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INHALT

Einleitung

Kapitel 1: Hiobs Klage

Kapitel 2: Daniels Disziplin

Kapitel 3: Simeons Lied

Kapitel 4: Joels Traum

Kapitel 5: Chloes Klage

Kapitel 6: Hesekiels Tal

Kapitel 7: Jesu Prüfung

Kapitel 8: Petrus’ Lob

Fragen zur Vertiefung

Anmerkungen

Danksagung

Für meine Kinder

Jeremy und Chloe

Ihr seid in Zeiten größter Freude,

aber auch in Zeiten größter Herausforderungen

immer wie ein frischer, inspirierender Wind.

EINLEITUNG

Er lockerte seine Krawatte, lehnte sich zurück und erklärte uns, dass Paulus geschrieben habe, es gebe heute keine Geistesgaben und keine Zungenrede mehr. Wo er das geschrieben habe, wollte ich wissen. „Wenn aber das Vollkommene da ist, wird alles Vorläufige vergangen sein“, zitierte er aus 1. Korinther 13. Von seinem Liegestuhl auf der Veranda meiner Eltern auf Long Island verkündete er uns, seinen Zuhörern, diese Botschaft ex cathedra – mit einer schon päpstlichen Unfehlbarkeit. Das „Vollkommene“, von dem Paulus hier schreibe, sei die Bibel, erklärte er. Und als der Kanon der Bibel abgeschlossen war, brauchte es die „unvollkommenen“ Geistesgaben nicht länger.

Er war zweiundzwanzig, irgendwo aus dem Mittleren Westen und frischgebackener Pastor. Ich war fünfzehn und hatte den Eindruck, dass ich selbst Pastor werden sollte. Und ich war sprachlos. Im Handumdrehen, von einem Augenblick auf den nächsten, hatte dieser Mann eine der herausragendsten Eigenschaften des Heiligen Geistes vom Tisch gefegt. Wumms! Mir blieb die Spucke weg. Ich war völlig geplättet angesichts seiner Unfähigkeit, über die Möglichkeit übernatürlicher Geistesgaben zu staunen. Dass er sich so gar nicht nach dem göttlichen Mysterium sehnte, verwirrte mich.

Schon damals, in diesem zarten Alter, stand ich dieser Auslegung der Bibel überaus skeptisch gegenüber, dieser Leichtigkeit, mit der unser Gast etwas so Bedeutsames, so Großartiges abtat. In Anbetracht der Tatsache, dass ich nicht das Geringste über diesen Bereich wusste und keine theologische Ausbildung hatte, legte ich die Frage zu den Akten und ging später aufs College und die Uni. Als ich dreißig wurde, etwas Luft und auch die entsprechenden Kenntnisse hatte, holte ich sie wieder hervor. Es wurde Zeit, sich mit dem Thema „Heiliger Geist“ auseinanderzusetzen. Als ich zum ersten Mal an einer Bibelschule der Methodisten unterrichtete, beschloss ich, einen Kurs zum Thema „Der Heilige Geist in den paulinischen Briefen“ anzubieten. Da ich aber immer noch unerfahren war, wusste ich, dass ich mir jemanden mit mehr Wissen suchen musste, der den Kurs gemeinsam mit mir unterrichten würde. Ich fand schließlich einen Pastor aus Kansas City, der von der sogenannten dritten Welle des Heiligen Geistes beeinflusst worden war. (Die erste Welle war Anfang des 20. Jahrhunderts und führte zur Entstehung der Pfingstbewegung, die zweite Welle war die sogenannte charismatische Bewegung in den 1960er-Jahren, und die dritte Welle erstreckte sich auf die Gruppen, die bisher von keiner „Welle“ erfasst worden waren, konzentrierte sich aber stärker auf prophetische Gaben als auf die Zungenrede.)

