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Inhaltsverzeichnis

Bathurst- und Melville Island
1. Wie das Land der Tiwi geschaffen wurde
2. Die ersten Bewohner der Erde
3. Das erste Feuer
4. Die Entstehung des Meeres
5. Das erste Krokodil
6. Die erste Eifersucht
7. Verbotene Liebe
8. Der erste Tod
9. Tukumbini, der die Gesetze schuf
10. Die Männer der Milchstraße
11. Der Königsfisch
12. Die Sonnenfrau
13. Der Mondmann
14. Die Bringer des Regens
15. Das Weltall
16. Die Seelenkinder Pitipitui
17. Die Meteormänner
18. Das Volk der Kobolde
Arnhem Land und nördliches Nordterritorium
19. Die Yunggamurra Wassernixen
20. Manbuk und die sieben Schwestern
21. Marlu und Yaba, die Geckobrüder
22. Der hölzerne Mann Wulgaru
23. Das Mädchen, das in eine Mimifrau verwandelt wurde
24. Der Doppelmann Barun-barun
25. Das Krokodil und der Regenpfeifer
26. Die Felszeichnung, durch die Känguruh und Dingo entstanden
27. Der Storch und die Krähe
28. Der Mann, der zwei streitsüchtige Frauen besaß
29. Eingana, die Urschlange
30. Die Sage vom mächtigen Medizinmann und dem Honigbaum
31. Der Mondmann und die Wasserschlange
32. Der fliegende Geist Garkain
33. Alinda, der Mond
34. Die Fischgrätenleiter
35. Baracumas Fischnetz
36. Das Wallaby, die Kakerlake und das Meer
37. Der Habicht und der Schmetterling
38. Tjambuwal, der Donnermann
39. Mond und Dugong
40. Die Wawilak-Schwestern
41. Dugong und Ameisenigel
42. Möwe, der Windmacher und Fasan, der Regenmacher
43. Der Gecko Ipilja und die Regenzeit
44. Bara, der Nordwestwind
45. Mamariga, der Südostwind
Queensland
46. Warum die Fliegenden Hunde in den Bäumen hängen
47. Der gute und der schlechte Sohn
48. Warum der Mond nur sein Gesicht zeigt
49. Wie sich Pelikan und Emu entzweiten
50. Der alte Jäger und das Krokodil
51. Warum die Echsen immer umhereilen
52. Taipan, die Regenbogenschlange
53. Wie der Mond in den Himmel gesetzt wurde
54. Wie der Storch tanzen lernte
55. Die Strafe der Schildkröte
56. Die pflichtvergessene Mutter
57. Das Opossum und der Beutelmarder
58. Der Regenbogen und die Brotfruchtblüte
Neusüdwales
59. Der Baum, der eine Frau zurücktrug
60. Die Borah des Byamee
61. Bohrah, das Känguruh, und Dinewan, der Emu
62. Weedah, der Täuscher
63. Das Nest der Menschenfresser
64. Die Augen im Kreuz des Südens
65. Warum Fische im Wasser leben
66. Wie der Rabe den Westwind fing
67. Die Künder der Flut
68. Die Entstehung der Schnabeltiere
69. Das Sprachgewirr
70. Das Ungeheuer und der Fischersmann
71. Die Blume der Sehnsucht
72. Die Ankunft der ersten Menschen
73. Warum die Eule große Augen hat
74. Die Raupen und die Schmetterlinge
Victoria
75. Der Adler und die Eule
76. Die mutwillige Bullum-Boukan
77. Wie Koala das Wasser stahl
78. Känguruh und Wombat
79. Warum die Menschen sterben
80. Die Rache des Adlers
81. Der Emu und der Rabe
82. Das Feuer, das der Rabe stahl
83. Die Schaffung der ersten Männer
84. Die Schaffung der ersten Frauen
85. Wie die Menschen über die Erde verteilt wurden
86. Die Bam-bram-bult Brüder und die Rache der Eule
87. Der Riesenbarsch und der Bunyip
88. Der Adler und der Rabe
89. Der Kampf der Männer, die sich in Berge verwandelten
Tasmanien
90. Die Zwillingssterne – Bringer des Feuers
91. Der Rochen und die zwei Frauen
Südaustralien
92. Die Erdöfen des Craitbul
93. Die ersten Känguruhs
94. Ngurunderis Erdenwanderung
95. Der rote Mann und sein Bruder
96. Kondole, der Wal
97. Die Fischer auf den Seen
98. Der gestohlene Reibstein
99. Die Sonnenfrau und die Echsenmänner
100. Murdu – die Einteilung der Stämme
101. Mutter Sonne erweckt die Welt zum Leben
102. Warum der Mensch geschaffen wurde
Westaustralien
103. Die Speere von Willilambi
104. Das einsame Echo
105. Tjirri-Tjirri, die Bachstelze
106. Die Rettung der Adler-Insel
107. Die wilden Riesen D’anba
108. Gagamaran und Gonbaren, die Bringer der Gesetze und der Beschneidung
109. Das Regenbogenei
110. Der Trick mit dem Säugling
111. Die Verheißung des Wassers
112. Die Zwillinge
113. Die Vertreibung der Zwerge
114. Die stummen Schwestern
115. Wie Galalan sein Volk bestrafte
116. Wie das Land entstand
117. Der Schatten des Wondjina
118. Die steinerne Speerspitze
119. Die Strafe der Wondjina
Zentralaustralien
120. Der Auszug aus Winbaruka
121. Die Pungalunga-Riesen
122. Die Regenbogenschlange von Mount Olga
123. Mythen von Uluru (Ayers Rock)
124. Ninja, die Eismänner
125. Der Streit der Echsen
126. Der Streit der Emuhenne mit der Truthenne
127. Wolba, die Winde
128. Als das Feuer ausriß
119. Regenmann und Regenbogen
130. Ilia, die Emus
131. Die Entstehung der ersten Lebewesen
132. Karora, der Bandikutahne
133. Die Termitenfrau von Iloata
134. Die Känguruhs von Krantji
135. Die Geburt der Brachvögel und der erste Tod
136. Ankotarinja, der Urahne von Ankota
137. Der Ankotarinja-Gesang
138. Originalsprachlicher Text
Copyright

