, durchaus um das verbreitete Bedürfnis nach weißmagischem Schutz- und Abwehrzauber, dass aber der Wunsch nach magischem Schutz so stark war, erstaunte mich doch. Seitdem erhalte ich eine Fülle von Anfragen und Bitten, um Rat und Abhilfe bei magischen Beschwernissen. Folgerichtig betrachte ich das hier vorliegende Buch auch als eine Aufforderung meiner Leser.

Ansporn, diesem Wunsch nachzukommen, war für mich vor allem die mir vielstimmig angetragene Bitte nach einer Erläuterung, wie sich der Zugang zur Kraft der weißen Magie am ehesten finden ließe. Diese Bitte verbarg sich meist hinter der Frage, wie man weiße Magie als selbstverständliche Option in seinen Alltag integrieren und was man weißmagisch tun könne, um schlechte Energien abzuweisen und einen Schutzkreis um sich herum aufzubauen. Diese Frage war häufig mit dem Wunsch nach einem konkreten Ritual verbunden, durch das man alltäglich wiederkehrende Bedrängungen wirksam bannen könne.

Erfreulich empfand ich, dass meine Leser kaum Interesse an einer Kochbuchmagie mit fertigen Rezepten zeigten, wie man diese oder jene malevolente Kraft abwehren könne. Im Gegenteil: Sie suchten mehrheitlich nach einer magischen Haltung, aus der heraus sich die weiße Magie gleichsam selbstgestaltend von Fall zu Fall schöpft. Mit anderen Worten, sie hatten das Bedürfnis nach einer lebendigen Magie. Eine solche Magie beansprucht ihrerseits, die Entdeckung einer verborgenen Seite des Lebens und die Bewusstwerdung einer noch im Unbewussten liegenden Seite des eigenen Selbst. Dieses erkennbar tiefer gehende Bedürfnis war es, das mich darüber nachdenken ließ, ob es magische Intelligenz gäbe, beziehungsweise ob sich unser magisches Verständnis als erkennbare Begabung fördern ließe. Denn nur wenn Magie eine unserem Wesen eingeprägte, innewohnende Eigenschaft ist, kann Sie uns im Alltag als selbstverständliche Befähigung zur Seite rücken und unser Handeln durchwirken. Nur im lebendigen Austausch vermag sich auch unser magisches Verständnis zu entwickeln und zu verfeinern. Und da ich von diesem Verständnis beziehungsweise dieser „Intelligenz“ überzeugt bin, stellte sich mir die Aufgabe, einen praktisch beschreitbaren Weg zur weißen Magie aufzuzeigen. Ziel war es, obwohl letztlich jeder Mensch nur seinen ureigenen Weg gehen kann, eine für jedermann erkennbare Wegbeschreibung zu geben. Anders gesagt: Hier wird das komplexe Thema Magie in Beziehung zum Alltag gesetzt. Ist es doch das Alltägliche, wo jede Magie beginnt und endet. Die Beziehung Alltag versus Magie als Ein-in-der-Magie-Weilen soll hier in einer praktischen und verständlichen Weise aufgezeigt werden.

In diesem Sinne soll dieses Buch demjenigen, der ehrlichen Herzens nach dem Weg der weißen Magie fahndet, helfen, die für ihn gelegte Fährte zu lesen.

München, im Frühjahr 2004

M.M.

Vorwort zur Neuedition in der Reihe Theurgia

Es wird stiller um die wahre Magie, dafür wird die Beschäftigung mit ihr insgesamt ernsthafter. Wobei der von mir empfohlene Weg der Theurgie, welcher ohnehin ein diskreter Weg ist, zunehmend mehr Anhänger findet. Theurgie bezeichnet den Weg einer weißen Magie, die ich auch „lautere“ Magie nenne, um sie von der gewöhnlichen Schutzmagie zu unterscheiden. Sie entspricht der magischen Näherung an das Göttliche durch Selbsterkenntnis. Dies bedeutet, das Höchste dank magischer Sichtweise zu erkennen und durch die hierbei widerfahrenen Entsprechungen in sich einen Raum aufzuschließen, den ich als magischen Raum verstehe. Es ist ein Raum, in dem mein Ego zurücktritt und der schöpferische Quell das Lebendige benetzt. Dies ist ein höchst spirituelles Geschehen. Insofern ist die lautere Magie auch eine spirituelle Magie. Sie formt den Hintergrund für die praktische weiße Magie im Alltag, wie ich sie in diesem Buch skizziert habe.

