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Über die Autorin:

Sefora Nelson ist Liedermacherin, Sängerin, Theologin, Ehefrau und Mutter und aus der christlichen Musikszene nicht mehr wegzudenken. Bisher hat sie in mehreren Ländern gelebt. Auf ihren Konzerten beglückt und inspiriert sie ihre Hörer, mal schwäbisch witzig, mal unglaublich tief – aber immer echt: mit ihren Liedern und mit persönlichen Geschichten, die von Herzen kommen und unter die Haut gehen. Bei Gerth Medien hat sie bereits vier Solo-Alben veröffentlicht. Sefora Nelson lebt mit ihrem Mann Keith und ihren beiden Kindern im Raum Stuttgart. „Denn du bist bei mir“ ist ihr erstes Buch.

www.seforanelson.com

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Psalm 23

Ein Psalm von David

Der Herr ist mein Hirte,

mir wird nichts mangeln.

Er lagert mich auf grünen Auen,

er führt mich zu stillen Wassern.

Er erquickt meine Seele.

Er leitet mich in Pfaden der Gerechtigkeit

um seines Namens willen.

Auch wenn ich wandere im Tal des Todesschattens,

fürchte ich kein Unheil,

denn du bist bei mir;

dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich.

Du bereitest vor mir einen Tisch

angesichts meiner Feinde;

du hast mein Haupt mit Öl gesalbt,

mein Becher fließt über.

Nur Güte und Gnade werden mir folgen

alle Tage meines Lebens;

und ich kehre zurück ins Haus des Herrn

lebenslang.

Inhalt

Einleitung

Der Herr ist mein Hirte
Die stärkste Waffe ist das Vertrauen

Mir wird nichts mangeln
Unser Hirte weiß, was wir brauchen

Er lagert mich auf grünen Auen und führt mich zu stillen Wassern
Unser Problem mit der Ruhe

Er erquickt meine Seele
Lebensenergie ist ein Geschenk

Er leitet mich in Pfaden der Gerechtigkeit um seines Namens willen
Sein Name steht für gute Führung

Auch wenn ich wandere im Tal des Todesschattens
Vom Umgang mit schweren Zeiten

… fürchte ich kein Unheil, denn du bist bei mir
Worauf wir uns verlassen können

Dein Stecken und dein Stab trösten mich
Wie seine Worte in unserem Herzen ihre Kraft entfalten

Du bereitest vor mir einen Tisch angesichts meiner Feinde
Auch wenn alles dagegenspricht: Er macht es gut

Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt
Der Heilige Geist – unser Schutz

Mein Becher fließt über
Mehr als genug

Nur Güte und Gnade werdenmir folgen alle Tagemeines Lebens
Die Sache mit der Perspektive

Ich werde wohnen im Hausdes Herrn für alle Zeit
Dort, wo ich zu Hause bin

Schlusswort

Einleitung

Man hätte ihn fördern sollen. Eindeutig. Mit professionellem Lautenunterricht, mit etwas Stimmbildung vielleicht. Natürlich ist man hinterher immer schlauer, aber ein zukünftiger König muss doch zumindest mal einen Kniggekurs gemacht haben, eloquent Small Talk führen können und auf jeden Fall Kriegsstragien studiert haben! Das alles kommt ja nicht von selbst. Und in jungen Jahren lernt man bekanntlich am besten. Darum war es eigentlich unverantwortlich von Vater Isai, diesen begabten Jungen zum Kleinviehhüten abzukommandieren. Was soll er denn da? Wie soll er dort all seine künstlerischen Gaben einsetzen? Da draußen, auf den Feldern, gibt es keine anderen Menschen um ihn herum, die ihn formen könnten. Keinen Mentor. Kein Vorbild.

Vielleicht hat der junge David gespürt, dass er für seinen Vater nicht nur der kleinste, sondern auch der unbedeutendste Sohn war. Als der alte Prophet Samuel im Auftrag Gottes einen der Söhne Isais zum König salben sollte, wurde David gar nicht erst gerufen. „Hier sind meine Söhne!“, rief der Vater und ließ dabei stolz den Arm über die Runde seiner sieben stattlich gebauten jungen Männer schweifen, die wie bei einer Musterung in Reih und Glied standen. Hoher Besuch war gekommen, um sie zu sehen. Und David? Nicht da. Vergessen worden bei den Schafen. Er war nicht wichtig, dieser schmächtige, sonnengebräunte Jüngling.