Drei oder vier Studenten blieben nach dem Unterricht immer noch da, und so beteten wir auf eine Art und Weise zusammen, die für mich neu war. Wir legten einander die Hände auf. Wir hörten darauf, ob Gott uns ein Wort oder ein Bild gab. Wir versuchten gemeinsam herauszufinden, ob Worte oder Bilder, die wir während dieser Gebetszeit bekamen, irgendetwas mit vergangenen oder gegenwärtigen Ereignissen zu tun hatten. Eine der Studentinnen, die regelmäßig nach dem Unterricht dabei war, lag während des Betens auf dem Boden, als würde sie schlafen, was Pfingstler als „Ruhen im Geist“ bezeichnen. Sie ist jetzt wahrscheinlich eine ganz normale Methodisten-Pastorin irgendwo im ländlichen Missouri, und die Mitglieder ihrer Gemeinde wären über dieses charismatische Aufflackern während ihrer Studienzeit wohl schockiert. Aber es war ein Teil ihres Lebens, genauso wie es auch ein Teil meines Lebens war.

Und das ist es immer noch: Ich bemühe mich immer noch um solche belebenden Erfahrungen mit dem Heiligen Geist. Ich achte beim Gebet immer noch auf Worte oder Bilder von Gott. Und ich glaube immer noch, dass dieser Pastor auf der Veranda meiner Eltern auf Long Island damals einfach falschlag: Auch wenn die Bibel noch so inspiriert ist, so kann sie doch die Gaben des Heiligen Geistes nicht ersetzen.

Das ist der Ausgangspunkt.

Ich gehöre zu jenen Christen, die mehr oder weniger mit einem Bein in der traditionellen Kirche stehen und mit dem anderen in der Pfingstbewegung. Ich habe in der Pfingstbewegung nie wirklich Fuß gefasst, obwohl ich einmal etwas erlebt habe, von dem mein Pastorenfreund aus der dritten Welle mir versicherte, es sei die Gabe der Zungenrede gewesen. Ich bin mir da bis heute noch nicht ganz sicher, was wohl tief blicken lässt. Was auch immer es gewesen war, ich glaube, es war ein ganz persönliches und tiefgehendes Wirken des Heiligen Geistes, das man mit Worten nicht beschreiben kann. Diese Erfahrung spiegelt wohl meine pfingstkirchliche Seite wider.

Aber ich bin in der Gemeinde Christi groß geworden (und zwar in dem Teil, der Musikinstrumente im Gottesdienst einsetzt) und habe zwei Wochen vor meiner Doktorandenprüfung eine Methodisten-Pastorin namens Priscilla geheiratet. Aber trotzdem habe ich auch in der traditionellen Kirche nicht wirklich Fuß gefasst. Das ist seltsam, ich weiß, denn ich bin jetzt seit fast dreißig Jahren Ehemann einer Pastorin, gebe regelmäßig Bibelunterricht in der Gemeinde, war mit der Jugendgruppe auf allen möglichen Einsätzen und habe ganz am Anfang unserer Ehe sogar einmal eine Einladung zum Treffen der Pastorenfrauen erhalten – die ich aus verständlichen Gründen nicht angenommen habe. Und ich habe an zwei der dreizehn Bibelschulen der Methodisten unterrichtet. Das ist doch schon mal was. Aber man kann nicht behaupten, dass ich in meiner Denomination „verwurzelt“ bin. Ich bin in den traditionellen Gemeinden nicht so ganz glücklich. Man könnte mich wohl als einen sympathisierenden Außenstehenden der Pfingstbewegung und Methodisten-Insider bezeichnen, der sich nach einer unmittelbaren und dramatischen Erfahrung mit dem Heiligen Geist sehnt.

