Juan Carlos Onetti

Die so gefürchtete Hölle

Fünf Geschichten

Aus dem Spanischen von Wilhelm Muster
und Gerhard Poppenberg
Herausgegeben von Svenja Becker und Jürgen Dormagen

Suhrkamp

Inhalt

Esbjerg, an der Küste

Die Geschichte vom Rosenkavalier und der schwangeren Jungfrau, die aus Liliput kam

I

II

III

IV

V

VI

Die so gefürchtete Hölle

Das Gesicht des Unglücks

I

II

III

IV

V

Jacob und der andere

I. Der Arzt berichtet

II. Der Erzähler berichtet

III

IV

V

VI. Der Fürst berichtet

Anhang

Editorische Notiz

Anmerkungen

Zeittafel

Literaturhinweise

Esbjerg, an der Küste

Wenigstens ist es am Nachmittag etwas weniger kalt, und bisweilen bescheint die Sonne wässrig die Straßen und Wände; denn um diese Zeit müssen sie im Neuen Hafen umhergehen, bei dem Schiff oder, um sich die Zeit zu vertreiben, von einer Mole zur anderen, vom Kiosk der Hafenbehörde zum Kiosk mit den Sandwiches. Kirsten, beleibt, ohne Absätze, einen zerdrückten Hut auf dem gelben Haar; und er, Montes, klein, verdrossen und unruhig, das Gesicht der Frau beobachtend, die Namen der Schiffe lernend, ohne es zu merken, zerstreut den Operationen mit den Tauen folgend.

Ich stelle ihn mir vor, wie er mit den Zähnen über den Schnurrbart fährt und seine Lust erwägt, den bäurischen Körper der Frau, dick geworden in der Stadt und der Muße, anzustoßen, so dass er in den Streifen Wasser zwischen dem feuchten Stein und dem schwarzen Eisen der Schiffe fällt, wo es rauschend brodelt und nicht genügend Raum ist, um sich schwimmend über Wasser zu halten. Ich weiß, dass sie dort sind, weil Kirsten heute mittag kam, um Montes vom Büro abzuholen, und ich sie gesehen habe, wie sie in Richtung Retiro gingen, und weil sie mit ihrem Regengesicht kam; ein Gesicht von Statuen im Winter, das Gesicht von jemandem, der eingeschlafen ist und die Augen nicht geschlossen hat im Regen. Kirsten ist dick, sommersprossig, starr; vielleicht riecht sie schon nach Schiffsbauch, nach Fischernetz; vielleicht bekommt sie den unbeweglichen Geruch nach Stall und Sahne, den es, so stelle ich mir vor, in ihrem Land geben muss.

Aber manchmal müssen sie um Mitternacht oder im Morgengrauen zur Mole gehen, und ich denke, wenn die Nebelhörner der Schiffe Montes gestatten zu hören, wie sie in ihren Männerschuhen auf den Steinen voranschlurft, muss der arme Teufel sich vorkommen, als würde er am Arm des Unheils in die Nacht vordringen. Hier in der Zeitung stehen die Ausfahrten der Schiffe in diesem Monat angekündigt, und ich würde schwören, dass ich Montes sehen kann, wie er es erträgt, bewegungslos dazustehen von dem Augenblick an, wo das Schiff das Hornsignal ertönen lässt und sich in Bewegung setzt, bis es so klein ist, dass es sich nicht mehr lohnt, weiter zu schauen; wie er dabei bisweilen die Augen bewegt – um immer wieder zu fragen, ohne je zu verstehen, ohne dass man ihm antwortet –, hinüber zu dem fleischigen Gesicht der Frau, das sich wohl langsam beruhigt, nachdem es zeitweise verkniffen war, traurig und kalt, als würde es ihr in den Schlaf regnen und sie hätte vergessen, die Augen zu schließen, die sehr großen und fast schönen Augen von der Farbe, die das Flusswasser an den Tagen hat, wenn der Lehm nicht aufgewühlt ist.

