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Theorien der Gabe zur Einführung

Iris Därmann

Theorien der Gabe zur Einführung

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Wissenschaftlicher Beirat
Michael Hagner, Zürich
Dieter Thomä, St. Gallen
† Cornelia Vismann, Weimar

Junius Verlag GmbH
Stresemannstraße 375
22761 Hamburg
www.junius-verlag.de

© 2010 by Junius Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Covergestaltung: Florian Zietz
Titelbild: Marilyn Angel Wynn
© Getty Images
E-Book-Ausgabe Januar 2017
ISBN 978-3-96060-030-5
Basierend auf Print-Ausgabe:
ISBN 978-3-88506-675-0
2., unveränderte Auflage 2016

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

I.Die Gabe – zum Auftakt

II.Marcel Mauss: Sozialtheorie der Gabe, Gabentheorie der Kultur – Zum Essay über die Gabe

1. Sozialtheorie der Gabe

2. Gabentheorie der Kultur

III.Georges Bataille: Opfergewalt, Potlatch und exzessive Verausgabung

1. Das Opfer, Ausübung von Grausamkeit

2. Die Zweideutigkeit des Potlatch

3. Die allgemeine Ökonomie der Sonne

IV.Claude Lévi-Strauss: Gabe, Frauentausch und Reziprozität

1. Winterfeste – Gabenfeste: oder die Asymmetrie innerfamiliärer Gaben

2. Auf der Schwelle von Natur und Kultur

3. Frauentausch und endlose Gaben: Die Fragilität des Fadens

4. Die Kraft der Sache selbst

V.Jacques Derrida: Reine Gabe, unbedingte Gastfreundschaft und allgemeine Ökonomie

1. Rückkehrlose Gabe

2. Gesetze der Gastfreundschaft

VI.Michel Serres: Schnorrer, Schmarotzer und Parasiten

1. Tausch und Täuschen

2. Kulturen des Parasiten und der Gastfreundschaft

3. Von der Irreduzibilität der Gabe: Die Theorie der Quasi-Objekte

VII. Zwischendinge, Quasi-Objekte, Aktanten – ein Ausblick

Anhang

Siglen

Anmerkungen

Über die Autorin

I. Die Gabe – zum Auftakt

Was hat es mit dem Schenken auf sich? Woher kommt die Verpflichtung, die Gabe – zumindest mit einem Dank – zu erwidern? Warum ist es anstößig, ein Präsent zurückzuweisen? Woran rührt die Reserve, Geschenke wie bloße Dinge oder Waren zu behandeln und sich ihrer im Falle des Nichtgefallens auf kürzestem Wege zu entledigen? Warum müssen Geschenke überflüssig und unnötig sein und sich entweder durch ihre rasche Sterblichkeit (Blumen, die verwelken) oder aber durch ihren zeitüberdauernden Wert (Schmuck) empfehlen? Aus welchem Grund sind sie dennoch unverzichtbar und Tag für Tag zwischen uns?

Fragen wie diese stehen im Zentrum des 1923/24 in der Année Sociologique erschienenen Essays über die Gabe von Marcel Mauss, der dem Rätsel des Gabentausches, der »hybriden« Mischung von Gabe und Ökonomie, von Freigebigkeit und Eigennutz, Freiwilligkeit und Zwang auf der Spur ist. Zweifellos gehört er zu den bekanntesten Klassikern der Soziologie, der einen der wichtigsten Traditionsstränge der französischen Theoriebildung angestoßen hat, für die Namen wie Georges Bataille, Claude Lévi-Strauss, Jacques Derrida und Michel Serres stehen. Mit dieser Einführung soll eine dichte Transformations- und – im Sinne der Selbstanwendung – eine Gabentauschgeschichte der Gabentheorien selbst skizziert werden. Dabei werden nicht zuletzt die produktiven Missverständnisse und Interpretationsperspektiven rekonstruiert, die diese Rezeptionsgeschichte in soziologischer, ethnologischer und philosophischer Hinsicht auszeichnen. Es wird gezeigt, dass und inwiefern der Essay über die Gabe für eine nicht-marxistische Kritik des Kapitalismus und eine Kunsttheorie im Zeichen exzessiver Verschwendung, für die strukturale Verwandtschaftsforschung im Namen der Reziprozität, die dekonstruktive Gaben- und Zeittheorie und das Konzept der unbedingten Gastfreundschaft sowie für die Komplexitäts- und Akteur-Netzwerk-Theorie bahnbrechend gewesen ist.