Freie Übersetzung

 

Einst lebten viele Hunde an einem Platz Papamama, westlich von dem Berge Merina. Sie hatten zwei Häuptlinge, Nukali und Aturu. Diese Hunde bissen immer Känguruhs tot. Nachdem sie das Fleisch gefressen hatten, kehrten sie nach ihrem Lagerplatz zurück. Eines Tages sahen sie, daß einige andere Hunde von Süden her kamen; ihre Häuptlinge hießen Ulburukwata und Puturutju. Die beiden Hundegesellschaften vereinigten sich. Der Häuptling Nukali erhob sich, er beroch fortwährend die von Süden hergekommenen Hunde. Dann versammelten sie sich und gingen alle zusammen auf die Jagd. Sie sahen Wild und umstellten dasselbe in weitem Kreis und schlossen es ein; fingen es und bissen es tot. Dann fraßen sie alles Fleisch dort auf. Nachdem sie gefressen hatten, kehrten sie wieder nach ihrem Lager zurück und warfen sich dort nieder und schliefen. Am anderen Morgen sagten Puturutju und Ulburukwata zu den beiden anderen Häuptlingen: »Wir beide werden nach Osten weiter gehen mit unseren vielen Hunden.« Die beiden anderen Häuptlinge entließen sie mit den Worten: »Geht nach Osten nach Toreara.« Am ersten Tag kamen sie nach Puntitara, dort töteten sie viele Känguruhs. Nachdem sie diese gefressen hatten, legten sie sich zum Schlafen nieder. Mit Morgengrauen standen sie wieder auf und gingen nach Itirka; dort sahen sie Känguruhs und bissen dieselben tot. Nachdem sie gefressen hatten, standen sie mit Morgengrauen auf und gingen nach Ilili: dort sahen sie viele graue Känguruhs und bissen sie tot und legten sich schlafen. Am nächsten Morgen standen sie auf und kamen nach Ulkapu. Hier sahen sie wieder viele graue Känguruhs und bissen sie tot. Nachdem sie geschlafen hatten, gingen sie nach Ilpi. Nachdem sie dort geschlafen hatten, gingen sie nach Ilkoaratara; dort sahen sie viele graue Känguruhs, bissen sie tot und fraßen sie auf. Nachdem sie dort geschlafen hatten, standen sie auf und gingen nach Alumurkanti. Dort fraßen sie wieder graue Känguruhs. Nachdem sie geschlafen hatten, gelangten sie ostwärts nach Nguntiala, den nächsten Tag nach Arandalpina und den folgenden nach Wilawaiina. Sie erblickten auf der Wanderung Wallabys und bissen sie tot. Dann gelangten sie nach Intjiïntjia, dort bissen sie graue Känguruhs tot und fraßen sie. Als sie am anderen Morgen aufgestanden waren, gingen sie nach Ulbmara und bissen dort Wallabys tot. Dann gelangten sie nach Arkularkujarka, wo sie die Fußspuren vieler Hunde erblickten. Nachdem sie weiter gegangen waren, hörten sie kleine Schwirrhölzer schwirren. Auf einem Bergrücken kamen sie alle zusammen und blieben zunächst unschlüssig stehen, dann warfen sie sich zum Schlaf nieder. Darauf hörten sie das raiankama-Rufen der Häuptlinge in Rotna; die dortigen Hundehäuptlinge waren Lturberaka und Lotiuka, diese riefen ihre jungen Leute zu Kultaufführungen zusammen. Der Häuptling Ulburukwata erhob sich und lief, gefolgt von seinem ganzen Gefolge, mit dem Ruf úrr-úrr-úrr zu den beiden Häuptlingen in Rotna, und nachdem sie sich mit den dortigen Hunden vereinigt hatten, gingen sie alle in die dortige Steinhöhle hinein, wo sie ermüdet in tjurunga verwandelt wurden.