Wenn ich die Sache kurz zusammenfassen sollte, ohne zu sehr ins Detail zu gehen, dann würde ich sagen, dass mein Unbehagen mit dem Heiligen Geist zu tun hat. Ich schätze die Pfingstbewegung sehr wegen ihrer Intensität, ihrem Wachstum und den unmittelbaren Erfahrungen, die man dort machen kann. Aber Sie werden schon bald merken, dass ich hier nicht über den klassisch pfingstkirchlichen Glauben schreiben werde. Ich werde das Thema des Heiligen Geistes von einer anderen Seite her angehen. Ich habe auch großen Respekt vor den traditionellen Kirchen mit ihren Bemühungen um Gerechtigkeit, ihrem Bestreben, Fremde und Ausländer aufzunehmen, und ihrem unmittelbaren Zugang zu einer reichen christlichen Tradition. Aber was ich in den folgenden Kapiteln darlegen möchte, ist auch nicht die typisch traditionelle Sicht des Heiligen Geistes. Unsere persönlichen Erfahrungen können manchmal konkreter und lebensverändernder sein, als die Tradition uns glauben machen möchte.

Aber inmitten all meiner Fragen gibt es auch einen Silberstreifen am Horizont. Dadurch, dass ich mit einem Bein in jedem Lager stehe, kann ich vielleicht beiden Seiten neue und überraschende Einblicke in das Thema „Heiliger Geist“ vermitteln. Ich hoffe, dass ich das Staunen über das Mysterium, das jener Prediger verloren hatte, den ich als Jugendlicher traf, wiedererwecken und Erfahrungen mit dem Heiligen Geist festhalten kann, die die Christen – und sogar die Pfingstler in ihrem dynamischen Wachstum – vielleicht übersehen haben. Dieses Buch kann auch ganz normale Menschen verändern, die auf der Suche nach dem Sinn des Lebens sind. Was ich hier darlegen möchte, kann sogar die Gesellschaft außerhalb von Kirche und christlichen Institutionen verändern. Warum? Weil dieses Buch die Gegenwart des Heiligen Geistes – Gottes mystischer, praktischer, weitreichender, grenzenloser Gegenwart in dieser Welt – dort aufzeigt, wo wir am wenigsten damit rechnen – in jedem unserer Atemzüge, in gesellschaftlichen Veränderungen, in der Gemeinschaft, in überaus schwierigen Situationen und im ernsthaften Studium der Bibel.

DIE HERAUSFORDERUNG, DIE VOR UNS LIEGT

Betrachten Sie dieses Buch als Tür zu einer Erfahrung mit dem Heiligen Geist, die biblisch, radikal und praxisnah zugleich sein wird. Lassen Sie mich kurz erklären, was ich mit diesen drei Begriffen meine.

Biblische Erkenntnisse

Vor einigen Jahren habe ich für das New Interpreter’s Dictionary of the Bible einen langen Artikel über den Heiligen Geist geschrieben. Als ich den Beitrag verfasste, merkte ich, dass das hebräische Wort für Geist, ruach, allein im Alten Testament fast 400-mal vorkommt. Etwa 50-mal bedeutet es „Wind“, aber dann bleiben immer noch Hunderte von Stellen, wo es sich auf Gottes Geist bezieht.

Aber wenn ich Sie jetzt nach zehn Bibelstellen aus dem Alten Testament fragen würde, in denen von Gottes Geist die Rede ist, würde Ihnen das vielleicht schwerfallen. Wenn ich Sie um fünf Bibelstellen in der gesamten Bibel bitten würde, die Ihre persönliche Sicht von Gottes Geist infrage stellen, würde es Ihnen wahrscheinlich schwerfallen, eine zu finden. Das liegt daran, dass wir uns meistens auf die Bibelstellen konzentrieren, die uns beigebracht wurden, die unsere Position bestätigen. In der Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin, hat man zum Beispiel geglaubt, dass Christen den Geist Gottes bei der Taufe durch Untertauchen in Wasser zur Vergebung der Sünden empfangen. (Wir haben es damit sehr genau genommen!) Also habe ich die Bibelstellen auswendig gelernt, die diese Auffassung stützen. Apostelgeschichte 2, Vers 38 war hier unser zentraler Vers: „Kehrt um und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (). Ich kannte fast gar keine anderen Bibelstellen über den Heiligen Geist, wie zum Beispiel Jesaja 63, Vers 10: „Sie aber lehnten sich gegen ihn (Gott) auf und betrübten seinen Heiligen Geist. Da wandelte er sich und wurde ihr Feind, ja, er führte Krieg gegen sie“ (). Auf jeden Fall ein wichtiger Vers, aber weil darin nichts von dem stand, was man in meiner Gemeinde über die Erwachsenentaufe lehrte, hatte ich nie davon gehört – und auch nichts über die Hunderte von anderen Bibelversen, die die Lehrmeinung meiner Gemeinde nicht explizit belegten.