Zunächst aber gilt es, das Eigengewicht und den Eigensinn dieses buchstäblichen Versuchs über die Gabe herauszustellen, der eine ethnografische Gabenweltreise und umgekehrte Ethnografie der europäischen Kultur zugleich darstellt. Den Ausgangspunkt der Einführung bildet daher eine eingehende Lektüre der Mauss’schen Abhandlung selbst, und zwar unter zwei systematischen Gesichtspunkten: Sie soll (1.) zeigen, dass es sich dabei um eine ambitionierte Sozial- und Kulturtheorie des Gabentausches handelt, die sich als Alternative zur klassischen politischen Philosophie einerseits und zur französischen Soziologie andererseits anbietet, indem sie die kulturellen Voraussetzungen und kulturellen Praktiken vor Augen führt, die Sozialität je von Neuem hervorbringen und unterhalten. Sie soll (2.) deutlich machen, dass es Mauss um den Entwurf einer »Theorie der allgemeinen Verpflichtung« geht, die eine »Genealogie« moralischer Imperative ausgehend von der »Kraft der gegebenen Sache selbst« und der Fremderfahrung der Gabe zu entwickeln sucht.

Unter der Hand springt dabei eine ordinary culture theory heraus, welche die eingangs gestellten Fragen beantworten kann.

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Ein Buch über die Gabe ist selbst aus lauter Gaben gemacht. Für Zutrauen und Unterstützung, Zuspruch und Pfand danke ich von Herzen: Friedrich Balke, Kathrin Busch, Fred Girod, Albrecht Koschorke, Susanne Lüdemann, Kirsten Mahlke, Ethel Matala de Mazza, Günther Ortmann, Leander Scholz, Erhard Schüttpelz, Bernhard Waldenfels, den Fellows des Kulturwissenschaftlichen Kollegs 2007/08 sowie dem Exzellenzcluster Kulturelle Grundlagen von Integration, beide an der Universität Konstanz.

Berlin, im Januar 2010

Von zentralen Gedanken, Begriffen und Formulierungen, die ich hier entwickele, wurde schon vor Erscheinen dieses Buches Gebrauch gemacht – ohne Hinweise auf die Quelle und ohne Autorisierung (siehe Moebius, »Die elementaren [Fremd-]Erfahrungen der Gabe«, in: Berliner Journal für Soziologie 1/[2009], S. 104-126). Ich nehme das als frühe Bestätigung. Zum Glück hat Stephan Moebius, dem mein Buchmanuskript seit Herbst 2008 vorlag, diese Unterlassung in einem Erratum (Berliner Journal für Soziologie 3/[2009], S. 493) ausdrücklich behoben.

II. Marcel Mauss: Sozialtheorie der Gabe, Gabentheorie der Kultur – Zum Essay über die Gabe

»Unsere Feste sind die Bewegung der Nadel, die die Teile des Strohdachs zusammennäht, so daß sie ein einziges Dach bilden, ein einziges Wort.«1

Der 1923/24 in der Année Sociologique erschienene Essay über die Gabe gehört zu den wohl bekanntesten und am wenigsten gelesenen Klassikern der Soziologie. Den Vorwurf einer allzu selektiven Lektüre kann man auch und gerade den berühmtesten Kritikern dieses Textes – Georges Bataille, Claude Lévi-Strauss, Jacques Derrida, Michel Serres – nicht ganz ersparen.2 Generalisieren sie doch jeweils einen – und noch nicht einmal den entscheidenden – Aspekt des Essays, um damit diesem buchstäblichen Versuch über die Gabe mit einer Hand etwas zu entziehen, ohne ihm mit der anderen Hand das Gebührende zurückzugeben (FZ 99f.).

So hat Georges Bataille mit der Zurückweisung von Mauss’ angeblicher Deutung der Gabe als einer interessengelenkten Tauschhandlung und über die Radikalisierung des Potlatch im Sinne der »Verausgabung« eine sakralsoziologische Theorie der »allgemeinen Ökonomie« des Universums entworfen, die die »beschränkte Ökonomie« (der pazifischen Gesellschaften) und damit Mauss’ Text weit hinter sich lässt (VT 48ff.).

Lévi-Strauss macht Mauss nicht nur den unberechtigten methodischen Vorwurf, einer eingeborenen Theorie auf den Leim gegangen und den okzidentalen Logos verraten zu haben; er besteht auch auf der Vorgängigkeit des Tausches als einer empirisch nicht beobachtbaren Totalität vor den diskreten Einzelverpflichtungen des Gebens, Nehmens und Erwiderns (EWM 30 f.). Damit bringt er die prekäre Asymmetrie und das riskante Ereignis der Gabe in einem immer schon vorausgesetzten, ja angeborenen Prinzip von Reziprozität (ESV 107ff.) zum Verschwinden. Jacques Derrida wirft Mauss wiederum ganz zu Unrecht vor, den Tausch mit der Gabe verwechselt zu haben (FZ 54, 37, 149). Vom europäischen Standpunkt einer der Ökonomie strikt entgegengesetzten »reinen Gabe« tritt er unter Rückgriff auf Mauss’ Fristbegriff in eine Auseinandersetzung mit Heideggers Frage nach der Zeitigung der Zeit ein (FZ 57 f.). Dabei macht er eine quasi-transzendentale Verbindung zwischen der Zeit der Gabe und der Gabe der Zeit geltend, die ganz entschieden nicht die Frage von Mauss gewesen ist.

