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Inhaltsverzeichnis

Für eine solare Welt

Kleine Geschichte unserer Energiebilanz

Photovoltaik: die verschleppte Revolution

Sieben Gründe für die solare Wende

Die fossilen Ressourcen sind endlich

Die Kernenergie ist eine Sackgasse

Energiewende oder Klimakatastrophe

Solarenergie macht unabhängig

Solarenergie ist dezentral und demokratisch

Solarenergie ist nachhaltig und wirtschaftlich

Regenerative Energien sind eine echte Zukunftsindustrie

Unternehmerischer Sinn und proletarisches Bewusstsein

Die Krise der fossilen Welt

Die langen Wellen der Konjunktur

Was bisher geschah (Kondratjew I–V)

The Next Big Thing(s)

Forellen, Streuobst, Madame Comfort und die Folgen

Gegen eine hitzige Atmosphäre

Propheten und Abwiegler

Klimaopfer

Klimawandel: die Verursacher

Klimawandel: die Entwicklung

Klimawandel: die Perspektiven

Von der Demontage zur Montage

Wie die solare Welt funktioniert

Energie aus erneuerbaren Quellen

Konzentrierte Strahlung: Solarthermie

Sonnenenergie sammeln und sogleich nutzen: Kollektoren

Der zündende Funke: Solarzellen

Die Photovoltaik erzeugt mehr Energie, als sie verbraucht

Warum Photovoltaik kein Umweltrisiko darstellt

Warum Photovoltaik eine Alternative zum Kraftwerk ist

Die leuchtende Zukunft

Das Wachstum der solaren Welt

Signale für die grüne Wende

Deutschland macht mächtig Wind

Die nachhaltige Zukunft hat längst begonnen

Solarenergie: Bildung, Jobs und Wachstum fürs Klima

»Geh mir ein wenig aus der Sonne«

Der archimedische Punkt

Die Hundert-Prozent-Bewegung

Das Potential der Menschen

Ein bisschen die Welt retten

Das SolarWorld-Konjunkturpaket für Schulen

 

Mitarbeit: Enrik Lauer, Berlin; Heribert Brinkmann und Natascha Plankermann, Düsseldorf; Georg Gansen, Bonn

|9|Für eine solare Welt

Das Himmelslicht der Jäger, der Sammler und der Nomaden ist der Mond.

Jäger folgen dem Wild, Nomaden ihren Herden. Zwar ziehen Beute und Vieh auf der Suche nach Nahrung entsprechend den Jahreszeiten oder den Regen- und Trockenperioden umher. Doch an der Wiege der Menschheit, in den Savannen Ostafrikas, sind die saisonalen Unterschiede von Wetter und Tageslänge wenig dramatisch, ihre exakte Vorhersage daher kaum von existenzieller Bedeutung. Lässt sich der Lauf der Sonne nicht ohne präzise astronomische Beobachtungen und ohne exakte Berechnungen bestimmen, so ist der Wechsel der Mondphasen dagegen von eher schlichter Anschaulichkeit. Im Schnitt liegen 29,5 Tage zwischen zwei Vollmondnächten. Dieser Zyklus entspricht in etwa dem weiblichen Monatszyklus. Daher ist der Kult des Mondes, meist in Gestalt weiblicher Gottheiten, eine der ältesten Formen menschlicher Religiosität. Und der fahle, zu- und abnehmende Schein unseres Erdtrabanten ordnete für Zehntausende von Jahren die Zeit der Menschen nach Monaten.

Die Sonne dagegen bestimmt den Jahreslauf des Bauern.

Wer von den anfänglich höchst kargen Früchten des Bodens und seiner Arbeit leben muss, für den wird die genaue Bestimmung der Jahreszeiten und damit die Festlegung der Termine von Aussaat und Ernte zur Existenzfrage. Das galt zumal für die ältesten agrarischen Hochkulturen der Menschheit: jene im Zweistromland von Euphrat und Tigris sowie entlang des Nils. Ihre gesamte Existenz hing von der korrekten Vorausberechnung der jährlichen Schwemmen ab, die die Felder bewässerten |10|und mit fruchtbarem Schlamm düngten. Das Hochwasser in den Flussniederungen verdankte sich den Niederschlägen in den fernen Hochgebirgen der heutigen Türkei und des heutigen Äthiopien. Und die hingen, wie das Wetter im Allgemeinen, vom Lauf der Sonne ab. Folglich steht die Verehrung der Sonne, meist in Form männlicher Gottheiten, im Zentrum aller Kulturen sesshafter Ackerbauern. Ihr Lauf ordnet seit Beginn der sogenannten Neolithischen Revolution vor etwa 10 000 Jahren die Zeit der Menschen vorwiegend nach Jahren.

Der Wechsel vom Mond- zum Sonnenkalender war eine der größten Triebkräfte des Forschergeistes, die es je gegeben hat. Denn den Sonnenlauf vorauszuberechnen und ihn mit dem erheblich abweichenden Mondzyklus zu vereinbaren, das verlangte erstmals in der Geschichte der Menschheit exakte Wissenschaft anstelle überlieferter Erfahrung. Der Ackerbau steht deshalb an der Wiege der Astronomie und der Mathematik. Wie sich überhaupt mit der Sesshaftigkeit des Menschen nahezu alles veränderte. Sie war, um den Titel eines Buches von Friedrich Engels zu zitieren, »der Ursprung der Familie« (genauer: der patriarchalischen Familie), »des Privateigentums und des Staates«. Und sie war der Ursprung zweier bedeutender kultureller Innovationen, ohne die seitdem kein gesellschaftliches Leben mehr denkbar scheint: zunächst der Schrift, später des Geldes.

