Der Meistermediator

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Herausgegeben von Dr. Amin Talab

 

 

Der

 

Meistermediator

 

Lehrbuch

 

 

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Verlag

 

 

.comeon Bücherreihe

Copyright © 2013 Dr. Amin Talab

.comeon Bücherreihe

Millennium City, Wehlistraße 55/4, 1200 Wien, Österreich

Verlagsnummer: 3-9502269

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.

Lektorat: Anna Talab

Zeichnungen: Anna Talab

eBook ISBN 978-3-9502269-4-2

Paperback edition available with ISBN 978-3-9502269-2-8

PRESSESTIMMEN

Die "Metaphernbrücke" in Kombination mit "zirkulären Fragen" und dem "4-Ohren-Modell" gehören zur kommunikationstechnischen Grundausstattung eines jeden Mediators. [...] wie sie am effizientesten eingesetzt werden, um zwischenmenschliche Konflikte zu entschärfen, zu lösen oder gänzlich aus der Welt zu schaffen, beschreiben Fachleute im Werk "Der Meister-Mediator"

Öffentliche Sicherheit 11-12/11

Dabei werden dem Leser vier kleine Figuren zur Seite gestellt, die die Seiten des Buches zieren und diesem Struktur geben: Der "Meister-Mediator", der Tipps und Tricks verrät, der "mutige Mediator", der zum Ausprobieren auffordert, der "verwirrte Mediator", der typische Fehler aufzeigt und der "forschende Mediator" der Theorie und Hintergründe erläutert.[...] In Form von Merksätzen und Checklisten werden dabei die wichtigsten Punkte hervorgehoben.

Öffentliche Sicherheit 11-12/11, Seite 111

Vorwort und Benutzerhinweise

Dieses vor Ihnen liegende Buch der .comeon Meisterserie www.masterbooks.at wartet darauf von Ihnen benützt zu werden. Es soll Ihnen helfen, Konflikte für sich und andere besser zu verstehen und als Mediator aber auch in eigener Sache zufriedenstellender und effektiver lösen zu können.

Dieses Lehrbuch hilft, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was Mediation bedeutet, wie dieses Konfliktlösungsverfahren aufgebaut ist, mit welchen Kommunikationsmodellen gearbeitet wird und welche ökonomisch-rechtlichen Aspekte und Rahmenbedingungen zu beachten sind.

Um unsere humanistische Philosophie und den lustvollen Aspekt des Lernens zu betonen, stellen wir Ihnen einige Mediatoren an die Seite, die Sie durch dieses Buch begleiten werden:

Der Meister Mediator gibt Tipps und Tricks:   Der mutige Mediator fordert zum Ausprobieren auf:

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Der verwirrte Mediator zeigt (typische) Fehler auf:   Der forschende Mediator erläutert Theorie & Hintergründe:

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Wir freuen uns über Rückmeldungen an office@comeon.at

Vorwort: Über dieses Lehrbuch

Das Thema Mediation ist modern und in aller Munde. Sowohl die rasante gesetzliche als auch die gesellschaftliche Entwicklung in Europa begünstigen diese steigende Bedeutung. Ebenso steigt das Interesse der Allgemeinheit, wie wir auch an den Anmeldezahlen unseres Mediationslehrgangs erkennen können.

Dieses Buch ist für alle gedacht, die diesen alternativen Konfliktlösungsmechanismus besser verstehen wollen: Es bietet einen Überblick über Grundlagen, Mediationsschritte und -methoden. Wir möchten ein Basiswerk zur Verfügung stellen, das Sie bei der Mediationsausbildung unterstützt und/oder Ihnen dabei hilft, die nützlichen Elemente und Methoden der Mediation in Ihrem Arbeitsbereich in der Form der integrierten Mediation einzusetzen.

Wir beleuchten aus unterschiedlichen Blickwinkeln1, was unter dem Begriff Mediation verstanden wird und zeigen Ihnen, worauf Sie achten und wie Sie vorgehen sollten, wenn Sie aufgefordert sind, einen Konflikt zu mediieren. Haltung, Einstellung und Elemente der Mediation sind aber viel mehr als nur eine Methode. Viele Teilnehmer2 berichten uns, dass das dahinterstehende Weltbild eine positive Veränderung in ihrem Leben hervorgerufen hat. Ich hoffe, unser Buch trägt dazu bei und lässt Sie Konflikte als Chance sehen.