Ich habe von der Geschichte erfahren, ohne sie richtig zu verstehen, an dem Morgen, als Montes kam, um mir zu erzählen, dass er versucht hatte, mich zu bestehlen, dass er mir viele Samstags- und Sonntagswetten unterschlagen hatte, um sie für sich anzunehmen, und dass er nun die Gewinne nicht auszahlen konnte. Ich wollte nicht wissen, warum er das gemacht hatte, aber er bestand wütend darauf, und ich musste ihm zuhören, während ich an das Glück dachte, das so freundlich zu seinen Freunden ist, und nur zu ihnen, und vor allem daran, um nicht ärgerlich zu werden, dass schließlich, wenn dieser Dummkopf nicht versucht hätte, mich zu bestehlen, die dreitausend Pesos aus meiner Tasche hätten kommen müssen. Ich beschimpfte ihn, bis mir die Worte ausgingen, und erniedrigte ihn auf jede nur erdenkliche Weise, bis es außer Zweifel stand, dass er ein armseliger Mann war, ein schmutziger Freund, ein Lump und ein Dieb; und bis es ebenfalls außer Zweifel lag, dass er einverstanden war und nichts dagegen hatte, es vor jedermann anzuerkennen, wenn mich einmal die Laune ankäme, ihm das zu befehlen. Und auch war seit jenem Montag abgemacht, dass jedesmal, wenn ich andeutete, er sei ein Lump, indirekt, indem ich in irgendeiner Unterhaltung darauf anspielte, ganz gleich wo wir uns befanden, er auf der Stelle den Sinn meiner Worte zu begreifen und mich mit einem kurzen Lächeln wissen zu lassen hätte, durch eine kaum merkliche Bewegung des Schnurrbarts, dass er mich verstanden und dass ich recht hätte. Wir haben das nicht mit Worten abgemacht, aber so geht es seit damals. Ich habe die dreitausend Pesos bezahlt, ohne ihm etwas zu sagen, und ich habe ihn einige Wochen hingehalten, ohne zu wissen, ob ich mich entschließen würde, ihm zu helfen oder ihn zu verfolgen; dann habe ich ihn gerufen und ihm zugesagt, seinen Vorschlag anzunehmen und dass er in meinem Büro zu arbeiten anfangen könne für zweihundert Pesos monatlich, die nicht ausgezahlt würden. Und in kaum mehr als einem Jahr, weniger als anderthalb Jahren hätte er seine Schulden abbezahlt und wäre frei, sich einen Strick zu suchen, um sich aufzuhängen. Klar, dass er nicht für mich arbeitet; ich konnte Montes zu nichts gebrauchen, seit es unmöglich war, dass er sich weiter um die Rennwetten kümmerte. Ich habe noch das Büro für Versteigerungen und Kommissionsgeschäfte, um mehr Ruhe zu haben, Leute empfangen und telefonieren zu können. So fing er also an, bei Serrano zu arbeiten, der in einigen Dingen mein Teilhaber ist und sein Büro neben meinem hat. Serrano bezahlt ihm den Lohn, oder bezahlt ihn mir, und schickt ihn den ganzen Tag vom Zoll zu den Lagern, von einem Ende der Stadt zum anderen. Mir wäre es gar nicht recht gewesen, wenn jemand erfahren hätte, dass einer meiner Angestellten nicht so sicher war wie ein Fensterchen am Wettschalter der Rennbahn; so weiß es also niemand.

Ich glaube, er hat mir die Geschichte, oder fast die ganze, am ersten Tag, dem Montag, erzählt, als er zu mir kam, ängstlich wie ein Hund, mit grünem Gesicht und einem Glanz von kaltem, widerwärtigem Schweiß auf der Stirn und an den Nasenflügeln. Er muss mir den Rest der Angelegenheit später erzählt haben, bei den wenigen Malen, die wir miteinander gesprochen haben.