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1. Wie das Land der Tiwi geschaffen wurde

Zu Anbeginn ruhte die Erde in steter Finsternis, Kälte und Stille. Die Erde war eine weite kahle Ebene ohne Form, ohne Bewegung, ohne Laut. In ihr ruhte Mudungkala, eine alte blinde Frau mit drei Säuglingen, dem Knaben Purukupali, und den beiden Mädchen Wuriupranala und Murupiangkala. Sie ruhte lange Zeit reglos und stumm. Dann erhob sich Mudungkala und brach durch die Decke der Erde. Sie trug ihre Kinder auf ihren beiden Schultern und kroch am heutigen Südostende von Melville Island auf die finstere Ebene. Dann nahm sie ihre Kinder und hielt sie gegen ihre Brust, während sie sich auf den Knien rutschend einen Weg durch die Finsternis tastete. Derart wanderte sie zunächst nach Norden, und Wasser begann in ihrer Kriechspur aufzuwallen. Das Wasser formte die Meeresenge zwischen Melville Island und der Coburg Peninsula auf dem Festland. Dann kroch Mudungkala nach Westen und schuf die Nordufer von Melville Island. Gelegentlich machte die alte Frau dabei Abstecher ins Landesinnere und schuf dergestalt verschiedene Meeresbuchten, einen Fluß, und den Eingang der Meeresenge zwischen Melville und Bathurst Island. Alsdann kroch Mudungkala in einem weiten Bogen nach Süden und Osten und formte dabei die West- und Südküste von Bathurst-Island. Dabei kamen ihr Zweifel an der Größe des Insellandes, das sie schuf. Daher begab sie sich nach Norden zum Eingang der Meeresenge, den sie bereits gebahnt hatte, und das Wasser, das in ihrer Spur folgte, trennte von nun an Bathurst Island, die Westinsel des Tiwilandes, von der großen Insel im Osten. Daraufhin tastete Mudungkala sich durch die Meeresenge zurück und kroch dann nach Osten, um zu ihrem Ausgangsort zurückzukehren. Dabei schuf sie die weite Meeresenge, die Melville Island nach Süden hin vom Festland trennt. Nachdem Mudungkala das Inselland geschaffen hatte, setzte sie ihre Kinder auf Meville Island ab und schuf Pflanzen und Tiere für sie. Dann entschwand sie nach Süden, und niemand weiß, wohin sie sich begab.

2. Die ersten Bewohner der Erde

Mudungkalas Sohn Purukupali und seine beiden Schwestern Wuriupranala und Murupiangkala wuchsen rasch heran und ließen sich in dem neuen Land nieder. Purukupali zog aus zu den Stätten der Seelenkinder Pitipitui, von wo er seinen Schwestern Seelenkinder mitbrachte, und so vermehrte sich die Bevölkerung der Insel. Purukupalis Schwester Murupiangkala hatte eine Tochter, die wiederum zwei Töchter und einen Sohn Tukumbini gebar. Tukumbini hatte eine Tochter Bima, die Purukupalis Frau wurde. Auch Purukupalis andere Schwester Wuriupranala hatte Nachkommen. Die verschiedenen Familien verteilten sich über die Insel und gründeten ihre eigenen Lagerstätten. Purukupali brachte Seelenkinder zu seiner Frau Bima, die sie an die anderen Frauen im Land verteilte. Purukupali und Bima selbst bekamen einen Sohn, der Djinini hieß.

3. Das erste Feuer

Die ersten Bewohner des Tiwilandes kannten weder Licht noch Wärme. Sie mußten ihre Nahrung im Dunkeln suchen und roh verzehren. Eines Tages saßen die beiden Männer Jurumu und Mudati beisammen und rieben zwei Holzstäbe gegeneinander. Plötzlich sahen sie einen Funken in einem der Stäbe glimmen, wo die Reibungshitze das pulverisierte Holz zum Glühen gebracht hatte. Jurumu, den diese unbekannte Erscheinung sehr erstaunte, legte das glühende Holz auf das Mark einer abgestorbenen Pandanuspalme und fachte es durch Blasen weiter an. Der glühende Funke wurde dabei größer und größer, und die Verwunderung der beiden Männer schlug in Furcht und Entsetzen um, als die Glut im Mark der Palme plötzlich in Flammen ausbrach. Jurumu und Mudati eilten zu Purukupali und flehten ihn an, die furchtbare Erscheinung rasch zu zerstören, bevor sie großes Unheil brachte. Doch als Purukupali sich der brennenden Flamme näherte und erkannte, daß sie Licht verbreitete und Wärme spendete, erklärte er den beiden verängstigten Männern, daß sie eine segensreiche Entdeckung gemacht hatten, die der Menschheit viel Gutes bringen konnte, da sie nicht nur Finsternis und Kälte vertreiben, sondern auch ihre rohe Nahrung in schmackhafte gegarte Speisen verwandeln würde. Daraufhin rief er seine Schwester Wuriupranala herbei, überreichte ihr einen Feuerbrand, den er an dem brennenden Baum angezündet hatte und gebot ihr, das Feuer stets zu hüten und am Leben zu erhalten. Alsdann gab er dem Mann Tjarapa einen kleineren Feuerbrand, und bald hatte jede Familie ein licht- und wärmespendendes Feuer.

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4. Die Entstehung des Meeres

Vor langer Zeit war alles Wasser auf der Erde Süßwasser. Eines Tages waren die beiden Männer Puruti und Jirakati dabei, in einem Sumpf Fische zu fangen, als sie bemerkten, daß sich die Blätter der Wasserlilien so stark bewegten, als schwämme ein großes Tier zwischen den Stielen der Lilien. Puruti ergriff seinen Speer und schleuderte ihn zwischen die Blätter, wo er das Tier vermutete. Doch war es kein Tier, das die Bewegung verursacht hatte, sondern seine eigene Mutter, die die Wurzeln der Wasserlilien sammelte. Purutis Speer durchbohrte ihren Hals, und mit einem Schmerzensschrei erhob sich die Frau aus dem Wasser und stürzte sich in das nahegelegene Meer, wobei sie aus Furcht und Schmerz eine Menge Wasser ließ. Ihr Blut und ihr Harn verunreinigten das frische Wasser des Meeres und verwandelten es in Salzwasser. Die verwundete Frau verwandelte sich in den Storch Jabiru, der nun am Rand der Süßwasserlagunen lebt. Ihr Sohn Puruti verwandelte sich in den Fischadler, und Jirakati, sein Gefährte, in den weißköpfigen Seeadler.

