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DAS HERZ

DER GESCHICHTE

Die Geschichte Gottes mit uns besser verstehen

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Fred Ritzhaupt

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© 2013 by Gerth Medien GmbH, Dillerberg 1, 35614  Asslar

Sofern nicht anders angegeben, wurden die Bibelverse entnommen aus: Fred Ritzhaupt/Randy Frazee: „Die Geschichte“. Asslar: 

Gerth Medien GmbH, 2012.

1. Auflage 2013

ISBN 978-3-96122-167-7

Bearbeitung: Nicole Schol

Umschlaggestaltung: Michael Wenserit

Satz und eBook: Greiner & Reichel, Köln

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages.

Inhalt

Gleich zu Anfang

Kapitel 1: Der Anfang vom Anfang

Die Schöpfung, die Sintflut und der Turmbau

Kapitel 2: Gott begründet eine Nation

Die Geschichte der Väter des Volkes Israel

Kapitel 3: Vom Gefängnis zum Palast

Josef oder: Wie Gott für sein Volk sorgte

Kapitel 4: Befreiung

Wenn Gott das Joch der Sklaverei zerbricht

Kapitel 5: Neue Gebote und ein neuer Bund

Gott verpflichtet durch Mose sein Volk zur Treue

Kapitel 6: Wüste Wanderung

Vierzig Jahre Entbehrung und Wunder

Kapitel 7: Der Kampf beginnt

Das glorreiche, dunkle Kapitel der „Landnahme“

Kapitel 8: Einige gute Männer und Frauen

Wenn Richter auch Feldherren sind

Kapitel 9: Der Glaube einer Immigrantin

Wie der Urgroßvater Davids zu seiner Mutter kam

Kapitel 10: Königswahl wider besseres Wissen

Samuel, der Prophet Gottes, erfüllt den Willen des Volkes

Kapitel 11: Vom Hirtenjungen zum König

Der Aufstieg einer einzigartigen Persönlichkeit David

Kapitel 12: Mehr als ein Skandal

Ein König wird zum Ehebrecher und Mörder

Kapitel 13: Märchenkönig ohne Happy End

Der weise Salomo vergisst den einen wahren Gott

Kapitel 14: Wenn Arroganz das Sagen hat

Ein eingebildeter Königssohn zerstört die Einheit

Kapitel 15: Gottes Botschafter

Elija und Elischa Männer außerordentlicher Taten

Kapitel 16: Ein Volk manövriert sich ins Aus

Die Treulosigkeit Israels ist der Anfang seines Endes

Kapitel 17: Ein Königreich zerbricht

Auch Gottes große Geduld hat mal ein Ende

Kapitel 18: Daniel im Exil

Gottes Wirken wird unter Heiden sichtbar

Kapitel 19: Das Wunder der Rückkehr

Ein heidnischer Herrscher gehorcht Gott

Kapitel 20: Die Königin der Schönheit und des Mutes

Das Buch Ester

Kapitel 21: Zweiundfünfzig Tage Zittern und Schuften

Der Wiederaufbau der Mauern Jerusalems

Kapitel 22: Ein König für die ganze Welt

Die Geburt Jesu

Kapitel 23: Jesus

Die Anfänge seines öffentlichen Wirkens

Kapitel 24: Mehr als ein Mensch?

Göttliche Vollmacht hautnah erlebt

Kapitel 25: Jesus, Sohn Gottes

Jesus weiß, wer er ist, und das macht seine Gegner wütend

Kapitel 26: Dunkelheit und Entsetzen

Von den schwärzesten Stunden der Menschheitsgeschichte

Kapitel 27: Die Auferstehung Jesu

Angekündigt und doch unfassbar

Kapitel 28: Ein neuer Anfang

Gottes Geist überwindet Schranken und Hindernisse

Kapitel 29: Die Mission des Paulus

Die Frohe Botschaft erreicht Europa

Kapitel 30: Mission in Ketten

Paulus und Rom Schiffbruch, Gefangenschaft und Tod

Kapitel 31: Das Ende der Zeit

Hören, was der Geist den Gemeinden sagt

Gleich zu Anfang …

… muss gesagt werden, dass Sie es bei diesem Buch nicht mit einem (in jeder Hinsicht) „erschöpfenden“ Kommentar zu tun haben. Nehmen Sie es einfach als Begleiter auf dem Weg durch „Die Geschichte“, der Ihnen vielleicht über den einen oder anderen Stolperstein hinweghilft oder Sie mit einem Augenzwinkern auf etwas aufmerksam macht, das Sie sonst vielleicht aus Gewohnheit übersehen hätten.