Doch sosehr auch die Erde von der Sonne und ihrer unendlichen Energie abhängt, sosehr unser Leben, seit wir sesshaft wurden und Landwirtschaft betreiben, sich dem Lauf der Sonne unterwirft, sowenig konnten wir bisher unseren Energiebedarf unmittelbar aus der Kraft der Sonne decken. Ohne Ausnahme mussten wir den Umweg über andere Energieträger nehmen. Wohl ist alle Energie auf der Erde letztlich umgewandelte Sonnenenergie. Aber deren unerschöpfliche Kraft unmittelbar anzuzapfen, das beherrschen wir im Prinzip erst seit gut fünfzig Jahren – obwohl unser Energiebedarf über die Jahrhunderte dramatisch gestiegen ist.

|11|Um unseren eigenen Organismus am Leben zu erhalten, um uns selbst zu bewegen und um zu arbeiten – das heißt: um andere Dinge zu bewegen –, müssen wir Energieträger verbrennen. Wir ernähren uns dazu entweder direkt von Pflanzen oder von Pflanzenfressern. Denn nur Pflanzen können bekanntlich eben dies: sich direkt mithilfe der Sonne ernähren, indem sie durch Photosynthese Kohlendioxid und Lichtenergie in chemische Energie umsetzen.

Wenn Arbeit die längste Zeit der Menschheitsgeschichte ganz überwiegend Muskelarbeit bedeutete, bedeutete Energiegewinnung eben überwiegend Nahrungsverwertung, ganz gleich ob wir selbst chemische Energie aus pflanzlicher oder fleischlicher Kost gewannen oder ob wir tierische Muskelkraft für unsere Zwecke einsetzten.

Nun ist der körpereigene Energiebedarf des Menschen relativ konstant. Weil wir Wohlstandsbürger uns immer weniger körperlich betätigen, hat er im Laufe der jüngeren Zivilisationsgeschichte sogar abgenommen. Der tägliche Grundumsatz einer Frau von durchschnittlicher Größe und Gewicht liegt bei 1500, der eines Mannes bei 1700 Kilokalorien. Dabei werden 70 bis 80 Prozent der umgesetzten Energie in Form von Wärme abgegeben. So entspricht die »Heizleistung« eines Menschen im Ruhezustand in etwa derjenigen einer traditionellen 60-Watt-Birne. Die beleuchtet nämlich nur mit fünf Prozent der eingesetzten Energie das Zimmer, während sie es mit den übrigen 95 Prozent beheizt.

Bei leichter Tätigkeit verbraucht ein Mensch weitere 700 Kilokalorien, bei mittelschwerer körperlicher Arbeit 2400 und bei Schwerstarbeit bis zu 5000 Kilokalorien. Dabei scheint die Energieeffizienz des Menschen, sprich der Wirkungsgrad der eingesetzten Nahrungsenergie in Bezug auf das eigentliche Ziel – die nutzbare Arbeitsenergie – eher bescheiden zu sein: Denn nur ein Fünftel der aufgenommenen Nahrung stecken wir in das Verdienen unseres Brotes. Vier Fünftel sind bloße Abwärme, die wir durch Schwitzen herunterkühlen müssen.

|12|Seit wir im Schweiße unseres Angesichts unser Brot verdienen, müssen wir allerdings nicht nur selbst essen. Wir müssen zunächst auch unsere Nutztiere füttern, die deshalb nicht nur Nahrungslieferanten, sondern auch Nahrungskonkurrenten sind. Vor allem aber benötigen wir Energie, um die immer zahlreicheren Apparate und Prozesse anzutreiben, mit denen wir im Laufe der Geschichte Muskelkraft ersetzt haben. Produktion, Verarbeitung, Transport, Verwaltung, Konsum, ja selbst die Entsorgung der Reste unseres stofflichen Verbrauchs – all das benötigt Energie. Selbst wenn wir nicht arbeiten, sind wir nur selten untätig. Im Gegenteil: Die Freizeit ist heute einer der größten Energiefresser. Ob wir verreisen, ob wir ins Kino, ins Konzert oder ins Theater, ins Fitnessstudio oder in ein Restaurant gehen, ob wir shoppen, fernsehen oder in unserer gut geheizten Wohnung Löcher in die Luft gucken – ausnahmslos verbrauchen wir dabei Strom und Brennstoffe.

Mit einem Wort: Was wächst, ist unser zivilisatorischer Energiebedarf. Seit wir unsere Lebensmittel nicht mehr jagen und sammeln, sondern herstellen, rauchen sozusagen unsere über die Jahrhunderte immer höher in den Himmel wachsenden Schlote immer stärker. Die erschreckend simple Formel seit Anbeginn der Zivilisation lautet: mehr Wohlstand gleich mehr Verbrennung. Verbrennung von mehr Nahrung, mehr Muskelkraft, mehr Biomasse – und schließlich Verbrennung von fossilen Energieträgern.