Michel Serres schließlich trifft im Essay über die Gabe nur auf allseits Bekanntes, »das wir bereits von uns selbst wußten« (DJ 344). Er kappt jede Form des Austausches zugunsten eines einseitigen, exzessiven Nehmens und erklärt den Parasiten zum Stifter jeder neuen Kommunikationsordnung (DP 287).

Kurzum: Das Charakteristische des Mauss’schen Gabentausches wird bei Bataille durch eine exzessive Verausgabung, bei Lévi-Strauss durch den reziproken Tausch, bei Derrida durch die reine Gabe und bei Serres durch ein parasitäres Nehmen eskamotiert. Worin aber besteht die außerordentliche Modernität der soziologischen und kulturtheoretischen Implikationen dieses Textes, der die meisten seiner legendären Leser – womöglich aus Überbietungsgründen im »Eigentumskrieg«3 um das schlagende Argument – nicht oder nur unzureichend gerecht zu werden suchten?

1. Sozialtheorie der Gabe

In seinem Essay über die Gabe unternimmt Mauss mit den ethnografischen Untersuchungen von Malinowski, Boas, Hunt, Radcliff-Brown, Elsdon Best u.a. eine Art Gabenweltreise: Ausgehend von der eigenen Gesellschaft – genauer: im Ausgang von den grundlegenden europäischen Unterscheidungen zwischen Person und Sache, Gabe und Ökonomie, Freiwilligkeit und Zwang setzt er zu fremden Gestaden und Gesellschaften über, insbesondere zu denen der Pazifischen Inseln und der Nordwestküste von Kanada und Alaska. Dort stößt er freilich nicht auf das Fehlen, den privativen Mangel dieser europäischen Unterscheidungen als Symptom eines gewissermaßen prälogischen, undifferenzierten und primitiven Denkens im Sinne Lévy-Bruhls. Er trifft vielmehr auf die zusätzliche und, wie es zumindest auf den ersten Blick scheint, auf die in Europa weitgehend verloren gegangene pazifische Fähigkeit, diese Unterscheidungen zu bestimmten Zeiten und Anlässen mithilfe der Praktiken des Gabentausches außer Kraft zu setzen und zu konfundieren (DG 80). Von den zeitgenössischen »Gesellschaften am Rande des Pazifiks« (DG 94) kehrt Mauss nach Europa, allerdings zunächst in ein vergangenes Europa zurück: zum germanischen, hinduistischen und römischen Recht der zwölf Tafeln, um dort vergleichbare Institutionen des Gabentausches zu entdecken, Institutionen und rituelle Praktiken, die er – trotz ihrer vermeintlichen Randständigkeit, aber dank der Rückübertragung des pazifischen Gabentausches nach Europa und der terminologischen Ungeschiedenheit von Person und Sache namentlich im römischen nexum – schließlich selbst noch im zeitgenössischen Europa wiederzufinden vermag. Zwar haben diese den Charakter eines fait social total verloren, sofern sich die »Prestationen« nicht mehr »auf alle, auf alles und auf alle Momente«4 zu erstrecken scheinen. Doch konnte sich etwa die zugleich öffentliche wie private Institution der Ehe den Charakter einer »totalen sozialen Tatsache« bewahren, bei der die Eheleute einander alles schulden, sich alles geben und »alles verdanken«, so dass in jedem einzelnen innerehelichen Gabentausch die ganze gebende Person, aber auch die ganze gegebene Sache auf dem Spiel steht. Das gilt auch und zumal für die westlichen Potlatchfeste wie Weihnachten, Nikolaus oder Halloween und für alle Feste familiären und öffentlichen Charakters: Geburtstage, »Kirchweihen, Hochzeiten, Erstkommunionen und Beerdigungen«, bei denen man nicht im Rückstand bleiben darf und sich selbst wenig begüterte Familien dazu genötigt sehen, sich, wo nicht »für ihre Gäste zu ruinieren« (DG123), so doch, sich ihnen gegenüber als außerordentlich freigebig zu erweisen.