Die Resonanz der Leser auf diese Schrift war beeindruckend. Das Buch wurde von vielen als ein Schlüssel für eben diesen magischen Raum erkannt. Durch den Verzicht auf orthodoxe Rituale und überkommene Erklärungen wurde der Zugang zu diesem Raum für jeden einzelnen zu einer lebendigen Erfahrung. Insbesonders seine lebensnahe Darstellung samt praktischer Anleitung – fern ab von jedem verquasten Geraune – fand vernehmliche Zustimmung. Zur Freude der Leser, die dieses Buch weitergereicht und empfohlen haben, liegt nunmehr die Neuedition in der Reihe Theurgia vor. Hierzu habe ich das Buch nochmals gründlich durchgesehen und an verschiedenen Stellen ergänzt, um den Zugang zum magischen Raum noch verständlicher zu gestalten und somit zu erleichtern. Schließlich war es mein vornehmliches Anliegen beim Verfassen dieses Buches, den von mir postulierten magischen Raum, als eine erfahrbare Gegebenheit jedem Leser zugänglich zu machen. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich bei allen Lesern, die mir mit ihren qualifizierten Fragen hierfür Anregungen gegeben hatten.

München, im Winter 2008

M. M.

Geblendet wär ich, glaub ich, von der Grelle

Lebendigen Strahles, den ich da ertragen

Hätt ich mich abgewandt von seiner Helle!

Dante, Göttliche Komödie,

Paradies 23. Gesang

(Übertragen von Wilhelm G. Hertz)

Zu einem Traktat vom Licht ist vieles fertig.

Das Licht wird nur der Mittelpunkt, von dem

aus ich mich in mancherlei Richtung zerstreue.

Novalis an Friedrich Schlegel im Dez. 1797

Vom Duft der Magie

Magie ist wie der Duft der Kirschblüte in lauer Maiennacht. Die milde Luft ist getränkt von ihrer zarten Süße, und leise weht die warme Kraft des Mais. Nach langem Winter dringt der Zauberhauch der Wiedergeburt selbst durch die geschlossenen Fenster, lockt und betört uns, zieht uns hinaus in die verwandelte Nacht und lässt uns das Herz überquellen im ungestümen Sehnen nach Erfüllung. Und schlendern wir im Mond durch einen Kirschenhain, schweben rosa Blütenblätter gleich Sternenstaub herab, umkreisen und bedecken uns, und wir sind berührt und durchdrungen von einer ungeahnten Macht, die uns die Sinne verdreht und uns in selten verspürte Gefühlswelten hebt. Wir sind Verzauberte.

Ebenso betörend erscheint die Magie dem, der ihr sein Herz öffnet und ihr seine Sinne entgegenknospen lässt. In solcher Hinwendung zur Magie, in ihrer Bejahung und der Einlassung auf ihr Wirken öffnet sich der Adept für einen zauberhaften Raum und erschließt ihn sich zugleich. Eine Haltung, in der er einerseits von diesem Raum ebenso berührt und erfasst wird, wie er ihn andererseits betritt und für sich einnimmt. Es ist eine wechselseitige Annäherung, die sowohl Einweihung als auch Wandlung bedeutet. Ein erstes Ahnen von der Macht des Zaubers stellt sich ein und lockt uns wie der Blütenduft der Kirschen.

Es ist wichtig, diese Annäherung an die Magie als ein sinnliches Geschehen wahrzunehmen. Jedenfalls ist der „Duft der Magie“ keineswegs nur eine poetische Wendung, sondern umschreibt die Tatsächlichkeit sinnlicher Wahrnehmung dieser spirituellen Dimension. Die Sphäre, aus der heraus Magie wirkt, ist ein Raum jenseits unserer greifbaren Wirklichkeit. Diese Sphäre aber können wir nur wahrnehmen, wenn wir uns auf sie mit allen Sinnen, das heißt mit Herz, Bauch und Verstand einlassen. Dies erfordert eine körperliche, sinnliche und gedankliche Gelöstheit, die sich gleichzeitig mit äußerster Aufmerksamkeit paart. Es ist gewissermaßen ein meditativer Zustand, ohne dass wir in Meditation verharren, vielmehr sind wir wach und aktiv. Dafür aber spüren wir die magische Sphäre, hören ihren Klang und atmen ihren Duft. Es ist, als würde uns der Zauber des Mais mit all seiner Macht berühren.