Es begann gleichzeitig mit dem Winter, mit diesen ersten trockenkalten Tagen, die uns alle denken lassen, ohne dass wir uns darüber klarwerden, was wir denken, dass die frische und saubere Luft eine Luft für gute Geschäfte ist, für Ausflüge mit den Freunden, für energische Projekte; eine prächtige Luft, vielleicht ist es das. Er, Montes, kam eines Abends nach Haus und fand seine Frau am Herd sitzen und in das darin brennende Feuer schauen. Ich sehe nicht, warum das so wichtig ist; aber er hat es so erzählt und es wiederholt. Sie war traurig und wollte nicht sagen warum, und sie blieb traurig, ohne Lust zu sprechen, die ganze Nacht und während einer weiteren Woche. Kirsten ist dick, schwer und muss eine sehr schöne Haut haben. Sie war traurig und wollte ihm nicht sagen, was mit ihr los war. »Ich habe nichts«, sagte sie, wie alle Frauen in allen Ländern sagen. Dann beschäftigte sie sich damit, das ganze Haus mit Fotografien aus Dänemark vollzuhängen, vom König, den Ministern, von Landschaften mit Kühen und Bergen oder wie es da ist. Sie sagte weiter, dass nichts mit ihr los sei, und Montes, der Dummkopf, stellte sich dies und das vor, ohne je richtig zu liegen. Dann kamen nach und nach Briefe aus Dänemark; er verstand nicht ein Wort, und sie erklärte ihm, dass sie an entfernte Verwandte geschrieben habe und dass jetzt die Antworten eintrafen, auch wenn die Nachrichten nicht sehr gut waren. Er sagte im Scherz, dass sie vielleicht fahren wolle, und Kirsten verneinte das. Und in jener Nacht oder in einer der nächsten fasste sie ihn an der Schulter, als er gerade einschlief, und bestand darauf, dass sie nicht fahren wolle; er fing an zu rauchen und gab ihr in allem recht, während sie sprach, als würde sie Worte aus dem Gedächtnis sagen, über Dänemark, die Flagge mit einem Kreuz und einen Weg durch das Wäldchen, durch das man zur Kirche gelangte. Alles und auf diese Art, um ihn zu überzeugen, dass sie ganz und gar glücklich mit Amerika und mit ihm sei, bis Montes friedlich einschlief.

Eine Zeitlang wurden weiter Briefe hin und her geschickt, und plötzlich eines Nachts machte sie das Licht aus, als sie im Bett waren, und sagte: »Wenn du mich lässt, erzähle ich dir etwas, aber du musst es anhören, ohne etwas zu sagen.« Er stimmte zu und lag ausgestreckt, bewegungslos neben ihr, ließ Zigarettenasche auf das umgeschlagene Laken fallen, und wartete mit gespannter Aufmerksamkeit, wie mit dem Finger am Abzug, darauf, dass ein Mann auftauchte in dem, was die Frau erzählte. Aber sie sprach von keinem Mann, und mit heiserer und weicher Stimme, als hätte sie gerade geweint, sagte sie ihm, dass man die Fahrräder auf der Straße oder die Ladentüren geöffnet lassen konnte, wenn man zur Kirche ging oder sonstwohin, denn in Dänemark gibt es keine Diebe; sie sagte ihm, dass die Bäume größer und älter seien als an irgendeinem Ort der Welt und dass sie einen Geruch hätten, jeder Baum einen Geruch, den man nicht verwechseln könne und der als einzelner erhalten bleibe, auch wenn er sich mit den anderen Gerüchen des Waldes vermische; sie sagte, dass man im Morgengrauen aufwache, wenn Seevögel zu kreischen anfingen oder man den Lärm von den Flinten der Jäger höre; und dort wachse der Frühling langsam unter dem Schnee verborgen, bis er mit einem Schlag hervorbreche und alles überziehe wie eine Überschwemmung und die Leute das Tauwetter kommentieren. Das ist die Zeit in Dänemark, wo es die meiste Bewegung in den Fischerdörfern gibt.