Auch in Europa, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, durchdringt diese Kultur und »Leidenschaft für die Gabe, die mit der rituellen Verpflichtung des Empfängers einhergeht, sie anzunehmen und zu erwidern« (ESV 110), bei aller Ausdifferenziertheit der Systeme von Ökonomie, Recht, Politik, Kunst, Religion usf. sämtliche Bereiche und noch die alltäglichsten Situationen, ja die unscheinbarsten und episodischsten Gelegenheiten des sozialen Lebens: So verlangt die Höflichkeit, dass man dem Tischgenossen Salz, Butter und Brot reicht, bevor man sich selbst davon bedient. »In den kleinen Gaststätten des französischen Südens«, erzählt etwa Lévi-Strauss, »wo der Wein im Preis der Mahlzeit eingeschlossen ist, findet jeder Gast vor seinem Teller eine kleine Flasche Wein« von zumeist schlechter Qualität. »Diese Flasche gleicht der des Nachbarn aufs Haar, so wie die Fleisch- und Gemüseportion, die eine Kellnerin der Reihe nach austeilt.« Anders als bei der Nahrungszuteilung, bei der jeder Gast eifersüchtig darauf bedacht ist, die gleiche Menge wie sein Nachbar zu erhalten, steht es indes um den Wein: »Die kleine Flasche mag gerade eben ein Glas enthalten, aber dieser Inhalt wird nicht ins eigene Glas geschenkt, sondern in das des Nachbarn.« Und dieser wird die Gabe alsbald durch eine entsprechende Geste erwidern. Was ökonomisch wie eine sinnlose Handlung erscheinen muss – schließlich erhält jeder genau den gleichen Stoff, den er zuvor an seinen Tischnachbarn abgetreten hat –, umreißt das Rätsel des Gabentausches (ESV 115 f.). Es verdichtet sich für Mauss in der Frage nach jenem »tiefgreifenden«, aber methodisch »isolierten Zug« (DG 13), nämlich dem »Zwang« zur Erwiderung, der den ganzen Einsatz seiner Untersuchung ausmacht: »Welches ist der Grundsatz des Rechts und des Interesses, der bewirkt, daß in den […] archaischen Gesellschaften das empfangene Geschenk obligatorisch erwidert wird? Was liegt in der gegebenen Sache für eine Kraft, die bewirkt, daß der Empfänger sie erwidert?« (DG 13)

In seinem ausdrücklich am Entwurf einer »allgemeinen Theorie der Verpflichtung« (DG 26) interessierten Versuch über die Gabe will Mauss die Herkunftsmöglichkeit von moralischen und rechtlichen Imperativen »genealogisch« (DG 102) auf den Zwang zur Erwiderung zurückführen. Ganz offensichtlich ist die Gabe für Mauss eine immer schon gegebene und angenommene Gabe. Denn eine Gabe, die nicht die Kraft hätte, im Empfänger einen Zwang zur Erwiderung zu bewirken, wäre keine, oder besser: wäre eine missglückte Gabe, die ihren eigentümlichen Gabencharakter verfehlt hätte. Die Frage nach dem »Geist der gegebenen Sache selbst« (DG 23), die zur Erwiderung zwingt, führt Mauss mithilfe des »Maori-Juristen« (DG 25) Tamati Ranapiri auf die entscheidende Entdeckung, dass die Gaben »keine leblosen Sachen«, sondern beseelte, nicht selten individualisierte Dinge sind, denen die Neigung innewohnt, zu ihrem Ausgangsort zurückzukehren: Die im maorischen Gabensystem »durch die Sache geschaffene Bindung [ist] eine Seelenbindung […], denn die Sache selbst hat eine Seele, ist Seele. Woraus folgt, daß jemand etwas geben soviel heißt, wie jemand etwas von sich selbst geben. […] Es ist vollkommen logisch, daß man in einem solchen Ideensystem dem anderen zurückgeben muß, was in Wirklichkeit ein Teil seiner Natur und Substanz ist; denn etwas von jemand annehmen heißt, etwas von seinem geistigen Wesen, von seiner Seele annehmen. Es aufzubewahren wäre gefährlich und tödlich, und zwar nicht allein deshalb, weil es unerlaubt ist, sondern weil diese Sache – die nicht nur moralisch, sondern auch physisch und geistig von der anderen Person kommt –, […] magische und religiöse Macht über den Empfänger hat.« (DG 26f.)

Die magische Behexung, will sagen: das hau und mana bei den Maori, die religiöse beziehungsweise mythologische Verpflichtung bei den Trobriandern und Kwakiutl oder der rechtliche Formalismus im römischen Recht sind aus Sicht von Mauss jedoch nicht der letzte Grund der Kraft der gegebenen Sache selbst, die zur exorzistischen Erwiderung zwingt. Die »magische Sanktion bleibt eine nur mögliche, und sie ist nur die Folge der Natur und des geistigen Charakters der gegebenen Sache« (DG 96), wie Mauss im Kontext seiner Diskussion des nexum und der zusätzlichen Pfänder gegen Paul Huvelin einwendet.5