Wenn wir uns in die Welt der Bibel hineinbegeben auch in der gestrafften Form von „Die Geschichte“, dann ist es oft entscheidend, mit welcher Grundeinstellung wir es tun. Wenn für uns Altes und Neues Testament nichts anderes als antike Dokumente unter vielen anderen sind, dann werden wir uns zumindest mit der Tatsache auseinandersetzen müssen, dass es in der ganzen Menschheitsgeschichte kein vergleichbares Werk gibt, das von mehr als sechzig Autoren über einen Zeitraum von wenigstens tausend Jahren geschrieben wurde. Und das trotzdem einen atemberaubend auffälligen roten Faden enthält.

Wenn wir dagegen in der Bibel ein Buch sehen, das uns genaue Anweisungen gibt, wie wir leben sollen, damit Gott mit uns auch zufrieden ist, dann werden wir mit Verblüffung feststellen: Auch das gibt dieses Buch nicht wirklich her.

Oder wir haben vielleicht bisher immer einen mehr oder weniger großen Bogen um die Bibel gemacht, weil wir instinktiv vermeiden wollen, dass man uns ständig unser Versagen vorhält. Denn so wie die Leute in der Bibel sind wir nun mal nicht und werden wir wohl niemals werden. Auch hier irren wir uns gewaltig! In der Bibel treffen wir nur Menschen wie du und ich. Es gibt einfach keine anderen. Dafür können wir aber in der Bibel einem Gott begegnen, der dieser manchmal ziemlich verdrehten Menschheit immer wieder mit Liebe und Erbarmen begegnet.

Darum eine Bitte: Begeben Sie sich auf Entdeckungsreise in „Die Geschichte“, als wäre es unbekanntes Neuland für Sie. Ich selbst habe die ganze Bibel (nur) zwei Mal durchgelesen und habe sie doch nicht wirklich gelesen. Erst durch diese auf ausgewählte Stellen des Alten und Neuen Testaments „kondensierte“ Bibelausgabe gingen mir reihenweise Lichter auf. Mit einem Mal erlebte ich die Einheit zwischen beiden Bibelteilen, und das hat etwas mit mir gemacht. Bei all den vielen kostbaren geistlichen Büchern, die uns heute zur Verfügung stehen, ist die Begegnung mit unserem Gott in seinem Wort doch das Beste, was uns passieren kann. Und selbst in den für uns so „alten Geschichten“ steckt so vieles, das uns ganz unmittelbar angeht. Unsere Hoffnung ist, dass Sie mithilfe des vor Ihnen liegenden Buches etwas davon entdecken.

Fred Ritzhaupt

DAS ALTE

TESTAMENT

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Kapitel 1

Der Anfang vom Anfang

Die Schöpfung, die Sintflut und der Turmbau

Am Anfang schuf Gott

den Himmel und die Erde.

1. Mose 1,1

Schöpfung

Er kann es einfach nicht lassen der Mensch. Seit Jahrtausenden stellt er sich die Frage, wie die Welt wohl entstanden ist. Was war ganz am Anfang, lange, bevor es uns Menschen überhaupt gab? Vielleicht entstand die Erde, weil sich einige Himmelsgötter fürchterlich gestritten haben (beim Blick auf unsere Welt könnte man versucht sein, den Ursprung unserer Erde so zu erklären). Einer der großen Weisen der Antike, Platon, meinte, am Anfang müsse wohl eine Art Super-Handwerker gestanden haben. Viel weiter sind wir auch heute noch nicht, spricht man seit einigen Jahren doch gerne vom „Intelligent Designer“.

In den Hochkulturen in der Nachbarschaft des Völkchens der Israeliten gab es götterreiche Mythen, wie es zu dieser Welt kam. Manche Wissenschaftler weisen mit Genuss auf altbabylonische und assyrische Texte hin, die zeigen sollen, wie sehr der biblische Schöpfungsbericht doch nur ein Plagiat der viel älteren Schöpfungsmythen darstellt. Keine Frage, dass es da Parallelen gibt, aber ebenso faszinierende Eigenheiten. Denn im Alten Testament ruft Gott einfach durch sein Wort alles ins Dasein (das hebräische Wort bara ist allein für das „Schaffen“ Gottes reserviert). Gerne leiteten die Theologen daraus die „Creatio ex nihilo“ ab, die „Schöpfung aus dem Nichts“. Gott brauchte kein Material, das er bekneten und gestalten musste. Offensichtlich haben die gläubigen Juden das Schöpfungswerk Gottes so verstanden, wie sich in dem spät entstandenen biblischen Buch 2. Makkabäer 7, Vers 28* zeigt.