KLEINE GESCHICHTE UNSERER ENERGIEBILANZ

Vor etwa einer halben Million Jahren machten sich unsere Vorfahren zum ersten Mal das Feuer zunutze. Erst, um sich zu wärmen oder um wilde Tiere und Feinde zu vertreiben, dann auch zum Kochen. Der Energieverbrauch eines Menschen vor der Nutzung des Feuers betrug in etwa 10 000 Kilojoule bzw. 2400 Kilokalorien pro Tag. Das entspricht 2,8 Kilowattstunden|13|. Mit der Entdeckung des Feuers verdoppelte er sich dann ungefähr. Allerdings auf eine Menge, die gerade einmal zwei Prozent des heutigen Verbrauchs eines durchschnittlichen US-Bürgers beträgt. Jäger und Sammler nutzten damit lediglich die drei- bis sechsfache Menge ihres täglichen Grundumsatzes. Neben der Nahrung selbst stammte auch alle übrige Energie ausschließlich aus Biomasse, sprich: aus der Verbrennung von Holz. Um einen Menschen zu ernähren, benötigten altsteinzeitliche Kulturen zwischen 40 und 4000, unter besonders ungünstigen Bedingungen auch schon mal 10 000 Hektar Fläche. Gleichwohl lag der Energiequotient eines Menschen – das ist das Verhältnis von eingesetzter zu gewonnener Energie – damals noch relativ niedrig, nämlich je nach klimatischen Bedingungen zwischen 1,25 und 3,3.

Der tägliche Energieverbrauch unserer frühen Vorfahren entspricht dem einer 100-Watt-Birne in zwei Tagen, dem eines Kühlschranks in etwa zwei Wochen. Wir erreichen heute den Energieverbrauch eines Steinzeitmenschen allein mit unserem privaten Stromverbrauch. Der beträgt nämlich in Deutschland rund 4,5 Kilowattstunden pro Tag und Einwohner. Wohlgemerkt: für 82 Millionen Einwohner. In der Steinzeit bevölkerten gerade einmal fünf bis zehn Millionen Menschen die gesamte Erde.

Im Vergleich zur Frühzeit ist bereits der Energieverbrauch von Agrargesellschaften ziemlich beeindruckend. Denn dort nutzt jeder Mensch pro Tag schon das 18- bis 24-Fache seines eigenen Grundumsatzes, also zwischen 31 und gut 46 Kilowattstunden. Das entspricht dem Brennwert von drei bis viereinhalb Litern Heizöl. Um 1000 Liter Wasser, also je nach Fassungsvermögen fünf bis sieben Badewannen, von 10 auf 37 Grad zu erwärmen, werden rund 30 Kilowattstunden Heizenergie benötigt. Die gleiche Menge an Strom verbraucht übrigens auch eine herkömmliche Lichterkette während der Weihnachtszeit. Während ein älteres Durchschnittshaus heute pro Quadratmeter und Jahr zwischen 150 und 250 Kilowattstunden |14|verbraucht, sind 30 Kilowattstunden die Zielmarke für ein Niedrigenergiehaus.

Agrargesellschaften sind – energetisch betrachtet – nicht mehr zwingend nachhaltig. Die Arbeitsteilung in der Gesellschaft nimmt zu, ebenso die relativ energieintensive Viehhaltung. Die Menschen bauen, ihre Siedlungen wachsen mit merklicher Geschwindigkeit, ihre Gebäude werden ebenso größer und vielfältiger wie ihre Produktion, in kühleren Breiten heizen sie – und sie fangen an, sich professionell zu bekriegen.

Schon in der Antike beginnt deshalb der Raubbau an der Natur. Einen Quadratkilometer Wald kann eine recht kleine Gruppe von Männern mit passablen Äxten und Sägen innerhalb weniger Wochen abholzen. Um nachzuwachsen, braucht es dann fünfzig bis achtzig Jahre – ein Menschenalter. Folglich begleiten Holzmangel, Kahlschlag, Verkarstung und Versteppung die Menschheit beinahe seit Beginn der Zivilisation. Nicht so sehr zum Verfeuern, sondern für zweifelhafte gesellschaftliche Errungenschaften wie den Bau von Kriegsflotten haben schon Griechen und Römer fast die gesamte ägäische Inselwelt entwaldet.

Aufgrund verbesserter Versorgung nimmt die Bevölkerung langsam, aber stetig zu. Durch neue, im Lauf der Geschichte verbesserte Techniken, vor allem Pflug und Joch, wird die Landwirtschaft produktiver. Ein Ochse zum Beispiel leistet mit 300 Watt energetisch die Arbeit von vier Menschen. Während man allein mit der Hacke für die Bearbeitung eines Hektars rund 200 Arbeitsstunden braucht, pflügt der Ochse vor seinem Holzpflug dieselbe Fläche in 13 Stunden. Allerdings sinkt im Gegenzug durch den Futterbedarf des Tieres die gesamte Energieausbeute des Prozesses um rund ein Drittel. Doch schon in den frühen Agrarkulturen Mesopotamiens, Ägyptens oder Chinas konnte ein Hektar kultivierten Landes einen Menschen ernähren – vorausgesetzt, die Nutztiere kamen mit den Abfällen der Nahrungsproduktion aus oder wurden auf weniger ergiebigen Flächen gehalten.

 

|15|Energieeffizienz kontra Arbeitsproduktivität

In der langen Geschichte der Agrargesellschaft fällt ein nur auf den ersten Blick paradoxes Phänomen auf: Arbeits- und Ergebnisproduktivität auf der einen und Energieeffizienz auf der anderen Seite entwickeln sich gegenläufig. Der britische Wissenschaftsjournalist und Umweltaktivist Gerald Leach hat schon 1976 in seinem Buch »Energy and Food Production« detailliert nachgewiesen, wie dramatisch energieintensive Formen der Landwirtschaft, bezogen auf die erwirtschaftete Nahrungsenergie, ins Minus fallen können. Einfache Formen von Subsistenzwirtschaft bringen es auf Energiequotienten von 15. In tropischen Breiten sind bei ›primitivem‹ Wanderfeldbau auch Werte von bis zu 65 möglich. Unter anderem verglich Leach damals die Energieausbeute beim Maisanbau in Mexiko, Guatemala, Nigeria, auf den Philippinen und in den USA. Dabei kam er auf Energiequotienten zwischen 30,6 und 2,6. Je höher industrialisiert die Landwirtschaft, so Leachs Fazit, desto schlechter ist das Verhältnis von aufgewendeter zu gewonnener Energie.