Dies muss man im Übrigen gegenüber Lévi-Strauss und seinen Gefolgsleuten mit Nachdruck festhalten, die Mauss vorgeworfen haben, eine lokale Deutung der Erwiderungspflicht und maorische Magie zum »master-concept«6 seines Essays gemacht zu haben. Denn offensichtlich handelt es sich für Mauss um magische, aber auch um religiöse oder rechtliche Inszenierungen, Ausgestaltungen und Übersetzungen einer obsessiven Fremderfahrung der Gabe, die von der Vermischung, der mélange von Person und Sache im Akt der Übergabe selbst herrührt. Mélange ist allenthalben das Schlüssel- und Zauberwort, das das Rätsel der Gabe zu lösen verspricht – eine mélange, die den Text selbst zuweilen verrückt spielen, ihn zu einem Dickicht und Gestrüpp ohne Ausgang geraten lässt: Am Grund oder »im Grunde sind es Mischungen. Man mischt die Seelen unter die Dinge, man mischt die Dinge unter die Seelen. Man mischt die Leben und siehe da: jede der miteinander vermischten Personen und Sachen tritt aus ihrer Sphäre heraus und mischt sich von neuem: dies genau ist der Vertrag und der Austausch.« (DG 39)

Mélange bedeutet ausdrücklich nicht symbiotische Verschmelzung, sondern chiastische Vermischung von Sache und Person: »Person wird Sache, Sache wird Person«,7 fremde Person wird eigene Person, fremde Sache wird eigene Sache und vice versa. Vor und außerhalb der Gebung gehört die Sache selbst untrennbar zur Person, sie macht ihr ganzes Renommee aus, verleiht ihr Titel, Ämter, Fähigkeiten, Prestige und Ansehen. Im Augenblick der Übergabe trennt und unterscheidet sich die Person von ihrer Sache, um auf diese Weise mit sich zu differieren und von sich selbst abzuweichen. Diese im Geben geschehende Separation von Person und Sache wird zugleich von deren Vermischung flankiert, die einer Personifizierung der Sache und einer Versachlichung der Person Vorschub leistet. Daraus »folgt, daß etwas geben soviel heißt, wie etwas von sich selbst zu geben« (DG 26), das heißt den prekären Verlust seiner selbst im Sinne einer Entseelung und Entkörperung, in jedem Fall nach Art einer »Ent-Aneignung«8 zu erleiden. Wenn die gegebene Sache in den Händen ihres neuen Besitzers nicht damit aufhört, mit der gegebenen Person vermischt und ihr weiterhin zugehörig zu bleiben, dann hat der Empfänger mit der fremden Sache zugleich auch die fremde Person, ihre ganze soziale Substanz an sich genommen. Eine Gabe anzunehmen bedeutet demnach, im zeitweiligen Besitz der mit ihrer Sache vermischten Person, will sagen: von ihr besessen zu sein (DG 102). Der Gabenempfang ist das Widerfahrnis einer alterierenden Besessenheit durch den Geber, der dank der ihm weiterhin zugehörigen Sache eine obsessive Macht über den Empfänger ausübt und ihn so zur Erwiderung zwingt.

Dazu passt, dass man es bei der Übergabe und beim Empfang der Gabe stets mit leiblichen Entäußerungen und Inbesitznahmen zu tun hat, die auf regelrechte Gesten und Körpertechniken des Gebens und Nehmens verweisen: der Schlag auf das Hinterteil des zu übergebenen Viehs, das achtlose Niederwerfen der Gabe vor die Füße des überseeischen Kulapartners bei den Trobriandern, das eine performative Selbstverkleinerung der eigenen Gabe vollzieht; die Besitzergreifung bei Schenkung eines Grundstücks durch leibhaftes Niederlassen mit dem Stuhl auf dem Acker,9 der Handschlag des Danks oder Übereinkommens. Mauss führt daher das französische Wort »prestation«, das im Deutschen nur unzureichend mit »Leistung« übersetzt ist, auf das lateinische »praestare«, »mettre en mains«,10 »in die Hände nehmen« zurück. Es geht um die Handhabung, »Handthierung«11 und Inhabung einer fremden Sache bzw. eines Fremdkörpers, den es nach einer bestimmten Frist weiterzureichen, zurückzugeben, wieder auszuhändigen oder aber mittels einer anderen Sache zu erwidern gilt.