Aber auch sonst „entmythologisiert“ die Bibel konsequent alles Geschaffene. Sonne, Mond und Sterne werden nicht zu untergeordneten Gottheiten erhoben, sondern zu Lampen degradiert. Und das, obwohl in dem nahe gelegenen Ägypten ein ausgeprägter Sonnengott-Kult herrschte!

So nüchtern und in manchen Punkten auch faszinierend nah an den wissenschaftlichen Erkenntnissen unserer Zeit der Schöpfungsbericht der Bibel auch ist, eines kann keiner leugnen: Es war niemand dabei, als die Welt entstand! In einer Rückschau – man könnte sie durchaus „prophetisch“ nennen haben inspirierte Männer (sorry, nur die konnten damals schreiben) das Unvorstellbare des Anfangs beschrieben, und zwar in dem Verständnis ihrer Zeit, aber auch in ihrer tiefen Erkenntnis von Gott.

Das ist bei Weitem mehr, als wenn man die mühsamen und aufwendigen Versuche der modernen Wissenschaft betrachtet, an den Anfang des Anfangs zu gelangen. Weil sich das Universum ausdehnt, lässt sich rein rechnerisch ein Zeitpunkt annehmen, an dem es sich von einem einzigen Energieknubbel ausgehend in einem „Big Bang“ ausbreitete (vor etwa 13,8 Milliarden Jahren). Da ist er, der Anfang von allem. Bleiben nur ein paar Fragen: Woher kam denn der Energieknubbel und was brachte ihn dazu, nicht mehr länger nur ein Punkt sein zu wollen? Mittlerweile gibt es auch schon eine Antwort darauf: Es gab vorher schon mal ein Universum, das sich nach seiner Ausdehnungsphase wieder auf einen Punkt zusammenzog. Um dann wieder zu explodieren. Was die erste Frage jedoch nur um ein paar Hundertmilliarden Jährchen nach hinten verschiebt.

Noch eine Frage, auf die bisher eine Antwort fehlt: Warum gab es nur einen Urknall? Wenn von allein eine so ungeheuerliche Kettenreaktion in Gang gesetzt wurde, warum urknallt es nicht die ganze Zeit im Universum? Ein antikes Allroundgenie wie Aristoteles, der auf der einen Seite die Erschaffung aus dem Nichts ablehnte („Von nix kommt nix“ – schwäbische Version), könnte hier einen hilfreichen Tipp geben. „Jede Bewegung“, so sagt er, „braucht einen Beweger, der selbst nicht bewegt wird.“ Eine Billardkugel bleibt bis zum Jüngsten Tag auf ihrem grünen Filz liegen, wenn niemand sie anstößt. Irgendwie leuchtet das ein.

Gerade weil kein Mensch am Anfang des Anfangs dabei war, können wir heute sagen: Die Urknalltheorie ist mitsamt ihren bisher gewonnenen Erkenntnissen bewegend und erweitert unseren Blick auf die Großartigkeit der Schöpfung!

Am Anfang schuf Gott einen Punkt im Nichts und sprach zu ihm: „Entfalte deine Energie und dehne dich zu unendlichen Räumen aus!“ Und so entstanden Raum, Zeit und Materie. Und Gott sah, dass es sehr, sehr gut war

(zu: „Die Geschichte“, S. 17)

Menschenskinder

So wenig unsere geistgeführten Schriftsteller (gerne auch „Hagiographen“ heilige Schreiber genannt) bei der Schöpfung der Welt dabei waren, so waren sie auch keine Augenzeugen der Erschaffung des Menschen. Wie sollten sie auch, da es ihre Spezies ja noch gar nicht gab Spätestens bei ihren unterschiedlichen Berichten wird uns deutlich, dass es ihnen nicht um eine historische Dokumentation über das Ehepaar A. und E. ging, sondern um grundsätzliche Aussagen über den Menschen überhaupt und damit auch über uns.

Das ist ihnen in ihrer Lehrerzählung mehr als gelungen.