Ich möchte hier nicht der Gemeinde, in der ich groß geworden bin, die Schuld dafür geben, dass ich ein falsches Verständnis des Heiligen Geistes hatte. Ich habe dort viel gelernt und dort sind auch die Wurzeln meines Glaubens. Ich versuche nur aufzuzeigen, dass einige Traditionen sich oft auf bestimmte Bibeltexte konzentrieren, die ihre Lehrmeinungen bestärken. Sie klammern sich an etwas, das ihnen eine bestimmte Identität gibt, und lassen es nicht mehr los. Und so werden Verse, die zur eigenen Auffassung nichts beitragen – oder sie sogar infrage stellen – ignoriert. Aber nicht in diesem Buch. Wenn ich sage, dass ich ein biblisch begründetes Buch über den Heiligen Geist schreiben will, dann meine ich damit, dass ich wichtige und oftmals wenig bekannte Passagen aus der gesamten Bibel mit einbeziehen will. Wir werden uns so unbekannte Bibelstellen ansehen wie die Reden von Elihu (wer ist das denn?) im Buch Hiob oder das Versprechen von Jesus im Markusevangelium, in dem es darum geht, dass den Märtyrern der Heilige Geist gegeben wird.

Ich habe die Bibel noch nie als einschläfernd, sondern immer als aufrüttelnd erlebt. Und dieses Buch soll den gleichen Effekt haben. Es wird Sie vielleicht aufrütteln, weil die Gegenwart des Heiligen Geistes aufrüttelnd ist, vor allem, wenn wir dabei die gesamte Bibel betrachten und nicht nur unsere Lieblingsverse. Wenn Ihre Vorstellungen dabei etwas aus den Fugen geraten, dann lesen Sie trotzdem weiter, und Sie werden entdecken, wie Sie unerwartete und tiefgehende Erfahrungen mit dem Heiligen Geist machen können.

Radikale Perspektiven

Was Sie in den folgenden Kapiteln lesen werden, mag völlig neu für Sie sein. Manches davon wird radikal sein. Manches wird Sie vielleicht erschüttern. Aber ich hoffe, dass alles Ihren Glauben erweitern und bereichern wird.

Was wird Ihnen hier begegnen? Zunächst einmal die Überzeugung, dass Gottes Geist in jedem Menschen gegenwärtig ist, nicht nur in den Gläubigen. Diese Überzeugung – die durchaus biblisch ist – wirft jede Menge herausfordernder Fragen für diejenigen auf, denen beigebracht wurde, dass nur Gläubige von Gottes Geist erfüllt sind.

Sie werden sich auch noch anderen Herausforderungen gegenübersehen, zum Beispiel wenn wir einen Schritt weiter gehen und entdecken, dass Gottes Geist in der Gesellschaft als ganzer wirkt. In diese Richtung deuten verschiedene alttestamentliche Prophetien über die Ausgießung des Geistes. Nicht nur einzelne Gläubige haben den Heiligen Geist. Nicht nur christliche Gemeinden. Die Ausgießung von Gottes Geist stellt ganze Gesellschaften auf den Kopf.