Eine nicht nur abgeschwächte Vorstellung der mélange von Person und Sache hat zweifellos auch in unseren Geschenkpraktiken überlebt, die – abgesehen von den europäischen Potlatch- und Gabenfesten – weniger ritualisiert und kodifiziert anmuten, weitgehend eine intersubjektive, wenn nicht alltägliche Angelegenheit zwischen einzelnen Individuen und entkernten Familien im Bereich »primärer Sozialität« geworden sind und sich von den ökonomischen Transaktionen in Beziehungen instrumentellen oder gewinnorientierten Interesses im Feld »sekundärer Sozialität« gelöst zu haben scheinen.12 Das ritualisierte, aber auch das ausdrückliche Alltagsgeschenk (namentlich zwischen Liebenden) ist etwas Überflüssiges und Unnötiges. Daher ist es auch heute noch anstößig, etwas zu schenken, das unmittelbar zum Leben gebraucht wird und sich durch seine Nützlichkeit empfiehlt; es sei denn, es geschieht – wie das Haushaltsgerät oder ein Batzen Geld zur Hochzeit – in der angemessenen Verkleidung (Geschenkpapier und Schleife, Kuvert oder Geld-Origami) oder – wie der Fresskorb und der Cashmerepullover – im Modus des Zuviel und auf der Grenze zum Luxuriösen, dessen also, was man sich selbst selten leistet oder niemals gönnt. Überflüssig sind Geschenke nicht zuletzt deshalb, weil sie entweder vergänglich und flüchtig oder aber von hohem Wert und die Zeit überdauernd sind: Das Parfum – reines Supplement – verfliegt, die Blumen verwelken, der Champagner ist im Laufe eines Abends ausgetrunken, die Luxusreise im Nu vorüber. Solche überflüssigen und durchaus kostspieligen Geschenke imponieren durch ihre rasche Sterblichkeit und erinnern an die Reichtümer, die beim Potlatch der Kwakiutl und Haida in Rauch aufgehen oder ins Meer geschüttet werden. Daneben gibt es die kostbaren Geschenke, die der Zerstörung durch die Zeit und der Abnutzung durch Gebrauch widerstehen und nicht zufällig lebenslange oder inter-generative Beziehungen innerhalb der Familie befestigen, weshalb sie vom Beschenkten, wenn überhaupt, nur in existenziellen Notfällen veräußert werden dürfen: »Kostbare Familienstücke – Talismane, mit Wappen verzierte Kupferplatten, Decken aus Leder oder gemusterte[r] Stoff«, bei den Kwakiutl und Tsimshian (DG 80) – Fotografien, Schmuck und andere Wertgegenstände bei uns. Geschenken haftet zweifellos der Charakter einer gewissen Zwecklosigkeit an, weshalb sie eine Familienähnlichkeit mit jenen ausschließlich schönen Dingen aufweisen, die die Erkenntnisvermögen in den »Zustand eines freien Spiels«13 versetzen: Nicht selten sind es Gebrauchsdinge, die zu nichts gebraucht werden und sich der Dienlichkeit entziehen, im steten Übergang zum überbesetzten Fetisch und geschmacklosen Kitsch bzw. Abfall, den man nicht ohne Weiteres zu entsorgen oder boshafter Weise weiterzuverschenken wagt. Woher und woran rührt diese Reserve, Geschenke wie bloße Dinge zu behandeln und sich ihrer im Falle des Nichtgefallens auf kürzestem Wege zu entledigen? Warum ist es ein Affront, sie zurückzuweisen und nicht zumindest mit einem Dank zu erwidern? Die Bedeutung eines Dinges ist sein kultureller Gebrauch, der in rekursiven Schleifen stets beides ist: der Gebrauch der Dinge durch die Menschen und der Gebrauch der Menschen durch die Dinge. Sobald ein Ding aus den Händen eines Anderen in Empfang genommen worden, und das heißt durch einen performativen Akt, eine spezifische Aufmachung und ritualisierte Körpertechnik des Gebens (Reichen, Ausschenken, Darbieten, Hinterlassen) zum Geschenk erklärt worden ist, hat es die Linie vom bloßen Ding zur persönlichen Sache passiert und seine Klangfarbe gewechselt: Es ist und enthält mehr als ein Ding oder eine bloße Ware. Der Schenker ist darin auf eigentümliche Weise selbst gegenwärtig. Dieser Zuwachs an Persönlichem über das bloß Dingliche hinaus rührt daher, dass sich der Geber zugleich mit seiner Sache selbst gegeben hat, die nunmehr von ihm affiziert und durchdrungen ist. Nichts kann im Übrigen diese mélange, den ganzen und ungeteilten Eintritt der Person in ihre Sache, deutlicher zum Ausdruck bringen als der erste Schluck Nahrung: Was ist Muttermilch? Zweifellos ist sie nicht nur nährende Substanz und auf der Seite des Sachlichen, sondern eine mit der stillenden Person vermischte alimentäre Gabe. In der Gabe sind Person und Sache koextensiv. Kraft ihrer Gabe wird die Person noch etwas außerdem: eine affektiv besetzte Sache: Trifft es zu, dass jede Gabe eine Selbstgabe, dass die Gabe vom Geber nicht unabhängig ist, dann macht der Geber nicht nur die Erfahrung eines Selbstverlustes; er wird im Geben zugleich zu dieser seiner gegebenen Sache. Die Art der Beziehung, die die Gabe zwischen Geber und Empfänger herstellt, ist eine dingliche Fremderfahrung des Anderen, der den Beschenkten über seine unmittelbare Anwesenheit hinaus durch seine Gabe affiziert. Der Andere begegnet nicht nur in seinen Gesten und Worten, mit seinen Symbolen und Zeichen, Gerüchen und Geräuschen, die er mehr oder minder absichtsvoll aussendet, sondern auch und zumal in den Dingen, die er darbietet, aushändigt oder hinterlässt. Sie gehen den Beschenkten an, gehen an ihn. Er ist damit gemeint und ausgezeichnet.