Die Erklärung dafür liegt einigermaßen auf der Hand. Selbst wenn ein Mensch nur ein Fünftel der über die Nahrung aufgenommenen chemischen Energie in mechanische Energie, also Bewegung oder Arbeit, umwandeln kann: Wärme und Reibung, also thermische Energien, entstehen bei jeder Form der Energieumwandlung. Anders gesagt: Es gibt keinen Wirkungsgrad von 100 Prozent. Das wäre das Perpetuum Mobile, die sich unendlich selbst bewegende Maschine.

Einige Beispiele: Die Photosynthese etwa hat einen Wirkungsgrad von bis zu 35 Prozent im roten Lichtspektrum, etwas mehr als ein Otto-Motor. Will man sich an einem Lagerfeuer bloß wärmen, liegt sein Wirkungsgrad bei über 80 Prozent. Als Kochstelle erhitzt es allerdings nur noch zu 15 Prozent den Topf. Ein moderner Gasherd ist die erste Wahl jedes professionellen oder auch nur passionierten Kochs. Ich falle in die zweite Kategorie. Deshalb ist ein großer Gasherd der |16|letzte Verbraucher fossiler Energie in unserem Haus. Sein Wirkungsgrad liegt bei 40 Prozent. Ein Kohlekraftwerk bringt es auf einen Wirkungsgrad von 25 bis 50. Moderne Turbinen für sich betrachtet besitzen sogar einen Wirkungsgrad von über 95 Prozent. Rechnet man allerdings Gas- und Wasserflüsse, weitere Umformungs- sowie Leitungsverluste hinzu, fällt der Wirkungsgrad, bis am Ende Strom aus der Steckdose kommt, auf unter 30 Prozent.

Da der niedrige Wirkungsgrad von Solarmodulen immer gern als Argument gegen diese Technologie angeführt wird, an dieser Stelle vorab nur so viel: Die Energieausbeute eines Photovoltaik-Moduls liegt heute je nach Technik in der Tat ›nur‹ zwischen 6 Prozent bei Dünnschichtmodulen und 18,5 Prozent bei solchen aus monokristallinem Silizium. Da die Sonne aber umsonst scheint, hat das höchstens Auswirkungen auf den Flächenbedarf einer Anlage. Außerdem muss der Strom nicht verlustträchtig über zentrale Netze verteilt werden. Vor allem aber: Der ›Brennstoff‹ steht in einem nachgerade gigantischen Übermaß zur Verfügung. Denn die Sonne strahlt etwa das Zehntausendfache unseres heutigen weltweiten Energiebedarfs auf die Erde ab. Außerdem werden durch die technische Entwicklung in der Photovoltaik künftig Wirkungsgrade von bis zu 40 Prozent möglich sein. Später mehr dazu.

Klar ist: Je vielstufiger Prozesse der Energieumwandlung, mithin auch der Produktion, der Veredlung oder der Verteilung von Lebensmitteln und anderen Gütern sind, desto häufiger werden große Teile der eingesetzten Energie als Wärme an die Umwelt abgegeben. Deshalb können durch Erfindung und Verbesserung von Geräten, Maschinen und Prozessen zwar meist weniger Menschen mehr leisten. Energieeffizienter wird es dadurch aber selten. Deshalb sollte neben jede rein wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung immer auch eine Energiebilanz gestellt werden. Und deren Leitfrage muss stets lauten: Können wir ein annähernd gleiches Ergebnis auch mit weniger Energieeinsatz erreichen?

|17|So kann zum Beispiel ein Bauer mithilfe eines Traktors wohl das 50- bis 100-Fache an Fläche bearbeiten, was er zuvor mithilfe von Zugtieren beackern konnte. Doch weil der Trecker hoch verdichtete Energie in Form von Treibstoff verbraucht und weil die enorme Reduktion der Arbeitsintensität nur deshalb nicht zulasten des Ertrags geht, weil zusätzlich energieintensive chemische Düngemittel zum Einsatz kommen, erreicht man in der industrialisierten Landwirtschaft unserer Tage durchgängig nur Energiequotienten zwischen 1 und 3. Damit sind wir, wohlgemerkt was die Energiebilanz unserer Nahrungsgewinnung anbetrifft, wieder auf dem Level steinzeitlicher Jäger und Sammler angelangt. Nur weil Menge, Vielfalt und Qualität der Nahrungsmittel zunehmen und weil sie für mehr Menschen zu niedrigeren Preisen verfügbar sind, kann das innerhalb gewisser Grenzen als akzeptabel gelten.