Sie werden sich auch noch mit anderen biblischen Überzeugungen befassen müssen, wie zum Beispiel, dass der Heilige Geist nicht nur in Einzelnen, sondern in ganzen Gemeinschaften gegenwärtig ist. Ich unterhielt mich mit meiner Schwester, einer reifen, gebildeten Christin, darüber. Ich fragte sie, wie der Heilige Geist wirke. Sie sagte, der Heilige Geist sei eine Art Führer in uns, der uns innerlich leitet. „Das stimmt“, sagte ich, „aber ich glaube nicht, dass das die ganze Wahrheit ist.“ Sharon war überrascht (und erfreut, weil sie zutiefst neugierig ist), als wir uns darüber unterhielten, wie der Heilige Geist den Pulsschlag und die Wirkung ganzer Gemeinschaften beeinflussen kann.

Und hier eine weitere aufrüttelnde Erkenntnis, die Ihnen in diesem Buch begegnen wird: Der Heilige Geist ist nicht immer ein Gentleman. Nach seiner Taufe führte der Geist Jesus in eine sehr unwirtliche Umgebung, und Jesus verhieß seinen Nachfolgern den Heiligen Geist, nachdem er ihnen die Ankündigung gemacht hatte, dass sie das Märtyrertum erwartete. Der Bezug zwischen dem Heiligen Geist und gefährlichen Situationen ist vielleicht schwer zu verstehen, aber er ist biblisch und reicht zurück zum Kern dessen, was Jesus erlebt und gelehrt hat.

Und schließlich werde ich Sie herausfordern, sich für Erfahrungen mit dem Heiligen Geist zu öffnen. Wenn Sie im Geist tanzen, schwanken oder in Zungen sprechen, werden Sie Gelegenheit haben, sich mit denjenigen eins zu machen, die den Heiligen Geist durch Meditation und Stille erfahren. Wenn Sie noch nie in Zungen gesprochen oder im Geist getanzt haben, werden Sie Gelegenheit haben, das mit denen zu erleben, die es bereits tun. Wo? Beim Studium der Bibel, die uns ein ganz klares Muster aufzeigt, wie wir uns inspirieren lassen können: Der Heilige Geist wirkt, und er wirkt mächtig, wenn Menschen sich versammeln, um Jesus vor dem Hintergrund des im Alten Testament Gesagten zu verstehen.

Lassen Sie mich die radikalen Perspektiven dieses Buches noch auf eine andere Art zusammenfassen. Zu biblischen Zeiten wurde der Heilige Geist noch nicht als die einladende und gastfreundliche dritte Person der christlichen Dreieinigkeit gesehen, als der friedfertige innere Führer, als den ihn viele von uns sehen, wie zum Beispiel meine Schwester Sharon. Der Geist Gottes war eine nicht zu unterschätzende Kraft, ein Impuls, vor dem die Menschen kapitulieren mussten, die Quelle unseres täglichen Lebens und eine unkontrollierbare äußere Kraft. Deshalb, und auch aus grammatikalischen Gründen, spreche ich auch oftmals vom heiligen Geist (mit kleinem h) und nicht vom Heiligen Geist (siehe), wenn ich den Atem Gottes und seine Kraft meine.

Dieses Buch möchte das wahre Erbe des heiligen Geistes zurück in Ihre Hände legen. Ich hoffe, dass es Sie zu einer tieferen, verlässlicheren Erfahrung mit dem Geist Gottes führt, die in den Quellen der Bibel verankert ist. Denken Sie einmal kurz über folgende Möglichkeiten nach:

Wenn Sie sich diese Themen ansehen, merken Sie, dass Sie es hier nicht mit einer netten Einführung in das Thema zu tun haben. Es wird kontrovers. Es wird provokant. Es wird aufrüttelnd, weil der heilige Geist aufrüttelnd ist – zumindest nach dem zu urteilen, was in der Bibel über ihn steht.