Die gebenden Personen, die beim pazifischen Gabentausch in Frage stehen, geben ihre Sachen indessen nicht oder besser: nicht nur im eigenen Namen, aus Eigennutz und Eigeninteresse. Als moralische beziehungsweise juristische Personen geben sie diese immer auch im Auftrag und als Repräsentanten der eigenen Gesellschaft, Körperschaft und Toten (DG 71). Die »moralische Person« personalisiert die Körperschaft, die sich wiederum in der und durch die gebende Person verkörpert (DG 15). Person ist nur derjenige, der durch entsprechende Initiationen (Masken-)Träger von Rechten, Pflichten, Ämtern, Privilegien, Fähigkeiten und Riten seiner eigenen Körperschaft (Familie, Phratrie, Clan, Bruderschaft, Haus, Geheimgesellschaft) geworden ist. Dabei handelt es sich um einen äußerst instabilen Status: Man kann beim Potlatch sein Gesicht, seine Maske, seinen Namen, kurzum: seinen Status als Person an die jeweils fremde Körperschaft und den fremden Tauschpartner verlieren (DG 72), und das kann durchaus heißen, wie im Falle des nordwestamerikanischen Potlatch vor dem Verbot der Stammeskriege seitens der kanadischen Regierung, in Sklaverei zu fallen oder aber getötet zu werden.

Mit seinen mehr oder minder ausgeprägten Zügen von Rivalität, Antagonismus und der Zerstörung der Reichtümer steht der Gabentausch auf der stets prekären Schwelle zwischen Krieg und Frieden. Er ist die pazifische Praxis der Pazifizierung durch die permanente »interpénetration«14 der einander fremden Gesellschaften, die einander »alles schulden« (DG 59) und »alles geben«: »Höflichkeiten, Festgelage, Riten, militärische Dienste, Frauen, Kinder, Tänze, Jahrmärkte, wovon der Handel nur einen Moment und der Umlauf der Güter nur eine Seite eines weit allgemeineren und beständigeren Vertrages ist.« (DG 16)

Sozialität beziehungsweise Gesellschaft als Ganze steht dabei je von Neuem auf dem Spiel. Doch konstituiert sie sich nicht kraft ihrer eigenen Mechanismen, Transaktionen, Ressourcen, Fähigkeiten und Vermögen, auch nicht nach Art einer Selbstbesessenheit wie noch in der effervescence15 von Durkheims Religionssoziologie, die die Geburt der Gesellschaft aus dem Taumel einer auto-soziozentrischen Ekstase ins Werk gesetzt sieht.16

Mauss’ soziologischer Ausgangspunkt ist gerade nicht die Gesellschaft in der Emphase des Singulars. Die Konstitution von Gesellschaft macht vielmehr die Vorstellung von zwei komplementären Hälften erforderlich, die sich wie »die beiden Seiten einer Antithese, wie Schwarz und Weiß« oder »Land und Wasser«17 gegenüberstehen. Gesellschaft ist nur möglich als duale Organisation, das heißt in der Differenz, in einem fortwährenden Sich-Unterscheiden und Unterschiedensein von einer je anderen Gesellschaft oder besser gesagt: in der exponierten Fremderfahrung dessen, was die eigene Gesellschaft jeweils nicht ist. Der Gabentausch ist die obsessive Fremderfahrung durch die je andere Gesellschaft.

Die klassischen theoretischen Konstruktionen des Sozialen gehen entweder von einem substanziellen Ganzen (der Gesellschaft, der Natur, dem Staat) oder aber von vereinzelten, atomaren Individuen (die selbst bereits für sich ein unteilbares Ganzes bilden), nicht aber von der Frage aus, was sich zwischen dem Einen und dem Anderen und den anderen Anderen als Zwischenfall, als Intersubjektivität, Interkulturalität, Interaktion und Interpassion ereignet. Der Eine kann überhaupt nur mit dem Anderen in Beziehung treten, weil er von diesem irreduzibel getrennt, nicht bereits mit ihm vereinigt (oder immer schon von Natur aus zur Vereinigung bestimmt) ist, und er tut dies, eben weil er keine abgeschlossene Totalität bildet, die sich selbst genug ist und sich daher nur widrigenfalls zum Zusammenschluss mit Anderen genötigt sieht.18