Sicher haben Sie schon einmal gelesen oder gehört, dass in einer Kalorie Fleisch bis zu 20 Kalorien eingesetzter Energie stecken. Tierische Nahrungsmittel sind damit unter dem Gesichtspunkt ihrer Energiebilanz eigentlich Verschwendung. Mit mancher Rohkost allerdings kann man es energetisch noch toller treiben. Ein knackiger Salat im trüben Winter ist sicher lecker und gesund. Doch leider kommt er aus dem Gewächshaus. Und in ihm stecken deshalb pro gewonnener Kalorie Nahrungsenergie 500 Kalorien eingesetzter Energie. Der Energiequotient unseres Wintersalates: traurige 0,002! Damit ist er nicht mehr Grundnahrungsmittel, sondern ein geradezu absurd luxuriöses Genussmittel.

 

Vom Holzmangel zur Dampfmaschine

Vor der Erfindung von Dampfmaschine, Verbrennungsmotor und Elektrizität nutzte die Menschheit fast ausschließlich regenerative Energien. Einzige, allerdings recht begrenzte Ausnahme: die Kohle. Vereinzelt betrieben schon die Römer den |18|Abbau oberflächennaher Vorkommen und verwendeten Kohle in Schmieden und Gießereien sowie als Heizmaterial. Das erste schriftliche Zeugnis für Steinkohleabbau in England datiert von 833, ab dem frühen 12. Jahrhundert ist Kohleförderung im Aachener Raum, 1195 in der Nähe von Lüttich und 1298 im heutigen Ruhrgebiet urkundlich belegt. Meist war Holzmangel die Triebkraft der »Kohlegräberei« in einfachen, zunächst offenen Gruben. Bereits Mitte des 14. Jahrhunderts drang man aber schon in Tiefen um 120 Meter vor, hundert Jahre später bis zu 200 Meter.

Über die frühen Fördermengen lassen sich, allein schon wegen fehlender einheitlicher Maßeinheiten, kaum präzise, oft nur lokale Angaben machen. So verschiffte etwa der im Mittelalter wichtigste englische Kohlehafen, Newcastle, im Jahre 1378 rund 15 000 Tonnen Kohle, das meiste davon nach London. Eine 1356 vergebene, bedeutende Förderlizenz für fünf Minen im Bistum Durham beschränkte die Ausbeutung pro Grube auf 20 Tonnen täglich. Und im Gebiet des heutigen Saarlands förderten noch im Jahre 1790 rund 150 Bergleute in 45 Stollen gerade einmal 50 000 Tonnen Kohle – das leistet ein heutiges Bergwerk in wenigen Tagen.

Auf der anderen Seite erreichten auch Wind- und Wasserkraft erst im Hochmittelalter eine nennenswerte Verbreitung. Bis zur Erfindung der Dampfmaschine blieben Wind- und Wassermühlen aber die einzigen Maschinen, die nicht mit menschlicher oder tierischer Muskelkraft angetrieben wurden. Im Falle der Windmühle kam man erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts auf die an sich naheliegende Idee, die gesamte Mühle auf einen Bock zu setzen, auf dem sie von Hand in den Wind gedreht wurde. Weit später, Ende des 16. Jahrhunderts, erfanden die Holländer die klassische Windmühle, bei der sich nur die Turmhaube dreht. Das machte es möglich, mittels eines Orientierungsmechanismus die Mühle selbsttätig im Wind zu halten. Weit früher, in Persien und China, hatte man das Problem des Windwechsels sozusagen andersherum gelöst: Dortige |19|Mühlen arbeiteten mit Segeln auf einer vertikalen statt einer horizontalen Achse.

Vorläufer der Wassermühle waren um 1200 v. Chr. in Mesopotamien als Schöpfräder zur Bewässerung entstanden. Erst die Römer nutzten Wassermühlen auch als Mahlwerke. Weitere Verbreitung fanden sie in Europa allerdings erst im 9., verstärkt im 12. Jahrhundert. Und anders als die Windmühlen wurden sie in größerer Zahl auch für andere Zwecke als das Mahlen von Mehl eingesetzt, etwa als Öl- oder Walkmühlen, als Sägemühlen oder als Hammerwerke, schließlich für den Antrieb von Pumpen zur Entwässerung von Bergwerken und Salinen.

Während damit die Weiterverarbeitung von Getreide und anderen Rohstoffen einen spürbaren Produktivitätssprung machte, blieb das Fortschrittspotenzial in der agrarischen Grundproduktion im Wesentlichen auf zwei Punkte beschränkt: einerseits eine intelligentere, andererseits eine extensivere Flächennutzung. Seit dem 9. Jahrhundert verbreitete sich in Europa die Dreifelderwirtschaft mit Sommer- und Winteranbau sowie Brache. Zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert verdreifachte sich die Bevölkerung, und die Ackerflächen wurden um etwa 50 Prozent ausgedehnt.

Darüber hinaus stieg die Arbeitsproduktivität durch zwei Technologiesprünge: Durch die Erfindung des Kummets – des gepolsterten Rings, der Zugtieren um den Hals gelegt wird – und des Beschlages mit Hufeisen wurde die Zugleistung von Pferden, die deutlich schneller und länger als Ochsen arbeiten, um den Faktor 5 gesteigert. Erst dadurch konnten sie überhaupt sinnvoll als Arbeitstiere eingesetzt werden.

Die Ausweitung der zum Getreideanbau genutzten Fläche ging jedoch sowohl auf Kosten des Weidelandes, also der Viehhaltung, als auch auf Kosten der Waldflächen. Das bescherte, neben ständigen wetter- oder schädlingsbedingten Missernten sowie häufigen Seuchen, der Agrargesellschaft des Mittelalters ihr strukturelles Dauerproblem: Holzmangel. Der einzige nachwachsende |20|Brenn- und Baustoff wurde, vor allem im Zuge der Entwicklung der Städte, schließlich so knapp, dass dies das alles entscheidende Hindernis der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung bildete.

Der Energieverbrauch einer vorindustriellen Stadt kann, je nach Klima und abhängig von den in der Stadt betriebenen Gewerken, auf 10 bis 30 Kilowattstunden pro Quadratmeter bebaute Fläche geschätzt werden. Um ohne Raubbau ihren Bedarf an Nutz- und Bauholz zu decken, benötigte eine solche Stadt an umliegendem Wald daher mindestens das 50- bis 150-Fache ihrer eigenen Fläche. Weil so viel Forst bei gleichzeitiger expansiver Landwirtschaft nicht überall zur Verfügung stand, kam es immer wieder zu Engpässen in der Holzversorgung. Anders gesagt: Der relativ schnell wachsende Holzbedarf überschritt meist die Mengen, die eine nachhaltige Nutzung der Wälder damals hergegeben hätte.

Die Zunahme der Eisenverhüttung in der frühen Neuzeit tat ihr Übriges. Man nimmt an, dass die gesamte europäische Eisenproduktion gegen Ende des 15. Jahrhunderts etwa 40 000 Tonnen pro Jahr betrug. 1525 wurden dann bereits rund 100 000 Tonnen jährlich verhüttet, allein in Deutschland fast 30 000. Ein einzelnes Gebiet wie jenes um den Steirischen Erzberg, damals eine der größten Förderstätten für Eisenerz in Europa, produzierte 4000 bis 5000 Tonnen Eisen im Jahr 1480, Mitte des 16. Jahrhunderts bereits die dreifache Menge.

Um 50 Kilogramm Eisen herzustellen, benötigte man damals 25 Festmeter Holz. Bei nachhaltiger Nutzung entspräche das heute dem Jahresertrag von drei bis fünf Hektar Wald, in den damaligen Urwäldern eher von fünf bis zehn Hektar. Eine Gruppe Köhler konnte aber auch 100 Hektar Wald in sechs Wochen komplett umlegen, um daraus Holzkohle zu gewinnen.

Im heutigen Wirtschaftswald beträgt der gesamte Holzvorrat pro Hektar im Schnitt 240 Festmeter. In nicht industriell bewirtschafteten Urwäldern sind es eher um die 100. Der |21|Kahlschlag eines Quadratkilometers Wald lieferte also damals Holzkohle für die Verhüttung von gerade einmal 20 Tonnen Eisen. Für eine Jahresproduktion mussten demnach bereits im 15. Jahrhundert gut 2000 Quadratkilometer europäischen Waldes gefällt werden. Das entspricht in etwa der zweieinhalbfachen Fläche Berlins.

Die fehlende Nachhaltigkeit der mittelalterlichen Waldnutzung kritisierte übrigens schon Anfang des 18. Jahrhunderts der Oberberghauptmann am kursächsischen Hof, der in Freiberg wirkende Hans Carl von Carlowitz, der in seiner Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht schrieb: »Wird derhalben die größte Kunst /Wissenschaft / Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen / wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen / daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe …« Nach diesem frühen Ökologen wurde ein Preis benannt, den die Technische Universität / Bergakademie Freiberg seit 2003 für herausragende Leistungen im Bereich der Umweltforschung vergibt.

In England waren Versorgungsengpässe bei Holz ab dem 13. Jahrhundert, auf dem Kontinent ab dem 15. Jahrhundert an der Tagesordnung. Und da die Wälder als Erstes in England übernutzt wurden, nahm dort auch ein Projekt seinen Ausgang, das die gesamte Energiebasis der europäischen Zivilisation auf eine neue Grundlage stellen sollte: der planmäßige Abbau und die systematische Nutzung des »unterirdischen Waldes« – der Kohle. Industrialisierung, das war sozusagen Holzmangel plus Montanindustrie.

Strukturelle Knappheiten stehen meist an der Wiege technologischer und ökonomischer Umbrüche. Aufgrund des Holzmangels wurde der Kohlebergbau immer weiter vorangetrieben. Dann stieß er an technologische Grenzen. Je tiefer man grub, umso mehr wurde Muskelkraft zum limitierenden Faktor der Förderung. Ebenso konnte man das Problem der Entwässerung der Gruben mit herkömmlichen, von Hand oder |22|mit Wind- und Wasserkraft betriebenen Pumpen irgendwann nicht mehr lösen. Und schließlich begrenzten die Transportkapazitäten den montanen Fortschritt. Alles schrie also gleichsam nach einer Maschine, die Kohlegruben entwässert, Kohle hebt, Kohle transportiert – und am besten gleich auch noch mit Kohle betrieben werden kann.

 

Das kurze fossile Zeitalter

Die erste verwendbare Dampfmaschine wurde 1712 von einem Engländer namens Thomas Newcomen gebaut und diente zum Abpumpen des Wassers in einem Bergwerk in Staffordshire. Ihr Wirkungsgrad war mit 0,5 Prozent ziemlich bescheiden. Aber ein entscheidendes Problem war gelöst. Aufbauend auf Newcomens Erfindung verbesserten James Watt 1769 mit der Niederdruck-Dampfmaschine sowie um die Jahrhundertwende Richard Trevithick mit der Hochdruck-Dampfmaschine das Prinzip. Trevithick konstruierte 1804 auch die erste Lokomotive, die sich allerdings noch nicht durchsetzen konnte, da die damaligen gusseisernen Schienen nur für das Gewicht von Pferdewagen ausgelegt waren. Die erste Bergwerkslokomotive kam zehn Jahre später zum Einsatz. Und die erste öffentliche Bahnstrecke wurde 1825 zwischen Stockton und Darlington, zwei Bergbaustädtchen in Yorkshire, eröffnet. Vorher war bereits 1786 die erste dampfgetriebene Dreschmaschine in Betrieb gegangen, ein Jahr zuvor der erste mechanische Webstuhl. Nach gut 100 Jahren war die Welt nicht mehr dieselbe.