Erinnern wir uns: Nach dem großartigen Schöpfungshymnus, in dem Gott immer wieder sein Werk begutachtete und es Tag um Tag für gelungen hielt, am letzten „Schöpfungstag“ sogar für sehr gut, standen unsere Hagiographen vor der Frage, wie sie ihren Zeitgenossen die Misere der gegenwärtigen Welt erklären sollten, wenn doch alles „sehr gut“ war. Noch heute fragen Hobby-Atheisten gerne, wieso die Welt so ist, wie sie ist, wenn Gott doch angeblich gut ist und sie nur gut geschaffen haben soll.

Und die Antwort liegt in Gottes „unverantwortlicher“ Risikofreude. Er hätte es so schön haben können: Er hätte bloß ein Wesen schaffen müssen, das auf ihn programmiert ist, das zu allem lächelnd Ja und Amen sagt und sich pflegeleicht (aber ein bisschen beschränkt) im Garten Eden tummelt. Es gibt tatsächlich Menschen, nach deren Vorstellung Gott es auch eigentlich so gewollt hat. Aber dann sei ja der böse Sündenfall dazwischengekommen, das heißt unter diesem Blickwinkel: Die Marionette hat ihre Fäden selbst abgeschnitten. Kein Wunder, dass sie in sich zusammenklappte

Eines aber zeigt uns die ganze Heilige Schrift: Gott schuf sich keine Marionetten, er wollte von Anfang an ein echtes Gegenüber. Ein freies Gegenüber. Mit allen Konsequenzen für ihn selbst und dieses Geschöpf.

Das müssen die inspirierten Schreiber erkannt haben, denn um allen moraltriefenden Auslegungen des sogenannten Sündenfalls zuvorzukommen, lassen sie wenige Zeilen später Gott sagen (übrigens interessanterweise in der Mehrzahl): „Jetzt ist der Mensch wie unsereins!“ Und wir können frei hinzufügen: „Und für dich, mein freies Geschöpf, wird nichts mehr so sein wie vorher. Für mich allerdings auch nicht.“ Als die Menschen dann irgendwann zwischen Gut und Böse unterscheiden konnten, begann auch der Leidensweg Gottes. Denn diesen „undankbaren Zweibeiner“, den er aus Liebe in diese Welt gesetzt hat, würde er von da an umwerben und von ihm nur zu oft die kalte Schulter gezeigt bekommen. Dieses Risiko ist Gott mit seiner Menschheit eingegangen, und wenn man die Geschichte anschaut, war es ein extrem hohes Risiko. Aber die mögliche freie Zuwendung seines Geschöpfes zu ihm scheint ihm sein Leiden – bis hin zu dem, was Jesus am Kreuz aus Liebe zu uns auf sich nahm – wert zu sein. Aber davon später mehr.

So erzählen die Hagiographen in der Geschichte von Adam – dem Menschen – und Eva der Mutter aller Lebenden unsere eigene Geschichte: Hoffentlich können Sie zustimmen, dass Ihre Kindheit etwas „Paradiesisches“ hatte, Sie lebten in einem ungebrochenen Vertrauen zu Ihren Eltern, hatten nicht die Lasten des Erwachsenenlebens zu tragen und so weiter. Doch irgendwann erlebten Sie einen Bruch, Sie „durchschauten“ die Erwachsenenwelt, die Pflicht wurde stärker und die Verantwortung drückender. Gleichzeitig begann die Auseinandersetzung bzw. Absetzung von Ihren Eltern, schmerzlich und doch notwendig, um eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Sie erhielten immer mehr Freiheiten und mussten öfter erleben, dass Ihre eigenen Entscheidungen ziemlich harte Konsequenzen nach sich zogen. Einerseits erleben Sie die Freiheit als etwas Großartiges, aber auch als etwas, das Sie mehr und mehr herausfordert.

Wundert es uns da, dass viele Angst vor der Freiheit haben, die Gott ihnen zumutet? Sie ziehen sich lieber ein enges Korsett aus religiösen Regeln und Vorschriften an, das ihnen Halt zu geben verspricht. Sie passen sich den Erwartungen der Gruppe an, in der sie gerade sind, und meinen, dass Gott genau das von ihnen erwartet. Aber die Sehnsucht Gottes geht in eine völlig andere Richtung. Seit es Menschen mit Herz und Verstand auf dieser Erde gibt, wartet er auf den einen Satz, den er sich nicht selbst sagen kann: „Du bist mein Vater, ich liebe dich und bin glücklich, zu dir zu gehören!“

(zu: „Die Geschichte“, S. 19ff.)