Gesellschaft ist nur möglich »zwischen Gesellschaften«.19 Aus Sicht von Mauss ist es daher die eigentümliche Funktion des Gabentausches, eine Beziehung zwischen einander fremden Gesellschaften, Personen und Individuen zu stiften, und das heißt, einen Zwischenraum zu eröffnen, der die Gabenpartner chiastisch voneinander trennt und zugleich miteinander verbindet. Die Gabe ist die inter-subjektive, inter-generative, inter-kulturelle und inter-nationale Praxis des getrennten Zusammenlebens. Durch den Gabentausch werden keine nahtlosen und intimen Beziehungen gestiftet. Die Praktiken und Institutionen der Gabe setzen und unterhalten vielmehr eine »actio in distans«;20 sie erzeugen eine Anziehungs- und Abstoßungskraft, die die Familien und Ehepartner, die Phratrien und »Clans zusammenschweißt und gleichzeitig voneinander trennt« (DG 132): »Man verbrüdert sich und bleibt einander doch fremd.« (DG 70) Mauss betont die Unaufhörlichkeit, mit der die Gaben obligatorisch gegeben und erwidert werden müssen und demonstriert damit die ungeheure Fragilität des Sozialen: Die Gaben zirkulieren ohne Unterlass; es gibt keine einzige Gelegenheit, wo man nicht zu geben hätte: »nach allen Richtungen hin werden Potlatch gegeben« (DG 62). Der Nachdruck, mit dem Mauss, den »Strom«, die »ununterbrochene Kette« (DG 84), das »ewige Give and Take« (DG 62) der Gaben und Feste bedenkt, unterstreicht, dass und wie sehr sich die Möglichkeit von Sozialität dem Gabentausch verdankt. Ohne derartige kulturelle Praktiken gäbe es überhaupt keine Bindung par distance, sondern nur ihr Gegenteil, die Indifferenz, die A-Sozialität, die Verbindungslosigkeit oder den Krieg. Anders gesagt: Sozialität liegt nicht einfach vor, ist nicht schlechterdings gegeben, sie hat nicht von sich aus eine »fortdauernde und stabile Existenz«,21 sondern muss als Situation in jeder Situation durch kulturelle Gabepraktiken je von Neuem geschaffen und unterhalten werden. Für den ununterbrochenen Strom der Gaben, und das heißt für die unaufhörliche Bildung und Unterhaltung von Sozialität, gibt es indes keinerlei Garantien, schon gar nicht im Vertrauen auf ein unverbrüchliches Gesetz oder Prinzip der Reziprozität. Die Gabenkette kann im Gegenteil jederzeit reißen, und jede Gabe – nicht nur die übermäßige – kann aus Zufall, Absicht oder Vergesslichkeit unerwidert bleiben. Die Gabe ist prinzipiell unabzahlbar, aber der Möglichkeit nach erwiderbar. Daher steht die Gabe zwischen der reinen und einseitigen Gabe (wie das Almosengeben oder die Gnade), die keine Erwiderung zulässt, und der ökonomischen Transaktion, die mit der Bezahlung der erhaltenen Ware abgeschlossen ist und keine erneute Erwiderung erzwingt. Es ist die zeitliche Spanne und Spannung zwischen Gabe und Gegengabe, in der sich das Risiko der Nichterwiderung auftut. Und es ist die Unverhältnismäßigkeit, der Überschuss einer jeden Gabe gegenüber ihrem Empfang, der die Möglichkeit, die Schuld und den Zugzwang zu einer weiteren Erwiderung eröffnet. In zahlreichen Sprechakten der Dankbarkeit und Beschämung wird diese Unverhältnismäßigkeit, ja das Außerordentliche der Gabe zum Ausdruck gebracht: »Das war doch nicht nötig!« – »Das habe ich nicht verdient!« – »Wie kann ich das je wieder gutmachen?«

Die Gabe schafft weder Gleichheit, was die Personen, noch äquivalenten Ausgleich, was die Sachen betrifft. Sie stiftet vielmehr Asymmetrie zwischen Geber und Empfänger, vor allem aber soziale, moralische, ökonomische und politische Hierarchien und Rangordnungen zwischen den traditionellen Tauschpartnern, die sich beständig – nämlich von Gabe zu Gabe – neu verschieben. Wer seinen Reichtum mit vollen Händen ausgibt, verschenkt oder zerstört, genießt hohes Ansehen, ist aber auch ärmer als der Empfänger, der nunmehr im Besitz des begehrten Gegenstandes ist und unter der Nötigung steht, sich nach einer gewissen Frist für das Empfangene zu revanchieren und es mit einer Gegengabe zu überbieten, wenn er in den Ruf eines freigebigen Gebers gelangen, in der Hierarchie nicht absteigen und nicht dauerhaft gedemütigt sein will. Die Inkommensurabilität der Gabe, die durch sie gestiftete Asymmetrie, Hierarchie, Rangordnung, Ungleichheit – auch die des Eigentums – bilden das Arsenal für die stets prekäre Fortsetzung der Gabenkette, für das labile Hin und Her der Gaben zwischen den einander fremden Personen, Individuen und Gesellschaften.

2. Gabentheorie der Kultur

Die Gabe ist ein fait social total