Wer Magie als solcherart außerordentliche Sensation erlebt und versteht, dem hat sich der magische Raum geöffnet. Seine Welt und seine Sinne haben sich erweitert, und er wandelt sich zum Magier, denn er taucht ein in den Fluss der Magie, in den Strom der sie nährenden schöpferischen Kraft. Und er wird mit diesem Raum verbunden bleiben und mit ihm und durch ihn in seinen Alltag hineinwirken. Ein Geschehen, das sich sowohl spontan einzustellen vermag, wie auch sich über die anhaltende Beschäftigung mit der Magie entwickeln kann. In jedem Fall ist es eine Begnadung, durch die wir ein reicheres und intensiveres Leben leben dürfen. Ein Zustand also, auf den wir uns zwar vorbereiten können, der sich aber letztlich nicht erzwingen lässt. Wer es indes dennoch versucht zu ergreifen, was sich nicht ergreifen lässt, der läuft Gefahr, sich mit destruktiven Kräften zu verbinden, die ihm vorgaukeln, erlangt zu haben, was mit Vorsatz und Wollen nicht zu erlangen ist.

Nur wer die Blüte kennt, weiß den Duft zu deuten

Erscheint dem Eingeweihten die Metapher vom Duft der Magie als Symbol einer gelebten Wahrheit, kann sie für den Anfänger durchaus missverständlich sein. Denn wer den Duft der Magie in seiner ganzen betörenden Süße noch nicht wahrnahm, könnte meinen, dass jede Magie und jeder Zauber von diesem Duft durchdrungen seien. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Diesen zarten, maiwarmen Duft der Magie vermag nur jener zu atmen, der sich uneingeschränkt der weißen Magie verschrieben hat, denn es ist allein ihre Ausformung der magischen Sphäre, die die schöpferische Kraft magischer Blüte in sich trägt. Deshalb ist es allein die weiße Magie, so wie sie hier dargestellt wird, die nicht von der Lebenswärme zehrt, um sich selbst zu nähren und zu erhalten; sie ist es, die diese Wärme behütet und bewahrt und ihr aus sich heraus Energie zuführt.

Um diese Eigenart der weißen Magie zu verstehen und aus diesem Verständnis heraus die Qualität eigener Zauberhandlungen abschätzen zu können, ist es keinesfalls notwendig, sich mit den Ausformungen destruktiver Magie, sprich: den vielfältigen Schattierungen der schwarzen Magie zu befassen. Durch solche Beschäftigung rückte man der weißen Magie um kein Haarbreit näher. Hingegen ist es ein erster Schritt in Richtung weißer Magie, sobald man diese über den gemeinen Schutz- und Abwehrzauber (Abwehrzauber, siehe Glossar) hinaus als einen Weg der Selbst- und Welterkenntnis versteht. Jedenfalls genügt diese Sichtweise bereits, um sich selbst zu bescheiden und einem wesentlichen Grundsatz der weißen Magie zu folgen, der da heißt:

„Lasse ab von allem, was du nicht durchdringst.“

Dieser Leitspruch beschreibt zwei verschiedene Sphären magischen Handelns. Einmal ist damit gemeint, dass Sie Ihre Magie nur dann auf Personen und Dinge richten beziehungsweise für sie einsetzen sollten, solange Sie den angewandten Zauber überschauen und beherrschen; das heißt, Sie müssen den Zauber mit Ihrer magischen Kraft voll und ganz durchdringen. Nur dann wird es für Sie möglich sein, das Geschehen mit dem gewählten Ritual auch in Ihrem Sinne zu beeinflussen. Dies setzt zugleich voraus, dass Sie die Situation, auf die Sie Ihren Zauber lenken, zuvor in magischer Weise erkannt haben; verlangt doch jeder Zauber entsprechend dem hermetischen Gesetz „Wie oben, so unten“ nach einer adäquaten Entsprechung. Eine solche Entsprechung kann dabei sowohl verbindende Harmonie als auch abstoßender Gegensatz sein.