Bergbau und Dampfmaschine wurden zur Kernzelle der industriellen Revolution, die vor allem eine Revolution wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Energieflüsse war. Es ist relativ egal, welche Entwicklungskurve man über die letzten 150 bis 200 Jahre betrachtet. Ob Wirtschafts- oder globales Bevölkerungswachstum, Nahrungsproduktion, Warenumschlag oder Geldverkehr, Energieverbrauch oder Transportkilometer – stets haben wir es mit ähnlichen, exponenziell verlaufenden |23|Kurven zu tun. Reale Entwicklungen, die solchen Verläufen folgen, müssen irgendwann abbrechen – Unendlichkeit ist auf Erden nun mal keine Option. Schon gar nicht, wenn das exponenzielle Wachstum ganz offensichtlich an einer einzigen, endlichen Ressource hängt: fossilen Energieträgern.

Vor 345 Millionen Jahren begann das Erdzeitalter des Karbon, eine Periode sehr warmen und feuchten Klimas mit üppigster Vegetation. Es dauerte 65 Millionen Jahre, in denen durch organische Zersetzung gigantische Vorräte an Torf gebildet wurden. Aus diesen wurde durch Sedimentablagerung und Druck zuerst Braun- und dann Steinkohle. Im Tertiär, vor 65 bis 2,5 Millionen Jahren, entstanden dann die heutigen Braunkohlelagerstätten.

Selbst wenn wir das unbedeutende Geschaufel der Römer mitrechnen: Die Menschheit nutzt diese Tresore aus über Jahrmillionen umgewandelter Sonnenenergie seit nicht einmal 2000 Jahren. Halbwegs systematischen Steinkohlebergbau betreiben wir, großzügig gerechnet, seit etwa 800 Jahren, eine industrielle Förderung seit gerade einmal 200 Jahren. Die ersten großtechnischen Ölbohrungen fanden in Deutschland und den USA in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts statt. Das erste saudische Erdöl wurde 1938 von Standard Oil gefördert.

Über das gesamte Industriezeitalter, also von etwa 1860 bis heute, hat sich durch die Nutzung fossiler Ressourcen der Weltenergieverbrauch mehr als verzwanzigfacht. Allein zwischen 1949 und 1972, dem Jahr, in dem die Studie des Club of Rome über die »Grenzen des Wachstums« erschien, verdreifachte er sich. Und zwischen 1980 und heute hat er sich noch einmal fast verdoppelt. Der durchschnittliche Bürger heutiger Industriegesellschaften verbraucht das 70- bis 80-Fache seines eigenen Grundumsatzes, zwischen 120 und 160 Kilowattstunden pro Tag. Das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch eines Fernsehers oder einer Waschmaschine der Effizienzklasse A. Die Menschheit als Ganzes verbrennt pro Jahr in etwa |24|so viel fossile Energieträger, wie die Natur sie in einer Million Jahren gebildet hat.

Verglichen mit den Zeiträumen, über die unsere Kohle-, Öl- und Gasvorräte entstanden sind (und in denen entsprechende Mengen von Kohlenstoffverbindungen in der Erdkruste gebunden wurden), ist das Zeitalter ihrer zügellosen Verbrennung ein Wimpernschlag. Als es richtig begann, gründete mein Ururgroßvater Carl Theodor Asbeck die Vorläuferfirma der Stahlwerke Südwestfalen: 1853. Und spätestens meine Enkel werden das definitive Ende dieses Zeitalters erleben. Selbst der größte – und einsame – Optimist unter den Prognostikern zur Reichweite unserer Ölvorräte, Aramco-Chef Abdullah Jumah, ist überzeugt, bei heutigem Verbrauch reichten sie nur noch für gut hundert Jahre. Weniger zweckoptimistische Schätzungen gehen von vierzig oder gar nur 27 Jahren aus.

Entgegen gerne verbreiteten Szenarien wird es wohl auch mit der Kohle schneller vorbei sein, als viele heute glauben. 2004 korrigierte etwa die Bundesanstalt für Geowissenschaften ihre Schätzungen der deutschen Steinkohlereserven um 99 Prozent nach unten. Der globale »Peak coal«, das Fördermaximum bei Kohle, könnte, so 2007 die unabhängige deutsche Energy Watch Group, durchaus schon im Jahre 2025 erreicht sein. Und selbst wenn auch hier die allergrößten Optimisten recht behielten, wäre um 2200 Schicht im letzten Schacht.

Dann hätten 12 Menschheitsgenerationen in 400 Jahren die Ergebnisse von 400 Millionen Jahren geologisch-chemischer Aktivität abgefackelt. Inzwischen haben wir mehr als eine Ahnung, welche Folgen das für unsere Umwelt haben wird. Und dabei ist noch kein Wort darüber gefallen, welch kostbare stoffliche Ressourcen wir mit diesem Irrsinn zu 90 Prozent verheizen, verstromen, verfahren und verfliegen, anstatt sie, wenn überhaupt, für die Produktion sinnvoller Güter zu verwerten.