Willkommen in der Welt der Mediation!

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Dr. Amin Talab (Hrg.)

P.S. Meine lebenslange Garantie als Autor: Als Extraservice und „Danke“ für Ihren fairen Kauf dieses eBooks schenke ich Ihnen alle Neuauflagen und updates dieses eBooks und nehme Sie kostenfrei in meinen Newsletter auf. Schreiben Sie mir dafür einfach Ihren Namen, e-mail, Kaufdatum und –ort und Sie erhalten die Neuauflage und MeisterNews von mir automatisch zugesendet.

Abkürzungsverzeichnis

ASoK Arbeits- und SozialrechtsKartei
ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch
Abs Absatz
AußStrG Außerstreitgesetz
BAG Berufsausbildungsgesetz
BM Bundesminister(ium)
BEinstG Behinderteneinstellungsgesetz
EGVG Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrens- gesetzen
BGBl. Bundesgesetzblatt
BGStG Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz
FLAG Familienlastenausgleichsgesetz 1967
GewO Gewerbeordnung
GTG Gentechnikgesetz
Hg Herausgeber
idF in der Fassung
iVm in Verbindung mit
IDR Journal of international dispute resolution
lit litera
NO Notariatsordnung
RAO Rechtsanwaltsordnung
RL Richtlinie(n)
StPO Strafprozessordnung
SVA Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft
UVP-G Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz
Z Ziffer
z.B. zum Beispiel
ZAS Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht
ZivMediat-AV Zivilrechts-Mediations-Ausbildungsverordnung
ZivMediatG Zivilrechts-Mediations-Gesetz
ZPO Zivilprozessordnung

KAPITEL 1:
GRUNDZÜGE DER MEDIATION

Die wunderbare Welt der Mediation

Die Mediation ist eine Methode der außergerichtlichen Konfliktlösung und zählt zu den alternativen Konfliktlösungsverfahren (ADR). Sie hat zum Ziel, durch die Unterstützung einer außenstehenden Person, des Mediators, eine für alle Konfliktparteien akzeptable, tragbare Lösung herbeizuführen. Dazu bedient sie sich eines strukturierten Verfahrens und bestimmter Kommunikations- und Fragetechniken. Sie erfordert ein grundlegendes Verständnis von Konflikten und Lösungsmechanismen und eine vertrauliche, ergebnisoffene Grundhaltung.

Es ist diese Haltung und die Grundgedanken und Prinzipien der Mediation, welche sie so wunderbar machen. Mediation ist mehr als nur ein Beruf oder hilfreiche Techniken. Es ist eine Einstellung, eine Lebensart, ein Umgang mit sich selbst und anderen.

Der Begriff „Mediation“

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Der Begriff Mediation wird vielseitig und teilweise mit unterschiedlicher Bedeutung eingesetzt. Ursprünglich heißt mediieren vom lateinischen medere „heilen“. Heil liegt in der (ge)rechten Mitte, lat. „Medium“ und ist mit dem Begriff „moderatio/moderare“, dem „mäßigen“, „in Schranken weisen“, „lenken“, „steuern“ des Moderators verwandt.

Durch den Mediator findet eine Moderation ohne Beratung statt. Erfolgreich ist sie, wenn eine einvernehmliche Lösung entwickelt und vereinbart wird.

Das Zivilrechtsmediationsgesetz definiert Mediation in Österreich in § 1 Abs. 1 als:

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„eine auf Freiwilligkeit der Parteien beruhende Tätigkeit, bei der ein fachlich ausgebildeter, neutraler Vermittler (Mediator) mit anerkannten Methoden die Kommunikation zwischen den Parteien systematisch mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst verantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen“.

Mediation tritt aber auch unter anderem Namen auf. So definiert die UNCITRAL3 „conciliation” als Prozess, welcher:

„Conciliation, Mediation oder ähnlich benannt, bei welchem die Parteien eine oder mehrere dritte Personen (“Conciliator”) damit beauftragen, ihnen bei dem Versuch einer gütlichen Beilegung ihres aus einem vertraglichen oder aus einem Rechtsverhältnis entstandenen oder betreffenden Konfliktes zu unterstützen. Der Conciliator selbst kann keine Lösungsentscheidung treffen.“

Grundgedanken und Leitbilder

Der Mediator nimmt schon von seiner gesetzlich geregelten Aufgabenstellung her weitgehend die Aufgaben eines Moderators wahr.