Hat David vielleicht deshalb begonnen zu singen? Um seiner verletzten Seele Raum zu geben? Viele seiner Lieder sind ja eher Selbstgespräche. Aber ohne Melodie kommen Selbstgespräche bekanntlich etwas seltsam daher. Die Schafe hätte das sicherlich nicht gestört, aber wer weiß? Wenn man jedoch zum Selbstgespräch dezent die Laute zupft, fühlen sich die Zuhörer gleich wohler. Dann wird oft mitgeschunkelt, gewippt und applaudiert. Mit Musik darf man.

Wie oft David wohl versucht hat, sich einen Platz in dieser Welt zu erkämpfen? Ob er immer mal wieder jemanden angefleht hat, eines seiner neuen, unfertigen Lieder anzuhören? Vielleicht hatte sein Vater ihn genau deshalb dazu eingeteilt, das Kleinvieh zu hüten. Die Brüder gingen mit ihrem kleinen Bruder nicht gerade sanft um. Sicher wurde er mehr als nur einmal fortgeschickt, als er ihren Männergesprächen lauschte. „Geh uns aus dem Weg, du eingebildeter Möchtegern!“, haben sie ihn womöglich angeherrscht.

Doch dort, auf den Feldern, wo er ganz allein mit seinen Schafen war, inmitten der Natur und abseits von all den Chancen und zukunftsträchtigen Möglichkeiten, wurde David geformt. Leise, unsichtbar und doch nachhaltig. Er, der Hirtenjunge, hatte einen Hirten, der ihn nicht aus den Augen ließ. Dort hat David eine Lektion gelernt, die nicht nur das Kernstück seines größten Hits, sondern auch das Motto für sein ganzes Leben werden sollte.

Der Herr ist mein Hirte. Sicher ist Ihnen dieser Psalm vertraut, vielleicht können Sie ihn sogar auswendig. Er gehört zweifellos zu den bekanntesten Texten der Bibel. Unzählige Menschen haben sich durch die Jahrhunderte hindurch von seinen starken Bildern ansprechen, trösten und ermutigen lassen. Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Wenn ich auch durch dunkle Täler gehe, bist du bei mir. Von der ersten bis zur letzten Zeile ist der Psalm 23 eine Einladung zu vertrauen – dem Gott, der wie ein Hirte für uns Menschen sorgen will.

Kommen Sie mit auf eine Reise durch dieses wunderbare Lied – und lernen Sie Ihren guten Hirten noch tiefer kennen. Ich wünsche mir, dass Sie durch dieses Buch dazu inspiriert werden, Ihrem Versorger und Beschützer noch tiefer zu vertrauen.

Sefora Nelson

Der Herr ist mein Hirte

Die stärkste Waffe ist das Vertrauen

Ganz sicher war das Schafehüten für David kein langweiliger Zeitvertreib und auch keine Open-Air-Musikprobe. Natürlich sang David Lieder und komponierte, während die Schafe Siesta machten, aber er musste immer auf der Hut sein. Immer. Schließlich gab es Raubtiere, die es auf seine Schafe abgesehen hatten. Nicht nur einmal musste David ein Schaf aus den Klauen eines Löwen oder eines Bären reißen. Wenn man einen schmächtigen Teenager mit einem ausgewachsenen Löwen oder gar einem Bär vergleicht, ist eigentlich klar, wer hätte gewinnen müssen. Doch David kam davon, jedes Mal. Er übte gewiss neben dem Musizieren auch den Umgang mit der Steinschleuder, und zwar ganz bestimmt richtig intensiv.