Praktische Vorgehensweisen

Ich möchte, dass Sie von jedem Kapitel herausgefordert werden. Aber ich möchte auch, dass Sie in jedem Kapitel praktische Anleitung erhalten, wie Sie das, was Sie gelernt haben, in die Praxis umsetzen können. Deshalb werde ich Ihnen in diesem Buch eine Reihe praktischer Vorgehensweisen an die Hand geben.

Zu Beginn möchte ich, dass Sie sich bewusst machen, dass Ihr Lebensatem geistgegebener Atem ist. Sie müssen also ganz neu lernen zu atmen – tief und gleichmäßig. Sie werden lernen, dass Einfachheit grundlegend ist, um neu atmen zu lernen. Daniel empfing seine ersten Offenbarungen, als er ganz einfach lebte, unbelastet von Begierden, unbehindert durch Überfluss. Ist das praktisch? Ja. Ist es möglich? Das liegt an Ihnen.

Sie werden auch lernen, althergebrachte Rezepte zu hinterfragen. Bevor ich anfing, in der Bibel zu forschen, brachte ich die Kraft des Geistes immer mit ungeheurer, überbordender Energie in Verbindung. Ich dachte, das sei der Grund, weshalb die Menschen in geisterfüllten Gottesdiensten tanzten und hüpften und schwankten. Das stimmt aber nicht immer. Manchmal sind ausgelaugte und entmutigte Menschen zutiefst vom Geist erfüllt. Das Lob Gottes ist sogar dann am kostbarsten, wenn es von Menschen kommt, die im Tal der Todesschatten unterwegs sind, die Leid und Trauer erleben, auch wenn dieses Lob erstickt und fast unhörbar ist, wie ein leiser Hauch von einem Kranken, der sich nicht rühren kann.

Neben dem Atmen werden Sie auch ganz neu die Freude an der Stille und auch ihre Kraft entdecken. Meine Frau Priscilla und ich haben die Kraft der Stille in einem Taizé-Gottesdienst entdeckt. Sonntagabends trifft sich immer eine kleine Gruppe in einer von Kerzen erleuchteten Kirche etwa zwanzig Minuten von unserem Haus entfernt. In lange Zeiten der Stille werden einfache Lieder, Schriftlesungen, Gebete und ein schweigsames Abendmahl zur Erinnerung an den Tod Jesu eingestreut. Wir haben beide festgestellt, dass unsere Ohren aufmerksamer sind und unser Geist vom heiligen Geist bewegt wird, wenn wir in dieser Stille dasitzen.

Andere Vorgehensweisen werden aktionsorientierter sein. Lassen Sie mich Ihnen einen Ausblick auf Kapitel 3 geben. Im Buch Jesaja finden wir ein Beispiel für eine dreiteilige geistliche Übung, die wir täglich durchführen können:

Diese einfache Vorgehensweise führt den Propheten zu einer Vision von Gott und der Welt, die den Menschen in seinem Umfeld so gar nicht gefällt. Wenn Sie diesem einfachen Drei-Schritte-Modell des Propheten Jesaja folgen wollen, sollten Sie sich von Gott auf die Folgen seiner Inspiration vorbereiten lassen. Aber diese regelmäßige geistliche Übung ist die Mühe und den Preis wert. Die Vision des Propheten ist vielleicht die inspirierendste Vision der Bibel und war auch der Punkt, an dem Jesus weitergemacht hat.

Der heilige Geist sprengt mit seiner Kraft die Grenzen eines einzelnen Christen. Deshalb werden Sie hier auch praktische Übungen finden, um am Wirken des heiligen Geistes in der Gemeinschaft teilzuhaben. In Kapitel 6 betrachten wir das Wirken des Geistes in einer Vielzahl von Gemeinschaften, einschließlich der neutestamentlichen Gemeinde in Antiochia, die einige maßgebliche Eigenschaften hatte. Der heilige Geist suchte sich diese Gemeinde als Ausgangspunkt für die erste christliche Mission aus, weil sie eine unglaubliche Ansammlung an Stärken in sich vereinte. Die Menschen waren überaus großzügig, liebten das Bibelstudium, hatten ein multikulturelles Leitungsteam aus Propheten und Lehrern (ohne Pastoren!) und praktizierten die geistlichen Übungen des Betens und Fastens. Ist es da noch verwunderlich, dass diese Gemeinde während des Gottesdienstes ein ganz klares Wort vom heiligen Geist vernahm und die erste christliche Mission ins Leben rief?