Geht es aber in der Moderation vornehmlich darum, Konflikte gar nicht erst aufkommen zu lassen oder möglichst auszuklammern, so ist es die Aufgabe der Mediation, einen unmittelbar anstehenden bzw. bereits ausgebrochenen Konflikt zu lösen.

Sowohl von der Stellung als auch den Aufgaben des Mediators und des Moderators her sind die Gemeinsamkeiten besonders auffallend. So sind beide neutral und als Prozessexperten und Katalysatoren berufen. Beide können inhaltlich nicht entscheiden oder bestimmen. Beiden gleich sind – mehr oder weniger – freiwillige und selbstverantwortliche Teilnehmer.

Der Mediator ist „Katalysator für den Verhandlungsprozess“, denn das einzigartige an der Mediation ist die Tatsache, dass die am Konflikt beteiligten Personen (Medianden) Lösungsmöglichkeiten und -vorschläge als eigenständige Verhandlungspartner entwickeln und sich sämtliche Entscheidungen vorbehalten.

Diese Stärke der Mediation ist gleichzeitig auch ihre Schwäche. Es ist für Streitparteien oft angenehmer und leichter, einen Dritten mit der Entscheidung zu beauftragen als mühsam selbst einen Lösungsweg zu suchen. Je hierarchischer familiäre und gesellschaftliche Strukturen sind, desto ungewöhnlicher und schwieriger ist es für Menschen, selbstverantwortlich auf gleicher Augenhöhe eine Lösung zu entwickeln. Es ist nicht verwunderlich, dass die ersten bekannten Überlieferungen von Mediationen aus dem antiken demokratischen Griechenland stammen.

Insofern hängt der Rückgriff auf die Mediation und ihre Beliebtheit eng mit dem gesellschaftlichen Verständnis des Zusammenlebens zusammen. Der Humanismus, bis hin zu der von den Vereinten Nationen 1948 verabschiedeten „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ und der 1950 unterzeichneten Europäischen Menschenrechtskonvention prägen daher diese Konfliktlösungsform. Umgekehrt trägt die Mediation stark zum Verständnis der (staatlichen) Konfliktlösungsverfahren als Dienstleistungsangebot, das durch Steuern finanziert wird, bei.

In diesem Zusammenhang soll auch erwähnt werden, dass es unterschiedliche Mediationsansätze gibt.4 Der grundlegende, auf einem Prozess basierende Ansatz des Informationsaustausches mit Optionsfindung wird oft facilitative Mediation genannt.

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Die transformative Mediation fokussiert auf die sozialkommunikative Grundlage der Beziehung der Konfliktparteien. Die Konfliktlösung wird dabei in einem engen Zusammenhang mit dem Kommunikationsmuster der Parteien gesehen. Durch „Empowerment“ (Ermächtigung) und „Recognition“ (Anerkennung) wird während der Mediation die Kommunikation so verändert, dass dadurch der Konflikt behoben werden kann.5

Bei der evaluativen Mediation nimmt der Medatior eine einschätzende Rolle ein und evaluiert die Stärken und Schwächen der jeweiligen Positionen. Dieser Ansatz wird manchmal auch „topdown“ genannt und setzt Sachkenntnis des Mediators voraus.

Geschichte der Mediation

Als Konfliktlösungsverfahren ist die Mediation schon viele Jahrtausende bekannt. Die Grundprinzipien und -ideen wurden in verschiedenen Kulturkreisen entwickelt und eingesetzt, wobei die gesellschaftliche und politische Struktur ausschlaggebend für ihre Entwicklung waren. So ist uns der Einsatz der Mediation aus dem alten Griechenland, Ägypten, China,6 Mazedonien, Jordanien, Spanien und von etlichen afrikanischen und lateinamerikanischen Volksstämmen überliefert. Anhand ihrer Geschichte können die wesentlichen Abgrenzungslinien, Voraussetzungen und Einsatzmöglichkeiten dieser Methode ersehen und nachvollzogen werden.

Solon

Die „Vermittlung“ war schon durch diese Art der Konfliktlösung bei Uneinigkeiten innerhalb und zwischen griechischen Stadtstaaten bekannt. Einer der ersten ausdrücklichen „Vermittler“ in Europa war der attische Grieche Solon, welcher ca. 640-561 v. Chr. als Archont (Regierungspräsident) der athenischen Polis vorstand und damit gleichzeitig Gesetzgeber war.

Der Konfliktfall war durchaus ein politisch-öffentlicher: Zwischen der Minderheit der Aristokraten und der ärmeren Mehrheit sollte eine Entschuldung und damit zusammenhängend eine neue Gesetzeslage ausgehandelt werden. Gemeinsam von beiden wurde Solon als Vermittler und Regierender für ein Amtsjahr gewählt.7 Auffallend ist die Mehrfachfunktion Solons als Regent, Gesetzgeber und Vermittler. Damit ist auch die Eigenverantwortung und Freiwilligkeit der Parteien eingeschränkt bzw. fraglich. So kann Solon als erster integrierter Mediator gesehen werden. Bemerkenswert ist auch, dass die Mediation in einer Zeit entsteht, in der die Demokratie ansatzweise heranwächst.

Alvise Contarini

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Ein Meilenstein für die Mediation war ihr Einsatz bei der Beendigung des 30-jährigen Krieges 1648. Die Methode war für die Situation wie geschaffen: In Glaubens- und Religionsfragen ist ein Rückgriff auf die objektive Wahrheit schlicht unmöglich, beansprucht ja gerade jede Religion ebendiese bedingungslos für sich. Die Entscheidung der Frage durch Gewalt schien nach unzähligem Leiden schlussendlich aussichtslos. Wiederum handelt es sich um eine öffentlich-politische Streitlage, die den Einsatz eines Diplomaten als Mediator erfordert. Als Venezianer hatte der berufene Contarini8 schon von seinem Hintergrund her eine unparteiliche Stellung, da Venedig geographisch nicht involviert und von seiner Motivation als Handelsstadt an einer allseitigen Lösung interessiert war, zumal potentielle Gefahr von türkischer Seite gegeben war. Er war als Diplomat im Auslandseinsatz mediationserprobt, hatte schon zwischen Frankreich und England, in Konstantinopel und den Niederlanden mediiert und musste nun als Pendelmediator hin und her reisen.

Obwohl er inhaltlich involviert war und sogar seinerseits Vorschläge machte, war doch die Freiwilligkeit und Eigenverantwortung der Parteien sowie die Vertraulichkeit und Neutralität des Mediators gegeben. Daher zählt Contarini zu den ersten modernen Mediatoren.

Johan Friedrich Wilhelm Neumann in Wien

Im 17. und 18. Jahrhundert beschäftigen sich mehrere Leute auch theoretisch mit der Mediation und ihrem Einsatz in der Politik.

So zählt 1676 Wilhelm Neumann in seiner Doktorarbeit De mediatoris officio, eiusque requisitis (Über die Aufgabe des Mediators und ihre Erfordernisse)9 die Aufgaben eines Mediators auf: Neutralität, persönliches Desinteresse, grundsätzliche Kommunikationstechniken wie Fragen, Ermahnen und Bitten, aber ohne Druck auszuüben.

Ernst Friedrich Meurer in Jena

Etwa zur gleichen Zeit wird in Jena die Doktorarbeit „Mediator“ vorgelegt. Der Zeit gerecht werden theologische Fragen, etwa die Mittlerschaft von Moses und Jesus, untersucht. Die Mediatorenrolle wird hier auch von der eines Schiedsrichters (arbiter) unterschieden und die Rolle des Mediators als unparteilicher, unbestechlicher, möglichst religiöser und mit einem ausgeprägten Gleichheitssinn ausgestatteter Mensch ausgearbeitet. 10

Christian Wolff

Im 18. Jahrhundert kommt es in Deutschland mit der Aufklärung zur Auseinandersetzung mit dem Natur- und Völkerrecht. Der Naturrechtler und Philosoph Wolff befasst sich dabei sehr genau mit Mediation, definiert den Mediator als „eine Person, welche sich bemüht, den Streit zwischen anderen beyzulegen, ob sie gleich nicht das Recht dazu hat.“ Seine Definition des Mediators und Abgrenzung vom Schlichter (arbitrator) und Schiedsrichter (arbiter) ist weitgehend mit unseren heutigen Überlegungen übereinstimmend.

Jüngste Entwicklung

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In Europa wurde die Mediation in moderner Zeit durch das humanistische Menschenbild, die Globalisierung und dadurch entstehende konkurrierende Rechtssysteme und dem Wunsch, die staatlichen Gerichte zu entlasten, geprägt. In den U.S.A. macht die Mediation eine stetige Karriere seit der Schaffung des „Federal Mediation and Conciliation Service“ 194711 bei Gewerkschaftskonflikten und der Einrichtung einer Mediationsstelle für Miet-, Nachbarschafts-, Arbeits-, und Vertragskonflikte bei der Anwaltsvereinigung von Los Angeles im Jahre 1978.12

Das in Österreich bereits 2004 in Kraft getretene ZivRMediatG wurde positiv aufgenommen und war europaweit vorbildlich. Die im Jahre 2008 in Kraft getretene Richtlinie der EU13 legt fest, wie Schieds- und Gerichtsverfahren in einem Mitgliedstaat angepasst werden, die im Anschluss an eine Mediation stattfinden und verankert das Beweisverwertungsverbot für Gerichtsverfahren und Schiedsverfahren.

Ausbildung

In fast allen Ländern der Welt ist die Mediation grundsätzlich von jedermann auch ohne Befähigungsnachweis ausübbar. In den letzten Jahren kann jedoch sowohl von der Seite des Gesetzgebers als auch des Marktes von einer Professionalisierung des Berufsbildes insofern gesprochen werden, als Ausbildungen, Fortbildungen, Eintragungsbestimmungen, Diplome und Kongresse für Mediation enstanden sind bzw. zugenommen haben.

Aber kann man Mediation überhaupt erlernen?

Der österreichische Gesetzgeber geht jedenfalls davon aus, hat er doch in einer eigenen Ausbildungsverordnung14 die Inhalte und Ausbildungseinheiten geregelt und eine beim BMfJ zu führende Liste vorgesehen, in welche ausgebildete Mediatoren eingetragen werden.15 Ebendort können auch alle zugelassenen Ausbildungseinrichtungen durchstöbert werden, womit Interessenten das Suchen eines passenden Instituts erleichtert wird.

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Aus der Erfahrung der von uns durchgeführten Lehrgänge16 lässt sich folgendes Resümee ziehen: Während die Techniken, Geschichte und Prinzipien gelehrt und geübt werden können, ist die Haltung des Mediators untrennbar mit seiner Persönlichkeit verbunden. Respekt, Wertschätzung, Achtung oder Interesse werden subjektiv unterschiedlich verstanden und ausgedrückt. Auch Eigenschaften wie Pünktlichkeit, Zurückhaltung, wertschätzende Ansprache, Einhaltung von vereinbarten Regelungen sind längst auch für angehende Mediatoren nicht selbstverständlich und sollten thematisiert werden.

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Gerade deshalb ist eine Mediationsausbildung, richtig verstanden, nicht zuletzt auch eine Investition in die eigene Persönlichkeitsentwicklung. Voraussetzung dafür ist allerdings eine – manchmal durchaus auch schmerzliche – Auseinandersetzung mit liebgewonnenen Sichtweisen und dem Selbstbild.

Das Zertifikat oder der Listeneintrag ist jedenfalls ein Garant dafür, dass sich Mediatoren mit Techniken, Einstellungen oder Konfliktarten beschäftigt haben.

Einsatzmöglichkeiten

Die Mediation als Konfliktlösungsmethode ist bereits in vielen Bereichen des privaten und beruflichen Lebens im Einsatz, von der Scheidungsmediation über Mediationen im Lehrlings- oder Bauwesen bis zur Regelung von Umwelt- und Nachbarschaftskonflikten allgemeiner Art. Die in der „reinen“ Praxis häufigsten Einsatzgebiete sind:

Partnerstreitigkeiten und Scheidungen

Gerade wenn eine Vereinbarung auch ein gewisses Maß an zukünftiger Beziehung, etwa bei gemeinsamen Kindern, regeln soll, ist es sinnvoll, eine tragbare gemeinsame Lösung zu suchen.

Konflikte an Schulen

Sowohl für Kinder untereinander kann es hilfreich sein, Lösungen mit Unterstützung durch einen Mediator zu finden, als auch für Lehrer und Schulleitung, Konflikte untereinander klar zu regeln.

Konflikte in Betrieben und Organisationen

Durch Hierarchieverhalten und Revierverteidigung kommt es auch in Organisationen zu Konflikten. Externe Hilfe kann interne Bindungen, Abhängigkeit und Betriebsblindheit neutralisieren.

Gesetzlich verpflichtende Mediation

In etlichen Bereichen, wie z.B. der Lehrlingskündigung, Umweltangelegenheiten oder bei Nachbarschaftsstreitigkeiten ist die Mediation verpflichtend vorgesehen.17

Die Mediation wird aber auch bei Streitigkeiten zwischen Organisationen, im internationalen Bereich oder in der Politik regelmäßig eingesetzt.

Besonders nützlich und zukunftsweisend ist die integrierte Mediation. Dabei setzen unterschiedlichste Berufe einzelne Mediationsbausteine und -techniken bei Konflikten ein, ohne dass formal ein Mediationsprozess durchlaufen werden muss. Die Einsatzmöglichkeiten der Instrumente und Methoden im Sinne der integrierten Mediation sind dabei beinahe unendlich vielfältig. Diese können z.B. in der Wirtschaft von Vorgesetzten, Ombudsmännern, Betriebsräten oder in Schulen von Direktoren, Lehrern oder Elternvertretern bis hin zu Hausverwaltern, Facility Managern oder Hausmeistern reichen. So könnte auch ein Betriebsrat intern bei Kompetenzstreitigkeiten mediieren oder ein Vertrauenslehrer sich Konflikten an der Schule annnehmen.

Das Wesentliche auf einen Blick

Wir werden in den folgenden Kapiteln die einzelnen Bereiche der Mediation genau beleuchten. Interessanterweise verlieren viele Studenten dieser Konfliktlösungsvariante während der eineinhalbjährigen Ausbildung, vor lauter Achtsamkeit auf die einzelnen Techniken, den Blick auf das Grundlegende, das eigentliche Wesen der Mediation. Deshalb sei es hier übersichtlich vorangestellt.

Grundprinzipien

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Ziel der Mediation ist es, eine für alle involvierten Parteien tragbare Lösung zu finden. Diese wird in einem Vertrag durch die Parteien selbst formuliert. Der Mediator kann keine Garantie für eine Konfliktlösung geben, auch wenn die Erfolgschancen groß sind.

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Die Mediation kann nur unter Beachtung gewisser Prinzipien und Spielregeln funktionieren, für deren Einhaltung und Vorleben der Mediator verantwortlich ist. Wir arbeiten in der Mediation daher mit Grundprinzipien, die das Verfahren erleichtern und sich in der Haltung des Mediators widerspiegeln:

Auch bei den Medianden müssen Voraussetzungen geprüft werden, um einen erfolgsversprechenden Einsatz dieser Konfliktlösungsmethode zu ermöglichen. Dazu zählt etwa der Wille zur Mitarbeit, eine gewisse Offenheit und Ehrlichkeit, sowie der Wunsch, zu einer Konfliktlösung zu kommen.

Voraussetzungen

Der Einsatz einer Mediation bzw. eines Mediators ist nicht per se bei jedem Konflikt möglich oder sinnvoll. Besonders problematisch ist die Situation wenn eine der beiden Parteien Angst vor Eigenverantwortung hat, verschiedene Hierarchiestufen im Spiel sind oder eine Partei lügt. In manchen dieser Fälle muss die Mediation abgebrochen werden, da die Voraussetzungen dafür nicht (mehr) gegeben sind. Für den erfolgreichen Einsatz einer klassischen Mediation müssen daher folgende Voraussetzungen geprüft werden.

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Grundprinzipien und Voraussetzungen der Mediation:

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Sind nicht alle Voraussetzungen gegeben, so liegt es am Mediator, die fehlenden Parameter anzusprechen und den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, ihre Meinung und Haltung zu hinterfragen.

Ist das nicht möglich, kann er die Durchführung einer integrierten Mediation überlegen. So ist etwa die Bereitschaft zur Mitarbeit oder die Freiwilligkeit unter Umständen am Anfang nur eingeschränkt vorhanden. Das bedeutet nicht unbedingt, dass sich diese Lage im Laufe des Verfahrens nicht ändert.18

Die integrierte Mediation schafft hier auch den Brückenschlag zur Schiedsgerichtsbarkeit. So kann der integrierte Mediator im Bedarfsfall Lösungsmöglichkeiten aus seiner Erfahrung vorstellen und auch ihm vorstellbare Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, solange dieser Vorgang der Einigung hilfreich ist.

Methoden wie Arb-Med oder Med-Arb ermöglichen eine Verknüpfung der Vorteile der unterschiedlichen Varianten.

Funktion und Aufgaben des Mediators

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Die Funktion und die Aufgaben des Mediators ergeben sich aus dem Zweck der Mediation und der Vereinbarung mit den Konfliktparteien. Der Zweck ist die Herbeiführung einer tragbaren Lösung des Konflikts, die Vereinbarung von Mal zu Mal unterschiedlich.