Um das Jahr 1750 lebten auf der Erde etwa 700 Millionen Menschen, die pro Kopf und Jahr 0,3 Kilowatt Energie verbrauchten. 1987 waren es erstmals mehr als fünf Milliarden, |25|mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Energieverbrauch von zwei Kilowatt. Heute sind es 6,75 Milliarden mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 2,2 Kilowatt. Um das Jahr 2050 erwarten Schätzungen der UNO eine Weltbevölkerung von 9,2 Milliarden. Danach könnte sich die Zahl der Menschen aufgrund sinkender Geburtenraten stabilisieren, vermutlich sogar wieder zurückgehen.

Dabei ist der Energieverbrauch extrem ungerecht verteilt. Viele Menschen in Entwicklungsländern verbrauchen weniger als 0,2 Kilowatt. In Westeuropa liegt der Pro-Kopf-Verbrauch zwischen 4,5 und 6 Kilowatt, in den USA bei circa 12. Die wohlhabendsten 20 Prozent der Weltbevölkerung verbrauchen 70 Prozent der fossilen Brennstoffe.

Sollten die 1,3 Milliarden Chinesen oder die 1,15 Milliarden Inder, die heute noch 1,1 bzw. 0,4 Kilowatt pro Kopf verbrauchen, nur etwa ein Drittel des westlichen Wohlstandsniveaus erreichen, dann stiege der weltweite Energiebedarf noch einmal mindestens um den Faktor drei. Mit fossiler Energiegewinnung würde eine solche Entwicklung, die unter dem Gesichtspunkt sozialer Gerechtigkeit eher zu bescheiden ausfiele, zu einer ökologischen Katastrophe führen. Das Ende des kurzen fossilen Zeitalters müssten wir also selbst dann einläuten, wenn Kohle, Öl und Gas für die Ewigkeit reichen würden.

Die Lösung dieser Probleme bietet uns nur die Sonne mit ihrer unendlichen Energie.

PHOTOVOLTAIK: DIE VERSCHLEPPTE REVOLUTION

Die Sonne versorgt die Erde mit einer Strahlungsleistung von 178 000 Terawatt pro Jahr. Das entspricht 1,56 x 1018 Kilowattstunden – gut 1,5 Trillionen, eine Zahl mit 18 Nullen. Sagen wir der Einfachheit halber: Die Sonne schenkt uns unendlich viel Energie. Unser Planet müsste angesichts dieser solaren |26|Freigiebigkeit sofort verdampfen, wenn er nicht dank der relativ dichten Atmosphäre und ihres natürlichen CO2-Gehaltes von knapp 0,4 Prozent etwa 80 Prozent ungenutzt ins Weltall zurückstrahlen würde.

Das übrige Fünftel wird in potenziell nutzbare Energie umgewandelt. Rund 40 000 Terawatt verbraucht die Verdunstung von Oberflächenwasser, vereinfacht gesagt: das Regenmachen und damit die Produktion von Süßwasser. Weit weniger, 350 Terawatt, tragen als kinetische Energie zur Entstehung der Winde bei. Rund 100 Terawatt nutzen die Pflanzen via Photosynthese zur Produktion von Biomasse. Die Erde selbst trägt mit ihrer Geothermik, der Wärme aus dem Erdinneren, bescheidene 30 Terawatt zur globalen Energiebilanz bei. Diese Zahlen entnehme ich übrigens dem schönen Artikel »Energy for Planet Earth«, den ein ehemaliger Shell-Manager und Direktor des Davoser Weltwirtschaftsforums, Ged Davis, 1990 in Scientific American veröffentlichte – ein Mann, der in der Mineralölindustrie schon sehr früh das Thema Nachhaltigkeit auf die Tagesordnung gesetzt hat.

Ziehen wir ab, was Wetter und Vegetation benötigen, bleibt immer noch unendlich viel solare Energie für uns: mehr als das Zehntausendfache unseres heutigen weltweiten Energiebedarfs. Rein rechnerisch wird dieser Bedarf durch die Sonneneinstrahlung auf einer Fläche etwa von der Größe Bayerns gedeckt. Wirkungsgrad und Leitungsverluste schon eingerechnet, müssten wir nur rund sechs Prozent der gesamten Fläche der Sahara mit Sonnenkollektoren bedecken. Damit wäre der gesamte Primärenergieverbrauch der Menschheit gedeckt.

Heute deckt die Welt ihren gesamten Energiebedarf zu 34 Prozent aus Öl, zu 26 Prozent aus Kohle, zu 23,5 Prozent aus Erdgas, zu 6 Prozent aus Kernenergie und zu rund 10,5 Prozent aus erneuerbaren Energien, davon über 90 Prozent Wasserkraft. Das heißt: Langfristig müssen wir über 80 Prozent unserer fossilen Energielieferanten durch erneuerbare ersetzen. Wenn man, wie ich und die Mehrheit der Bundesbürger, auch |27|die Atomkraft für keine nachhaltige und vertretbare Alternative hält, sogar 90 Prozent.

Keine Frage: Sowohl über die Zeiträume, in denen uns das gelingt, wie auch über den Energiemix der Zukunft kann man sich im Detail lange und kontroverse Debatten liefern. Aber am eigentlichen Kernpunkt führt keine ideologische Präferenz, kein wirtschaftliches Interesse vorbei: Neun Zehntel der Energie, die die Menschheit benötigt, müssen wir in nicht allzu ferner Zukunft entweder anders erzeugen – oder nicht mehr verbrauchen.