Auch wiederholte sie: »Esbjerg er nær ved kysten«, und das beeindruckte Montes am meisten, auch wenn er es nicht verstand; er sagte, das habe ihn mit der Lust zum Weinen angesteckt, die in der Stimme seiner Frau lag, als sie ihm das alles erzählte, mit leiser Stimme, mit diesem Singsang, in den Menschen unwillkürlich verfallen, wenn sie beten. Ein ums andere Mal. Das, was er nicht verstand, machte ihn milde, erfüllte ihn mit Bedauern für die Frau – die schwerer war als er, stärker –, und er wollte sie beschützen wie ein Mädchen, das sich verlaufen hat. Ich glaube, das ist so, weil der Satz, den er nicht verstehen konnte, das Fernste, das Fremdeste war, was aus dem unbekannten Teil von ihr kam. Von der Nacht an begann er, Mitleid zu empfinden, das immer weiter wuchs, als wäre sie krank, jeden Tag schlimmer, ohne eine Möglichkeit zur Heilung.

So hatte er irgendwann den Gedanken, er könnte etwas Großes tun, etwas, das ihm selbst guttäte, das ihm zu leben helfen und dienen würde, ihn für Jahre aufzumuntern. Es kam ihm in den Sinn, das Geld zu besorgen, um Kirsten die Reise nach Dänemark zu bezahlen. Er holte sich Auskunft, als er noch nicht wirklich daran dachte, und erfuhr, dass schon zweitausend Pesos ausreichten. Danach merkte er nicht, dass es ihm innerlich notwendig war, das Geld zu besorgen. Es muss so gewesen sein, ohne dass er wusste, was mit ihm vorging. Die zweitausend Pesos besorgen und es ihr an einem Samstagabend sagen, nach dem Essen in einem teuren Restaurant, während sie noch den guten Wein austranken. Es sagen und ihrem vom Essen und dem Wein etwas geröteten Gesicht ansehen, dass Kirsten es nicht glaubte; dass sie glaubte, er lüge, für eine Weile, und erst dann langsam zur Begeisterung und Freude überging und danach zu den Tränen und zu dem Entschluss, es nicht anzunehmen. »Das wird schon vorbeigehen«, würde sie sagen; und Montes würde darauf bestehen, bis er sie überzeugt hätte und sie auch davon überzeugt hätte, dass er sich nicht von ihr zu trennen versuchte und dass er hier während der nötigen Zeit auf sie warten würde.

In manchen Nächten, wenn er in der Dunkelheit an die zweitausend Pesos dachte, an die Art, sie zu besorgen, und an die Szene, wenn sie in einem Separee des Scopelli säßen, an einem Samstag, und er, mit ernstem Gesicht und etwas Vorfreude in den Augen, begänne, es ihr zu sagen, damit begänne, sie zu fragen, an welchem Tag sie sich einschiffen wolle; in manchen Nächten, wenn er von ihrem Traum träumte und darauf wartete einzuschlafen, sprach Kirsten ihm wieder von Dänemark. Es war nicht wirklich Dänemark; nur ein Teil des Lands, ein ganz kleines Stück Land, wo sie geboren worden war, eine Sprache gelernt hatte, wo sie das erste Mal mit einem Mann getanzt hatte und jemanden, den sie liebte, hatte sterben sehen. Es war ein Ort, den sie verloren hatte, wie man eine Sache verliert, ohne ihn vergessen zu können. Sie erzählte ihm andere Geschichten, auch wenn sie fast immer dieselben wiederholte, und Montes kam sich vor, als sähe er im Schlafzimmer die Wege, auf denen sie gegangen war, die Bäume, die Leute und die Tiere.