David kann unmöglich ein schüchterner Jüngling gewesen sein. Kaum schickte ihn der Vater ausnahmsweise mal einen Tag nicht zu den Herden, sondern mit Proviant zu den Brüdern an die Kriegsfront, da machte David auch schon Probleme. Die Brüder bekamen genau mit, wie er sich mit den Soldaten unterhielt und sich in Diskussionen über das Kriegsgeschehen verlor. Das ging ihn doch nun wirklich nichts an! David hatte mit seinen forschen Fragen, die den blasphemischen Riesen Goliath betrafen, so sehr für Aufruhr gesorgt, dass dies bis zum König vordrang. Dieser ließ schließlich den schmächtigen David holen. Die Brüder waren außer sich vor Wut. „Wir kennen dich! Du nutzt das alles nur aus, um dir eine Schlacht anzuschauen. Musst dich überall einmischen, Kleiner!“

War der lautenspielende Jüngling in seinem Naturell vielleicht doch etwas zu forsch gewesen?

David jedenfalls trat wahnsinnig mutig und unerschrocken vor den König. Und den zitternden Soldaten verschlug es die Sprache. Ein Teenager, der es sich rausnahm, sich in kriegsstrategische Angelegenheiten einzumischen, wo gab es denn so was! Ja, kämpfen wollte David. „Wenn dieser unbeschnittene Riese den Gott Israels so in den Schmutz zieht, dann werde ich es ihm zeigen!“

Wäre König Saul sein Mentor gewesen, hätte dieser ihm gezeigt, wie man mit einer schweren Ausrüstung kämpft. Doch David besaß nur seine Schleuder. Bei Saul hätte er gelernt, wie man sich eloquent und politisch korrekt gibt, um sich beliebt zu machen – und nicht, wie man sich einmischt und für Aufsehen sorgt. Man muss einen strategisch klugen, cleveren Plan erarbeiten. Doch der Herr, der bei David war, als Löwen und Bären auf den Weiden seines Vaters die Schafe angreifen wollten, war auch auf dem Kriegsfeld sein Hirte. „Ich komme im Namen des Herrn“, rief er dem Riesen Goliath zu, als dieser sich über ihn lustig machte. Im Namen des Herrn. Er hatte ja nichts anderes. Er konnte sich weder auf eine Kriegsschule berufen noch auf eine glanzvolle Ahnenreihe von Soldaten. Selbst seine Brüder wären ihrem kleinen Bruder nicht zu Hilfe gekommen. Er hatte nur Gott. Den Herrn. Seinen Herrn. Und diese Wahrheit hatte er bei den Schafen gelernt. Dieser Riese Goliath, der es wagte, gegen seinen Herrn und dessen auserwähltes Volk zu lästern, war nichts anderes als ein Löwe, der es auf seine Schafe abgesehen hatte. Er musste beseitigt werden, so einfach war das (siehe 1. Samuel 17).

Rückblickend betrachtet war die Arbeit als Hirtenjunge ein Segen für David. In der Einsamkeit und ländlichen Ruhe wurde er geprägt. Nicht nur seine musikalischen Stärken konnte er dort ausbauen, sondern er wurde auch andauernd mit Schwierigkeiten konfrontiert. Feinde griffen seine Schafe an. Er musste lernen, mit Ablehnung umzugehen, mit der Überheblichkeit seiner Brüder. Er musste üben, seinen Stolz zu zähmen. Und immer wieder verarbeitete er seine Gefühle in Liedern, wandte sich damit an seinen Hirten und fand Schutz, Sicherheit und Stärke bei ihm. Vielleicht waren die Bären und Löwen, die er erschlug, so etwas wie eine Meisterprüfung im Vertrauen auf seinen Hirten.

Als Eltern, Lehrer oder Freunde bemühen wir uns darum, stets das Potenzial im anderen zu sehen, die Gaben, die Stärken, das Schöne eben. Weshalb denn ein Kind immer nur ermahnen, dass es zu langsam ist? Oder zu schnell weint oder wütend wird? Es hat doch Gaben und Potenzial! Das muss schließlich gefördert werden. Nach der Schule eben noch Tanzunterricht, Schach oder Handball. Die Stärken müssen gestärkt werden. Doch wenn die Schwäche eine Schwäche bleibt, kann sie der hochgezüchteten Begabung in der Zukunft auch mal ganz gemein ein Bein stellen. Wir vergessen oft, dass „die andere Seite“, der Umgang mit Schwierigkeiten, genauso geformt und geprägt werden muss.