5. Das erste Krokodil

Jirakupai war ein ausgezeichneter Speermacher. Er verstand es nicht nur, vorzügliche männliche Speere, die Tunkaringa, herzustellen die eine Reihe von Widerhaken an einer Seite der Speerspitze aufweisen, sondern er fertigte auch sehr gute, kleine, weibliche Speere, die Tunkaguni an, deren Speerspitzen an beiden Seiten mit langen Widerhaken versehen sind. Eines Tages, als Jirakupai gerade eine Anzahl dieser Speere vollendet hatte, wurde er von einer Bande von Unholden überfallen, die ihn aus einem Hinterhalt angriffen und viele Speere in seinen Rücken schleuderten. Jirakupai zog die Speere aus seinen Rükkenwunden, wobei er jedesmal laut aufheulte, und warf sie zurück auf seine Angreifer. Dann ergriff er seine eigenen Speere und stürzte sich mit gellenden Schreien in die See.

Jirakupais Frauen verwandelten sich in den Nachtreiher und den Mangrovenreiher, um der Gefangennahme und Vergewaltigung zu entgehen. In der folgenden Nacht verwandelte Jirakupai sich in das Salzwasserkrokodil. Die Speerwunden auf seinem Rücken waren verheilt, hatten aber tiefe Narben und Furchen hinterlassen, sein Mund hatte sich durch die vielen Schmerzensschreie in ein langes Maul verwandelt, und sein Bündel Speere war in einen langen Schwanz umgestaltet, an dessen Ende die Widerhaken eines männlichen Speers emporragten.

6. Die erste Eifersucht

Mudati und Jurumu, die das Feuer entdeckt hatten, waren lange Zeit Gefährten, bis sie sich eines Tages wegen einer Frau zerstritten. Die junge Frau hieß Parabruma, und beide Männer begehrten sie als Gattin. Parabruma war Mudati sehr zugetan, und Jurumus Eifersucht trieb ihn zu einem schändlichen Racheakt. Jurumu schnitzte eine Anzahl scharf zugespitzte Stäbe, die er in dem Grasnest eines Bandikuts versteckte, so daß ihre Spitzen nach oben deuteten. Er bedeckte die scharfen Stäbe sorgfältig mit Gras. Dann ging er zu Mudati und schlug ihm vor, gemeinsam mit ihm auf Bandikutjagd zu gehen. Jurumu führte Mudati zu dem Bandikutnest, in dem er die spitzen Hölzer versteckt hatte, und gab vor, von Jagdeifer gepackt zu sein. In gespielter Aufregung bedrängte er seinen Jagdgefährten, auf das Nest zu springen, bevor das Bandikut entweichen konnte. Aber Mudati wollte lieber warten, bis das Bandikut aus dem Nest lief, damit er es mit seinem Speer erlegen konnte. Jurumu mußte all seine Überredungskunst anwenden, um Mudati davon zu überzeugen, daß sein Vorschlag der erfolgversprechendere war. Schließlich sprang der ahnungslose Mudati mit voller Wucht auf das Nest, das Jurumu in eine gemeine Falle für ihn hergerichtet hatte. Laut schrie er, als die scharfen Hölzer seine Füße durchbohrten, und er fiel nieder auf die Erde. Dann verwandelte er sich in einen Häher und flog davon.

Sobald Jurumu den Häher entschwinden sah, eilte er zu Parabruma, doch diese lehnte seinen Heiratsantrag empört ab, da sie über seine Missetat an Mudati Bescheid wußte. Enttäuscht und erzürnt über die Ablehnung ergriff Jurumu sein Wurfholz und hieb Parabruma damit über beide Wangen, bis ihr die Gesichtshaut in langen Fetzen von Lippen und Wangen herabhing. Um Jurumus Zorn zu entweichen, verwandelte sie sich in den Maskenkiebitz. Noch heute trägt dieser Vogel die länglichen Hautlappen als Merkmal, und sein Ruf ist der Klageruf Parabrumas, mit dem sie sich in die Lüfte erhob.