Wassermassen

Eigentlich sollten wir einem Forscher für seine unglaubliche Fleißarbeit danken: Johannes Riem, der Anfang des vorigen Jahrhunderts 268 Sintflutberichte von Völkern aller Erdteile gesammelt und untersucht hat. 157-mal löschten darin Wassermassen alles Leben aus. Wie gesagt: in den Mythen der unterschiedlichsten Völker.

Bestätigt das nicht unseren biblischen Bericht von der Sintflut auf eindrucksvolle Weise? Ja und nein. Ja, weil diese Berichte – vor allem erwähnen knapp die Hälfte die Rettung durch ein „Schiff“ – es schwer machen zu leugnen, dass es wohl so etwas wie eine kosmische Katastrophe gegeben haben muss, die beinahe das Leben auf der ganzen Erde ausgelöscht hätte.

Nein, weil im großen Chor all dieser Mythen unser Bericht eben auch nur einer unter vielen ist. Vor allem die Deutung des Geschehens bereitet so manchem Leser echte Kopfschmerzen. Gott soll es bereut haben, den Menschen überhaupt erschaffen zu haben?! Auch in vielen anderen Mythen ist irgendeine Gottheit sauer auf die immer schlechter werdenden Zweibeiner. Kann es nicht sein, dass solche Denkmuster einfach von den Hagiographen übernommen wurden, diese aber herzlich wenig mit dem Gott zu tun haben, der sich uns in der Bibel offenbart hat?

Gott bereut es, den Menschen geschaffen zu haben, und kaum ist er diesen undankbaren Verein dank der Flut endlich los, bereut er, die vielen Lebewesen ertränkt zu haben. Wessen Gottesbild hier ein wenig ins Schleudern gerät, muss deswegen kein schlechtes Gewissen bekommen. Vielleicht hilft es ihm, dass hier aus dem Verständnis der damaligen Zeit sehr menschliche Erfahrungen auf Gott übertragen wurden. Niemand muss an einen Gott glauben, der nicht weiß, was er tut, dafür aber Besserung verspricht.

Doch vielleicht hat der Hagiograph wirklich etwas beschreiben wollen, das eine völlig neue Sicht auf diese – nicht nur – biblische Geschichte eröffnen könnte? Wie wäre es, wenn Gott sich wirklich selbst in den Zeitablauf der Menschheit „eingeklinkt“ hätte, nicht wissend, was sein Geschöpf vorhat, und vor allem: selbst ständig „dazulernend“? Ich weiß, dass den allermeisten diese Idee als unüberbietbarer theologischer Nonsens vorkommen muss. Aber als gedanklicher Ausflug in undenkbare Gefilde kann sie durchaus einiges bringen. Wäre doch auf diese Weise zumindest der Vorrat an Überraschungen für Gott unerschöpflich

(zu: „Die Geschichte“, S. 27ff.)

Turmbau

Warum reden so viele Menschen so unterschiedlich? Warum gibt es nicht eine einheitliche Sprache? Irgendwann haben sich in Israel sicher einige diese Frage gestellt, war ihr Land doch von einer ganzen Reihe unterschiedlichster Völker und Stämme umgeben. Vielleicht „schmorte“ diese Frage schon lange im Herzen des einen oder anderen, bis man ihm die Geschichte vom Turmbau zu Babel erzählte. Das war es und das leuchtete auch ein! Die gewaltige Turmruine im ohnehin nicht gerade geliebten Babel war ein beredter Hinweis auf die allgemeine Sprachverwirrung!

Originelle Story, geistlicher Nährwert allerdings minimal warum steht diese kurze Episode also im Alten Testament? Das haben sich fromme Juden vielleicht auch schon gefragt.

Ja, es wäre eine reichlich fremdartige Episode, gäbe es nicht das Neue Testament!

Es ist religionsgeschichtlich eine unumstrittene Tatsache, dass sich bei allen Religionen „oben“ und „unten“ nicht einfach austauschen lassen. Darum sind Berge mit ihren hohen Gipfeln Throne der Götter und glücklich das Volk, das solche hohen Berge in seinem Land hat. Was aber macht man, wenn man in einer Tiefebene, etwa zwischen Eufrat und Tigris, lebt? Wie soll man dann die Gottheit verehren, ja, erreichen können? Bei allem, was man später in den Bericht über den Turm zu Babel hineininterpretiert hat, er war ein religiöses Gebäude, um den Himmel zu erreichen.