Mit ihrer Leibesfülle machte die Frau ihm unwissentlich den Platz im Bett streitig, wenn sie mit dem Gesicht zur Decke sprach; und er war immer sicher zu wissen, wie sich ihre Nase über dem Mund wölbte, wie ihre Augen inmitten der Fältchen ein wenig blinzelten und Kirstens Kinn kaum merklich zitterte, wenn sie die Sätze mit stockender Stimme hervorbrachte, aus der Tiefe der Kehle, was es etwas beschwerlich machte, ihr zuzuhören.

Dann dachte Montes an Kredite bei den Banken, an Pfandleiher, und er dachte sogar, ich könnte ihm Geld geben. Eines Samstags oder Sonntags merkte er, dass er an Kirstens Reise dachte, während er mit Jacinto in meinem Büro an den Telefonen saß und Wetten annahm für Palermo und La Plata. Es gibt flaue Tage, mit kaum tausend Pesos an Einsätzen; aber manchmal gibt es auch starke Tage, und das Geld kommt, und es sind mehr als fünftausend. Er hatte mich vor jedem Rennen anzurufen und mir den Stand der Wetten zu sagen; wenn die Gefahr groß war – manchmal spürt man das –, versuchte ich mich zu schützen, indem ich Wetten an Vélez, an Martín oder an den Basken weitergab. Es kam ihm in den Sinn, er könne mich nicht in Kenntnis setzen, er könne mir drei oder vier der stärksten Wetten verbergen und allein einem guten Tausender in Wettscheinen die Stirn bieten und so, wenn er Mut hätte, um die Reise seiner Frau gegen einen Schuss in den Kopf spielen. Er konnte es schaffen, wenn er sich aufraffte; Jacinto hatte keine Möglichkeit, die Zahl der bei jedem Telefonanruf gespielten Wettscheine zu kontrollieren. Montes sagte mir, dass er etwa einen Monat darüber nachgedacht hatte; das scheint glaubhaft; es scheint, dass ein Mann wie er stark gezweifelt und gelitten haben muss, ehe er zwischen dem Klingeln der Telefone vor Nervosität zu schwitzen anfängt. Aber ich würde viel Geld darauf setzen, dass er in dem Punkt lügt; ich würde wetten, dass er es in irgendeinem Augenblick getan, sich auf einen Schlag entschieden hat, in einem Anfall von Selbstbewusstsein, und anfing, mich in aller Ruhe zu berauben, neben dem Idioten von Jacinto, der keinen Verdacht schöpfte, der nur hinterher meinte: »Ich hatte doch gleich gedacht, dass es wenig Wettscheine waren für einen solchen Nachmittag.« Ich bin sicher, dass es ein Augenblicksentschluss war, dass Montes spürte, er würde gewinnen, und dass er es nicht geplant hatte.

Und so fing er an, Wetten einzustecken, die bald dreitausend Pesos betrugen, und lief schwitzend und verzweifelt durch das Büro, schaute auf die Listen, schaute auf Jacintos Gorillakörper im Rohseidenhemd, schaute aus dem Fenster auf die Diagonal, auf der am Spätnachmittag zunehmend mehr Autos fuhren. So war es, als ihm klarzuwerden begann, dass er verlor und dass die zu zahlenden Summen größer wurden, Hunderte von Pesos bei jedem Anruf, und er schwitzte diesen besonderen Schweiß der Feiglinge, schmierig, ein bisschen grün, eisig, den er im Gesicht hatte, als er am Montagmittag endlich genügend Mumm in den Knochen hatte, zum Büro zu gehen und mit mir zu sprechen.

Er hat es ihr gesagt, bevor er versuchte, mich zu bestehlen; er hat ihr gesagt, dass etwas sehr Wichtiges und sehr Gutes geschehen werde; dass er für sie ein Geschenk haben werde, das nicht zu kaufen sei und auch nicht ein konkretes Ding, das man anfassen könnte. So fühlte er sich hinterher verpflichtet, mit ihr zu sprechen und ihr das Unglück zu erzählen; und es war nicht in dem Separee des Scopelli, und sie tranken auch keinen importierten Chianti, sondern saßen in der Küche ihrer Wohnung und schlürften Mate, während ihr rundes Gesicht, im Profil und rötlich durch den Widerschein, in das Feuer schaute, das im Herd tanzte. Ich weiß nicht, wieviel sie wohl geweint haben; danach hat er die Sache geregelt, indem er ohne Gehalt für mich arbeitete, und sie hat eine Anstellung gefunden.