7. Verbotene Liebe

Jurumu, seine Gattin Narina und deren Bruder Kilpuruni lebten zusammen in einem Lager. Kilpuruni war unverheiratet und sehnte sich nach einer Frau. Eines Tages begann er, seine eigene Schwester zu begehren. Narina hatte sich in den Wald begeben, um Nahrung für ihren Gatten zu sammeln. Kilpuruni war ihrer Spur gefolgt, und als er sie fand, bat er sie um etwas Eßbares. Narina bot ihm Opossumfleisch an, doch er behauptete, ihm schmecke diese Sorte Fleisch nicht sehr. Da bot sie ihm Honig an, doch er lehnte auch den Honig ab. Nachdem Narina ihm noch mehrere Nahrungsmittel angeboten und er sie jedesmal abgelehnt hatte, gestand Kilpuruni, daß er keine Nahrung, sondern Narina selbst begehrte. Entsetzt wehrte Narina seine Annäherungsversuche ab und wies ihn darauf hin, daß Geschwisterliebe unmöglich sei, doch Kilpuruni bedrängte sie so sehr mit Schmeicheleien, Worten und Gesten, daß sie seinem Verlangen schließlich doch nachgab und seinen Wunsch erfüllte. Danach hatte sie jedoch ein so schlechtes Gewissen, daß sie reumütig zu ihrem Mann ins Lager zurückkehrte und ihm von dem Vergehen berichtete. Jurumu war sehr erzürnt und bestrafte Narina auf der Stelle, doch erwähnte er seinem sündigen Schwager gegenüber nichts von dem Vorfall. Er zog es vor, einen günstigen Moment abzuwarten, um sich an Kilpuruni zu rächen. Eines Tages befanden sich beide Männer auf einem Beutezug und waren auf einen hohen Eukalyptusbaum geklettert, um nach Honig zu suchen. Da zeigte Jurumu seinem Schwager ein wildes Bienennest am Ende eines langen Astes und bat ihn, dieses Nest auszuheben. Als Kilpuruni vorsichtig auf das Nest zu kletterte, schlug Jurumu den Ast ab, und Kilpuruni fiel aus dem Baum. Der schwere Ast fiel auf Kilpuruni, ehe dieser Zeit hatte, sich zu erheben, und drückte ihn breit und platt. Kilpuruni verwandelte sich in die flache Deckenechse. Narina, seine Schwester, verwandelte sich in den schwarzen Kakadu, und der rachelustige Jurumu stieg als Adler in die Höhe, der auch heute noch Ausschau hält nach der Deckenechse, dem Verführer seiner Frau.

8. Der erste Tod

Purukupali und Bima hatten einen kleinen Sohn Djinini. Bima nahm Djinini tagsüber mit auf Nahrungssuche, und wenn er müde wurde, legte sie ihn in den Schatten eines Baumes zum Schlafen. Purukupali und Bima waren glücklich miteinander, bis eines Tages ein anderer Mann namens Tjarapa Bima dazu überredete, den schlafenden Djinini eine Weile sich selbst zu überlassen, und mit ihm zu gehen. Tjarapa schmeichelte und bedrängte Bima so lange, bis sie schließlich einwilligte und ihren schlafenden Sohn verließ, um sich mit Tjarapa in den Busch zu stehlen. Es war ein sehr heißer Tag, und Bima vergaß die Zeit. Als sie endlich zu ihrem Kind zurückkehrte, war der Schatten des Baumes längst weitergewandert, und Djinini lag tot in der grellen Sonnenhitze. Als Purukupali erfuhr, wie sein Sohn umgekommen war, kannte seine Trauer und seine Empörung keine Grenzen. In blinder Wut hieb er mit seinem Wurfholz auf Bima ein, um sie für ihre Eigensucht und Pflichtvergessenheit zu bestrafen. Bima entfloh in den Wald. Tjarapa, dessen Reue über den traurigen Ausgang seiner Begehrlichkeit für Bima groß war, flehte Purukupali an, ihm den Leichnam Djininis zu überlassen, damit er ihn in drei Tagen wieder zum Leben erwecken könnte. Doch Purukupali forderte Tjarapa zum Zweikampf. Beide Männer fochten einen langen und erbitterten Kampf und fügten einander tiefe Wunden zu, bis sie schließlich völlig erschöpft und schwerverwundet zu Boden fielen. Dann erhob sich Purukupali und nahm seinen toten Sohn in die Arme. Rückwärts schreitend watete er in die See und verkündete dabei, daß von nun an allen Lebewesen auf der Erde das gleiche Schicksal wie seinem Sohn, der Tod, beschieden sei. An der Stelle, wo Purukupali mit Djinini versank, bildete sich ein gewaltiger Wasserstrudel, der auch heute noch so gefährlich ist, daß sich niemand in seine Nähe wagt. Tjarapa ergriff seinen Feuerbrand und stieg damit in den Himmel auf, wo er sich in den Mond verwandelte, der heute noch die Narben der Wunden trägt, die ihm Purukupali zugefügt hatte. Auch Tjarapa unterliegt dem Schicksal des Todes und stirbt immer wieder, doch nach drei Tagen ruft er sich jedesmal wieder ins Leben zurück und tritt seine Himmelswanderung aufs neue an. Bima, die in den Wald geflohen war, nahm die Gestalt des Brachvogels an, dessen laute Klagerufe noch heute allnächtlich das Leid verkünden, das Bima um den Tod ihres Kindes und um das Unheil empfand, das ihr Handeln der Welt bescherte.

9. Tukumbini, der die Gesetze schuf

Als Purukupalis Neffe Tukumbini vom Tod seines Onkels erfuhr, rief er die Urbewohner des Tiwilandes zu einer großen Pukamunizeremonie, dem Begräbnisfest, zusammen. Nach Beendigung der Pukamunizeremonien, die auch heute noch im Tiwiland nach der Tradition der ersten Feier abgehalten werden, versammelte Tukumbini die Festteilnehmer und legte ihnen die Gebote und Gesetze dar, die von nun an den Lauf des Lebens bestimmen würden. Er erklärte ihnen ihre Verhaltensmaßregeln und erläuterte ihnen die Gesetzlichkeiten, nach welchen zukünftige Ehen geschlossen und Stammeseinteilungen und -Beziehungen geregelt seien. Dann legte Tukumbini die Einteilung der Zeit in Tag und Nacht fest und sandte sein Volk zurück zu ihren alten Lagerplätzen, wo sie ihre Totemstätten einrichten sollten. Wuriupranala, die Sonnenfrau, und Tjarapa, der Mondmann stiegen in den Himmel auf, um ihre ewigen Wanderungen anzutreten. Auch die anderen Himmelsgestirne zogen in ihr neues Land, und auf der Erde verwandelten sich die Einwohner in die verschiedenen Tier- und Pflanzentotems. Tukumbini selbst verwandelte sich in den gelben Honigfresser, dessen Gesang in der Morgendämmerung die Menschen weckt und den neuen Tag ins Leben ruft.

10. Die Männer der Milchstraße

Unter den vielen Leuten, die an Purukupalis Pukamunizeremonien teilnahmen, befanden sich die Maludaianini. Obwohl die Männer der Maludaianini viele Frauen besaßen, stahlen sie sich häufig mit den Frauen anderer Männer in den Busch, was schließlich so viel Eifersucht und Ärger verursachte, daß zwischen den Maludaianinimännern und den anderen männlichen Teilnehmern der Pukamunifestlichkeiten ein erbitterter Kampf ausbrach, in welchem viele Maludaianini ihr Leben verloren. Daraufhin entflohen die übrigen Maludaianini, die noch mit ihrer zeremoniellen Körperbemalung geschmückt waren, in den Nachthimmel hinauf, wo sie die Milchstraße bildeten. Ihre Frauen wurden die zahlreichen Sterne in der Nähe der Milchstraße. Wenn sich heute nach dem Untergang der Sonnenfrau die Nacht über die Erde breitet, und die Sterne und die Lichter der Milchstraße zu leuchten beginnen, reiben die Maludaianini den getrockneten Schweiß von ihren Körpern, der dann zur Erde schwebt und in die Augenlider der Menschen rieselt. Dann werden die Lider so schwer, daß sie ständig zufallen und sich schließlich nicht mehr öffnen, bis Tukumbini am nächsten Morgen die Menschen wieder in einen neuen Tag singt.

100. Murdu – die Einteilung der Stämme

Nachdem die Schöpfung der Welt vollendet war, heirateten Brüder und Schwestern und andere nahe Verwandte wahllos untereinander, bis die schlimmen Folgen einer solchen Willkür deutlich zutage traten. Da wurde eine große Versammlung zusammengerufen, doch niemand wußte den rechten Rat. Nach langem Hin und Her wurde schließlich beschlossen, den guten Schöpfergeist Muramura um Rat zu bitten. Dieser gebot nach kurzer Überlegung, daß der Stamm in verschiedene Zweige aufgeteilt werden sollte. Jeder Zweig sollte einen Namen von einer anderen Naturerscheinung ableiten, wie Hund, Känguruh, Emu, Regen, Wind, und so weiter. Und daß die Angehörigen eines solchen Zweiges zwar mit seiner Erlaubnis miteinander verkehren, aber nicht untereinander heiraten können. Und daß deswegen dem Sohn eines Hundes die Heirat mit einer Tochter eines Hundes untersagt sei, aber daß er durchaus der Mann einer Beutelratte oder eines Emus sein könnte. Und so war von nun an die erste Frage an einen neuankommenden Fremdling stets: »Welcher Familie gehörst du an?« – »Was ist dein Murdu?«

101. Mutter Sonne erweckt die Welt zum Leben

Einst lagen Finsternis und Stille über der Erde, und nichts regte sich auf ihrer öden Oberfläche. In einer tiefen Höhle unter der Nullarbor Ebene schlief eine wunderschöne Frau, die Sonne. Der mächtige All-Vater weckte sie sanft und gebot ihr, aus ihrer Höhle zu steigen und die Welt zum Leben zu erwekken. Mutter Sonne schlug ihre Augen auf und die Finsternis verschwand, als ihr strahlender Blick über die Erde glitt. Sie holte tief Atem, und die Luft veränderte sich und erzitterte, und ein milder Wind wehte über das Land.

Mutter Sonne begab sich auf eine lange Wanderung von Ost nach West, und von Nord nach Süd. Sie wanderte über das öde Land und überall, wo ihre sanften Strahlen die Erde berührten, kamen Gräser, Büsche und Bäume zum Vorschein, bis das nackte Land mit einem Pflanzenkleid bedeckt war. In den dunklen Erdlöchern und Erdhöhlen fand Mutter Sonne Lebewesen, die wie sie selbst dort seit undenklicher Zeit in tiefem Schlummer gelegen hatten. Sie rüttelte die Insekten aus ihrem Schlaf und sandte sie in die Gräser und in die Bäume und Büsche. Dann erweckte sie die Schlangen und Eidechsen und all die anderen Reptilien, und sie krochen aus ihren Erdlöchern und belebten die Erde. In der Spur der Schlangen bildeten sich Wasserläufe, in deren Wasser sich die Fische und die anderen Wasserlebewesen verbreiteten. Dann rief die Sonne die übrigen Tiere ins Leben, und sie verteilten sich über die Erde und bevölkerten sie. Dann sprach Mutter Sonne zu ihnen und erklärte, daß sich die Zeiten des Jahres von kalt in heiß, und von feucht in trocken verändern würden und schuf so die Jahreszeiten. Dann wanderte sie den Himmel entlang weit hinüber in den Westen, der Himmel färbte sich rot, und die Sonne verschwand aus der Sicht der Tiere. Als sich die Finsternis wieder über die Erde legte, verbreiteten sich Furcht und Schrecken unter allen Lebewesen, und sie versammelten sich und kauerten eng aneinander in ihrer großen Angst. Doch dann färbte sich der Himmel wieder rot, und die Sonne stieg im Osten wieder in den Himmel empor. Und von nun an schenkte die Sonne täglich den Lebewesen auf der Erde eine Zeit des Lichtes, in der sie ihren Angelegenheiten nachgehen konnten, und eine Zeit der Dunkelheit, in der sie sich von den Anstrengungen des hellen Tages erholen und ruhen konnten.

102. Warum der Mensch geschaffen wurde

Einige Zeit, nachdem die Sonne die Tiere geschaffen hatte, begannen diese, über die Formen und Eigenarten anderer zu spotten, was große Ärgernis, heftige Streitereien und erbitterte Kämpfe zur Folge hatte. Schließlich begannen die einzelnen Tierfamilien einander zu töten. Voll Kummer und Gram blickte die Sonnenmutter auf die Erde hinab und sah, wie die Geschöpfe, die das Licht und die Wärme ihrer Strahlen ins Leben gerufen hatte, sich gegenseitig vernichten wollten.

Sie rief den weisen Rat des großen All-Vaters zu Hilfe. »Ich glaubte, einen Plan ins Werk gesetzt zu haben, der alles Leben auf Erden ordnet und regelt. Doch unter den Pelztieren, den Vögeln, den Echsen und den Fischen fehlt diese ordnende Vernunft. Wir müssen ein Wesen erfinden, das sie alle zu der ursprünglichen Ordnung zurückführt.« Dann beschlossen Sonnenmutter und All-Vater, den Menschen als Wächter dieser Ordnung einzusetzen.

Daraufhin kehrte die Sonne ein letztes Mal auf die Erde zurück und befahl den Winden, in alle Richtungen zu wehen und den Lebewesen die Kunde von ihrer Ankunft zu übertragen. Die Winde gehorchten ihr und wirbelten und fegten in alle Himmelsrichtungen davon. Sie tobten über das Meer und warfen gewaltige Wogen auf. Sie stürmten über die Berge und schleuderten Steine und Felsbrocken umher. Furcht und Schrecken verbreiteten sie unter den Tieren, die zusammenliefen, um sich eine Zufluchtsstätte zu suchen. Sie versammelten sich in einer großen Höhle, wo sie vor den tobenden Stürmen sicher waren. Die Sonne ging unter, und die Stürme verebbten. Zitternd vor Angst kauerten die Tiere in der Höhle.

Als die Sonne am folgenden Morgen ihr Licht über die Erde gleiten ließ, war kein Laut zu vernehmen. Die Tiere verharrten in der Höhle, stumm und reglos vor Furcht. Da näherte sich der Höhle ein äußerst heller Lichtschein. Ein alter Waran begab sich zum Höhleneingang und schaute vorsichtig nach draußen. »Was siehst du?« fragten die anderen Tiere. »Ich sehe etwas Wundersames, ein leuchtendes Ungeheuer mit einem riesigen Auge. Es ist so groß wie der Mond.« Dann sagte der Waran zum Adler: »Schau du es dir an und sag uns, was du siehst«. Der Adler blickte hinaus und erklärte: »Ich sehe eine Gestalt, die etwas größer ist als ein Känguruh. Ihre Augen sind kleiner als die des Warans, aber sie leuchten, sie leuchten hell, so hell, daß ich unter ihrem Blick erzittere!« Nun bat der Adler den Raben hinauszublicken, doch der Rabe fürchtete sich zu sehr vor dem Ungeheuer und erfand eine Ausrede. Da verspottete ihn der Königsfischer und lachte ihn aus.

Jedermann wußte, daß der Rabe einer der besten Krieger war, und so verwunderte es alle sehr, daß er nicht den Mut aufbrachte, hinauszuschauen. Um so verwunderlicher war es, daß er den Königsfischer nicht angriff, der ihn der Feigheit bezichtigt hatte. Nach und nach jedoch warfen alle Tiere einen scheuen Blick auf das fremdartige und ehrfurchtgebietende Wesen, das vor ihrer Höhle den blendenden Lichtglanz ausströmte. Niemand konnte es deuten. Drei Tage lang blieben die Tiere im Höhleninneren. Drei Tage lang wuchsen in ihnen Hunger und Durst. Dann fielen die Starken über die Schwachen her und aßen ihr Fleisch und tranken ihr Blut.

Da trat das Lichtwesen in den Eingang der Höhle und rief die Bachstelzen zu sich. »Geht in die Höhle und verkündet allen Lebewesen, daß sie sich zu jenem Berg begeben sollen, um zu erfahren, wer ich bin!«

Die Tiere folgten dem Gebot, traten aus der Höhle, sammelten Nahrung und begaben sich zu dem Berg. Da sahen sie, daß sich im Westen, Osten, Norden und Süden vier Säulen erhoben, die wie hohe Rauchfahnen aussahen. Dann begannen die Säulen sich zu drehen und im Kreis über die Ebene auf sie zuzuwirbeln. Näher und näher kamen sie an den Berg heran. Neue Furcht und neuer Schrecken verbreiteten sich unter den Tieren, aber die Bachstelze beruhigte sie: »Fürchtet euch nicht. Es ist der Urvater der Menschen, der sich nähert.«