Und damit ist die Deutung dieser Geschichte schon gegeben: Wenn der Mensch versucht, durch eigene Anstrengung zu Gott aufsteigen zu können, wird es immer zwischen ihm und all den anderen „Mitaufsteigern“ große Spannungen geben. Ehrgeiz, Eifersucht und Eigendünkel sorgen dafür, dass sich selbst „fromme Aufsteiger“ untereinander nicht mehr verstehen. Die vielen kirchlichen Konfessionen, Freikirchen und so manche christliche Gemeinschaft können ein Lied davon singen: Im Umfeld eines besonders heiligen „Heiligen“ gibt es oft nur Märtyrer. Je höher die eigene Anstrengung, desto weniger Verständnis für den, der nicht so kann (oder auch will) wie man selbst.

Und dieser „Turmbaumentalität“ erteilt die Apostelgeschichte eine klare Absage. Denn mit einem Mal können sich dort Menschen verstehen, die sich gar nicht verstehen dürften. Nicht umsonst zählt der Bericht des Pfingstereignisses mühevoll all die Völker auf, aus denen die Zuhörer der Apostel kamen. Sie alle waren völlig durcheinander, weil jeder verstehen konnte, was Petrus und seine Freunde von sich gaben. Pfingsten ist ein Wunder, ein „Verstehenswunder“, das wir heute dringender denn je in allen Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens brauchen (nachzulesen in Apostelgeschichte 2,1–12).

Denn es ist die göttliche Antwort auf jede Art von menschlichen Turmbaubemühungen: Weil sich Gott auf unsere Ebene herabbegibt, können wir uns verstehen (obwohl wir es oft nicht für möglich halten oder sogar nicht einmal wollen). Darum ist so manche Geschichte im Alten Testament, die für sich genommen ziemlich belanglos und isoliert erscheint, im Zusammenhang mit dem Neuen Testament mit einem Mal höchst aktuell und aussagekräftig.

(zu: „Die Geschichte“, S. 30)

* Ich bitte dich, mein Kind, schau dir den Himmel und die Erde an; sieh alles, was es da gibt, und erkenne: Gott hat das aus dem Nichts erschaffen und so entstehen auch die Menschen“ (2. Makkabäer 7,28; Einheitsübersetzung).

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Kapitel 2

Gott begründet eine Nation

Die Geschichte der Väter des Volkes Israel

Ich werde deine Nachkommen zu einem großen Volk machen

und dich in allem segnen;

jeder wird deinen Namen kennen,

weil du ein Segen für andere sein wirst.

1. Mose 12,2

Abraham

Etwa hundert Kilometer vom Persischen Golf entfernt mitten zwischen den Mündungsflüssen des Eufrat lebte Abraham, bis sein Vater Terach mit einem Teil seiner Familie Ur verließ. Laut dem Bericht von Achior im Buch Judit (5,6–9) wurden sie vertrieben, weil sie den Götzenkult der Chaldäer nicht mitmachten. Vielleicht waren es aber auch nur ganz einfache Gründe, etwa das feuchtwarme Klima im Eufratdelta, denn sie zogen fast 900 Kilometer nach Norden, um sich in Haran niederzulassen. Und hier fangen unsere Fragen an: Wieso nimmt Gott Abraham aus seiner Familie heraus und verheißt ihm eine Zukunft, wie sie gewaltiger nicht sein könnte: „In dir werden alle Völker der Erde gesegnet werden“ (Einheitsübersetzung)? Warum konnte er ihn nicht an Ort und Stelle segnen? Was war denn so Außergewöhnliches an diesem Mann, dass Gott mit ihm ein neues Kapitel Weltgeschichte aufschlug?

Gehen wir noch einmal zurück in Abrahams ursprüngliche Heimat Chaldäa. Dieser Landstrich hatte in der Antike einen höchst interessanten Ruf. Die Aramäer und auch die Griechen sprachen von „Chaldäa“, wenn sie Astronomie und vor allem Astrologie meinten. Ein Chaldäer war für sie ein Astrologe. Ganz nebenbei: Hier zeigt sich fast so etwas wie ein Augenzwinkern Gottes, wenn er Abraham nachts aus dem Zelt holt und ausgerechnet ihm die Sterne zeigt (nachzulesen in 1. Mose 15,5).

Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich Abrahams Familie einer von Astrologen beherrschten Gesellschaft nicht unterordnen wollte. Auf etwas festerem Boden bewegen wir uns jedoch, wenn wir eine Schriftstelle mit einbeziehen, die erklären kann, warum Gott ausgerechnet Abraham und seine Frau auserwählte. Im Buch Josua, Kapitel 24, Verse 2 und 3 gibt Josua die Worte Gottes wieder: „Jenseits des Stroms Eufrat wohnten vor langer Zeit eure Vorfahren Terach, der Vater Abrahams und Nahors, und sie dienten fremden Göttern. Da nahm ich Abraham …“ Viele Interpreten sehen hier einen Hinweis auf den Grund, warum Gott Abraham aus dem Familienverband löste. Viele außerbiblische Zeugnisse weisen darauf hin, dass Abraham im Gegensatz zu seiner ganzen Familie nur an einen Gott glaubte und ihn über alles liebte. Das würde erklären, warum Gott diesen Mann mit Verheißungen geradezu überschüttete. Verheißungen, die er bis auf den heutigen Tag erfüllt.

Abgesehen davon, dass Gott in seiner Souveränität jemanden auswählen kann, den er für etwas Besonderes vorgesehen hat, so gelten doch seine Verheißungen für jeden, der ihn aufrichtig liebt. Mehrmals wird dieses Versprechen Gottes im Alten Testament wiederholt: „Wer mich liebt, den werde ich segnen bis in die tausendste Generation nach ihm.“ Das heißt für uns späte Nachkommen Abrahams: Wenn wir Gott von ganzem Herzen lieben, hat das Auswirkungen auf unzählige Generationen nach uns. Gibt es demnach etwas, das wirkungsvoller dem Wohlergehen der Menschheit dient, als Gott zu lieben?

(zu: „Die Geschichte“, S. 32ff.)

Hagar

Verglichen mit Abraham, der erst nach vielen Jahren und auf Anraten seiner Frau Sara mit einer Art Leihmutter einen Sohn zeugte, war sein Enkel Jakob weit weniger zimperlich. Seine zwölf Söhne verdankte er vier Müttern. Diese Möglichkeit hätte also auch Abraham offengestanden. Aber hier zeigt sich ein ganz besonderer Wesenszug Abrahams wen er liebt, dem bleibt er bedingungslos treu. Die Zeugung Ismaels mit Hagar war eine von Sara und ihm selbst akzeptierte Notlösung, ganz offensichtlich wirklich nicht mehr. Hinzu kamen dann noch die Spannungen, die zwischen der „Leihmutter“ und der kinderlosen Herrin im Zelt entstanden. Schon allein der Anblick der schwangeren Sklavin musste Sara bis aufs Blut gereizt haben. Kein Wunder, dass Hagar noch während der Schwangerschaft das Weite suchte. Doch Gott ließ sie zurückbringen, und Abraham erhielt so seinen ersten Sohn, Ismael.

Wie uns die Schrift weiter berichtet, provozierte dieser Knabe später im besten Flegelalter den Rauswurf aus Abrahams Familie. Und seine Mutter, die sich mit ihrem Sohn zusammen in ihre Heimat Ägypten durchschlagen wollte, kann einem in ihrer Verlassenheit nur leidtun.

Wäre da nicht ein Paulus, der Hagar mehr als tausend Jahre später doch noch einen ganz ungewöhnlichen, wenn auch für das damalige Judentum wenig schmeichelhaften Platz anwies (nachzulesen in Galater 4,22–27). Paulus betrachtete Hagar als Symbolfigur für das gesamte Alte Testament, zumal sie den arabischen Namen des Berges Sinai trug. Ihre Kinder (im übertragenen Sinn) lebten laut Paulus in Jerusalem in Knechtschaft. Unerbittlicher konnte es Paulus seinen Glaubensgenossen nicht beibringen, welcher Unterschied zwischen einem Leben unter der Verheißung und einem Leben in einem religiösen Sklavengeist besteht. So werden wir doch, liebe Hagar, immer wieder an dich erinnert …

(zu: „Die Geschichte“, S. 36)