Je größer die Gabe, desto größer die Aufgabe. Je größer die Aufgabe, umso mehr müssen beide Seiten – die Gaben und die Schwächen – geschliffen und geprägt werden.

Wem vertraue ich mein Leben, meine Zeit, meine Chancen, meine Schwächen und meine Möglichkeiten an? Kann ich wirklich sagen: Der Herr ist mein Hirte?

Was mich an Davids Geschichte so fasziniert, ist, dass der Junge nicht nur lernte, Gott zu vertrauen, sondern auch ganz praktische Dinge. Zum Beispiel: Wie gehe ich damit um, wenn ich enttäuscht werde? Wenn ich wütend, traurig oder hoffnungslos bin? Drücke ich es weg? Schlucke ich es runter? Lenke ich mich ab? David hat seinen Gefühlen Raum gegeben. Sie Gott zugesungen. Was für eine Kampfstrategie! Er wusste damals, als Hirtenjunge, noch nicht, dass er sie einmal bitterlich brauchen würde, später, als seine Freunde ihn verlassen würden, er von Feinden umringt sein und mit Morddrohungen würde zurechtkommen müssen. Bei den Schafen lernte er, was er tun musste, wenn seine Seele resignieren wollte. Er sprach mit ihr und erinnerte sie daran, dass es sich lohnt, seine Hoffnung auf Gott zu setzen. David entschied sich immer wieder, trotz seiner negativen Gefühle Gott zu loben:

Was beugst du dich nieder, meine Seele, und bist unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihn noch preisen.

Psalm 42,6

Diese Strategie – sein unerschütterliches Vertrauen –
wurde seine Waffe. Genauso wie seine Schleuder. Sie musste sofort griffbereit sein, wenn Gefahr drohte. Er musste so lange üben, bis er damit von Weitem genau zielen konnte. Nur so war er darauf vorbereitet, einen Löwen zu erledigen … und eines Tages einen Riesen.

Welchen Schwierigkeiten sind Sie derzeit ausgesetzt? Wie meistern Sie sie? Haben Sie eine Kampfstrategie? Worin besteht sie? Haben Sie Ihre „Steinschleuder“ sofort griffbereit, wenn Gefahr kommt und Sie runterziehen will? Es wäre fatal, die Hände in den Schoß zu legen und zu warten, bis Sie endlich die Arbeitsstelle, die so gar nicht Ihren Begabungen entspricht, wechseln können. Oder bis die Warteschleife ein Ende hat und das Leben endlich losgeht … Bis der richtige Partner kommt. Die perfekte Gesundheit. Der ideale Kontostand.

Stellen Sie sich mal vor, dass Sie den Herausforderungen des vermeintlich perfekten Umfeldes gar nicht gewachsen wären, weil Sie es verpasst hätten, sich hier und jetzt Ihre persönliche Kampfstrategie anzueignen. Zu trainieren, mit Frust umzugehen. Ihren Schmerz anzuschauen und ihn eben nicht wegzudrücken. Gottvertrauen zu entwickeln. Ist er Ihr Hirte? Darf er Sie leiten? Glauben Sie, dass er Sie gerade jetzt im Blick hat – oder erst dann, wenn sich alles geordnet hat? Ist Ihr Vertrauen in ihn so groß, dass Sie sich ihm anvertrauen können mit allem, was Sie heute ausmacht?

David wusste, wer sein Hirte war, und konnte mit diesem Wissen dem Riesen gelassen gegenübertreten. Ohne schwere Rüstung. Ohne Armee. Nur mit seinem Gott an der Seite und seiner Waffe, der Steinschleuder, in der Hand.

Wenn es hart auf hart kommt, brauchen Sie eine Waffe, mit der Sie arbeiten können. Sie können sich keine irgendwo ausleihen. Nein, es muss Ihre eigene sein. Eine, mit der Sie trainieren können.

Vielleicht ist Ihre größte Hürde in diesem Moment, dass Sie sich nicht vorstellen können, dass Gott Ihr Hirte sein möchte. Dass er Sie sieht und im Blick behält. Genau jetzt. Sie sehen nur Ihr unperfektes Leben, fühlen nur Ihre eigene Kraft- und Orientierungslosigkeit. Aber Gott sieht weiter und möchte Sie fürsorglich begleiten.