DER REICHTUM EINES WORTES

(Anmerkungen zum Hebräischen und zum Griechischen sowie eine Prise Grammatik)

Die Übersetzung eines einzelnen, grundlegenden Wortes

Halten wir einmal einen Moment inne und denken über die Bedeutung des Wortes „Geist“ nach. Die Begriffe, die im hebräischen und griechischen Original standen und bei uns mit „Geist“ übersetzt werden, beinhalten eigentlich so vielfältige Bedeutungsnuancen wie „Atem“, „Windhauch“, „starke Böe“, „Engel“, „Dämon“, Herz und Seele eines Menschen und die Gegenwart Gottes selbst. Das ist eine beachtliche Bandbreite von Bedeutungen, und man darf dabei nicht vergessen, dass ein einziges hebräisches (ruach) und ein einziges griechisches Wort (pneuma) all das bedeuten.

Ein gutes Beispiel dafür, wie schwierig es sein kann, diese Wörter zu übersetzen, finden wir bei Hesekiels Vision vom Tal der Totengebeine. In deutschen Bibelübersetzungen kommen in diesem Abschnitt immer wieder drei Wörter vor: „Geist“, „Atem“ und „Wind“. Hesekiel bekommt die Anweisung: „Weissage über den Atem …: ‚So spricht Gott, der Herr: Komm, o Atem, aus den vier Winden!‘“ (Hesekiel 37,9; NL). Hesekiel tat es und „der Atem fuhr in sie hinein und sie wurden lebendig. Sie standen auf, und es war eine riesige Menschenmenge“ (Vers 10). Die Vision endet dann mit der Verheißung: „Ich gebe euch meinen Geist, damit ihr lebt“ (Vers 14). In den unterschiedlichen deutschen Übersetzungen, so wie hier in der „Neues Leben Bibel“, wird dem Leser suggeriert, dass der Atem, der in die toten Knochen fährt, die vier Winde und der Geist, den Gott dem Volk Israel gibt, drei unterschiedliche Dinge sind. Aber im Urtext steht immer dasselbe Wort.

Den Übersetzungen fehlt hier etwas von der Dramatik des hebräischen Textes. Hesekiel wiederholt das Wort ruach, um zu betonen, dass der eine, der einzige ruach Gottes zum Leben erweckt – eine Auferweckung, die sowohl den Einzelnen erschafft, wie in Adams Fall (ruach = „Atem“), aber auch ein universeller Windstoß des Lebens sein kann (ruach = „Winde“) sowie die Verheißung der Treue zu einem ganzen Volk (ruach = „Geist“). Hesekiel bringt hier alle Wortbedeutungen auf einmal ins Spiel, um die abgestorbene Vorstellungskraft des Volkes Israel neu zu beleben. In den Übersetzungen geht diese lebhafte und dramatische Betonung verloren. Das liegt nicht an den Übersetzern. Es liegt einfach an den sprachlichen Unterschieden und den facettenreichen Wortbedeutungen. Das hebräische ruach und das griechische pneuma haben einen viel größeren Bedeutungsreichtum als einfach nur „Atem“, „Geist“ oder „Wind“. Unsere Sprache gibt schlicht nicht die Bedeutungsvielfalt der Originalsprachen wieder. Deshalb werde ich im Folgenden auch oft vom „Geist-Atem“ sprechen, statt nur entweder „Geist“ oder „Atem“ zu schreiben.