Isaak

Es ist schon einmalig, dass Isaak, neben Abraham der bedeutendste Stammvater für das auserwählte Volk Gottes, ausgerechnet „Es ist zum Lachen“ heißt. Als Sara hörte, sie solle in ihrem Alter noch ein Kind bekommen, musste sie einfach lachen. Was soll man auch sonst tun, wenn man eine völlig verrückte Geschichte hört? Der anschließende Streit, ob sie nun gelacht hat oder nicht, unterstreicht die ganze Szene nur noch mehr. Da schenkt Gott eine weltbewegende Verheißung, und die Betroffene kann nicht anders als lachen. Sie weiß, dass sie einfach nicht mehr schwanger werden kann. Das ist kein Unglaube, das ist eine Tatsache. Umso mehr lacht sie dann allerdings nach der Geburt ihres Sohnes, und dieses Lachen nicht das erste hinter der Zeltwand steht schließlich Pate für seinen Namen. Isaak wäre mit diesem Namen bei uns sicher nicht Politiker geworden. Er hat eine bedeutende Rolle übernommen und doch seinen Namen nie geändert. Vielleicht ein kleiner Wink von oben, uns nie so ernst zu nehmen, dass uns das Lachen über uns selbst im Halse stecken bleibt.

Denn offensichtlich hat sich selbst der junge Isaak nicht zu wichtig genommen. Als Abraham in der vielleicht schwärzesten Stunde seines Lebens mit seinem Sohn auf den Berg stieg, um ihn dort zu opfern, hätte sich Isaak mit Händen und Worten wehren können. Nicht eine Silbe wird davon berichtet. Obwohl er mit Sicherheit nicht verstand, was da mit ihm geschah, gab er sich einfach in die Hände seines Vaters.

Hier schimmert eine erste Ahnung von dem durch, was sich auf Golgatha, dem Kreuzigungsort Jesu, ereignen würde. Und das ist weit mehr als die landläufige Parallele, die man zwischen dem Brennholz tragenden Isaak und Jesus sehen kann, der auch das Holz zu seiner Opferstätte schleppte.

(zu: „Die Geschichte“, S. 38)

Jakob

Mehr als ein Kopfschütteln über die Tricks, derer Jakob sich bediente, um an den Segen seines Vaters heranzukommen, haben wir meistens nicht für diese Geschichte übrig. Es geht ja auch nicht um unseren Stammvater. Für die jüdischen Schriftgelehrten aller Jahrhunderte war das etwas völlig anderes. Jakob hat seinen Bruder Esau nicht nur um sein Erstgeburtsrecht betrogen, sondern ihm auch noch den für jüdisches Denken unersetzlichen Vatersegen mit Täuschung und Lüge geraubt. Es ist rührend zu sehen, wie Gelehrte immer wieder versuchten, diesen unverzeihlichen Makel im Leben des Stammvaters wegzuinterpretieren. Im Zuge dieser Bemühungen wurde Esau immer schlimmer, bis man ihn zum geistigen Stammvater der Römer machte. Wenn Esau so schrecklich war, dann hatte Jakob richtig gehandelt. Ja, wahrscheinlich wollte Gott es sogar, denn bei aller Blindheit hätte Isaak den Schwindel erkennen müssen, wenn Gott ihn nicht daran gehindert hätte. Also hat Jakob nur getan, was Gott von ihm verlangt hat. Seine spätere großartige Geschichte beweist es ja.

Doch wie man den Betrug Jakobs auch begründen oder entschuldigen möchte: Eine Frage bleibt dabei unberührt, die nicht nur im Alten Testament wiederholt auftaucht: Wie krumm dürfen die Zeilen sein, dass Gott auf ihnen immer noch gerade schreiben kann? Das ist nicht als Freibrief zu verstehen; aber gibt es außer Jesus überhaupt jemanden, der nach unseren Vorstellungen für die Vorhaben Gottes ein perfektes Führungszeugnis vorweisen konnte und kann? Wir werden auch weiterhin in seiner „Geschichte“ Menschen begegnen, auf die Gott vom moralischen Standpunkt aus beurteilt eigentlich als Mitarbeiter hätte verzichten müssen. Aber er liebt es wohl, mit solchen Menschen zu ringen, sei es, dass er dabei einem Jakob die Hüfte ausrenkt oder einen Paulus zu Boden streckt. Jedenfalls scheint es ihm zu gefallen, mit Menschen etwas anzufangen, die bei ihren meisten Zeitgenossen längst „unten durch“ sind. Das heißt: Auch wir dürfen noch hoffen

(zu: „Die Geschichte“, S. 42ff.)