Zum anderen bedingt der Grundsatz, dass Sie Ihre Magie generell nur so weit ausgestalten und einsetzen sollten, wie Sie auch den magischen Raum, in dem Sie mit Ihrem Zauber wurzeln, durchdrungen haben. Das heißt, Ihre Magie sollte nicht weiter in die greifbare Welt reichen, als Sie selbst Rückhalt in der magischen Sphäre haben; denn auch hier gilt das Prinzip magischer Entsprechung. Sie können nur so weit und so tief in den magischen Raum greifen, wie Sie ihn sich selbst zu eigen gemacht haben, beziehungsweise nur so weit in ihm gründen, wie er sich für Sie öffnete.

Bei Ihren Versuchen, die magische Sphäre zu ergründen und die Macht der Magie zu Ihrer Kraft werden zu lassen, werden Sie deshalb ein ums andere Mal an Grenzen stoßen, die ihnen unüberwindlich scheinen. Akzeptieren Sie solche Hürden als notwendige Pausen der Besinnung. Denn mit dem ersten Schritt auf dem Weg der weißen Magie, haben Sie sich auch in eine anhaltende Zwiesprache mit der magischen Sphäre begeben. Diese Zwiesprache ist eine stille Form der Annäherung und Unterrichtung. Sie lernen von der Magie, versuchen sie und werden ihrerseits von ihr herausgefordert und verführt sowie geprüft und eingeweiht. Es gleicht einem Spiel mit vielen Leistungsstufen, das Sie nur bestehen, solange Sie sich an die Regeln halten und Stufe um Stufe voranschreiten. Wollen Sie eine Ebene überspringen, verderben Sie das Spiel, und der Duft der Magie wird sich verlieren.

Die Magie selbst ist Ihr Lehrmeister, und sie wird Sie nur so weit führen, wie Sie sich mit ihr entwickeln. Halten Sie nicht Schritt, wird sich ihr Raum nicht weiter für Sie öffnen. Wollen Sie dennoch tiefer in ihn dringen und die gesetzte Hürde überwinden und verschlossene Türen aufbrechen, werden Sie Ihren Weg verlieren und Kräfte aktivieren, die Sie weder erfassen noch beherrschen können. Geht es gut, misslingt Ihre Magie, während Sie im ärgsten Fall in schwarzmagische Sphären abgleiten können.

Als Erkenntnisweg stellt die weiße Magie auch einen beschützenden Raum dar. Allerdings werden Sie von ihm nur beschirmt, solange Sie in ihm verweilen. Nur dann kann Sie seine Kraft erfassen und durchdringen, so wie Sie den Raum gleichermaßen erfassen und durchdringen. Und nur dann wissen Sie um den Duft der Magie und werden sich von ihm leiten lassen. Denn es ist dieser Duft, der Sie führt. Verliert er sich, wissen Sie, dass Sie auch den Weg verlieren und Sie sich, ehe der Duft der Magie ganz verweht, erneut an ihm orientieren sollten. Es ist ein Wechselspiel zwischen Voranschreiten, Verharren, Verirren und Wiederfinden, zwischen kleinen und großen Ritualen, gelungenem und leerem Zauber, dazu die Momente magischer Berührung und Einsicht in das hintergründige Zusammenwirken von Seele und Geist; es ist eine vielfältige Palette magischer Erscheinungen und Temperamente (Temperamente, siehe Glossar), die alle zusammen den Raum formen, der die Blüte der Magie bewahrt, die für den Erkennenden in der von ihm erkannten Weise ganz alleine blühen wird.

Umweht vom Hauch dieser Blüte erkennen wir dann die von der Magie Verlassenen, all jene, die ihren Duft nicht mehr atmen und den Weg zurück nicht mehr suchen. Dies sind bei weitem keine finsteren Satanisten, denen man wenn überhaupt ohnehin höchst selten begegnet. Nein, es sind die vielen, die glauben, sich der weißen Magie ohne Regel und Respekt bedienen zu können und infolge ihrer Ignoranz längst den Schatten niederer Dämonen (Dämonen, siehe Glossar) dienen.

So lernte ich eine Priesterin eines neuheidnischen Konvents kennen, die sich in einem Ritual verfangen hatte, von dem sie überzeugt war, dass es helfen würde, ihre Position innerhalb ihrer Gemeinde zu bewahren. Hierzu schlachtete sie zu den hohen Feiertagen ihres Kults in einer geheimen Zeremonie einen jungen Hahn. Da freilich ihre Stellung innerhalb ihrer Gruppe nie in Zweifel stand, war ihr Zauber dahingehend stets eine leere Geste. Gleichwohl wiederholte sie ihn zwanghaft. Für mich und andere Außenstehende war es indes offensichtlich, dass sie einem Dämon opferte, den sie durch ihre inhaltsleere Zeremonie angelockt hatte. Dass sie selbst diese Verschattung nicht erkannte, lag daran, dass sie das aufgesetzte Ziel ihres Rituals nicht hinterfragen wollte. Diese Hemmung aber war wiederum ein bindender Impuls für den durch ihre Kraft genährten Dämon . In der Meinung, weiße Magie zu betreiben, hatte sie sich einen echten Teufelskreis geschaffen. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen wäre nur mit ihrem Mittun möglich, das Sie jedoch verweigerte. Also umschloss sie statt des Duftes der Magie eine üble Aura, was mich wiederum an jene Erzählungen erinnerte, in denen Teufelserscheinungen stets mit Schwefel- und Pesthauch einhergehen. Eingeweihte werden den Geruch dieser verschatteten Magie, selbst wenn sie ihn noch nie geatmet haben, sofort erkennen.

In einem anderen Fall, in dem ich um Hilfe gebeten wurde, begegnete ich einem in der Magie erfahrenen jungen Mann, der jeden Freitag eine schwarze Kerze abbrannte, um hierdurch negative Einflüsse anderer Personen von sich abzuweisen. Er hatte diesen Rat als Reinigungsritual in einem magischen Forum im Internet erhalten. Obwohl er um die verdrehte Symbolik wusste, setzte er dieses Ritual ein, weil er sich von ihm eine stärkere Wirkung versprach. (Mit einer schwarzen Kerze zieht man im magischen Ritual für gewöhnlich Kräfte aus Schattenreichen herbei.) Damit widersetzte er sich bewusst dem Weg der Magie, den er bislang gegangen war. Der scheinbare Erfolg dieses Kerzenrituals bestätigte ihn in seinem Handeln, obwohl er durchaus spürte, wie er allmählich die harmonische Transzendenz seiner bisherigen Anbindung an die Magie verlor. Seine Empfindung für seine magische Sphäre veränderte sich, der magische Raum verlor für ihn an Weite und bot dafür muffige „Gemütlichkeit“. Eine Enge, die ihm offenbar zunehmend angenehmer erschien. Auch um ihn herum nahm ich diesen ganz bestimmten Geruch von „Traurigkeit“ wahr, den ich öfters bei Anhängern schwarzmagischer Praktiken bemerke. Meinem Rat, dieses Ritual aufzugeben, widersetzte er sich ausdrücklich mit dem Hinweis auf sein ansonsten erkennbar weißmagisches Wirken. Dass dieser weißmagische Zauber freilich längst von dunkleren Energien verfärbt wurde, wollte er nicht wahrhaben.

Beide Beispiele zeigen, dass der Wille allein, nur weiße Magie zu betreiben, nicht genügt, um verschattete Kräfte von sich fern und seine Magie rein zu halten. Denn die Priesterin wie der junge Mann waren davon überzeugt, weiße Magie zu betreiben, während sie ihren magischen Raum längst für Dämonen geöffnet hatten. Beide hatten das Gefühl für ihre Sphäre verloren und wollten sich nicht eingestehen, dass sie den Duft der Magie ebenso verloren hatten. Den veränderten Geruch, die veränderte Sinnlichkeit für die Magie aber wollten sie nicht mehr deuten.

Verschlungen sind die Pfade zur Magie

Will man die Magie zur rechten wie zur linken Hand, sprich: die Ausformung einer weißen Magie hier und einer schwarzen Magie dort, verstehen, sollte man zunächst die Beweggründe betrachten, warum und weshalb sich jemand der Magie zuwendet. Mögen auch die Motive bei näherer Betrachtung so verschieden sein wie die Individuen, die zur Magie streben, so kann man zunächst generell feststellen, dass es in den seltensten Fällen uneigennützige Motive sind, die sie bewegen.

Eines der häufigsten Motive ist sicher ein naives Verlangen nach besonderer Mächtigkeit. Das kann sich im Wunsch nach der Macht, sein Geschick selbst zu lenken, seine Feinde zu bezwingen und nach Belieben zu bestrafen, ebenso äußern wie im Wunsch, sich Traumwelten zu erschließen und Dinge beherrschen zu wollen, die über den Verstand hinausreichen. So mag es den einen danach verlangen, mit Naturgeistern zu sprechen, während ein anderer Tote beschwören und ins Jenseits schauen will und wieder ein anderer lieber Schätze finden oder magische Salben anrühren möchte. Genährt werden diese Wünsche auch durch eine entsprechende phantastische Literatur. So etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Roman „Alraune“ von Hanns Heinz Ewers (1871-1943), in den 70er-Jahren der von JRR Tolkien (1892-1973) schon lange vorher verfasste Zyklus „Der Herr der Ringe“ und zum Jahrtausendwechsel die Harry-Potter-Reihe von Joanne K. Rowling. Diese Werke nährten die Faszination der Menschen für die Magie, so wie sie Einfluss auf die Entwicklung der Magie insgesamt nahmen.

Zu den selbstbezogenen Gründen, die einen zur Magie führen, zählt auch das verständliche Verlangen, sich einen magischen Schutzkreis zu schaffen, den Neid und Feindseligkeiten nicht durchdringen können. Ebenso der Wunsch, durch profanen Abwehrzauber, etwa geweihte Amulette, mögliche Unbill abzuweisen. Aber auch die hehreren Ziele wie das Streben nach Natur- und Gotteserkenntnis sind kaum weniger selbstsüchtig. Da beschäftigt sich der eine mit der Magie der Steine oder den Zauberwelten der Drogen, um hierdurch Einblicke in hintergründige magische Zusammenhänge zu seinem Vorteil zu gewinnen, während ein anderer gleich in den Himmel greift und Engel und Dämonen beschwört, um sich göttliche Aspekte zur Seite zu rufen und gefügig zu machen. Zum Beispiel lernte ich eine italienische Magierin kennen, die sich einst der Zauberei aus zweierlei Gründen zuwandte: Sie wollte im Lotto gewinnen und ihre Feinde verfluchen. Das eine gelang ihr nicht, und das andere wollte sie nicht mehr, nachdem sie es aufgrund ihrer Zaubermacht konnte. Heute ist sie eine der großen Magierinnen, die aus der Stille heraus wirken und die Seelen der Menschen mit ihrem magischen Schutz begleiten.

Das Motiv, warum jemand sich aufmacht, sich auf die Magie einzulassen, spielt folglich nur eine untergeordnete Rolle, solange er bereit ist, sich mit den bestandenen Herausforderungen beim Umgang mit der Magie zu wandeln. Wer nur ein Amulett weihen oder seine Haustüre schützen möchte, wird von der Magie kaum gefordert werden und deshalb keinen Anlass sehen, sich tiefer mit ihr zu befassen. Alle anderen aber, die von ihrem Duft gekostet haben und mit ihm eine Ahnung von der Weite und Größe der magischen Sphäre erlangten, werden sich irgendwann gefordert fühlen, sich mit den Motiven, die sie zur Magie führten, auseinander zu setzen. Hierbei verspüren sie die Notwendigkeit, den eigennützigen Kern ihres Strebens aufzugeben, auf dass ihre Magie eine neue Qualität gewinnt. Also beginnen sie, die Magie künftig um ihrer selbst und um einer zweckfreien Selbst- und Welterkenntnis willen zu betreiben. Dass Ihnen solches Tun wiederum Nutzen bringt, ja dass dieser Nutzen hinsichtlich einer zufriedenen und harmonischen Weltsicht weit größer ist als zuvor, ist ein Ertrag, der dem Suchenden seltsamerweise versagt bleibt, solange er ihn anstrebt. Gleiches gilt für die befriedete Sphäre, in der man fortan wandelt und an der die Schlechtigkeit der Mitwelt abperlt wie der Schlamm an einem sich öffnenden Lotos .

Streben Sie eine solche Verbindung mit der Magie an, sollten Sie Ihre verborgenen Absichten nicht verleugnen. Denn solange Sie die hemmenden eigennützigen Motive bejahen, können diese Sie nicht unterschwellig lenken und selbstgerecht verblenden. Stattdessen öffnen Sie sich zunehmend dem Wirken der Magie und geraten in den Stand des Kandidaten für die anstehende Initiation . So verliert sich das ursprüngliche Motiv und Sie werden zum Erforscher und Schüler der Magie. Sehen, Erkunden, Lernen, Üben und Praktizieren sind nun die Motive, die Sie bewegen. Der Raum der weißen Magie beginnt, sich für Sie zu öffnen, und zeigt sich als ein Versprechen. Nehmen Sie diese Öffnung und das Versprechen wahr, haben Sie die erste Stufe der Initiation erklommen. Es werden viele weitere folgen, und vor jeder Stufe werden Sie die Forderung nach Ihrer Unschuld, sprich: nach Ihrer Unbefangenheit, im vorbehaltlosen Erkunden der Sphäre erneut verspüren. Und jedes Mal ist es Ihre Aufgabe, sich von versteckten Motiven zu lösen, indem Sie sie bejahend heben und betrachten. Auf diese Weise bewahren Sie sich vor Selbsttäuschungen und kleiden sich ins reine Gewand des Kandidaten.

Wer diese Unbefangenheit für sich bewahrt und sich mit der Magie kommunizierend leiten lässt, wandelt sicher auf dem Weg der weißen Magie. Wer hingegen dem Weg seiner Vorstellung und Deutung in die magischen Sphäre folgt, der wird seinen Weg verfehlen und sich mit den Trugbildern einer verschatteten Sphäre abgeben. Auch hier möchte ich nicht von schwarzer Magie sprechen. Es ist ein zu großes Wort für solche Unzulänglichkeit. Denn wer den Weg schlichter magischer Kommunikation nicht diszipliniert beschreiten kann, der vermag sich weder der weißen noch der schwarzen Magie zu nähern. Statt zum stolzen Lotos zu werden, bleibt er ein müder Halm, an dem der Schmutz haftet.

Mächtig ist die Magie der Zweifler

Schwach ist hingegen die Magie der Gläubigen. Wer von vornherein an die Magie glaubt, spürt keine Notwendigkeit, mit ihr in erhellende Zwiesprache zu treten, und verbaut sich so die Möglichkeit, dass sie sich ihm in adäquater Weise offenbart. Magie ruht zwar in einer transzendenten Sphäre jenseits der greifbaren Wirklichkeit, ist aber andererseits, wie bereits dargelegt, ein sinnlich erfahrbares Phänomen. Dieses Phänomen will nicht geglaubt, sondern eben wegen seiner Natur erfahren werden. Das bedeutet, dass die Magie sich über unsere Sensibilität, Emotionalität und unser Intuitionsvermögen mitteilt und auf diesem Weg auch von unserer Vernunft erkannt und gedeutet werden kann. Magie wird so zu einem abrufbaren, hinterfragbaren und beschreibbaren Phänomen und gleichermaßen zu einem Gegenstand der Vernunft. Magie und Ratio verschränken sich. Denn wo unsere Empfindungen glauben wollen, will unsere Vernunft überzeugt werden.

Bewahren Sie sich deswegen auch einen kritischen Blick auf Ihre Vernunft. Sie ist selbstherrlich und meint, nichts könne sie täuschen, dabei täuscht sie sich am besten und am liebsten selbst. Glauben Sie deshalb nicht allem, was Sie zu sehen meinen, und misstrauen Sie Ihren gefälligen Interpretationen, vor allem dann, wenn sie allzu elegant Zauber und Ziel belegen beziehungsweise rechtfertigen. Üben Sie sich in der Kunst des Zweifelns . Bewahren Sie sich die Option, alles an Ihrer Magie könnte anders sein, als Sie es wahrnehmen und sich erklären. Nur dann bleiben Sie mit Ihrer Magie in Kommunikation, nur dann lernen Sie beständig dazu, und nur dann vermeiden Sie jene Trugbilder, die Sie vom Weg der wahren Magie abbringen, nämlich dem Weg zu Ihrer durch Sie belebten Sphäre in der weißen Magie.

Es sind die Achtsamkeit für und der kritische Blick auf die Magie, die Ihren Verstand für einen Bereich zugänglich machen, der jenseits seiner Dimension, seines kausalen Weltverständnisses, liegt. In der Folge entwickeln Sie gewissermaßen eine transzendentale Intelligenz als eine weitere Funktion Ihrer Ratio. Aus diesem intellektuellen Vermögen heraus eröffnen Sie sich die magische Sphäre nicht nur in sinnlicher, sondern auch in begrifflicher Weise. Die magischen Begriffe erhalten für Sie zunehmend Substanz und Inhalt. In letzter Konsequenz beginnen Sie schließlich, wie selbstverständlich, in Paradoxien zu denken. Diese Art zu denken ist freilich für Sie kein Spiel mit der Logik, sondern eine Folge der Weiterung Ihrer erfahrbaren Wirklichkeit um eben die magische Sphäre. Diese Sphäre steht in einem gewissen Widerspruch zur dinglichen Welt. So ist etwa in der magischen Sphäre sowohl die Wahrnehmung von Charakteren von Gegenständen als auch deren Beeinflussung beziehungsweise die gesteuerte Änderung ihres Charakters ein „natürliches“ Geschehen, während Gleiches in der dinglichen Welt nicht existent zu sein scheint. Da weiht beispielsweise ein Priester ein Haus, um somit eine Kraft in seine Mauern zu laden, die bösen Geistern künftig den Zutritt verwehrt. Oder da mag ein Verliebter seiner Angebeteten ein zuvor besprochenes Freundschaftsband zustecken, um ihre Zuneigung zu wecken. Beides sind unsinnige Handlungen in der Welt der Vernunft, jedoch schlüssiges Tun in der Welt der Magie. Der „magische Intellektuelle“ hingegen sieht diese Unvereinbarkeit nicht, sondern erkennt die wechselseitige Durchdringung der Sphären als eine Gesetzmäßigkeit, die, auch wenn sie sich der üblichen Logik entzieht, von ihrer Wirkung her beschreibbar ist. Wobei er hier statt von einer zwingenden Kausalität von einer Temperierung und sympathetischen Beziehung (sympathetisch, siehe Glossar) ausgeht. Das Dingliche erhält durch die Magie Farbe und Richtung, sprich Atmosphäre (Atmosphäre, siehe Glossar), und in der magischen Sphäre verkörpern sich darauf die Dinge durch einen ihnen anhaftenden Geist, sprich: ihr Temperament .

Mit Paradoxien zu arbeiten gilt in der Magie als ein probates Mittel, Kandidaten zu initiieren und Energien zu brechen. So empfehle ich beispielsweise öfters bei Partnerschaftsproblemen, wenn sich jemand nach der Trennung durch die schlechte Energie seines ehemaligen Partners angegriffen fühlt, diese Kräfte nicht durch einen Abwehrzauber zu brechen. Denn durch das apotropäische Ritual (apotropäisch, siehe Glossar) tritt man auch in magische Kommunikation mit seinem Angreifer, wodurch man ihn häufig überhaupt erst bindet, was zuvor noch nicht geschehen war. Stattdessen empfehle ich ein Ritual, bei dem ein Ziel erwählt wird, dass die negativen Kräfte absorbieren soll. Dafür werden dem Ziel Temperamente des Angegriffenen zugesprochen, sodass es quasi als Stellvertreter fungiert. Die Energie des Angreifers bleibt hierdurch gerichtet, nur erschöpft sie sich alsbald, da sie fortwährend ins Leere trifft.

Das Paradoxe an einem solchen magischen Arrangement ist, dass die Macht des Gegners durch tätige Untätigkeit gebrochen wird beziehungsweise seine gespürte Macht ebenso bejaht wie geleugnet wird, wodurch sich tatsächlich auf der eigenen Seite eine magisch-psychische Durchlässigkeit einstellt, die dem Angreifer keine Angriffsfläche mehr bietet. Hierdurch verliert man sich zwar für den Angreifer. Gerade dadurch aber erlangt man ihm gegenüber eine wesentlich höhere magische Potenz. Denn je heftiger er versucht, schlechte Energie auf einen zu übertragen, umso kräftiger nährt er in Wirklichkeit die Schatten, die auf ihn zurückfallen. All dies geschieht, ohne dass der Angegriffene auf den Angriff abwehrend reagiert, er merkt lediglich, wie sich die Atmosphäre um ihn klärt und der gefürchtete Einfluss deutlich an Kraft verliert. (Wobei darüber hinaus gesagt werden muss, dass echte schwarzmagische Angriffe äußerst selten sind. Bei Partnerschaftskonflikten sind schwarzmagische Angriffe noch seltener, was wohl auch daran liegt, dass es an Möglichkeiten für wirksame Rachefeldzüge in der realen Welt nicht mangelt und Letztere weit besser sind.)