Die magische Streitaxt

Alfred Bekker

Diese Erzählung ist auch in dem Roman „Nebelwelt - Das Buch Whuon" enthalten.

Der Text wurde in alter Rechtschreibung belassen.




***



Unwirtlich erhoben sich die ewig wandernden Sanddünen aus der hügeligen Einöde der Wüste von

Ty'kien, die in dieser Gegend bereits in fruchtbareres Land überzugehen begann.

Überall sah man kleinere Grasbüschel wachsen, die einen erbitterten Kampf um die Vorherrschaft mit dem Sand ausfochten.

Nach wenigen Tagen anstrengender Reise überschritten die beiden Reisenden dann die Grenze nach Lutonien, die eigentlich nur auf den Landkarten existierte. Es gab keine gültigen Markierungen, da Ty'kien und Lutonien sich nie über ihren Verlauf hatten einigen können -

und die Nomaden, die dieses Gebiet bevölkerten, kümmerten sich ohnehin nicht um Grenzen.

Die Wüste ging in Grasland über, aus den Dünen wurden bewachsene Hügel.

Eine schöne Gegend, dachte Whuon, während er einen stummen Blick mit Dranth, seinem Begleiter wechselte.

Da!

Raschelte da nicht etwas?

Bewegte sich dort nicht etwas unter dem Strauch?

Whuon zügelte sein Pferd. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.

Ein schwarzes Ding oder Wesen kam unter dem Gestrüpp hervor.

"Dranth!"

"Was ist?"

"Dort!" rief Whuon und deutete auf das Schattenwesen.

Aber da war es bereits wieder verschwunden.

"Was ist los?"

Dranth schien besorgt.

"Nichts", stammelte Whuon. "Es ist nichts..."

***

In den folgenden Tagen hatte Whuon ständig das Gefühl, verfolgt zu werden, obwohl sich vermutlich in einem Umkreis von einem Tagesritt außer ihm und Dranth kein Mensch in dieser Gegend aufhielt.

Und doch -

Oft hatte er das Gefühl, jemand sei hinter ihm. Wenn er sich dann umdrehte war dort natürlich weit und breit niemand.

Schließlich rang er sich dazu durch, mit Dranth über die Sache zu sprechen.

"Könnte es sein, daß wir verfolgt werden?" fragte Whuon behutsam.

Dranth lächelte. "Ich wüßte nicht, von wem und aus welchem Grund."

"Mir ist aber so, als hätte sich jemand - oder etwas - seit geraumer Zeit an unsere Fersen geheftet."

"Ich habe nichts bemerkt", behauptete Dranth.

"Dann paß bitte in Zukunft auf, Dranth!"

"Whuon!"

"Ja, ja, schon gut." Er seufzte. "Vielleicht bin ich auch nicht mehr ganz bei Sinnen..."

"Das will ich nicht hoffen!"

Zwei listige Augen sahen unter Dranths breiter Hutkrempe hervor. "Aber ich werde aufpassen. Ich habe immer aufgepaßt, den ganzen Weg lang. Doch ich habe wirklich nichts bemerkt. Was willst du denn gesehen haben?"

"Ein schwarzes Wesen. Es hatte keine bestimmte Form und große Ähnlichkeit mit einem Schatten oder einer Gaswolke..."

Dranth runzelte die Stirn.

"Soetwas gibt es nicht, das weiß jedes Kind. Und wie sollte uns eine Wolke oder ein Schatten schon gefährlich werden?"

"Es ist ein Gefühl... Ich - "

"Vielleicht hast du nur deinen eigenen Schatten gesehen und hieltest ihn für einen Feind, Whuon."

"Dranth! Das Wesen war echt! Und bestimmt nicht mein eigener Schatten."

Whuons Stimme klang hart und etwas blechern. Dranth zuckte nur mit den Schultern.