Die vier umherwirbelnden Säulen näherten sich einander und vereinigten sich schließlich zu einer mächtigen Säule, die eine Zeitlang stillstand. Sie sah nun wie eine Wassersäule aus, die langsam niedriger und niedriger wurde. Dann näherte sie sich dem Berggipfel. Auf dem Gipfel angelangt, nahm sie die Form eines riesigen Pilzes an. Ein Blitzschlag spaltete diese Form und offenbarte den Tieren die Gestalt des ersten Menschen, die der All-Vater mit seinen eigenen Gaben der Einsicht, des Verstandes, der Vernunft und der Weisheit ausgestattet hatte. So betrat der erste Mensch die Erde. Er stieg den Berg hinab und begab sich unter die Tiere, um mit ihnen zu reden. Als die Sonnenmutter sah, daß ihr Werk vollbracht war, stieg sie zurück in den Himmel. Danach kehrte sie nie wieder zur Erde zurück.

103. Die Speere von Willilambi

In Dhoogoor, der Traumzeit, verbreitete der Adlermann Walja Furcht und Schrecken unter den Willilambileuten. Walja lebte mit seiner Frau und ihren beiden Söhnen im Norden, und häufig näherte er sich dem Lager der Willilambi, um einen lauten Ruf erschallen zu lassen, woraufhin jedesmal ein Knabe der Willilambi starb. Und jedesmal, wenn Walja einen Zweig von ihrem großen Wardabaum brach, starb ebenfalls einer ihrer Knaben.

Die Männer erkannten, daß ihr Stamm bald aussterben würde, da kaum noch Knaben am Leben waren, die durch die Riten der Initiation geführt werden konnten. Sie wußten auch, daß sie den mächtigen Feind Walja nicht töten konnten, da ihre Speere zu weich und zerbrechlich waren, um die harte Haut des großen Adlermannes zu durchbohren. Am meisten fürchteten sie sich davor, daß Walja eines Tages ihren riesigen Wardabaum, der den Himmel abstützte, fällen würde, denn dann würde der Himmel über ihnen einstürzen und alle Menschen und Tiere erschlagen und ewige Finsternis verbreiten.

Da kamen eines Tages zwei mächtige Brüder von riesigem Wuchs in das Lager der Willilambileute: Badhu-Wudha, der Rechtshänder, und Kurulba, der Linkshänder. Als sie von dem Kummer und der Not der Willilambi erfuhren, versprachen sie, ihnen zu helfen. Die beiden Brüder besaßen starke, glatte Speere aus Hartholz mit scharfen, scharfen Speerspitzen. Sie versprachen, die üble Adlerfamilie mit diesen Waffen zu töten und dann die Willilambimänner in der Herstellung dieser vorzüglichen Speere zu unterrichten.

Badhu-Wudha und Kurulba beschworen einen heftigen Sturm aus dem Norden herauf, und als sich der Sturm über die Ebene näherte, fachten sie unter dem riesigen Wardabaum ein großes Feuer an. Sie bewegten sich dabei sehr behutsam und vorsichtig, da sie so groß waren, daß ihre normalen Schritte die Erde erzittern ließen, und daß dadurch der Wardabaum hätte niederfallen und den Himmel mit sich reißen können. Dann versteckten sie sich hinter den anderen Bäumen.

Der mächtige Nordwind verdunkelte die Erde und trug Walja und seine Familie unter den Wardabaum. Die Adler falteten ihre Flügel eng an ihre Körper, um nicht weiter fortgetragen zu werden. Walja verkündete seiner Familie, daß dies ihr neuer Wohnort werden sollte, und als seine Frau und seine Söhne Nahrung fanden, garten sie diese in dem großen Feuer unter dem Wardabaum.

Mittlerweile hatten die Brüder Badhu-Wudha und Kurulba die Adlerfamilie genau beobachtet. Nach ihrer Mahlzeit hatten die Adler sich schlafen gelegt. Die Brüder hakten ihre Speere in ihre Speerschleudern ein. Dann schleuderte Badhu-Wudha, der Rechtshänder, seinen Speer auf Walja, den Adlermann, und Kurulba, der Linkshänder, schleuderte seinen Speer auf Yaggula Walja, die Adlerfrau. Die Adler schrieen und flogen mit den Speeren im Körper davon. Da fürchteten die Adlerjungen sich und versteckten sich hinter den Bäumen, aber Badhu-Wudha verfolgte sie und tötete sie. Als die Adlereltern kurz darauf zurückkehrten, um nach ihren Kindern zu suchen, tötete Badhu-Wudha auch sie.

Alsdann wirkten die beiden Brüder einen neuen Zauber, und viele Hartholzbäume schossen um das Lager der Willilambi aus dem Erdboden hervor. Daraufhin zeigten sie den Männern, aus welchem Holz sie gute, starke Speere und Speerschleudern herstellen konnten. Und nie mehr brauchten sich die Willilambi vor den Adlern zu fürchten, denn von nun an hatten sie immer gute Speere, mit denen sie sich verteidigen konnten.

Nachdem Badhu-Wudha und Kurulba sie von der Schreckensherrschaft der Adler befreit hatten, stiegen sie in den Himmel auf. Und wenn ein alter Willilambimann stirbt, streckt Badhu-Wudha seine rechte Hand aus und holt ihn hinauf in den Himmel. Und wenn eine alte Willilambifrau stirbt, streckt Kurulba seine linke Hand zur Erde und holt sie in den Himmel.