Die Lösungsherbeiführung geschieht durch die Schaffung eines angemessenen „Raumes“, den Einsatz von kommunikationsfördernden Methoden, aber auch durch die Vereinbarung und Überprüfung von „Spielregeln“, Grenzsetzung und Verfahrensführung. Die Mediation ist insofern eine besondere Art der Dienstleistung mit - von den Parteien abgeleitetem und durch das Ergebnis gerechtfertigtem - Leitungsanspruch des Mediators.

Die Rolle des Mediators ist der eines (Besprechungs-) moderators19 sehr ähnlich. Er ist „Katalysator“ für den Ablauf, während sich die Medianden für den Inhalt verantwortlich zeichnen. Die Aufgaben des Mediators konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Steuerung des auf das Mediationsziel gerichteten Prozesses:

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Aus diesen Aufgaben ergeben sich auch die Haltung und Eigenschaften des Mediators. Seine Arbeit kann nur funktionieren, wenn er eine vertrauliche und vertrauensvolle Atmosphäre schafft. Daher muss er unparteiisch (allparteilich) und neutral sein und mit den Äußerungen der Beteiligten vertraulich umgehen. Der Mediator kann die Mediation erforderlichenfalls unter- oder sogar abbrechen und Einzelgespräche mit den Medianden führen.

Da der Mediator für das Verfahren, nicht aber für den Inhalt verantwortlich ist, ist es Aufgabe der Medianden, eine Lösung für ihren Konflikt zu finden. Der Mediator hilft den Konfliktparteien dabei, sich einerseits über ihre Bedürfnisse und Gefühle klar zu werden und diese andererseits mitzuteilen.

Die Struktur des Mediationsprozesses

Konflikte und die damit verbundenen Emotionen und Ängste bewirken oft Unsicherheit und Verwirrung. Die strukturierten Phasen des Mediationsverfahrens helfen den Medianden und auch dem Mediator und geben Halt, um sich in dem Chaos zurecht zu finden. Sie sind daher eine Methode der Vereinfachung und Prozessstrukturierung20:

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Phase 1: In der Eröffnungsphase wird „das Spielfeld abgesteckt“. Der Mediator stellt sich und die Mediationsmethode vor, die beteiligten Personen berichten, worum es Ihnen geht, klären die Bedingungen (Spielregeln) und erklären, dass sie sich auf den Prozess einlassen.

Phase 2: Es kommt zur Klärung von Zielen (Zukunftsbeschreibung) und zum Austausch von Sichtweisen und Gefühlen

Phase 3: Verdeckte Interessen werden hinter den genannten Positionen sichtbar gemacht und aufgedeckt.

Phase 4: Lösungsvarianten werden gemeinsam erarbeitet.

Phase 5: Eine abschließende Vereinbarung wird getroffen (z.B. Festlegung der Vorgehensweise mit Maßnahmenkatalog und Umsetzungsplan)

Es finden sich hier durchaus Parallelen zu anderen Dienstleistungen und Konfliktlösungsprozessen. So gleicht die Coachingvereinbarung bspw. der Mediationsvereinbarung. Die Zielformulierung der Mediation, die jedenfalls vor der Lösungsfindung stattfinden muss, gleicht der Phase der Interessensforschung in der Verhandlung, welche vor Vorschlagsfindung und Ausverhandlung stattfinden soll.

Konfliktlösungsmechanismen im Vergleich

Konfliktlösungsmechanismen sind so alt wie die Menschheit selbst. Die menschheitsgeschichtlich ältesten Lösungsmöglichkeiten sind der Kampf (um Essen, Raum, Partner etc.) und die Flucht.

Es ist für eine Spezies überlebensnotwendig, entstehende Konflikte untereinander auch gewaltfrei lösen zu können. Ist dies den Betroffenen alleine nicht möglich, liegt eine Klärung durch die Beiziehung eines Dritten, der den Klärungsprozess leitet und die Lösungsfindung vorantreibt oder gar selbst entscheidet, nahe.

Gerichtsverfahren

Daher entwickelten sich in sämtlichen Gruppen und Gesellschaften Abläufe (Verfahren), bei welchen eine Autoritätsperson, meist der Stärkste, Stammesälteste, Priester oder Häuptling für die Streitparteien eine Entscheidung trifft.21

Im Laufe der Zeit übernehmen staatlich autorisierte Richter und Gerichte gewöhnlicherweise diese Funktion.

In einem der Zivilrechtsprozessordnung (ZPO) unterliegenden Verfahren fällt das Gericht nach Eruierung des Sachverhalts und Würdigung der zugelassenen Beweise ein Urteil. Dieses wird rechtskräftig und ist sodann staatlich durchsetzbar.

Durch Beweis- und Verfahrensanträge können die Parteien auf den Gerichtsprozess nur beschränkt einwirken. Sie können weder Lösungsvorschläge entwickeln, noch Emotionen austauschen, außerhalb des Sachverhalts liegende Interessen erörtern oder sich auf ein Urteil einigen (Ausnahme prätorischer Vergleich).

Strafverfahren sollten gedanklich streng hiervon getrennt werden. Hier verfolgt der Staatsanwalt als Vertreter und im Interesse der Allgemeinheit (Offizialdelikt) oder auf Betreiben des in seinem Recht Verletzten (Privatklagedelikt z.B. Beleidigung) eine strafbare Handlung und das Gericht klärt Kausalität, Schuld und Zurechenbarkeitsfragen. Nur in wenigen gesetzlich geregelten Fällen ist eine Hinzuziehung des Geschädigten (z.B. Bestohlenen, Verletzten) hier als Partei möglich und eine damit verbundene Möglichkeit der Strafminderung oder –abwendung vorgesehen (z.B. den außergerichtlichen Tatausgleich, ATA, siehe Kapitel 6).

Alternative Konfliktlösungsverfahren

Alternativ zu dem staatlich organisierten, mit Zwangsgewalt verbundenen, in Gerichtsgebäuden stattfindenden Verfahren zwischen Privaten entwickelten sich aber auch sogenannte außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren, auch „alternative Konfliktlösungsverfahren“, oder englisch ADR – „Alternative Dispute Resolution“ genannt. Die Mediation22 wie auch alle in Folge aufgeführten Verfahren gehören zu dieser ADR.

Integrierte Mediation

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Unter „integrierter Mediation“ wird die Integration der gesamten Mediation oder Elemente daraus in andere (Konfliktlösungs-) Verfahren verstanden.23 Dabei sind nicht alle Elemente der „reinen Mediation“ gegeben oder notwendig, z.B. die Freiwilligkeit, oder die fehlende Entscheidungsgewalt. So kann ein Abteilungsleiter versuchen, seine Mitarbeiter als unparteilicher Mediator zu einer einvernehmlichen Lösung ihres Konflikts zu bewegen. Letztendlich kann und wird er aber sehr wohl entscheiden, wenn es keine einvernehmliche Lösung gibt. Auch wird es Mitarbeitern fast unmöglich sein, auf das „freiwillige“ Angebot ihres Abteilungsleiters zu verzichten.

Schiedsverfahren (Arbitration)

Durch eine Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien kann der Weg zu den staatlichen Gerichten ausgeschlossen und stattdessen ein Schiedsgericht quasi als privates Zivilgericht mit der Konfliktlösung betraut werden.24 Vorteile für die Parteien sind vor allem größere Flexibilität, (Mit-) Bestimmbarkeit der Schiedsrichter, Verfahrensbeschleunigung und leichtere Durchsetzbarkeit im internationalen Kontext.25

Collaborative Law

In diesem außergerichtlichen, freiwilligen Verfahren versuchen die Streitparteien gemeinsam mit ihren jeweiligen eigenen Rechtsanwälten26 auf der Grundlage eines Verhandlungsvertrages eine eigenverantwortliche und einvernehmliche, rechtlich wirksame Vereinbarung zu finden. Gleich der Mediation ist die eigenverantwortliche Lösungssuche, die Freiwilligkeit, die interessen- und bedürfnisorientierte Ergebnissuche. Es gibt allerdings keinen zentralen, allparteilichen Verfahrensleiter (Mediator). Vielmehr arbeiten die zugezogenen parteilichen Professionisten (Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Bausachverständige, Coaches, Finanzexperten etc.) so zusammen, dass sie das Verfahren gleichzeitig leiten und parteilich für ihre Mandanten ein tragbares Ergebnis ausverhandeln.

Med-Arb/Arb-Med

Zu erwähnen sind noch die Formen Med-Arb und Arb-Med, welche eine Kombination aus den beiden Verfahren darstellen.