Der andere Teil der Geschichte begann, als sie sich etwas später angewöhnte, zu Zeiten außer Hauses zu sein, die nichts mit ihrer Arbeit zu tun hatten; sie kam zu spät, wenn sie verabredet waren, und bisweilen stand sie nachts auf, zog sich an und ging ohne ein Wort nach draußen. Er fand nicht den Mut, etwas zu sagen, hatte nicht den Mut, viel zu sagen und frontal anzugreifen, denn sie leben von dem, was sie verdient, und bei seiner Arbeit für Serrano springt nur hin und wieder ein Drink heraus, den ich ihm bezahle. Also hielt er den Mund und fügte sich in seine Rolle, ihr mit seiner Übellaunigkeit lästig zu werden, einer anderen Übellaunigkeit, die zu der hinzukommt, die sie beide seit dem Nachmittag überkommen hat, als Montes versuchte, mich zu bestehlen, und die, glaube ich, sie nicht verlassen wird, bis sie sterben. Er wurde misstrauisch und hatte den Kopf voller dummer Gedanken, bis er ihr eines Tages folgte und sah, wie sie zum Hafen ging, mit den Schuhen über die Steine schlurfend, allein, und wie sie lange Zeit starr stand und auf das Wasser schaute, in der Nähe, aber doch mit Abstand zu den Leuten, die Reisende verabschieden wollen. Wie in den Geschichten, die sie ihm erzählt hatte, gab es keinen Mann. Dieses Mal sprachen sie, und sie gab ihm Erklärungen; Montes besteht auch noch auf etwas anderem, das nicht wichtig ist: er beharrt darauf, als könnte ich es ihm nicht glauben, dass sie es ihm mit normaler Stimme erklärt hat und dass sie nicht traurig war, nicht hasserfüllt und nicht verwirrt. Sie sagte ihm, dass sie immer zum Hafen gehe, zu jeder Zeit, um den Schiffen zuzuschauen, die nach Europa ausliefen. Er hatte Angst um sie und wollte dagegen ankämpfen, wollte sie davon überzeugen, dass, was sie mache, schlimmer sei, als zu Hause zu bleiben; aber Kirsten sprach weiter mit normaler Stimme und sagte, dass es ihr guttue und dass sie weiterhin zum Hafen gehen müsse, um zuzuschauen, wie die Schiffe abführen, vielleicht hinterherzuwinken oder einfach zu schauen, bis ihr die Augen müde würden, und das, sooft sie könne.

Und er hat sich schließlich davon überzeugt, dass er die Pflicht hat, sie zu begleiten, dass er so in Raten die Schuld abzahlt, die er ihr gegenüber hat, wie er die abzahlt, die er bei mir hat; und jetzt, an diesem Samstagnachmittag, wie so häufig in der Nacht oder am Mittag, bei gutem Wetter, manchmal bei Regen, der sich dem hinzufügt, der ihr immer ins Gesicht rieselt, gehen sie zusammen in Richtung Retiro und weiter, spazieren über die Mole, bis das Schiff abfährt, mischen sich ein wenig unter die Leute mit Mänteln, Reisetaschen, Blumen und Taschentüchern, und wenn das Schiff sich in Bewegung setzt, nach dem Hornsignal, werden sie starr und schauen, schauen, bis sie nicht mehr können, und jeder denkt an ganz verschiedene und verborgene Dinge, aber übereinstimmend, ohne es zu wissen, in der Trostlosigkeit und in der Empfindung, dass jeder allein ist, die immer erstaunlich wirkt, wenn wir nachdenken.

1946