heiliger Geist statt Heiliger Geist

Und noch etwas muss ich klären. Ihnen wird schon aufgefallen sein, dass ich heiliger Geist mit kleinem „h“ schreibe. Damit will ich nicht respektlos sein; ich versuche vielmehr meinen Respekt vor dem Urtext zum Ausdruck zu bringen. Damit meine ich Folgendes: Beim Übersetzen der Wörter ruach und pneuma müssen Übersetzer entscheiden, wie sie das jeweilige Wort wiedergeben wollen. Das hängt davon ab, ob sie glauben, dass es sich auf den menschlichen Geist oder den Geist Gottes bezieht. Wenn sie glauben, dass die Verfasser des Bibeltextes damit das physische Leben gemeint haben, geben die Übersetzer ruach oder pneuma meist mit „Atem“ oder „Geist“ wieder. Wenn sie glauben, die Verfasser meinten damit die charismatische Gabe Gottes, geben sie sie mit „Heiliger Geist“ (mit großem „H“) wieder. Manchmal konnten sie sich aber schlicht nicht entscheiden.

Betrachten wir zum Beispiel einmal eine Bibelstelle aus dem Neuen Testament. In einem seiner Briefe zählt Paulus „heiliger Geist“ in einer Liste von Tugenden auf, die ihn als Diener Gottes ausweisen: „… in allem erweisen wir uns als Diener Gottes: … in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe …“ (2. Korinther 6,6; ). Im griechischen Urtext steht hier kein bestimmter Artikel (und kein Hinweis darauf, welche Bedeutung gemeint sein könnte). Die deutschen Bibelübersetzungen teilen sich hier in zwei Gruppen. Die einen übersetzen einfach mit „im Heiligen Geist“ (; ELB, SLT) bzw. „durch den Heiligen Geist“ () und scheinen sich damit eher auf die Lebensweise von Paulus zu beziehen. Andere Übersetzungen geben den griechischen Ausdruck mit der Betonung auf dem Wirken (Hfa, NGÜ; GN, WD) oder der Kraft (NL) des Geistes wieder. Damit betonen sie sichtbare Kraftwirkungen von Gottes Geist. Das sind zwei sehr unterschiedliche Auslegungen dessen, was Paulus schrieb. In diesem Zusammenhang ist beides möglich: Paulus kann sowohl einen geheiligten Lebensstil unter dem Einfluss von Gottes Geist gemeint haben als auch ein Leben, in dem sich die Kraft von Gottes Geist zeigt.

Ich hoffe, Sie können jetzt ein wenig verstehen, weshalb ich heiliger Geist nicht mit großem „H“ schreibe. Selbst in meinen selbst übersetzten Bibelzitaten ändere ich „Heiliger Geist“ in „heiliger Geist“. Ich will damit nicht die Rolle des heiligen Geistes in der Dreieinigkeit oder die Person des heiligen Geistes herunterspielen. Ich will nur einen falschen Gegensatz zwischen dem menschlichen und dem göttlichen Geist vermeiden (mehr darüber in Kapitel 1 und 2). Stattdessen bemühe ich mich hier, meine Überzeugung wiederzugeben, dass das Hebräische und das Griechische ein großartiges Wort beinhalten, das sowohl stürmische Winde als auch stille Seelen, den Ansturm des Göttlichen und die Ruhe menschlicher Heiligkeit wiedergeben kann. Jeder Übersetzer, mich selbst eingeschlossen, sollte das Großartige und die Bandbreite der Bedeutungen dieses Lebensatems bewahren, der alle Menschen beseelt und antreibt.

BEVOR SIE JETZT LOSLEGEN

Um so viel wie möglich von diesem Buch zu profitieren, möchte ich Ihnen einige Vorschläge mitgeben, wie Sie vorgehen können.

BEVOR SIE DIESES KAPITEL LESEN, SOLLTEN SIE SICH MIT FOLGENDEN BIBELSTELLEN VERTRAUT MACHEN: