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NATHANAEL DRAHT

Gott sagte:
Willst du mit
mir leben?
Und ich so:
Klar.

Mein Leben
vom Millionär
zum Missionär

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ISBN 978-3-7751-7476-3 (E-Book)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

Einige Namen wurden aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen geändert.

Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:

Co-Autor: Matthias Dittmann, www.matthiasdittmann.de

Inhalt

Über den Autor

Geleitwort

Vorwort

Veränderung – Mein radikal anderes Leben

Der Sinn des Lebens – Wozu lebe ich überhaupt?

Evangelisation – Soll ich etwa da rausgehen und von Jesus erzählen? Ich?

Heilung – Ich so: Krankheit verschwinde in Jesu Namen

Theodizee – Gott, warum lässt du all das Leid in der Welt zu?

Gnade – Plötzlich redete ich klingonisch. Ich fragte: Gott, bist du das?

Berufsleben – Millionär und Christ? Geht das?

Ressourcen – Gott, warum bin ich so reich?

Selbstwert – Was ist der Preis meiner Freiheit?

10 Beziehungen – Gott so: Die wäre doch was für dich?

11 Gemeinschaft – Gott, was kommt als Nächstes? In welche Gemeinde soll ich gehen?

Nachwort – Dein radikal anderes Leben

Bildteil

Über den Autor

Nathanael Draht (Jg. 1979) gründete als Maschinenbaustudent »Aquatuning«, eine Firma für Computer Wasserkühlungen, die innerhalb weniger Jahre Marktführer wurde. Auf dem Höhepunkt seiner unternehmerischen Laufbahn hatte er ein Erlebnis mit Gott, das ihn nachhaltig veränderte. Heute lebt er mit seiner Familie in Ostwestfalen.

Geleitwort

Wir leben in einer Zeit, in der der Kampf um die Wahrheit an Intensität zunimmt. Der mediale Mainstream distanziert sich zunehmend von den christlichen Werten und damit auch vom Fundament des christlichen Glaubens. Und nicht nur die säkulare Welt, sondern zunehmend auch die christliche Welt ist geprägt von Menschengefälligkeit und Populismus. Vielerorts wird das gepredigt, was den Massen gefällt. Unangenehmen Themen wird oft ausgewichen, um den scheinbar gefälligeren Weg zu gehen.

Jesus war da ganz anders. Er suchte die Ehre beim Vater im Himmel und strebte nicht nach Menschenehre: »Ich nehme nicht Ehre von Menschen« (Johannes 5,41; ELB). Auch Paulus war befreit von diesem falschen Druck, auf Kosten der Wahrheit von Menschen bejubelt und verehrt zu werden. So sagte er in Galater 1,10 (ELB): »Wenn ich noch Menschen gefiele, so wäre ich nicht Christi Diener.« Und in 1. Thessalonicher 2,4-6 sagt Paulus guten Gewissens von sich, dass es in seinen Reden nicht darum gehe, Menschen zu gefallen, ihnen zu schmeicheln oder Ehre von ihnen zu erhalten. Ihm ging es darum, treu und mutig das weiterzugeben, was er von Gott durch Inspiration empfangen hatte.

Der Autor dieses Buches sucht in meinen Augen genauso die Ehre bei Gott und nicht bei den Menschen. Als ich ihn vor ca. acht Jahren in unserer Bibelschule, deren Leiter ich 18 Jahre lang war, kennenlernte, war ich so beeindruckt von der Echtheit und Klarheit seines Glaubens, dass ich ihm bei einer öffentlichen Veranstaltung die Bühne freigab, um Gott die Ehre zu geben. Seit diesem Tag hat sich das in seinem Leben nicht verändert, sondern noch zugenommen. Nathanael teilt seine Zeugnisse und Erlebnisse mit Gott voller Leidenschaft, Klarheit und Kompromisslosigkeit. Ich bin sehr dankbar, dass wir nun das Privileg haben, lesen zu dürfen, wie Gott sein Leben komplett verändert hat.

Als ich anfing, das Buch zu lesen, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen. Ich finde es spannend, ehrlich und ermutigend. Nathanael schwimmt in diesem Buch gegen den Strom, bricht mit unbiblischen Traditionen und beleuchtet stattdessen die biblische Wahrheit. Mit seinen persönlichen Gotteserfahrungen ermutigt er uns, Jesus zu glauben und ihm zu vertrauen. Als Geschäftsmann ist er ein lebendiges Zeugnis, nicht dem »Mammon der Welt« zu verfallen. Als Familienvater nimmt er uns mit durch seine Höhen und Tiefen und zeigt uns, dass auf dem Fundament Jesu Christi eine Familie glücklich geführt werden kann. Als Glaubensmann zeigt er uns, dass die biblischen Prinzipien heute noch funktionieren und umgesetzt werden können.

Gottes große, geschenkte Gnade zieht sich als roter Faden durch das ganze Buch, aber auch die persönliche Verantwortung, die jeder Einzelne herausfordert, ist zu übernehmen. Ich wünsche jedem Leser viel Freude beim Lesen und ein offenes Herz, um durch dieses Lebenszeugnis Segen zu empfangen.

Gerry Klein
Langjähriger Leiter im Glaubenszentrum Bad Gandersheim
Oktober 2019

Vorwort

Seit einigen Jahren reise ich als Gastsprecher durch Deutschland und Österreich und erzähle auf Konferenzen, in Gottesdiensten, im Radio und im Fernsehen meine Lebensgeschichte. Dabei bin ich doch eigentlich nur Unternehmer, Ehemann und Vater. Aber ich habe bereits jetzt ein bewegtes Leben hinter mir. Und so wurde ich irgendwann gefragt, ob ich denn ein Buch hätte. Ein Buch? Nein.

Doch die Frage wurde mir immer wieder gestellt. Und so begann ich aufzuschreiben, wie aus dem kleinen, ausgeschlossenen Jungen, der von seinen Klassenkameraden gehänselt wurde und mit dem kein Mädchen etwas zu tun haben wollte, ein Millionär wurde. Und wie ich auf dem Höhepunkt meines damaligen Lebens plötzlich Gottes Stimme hörte und sich mein Leben radikal veränderte. Doch das Schreiben fiel mir schwer und ich merkte, dass es viel einfacher ist, meine Geschichte zu erzählen. Also hörte ich wieder auf – bis ich einige Zeit später mit dem SCM-Verlag in Kontakt kam und wir mein Buchprojekt gemeinsam neu starteten.

Dies ist mein erstes Buch. Ich habe keine Kurse über »packendes Schreiben« besucht, sondern es mithilfe eines Co-Autors geschrieben. Deswegen lässt es sich jetzt ganz vernünftig lesen. Meine Stärken liegen eher darin, Arbeitsanweisungen zu geben und Verträge zu schreiben. Eines kann ich dir aber zusichern: Was du hier bekommst, ist echt und authentisch. Ich nehme kein Blatt vor den Mund. Du bekommst »Nathanael pur«, möglicherweise nicht immer politisch korrekt. Du bekommst Einblicke in mein Leben, wie sie bisher kaum jemand in meinem Umfeld bekommen hat (mit Ausnahme meiner tollen Ehefrau natürlich). Viele Dinge, über die ich hier schreibe, werden den gewöhnlichen Westeuropäer tendenziell überfordern. Aber sie sind tatsächlich so passiert, wie ich darüber berichte. Ich schreibe ehrlich und transparent, auch über die Dinge in meinem Leben, die nicht so gut gelaufen sind.

Ich hoffe, dass du an der einen oder anderen Stelle lachen oder weinen wirst – so wie ich es in den letzten Jahren immer wieder getan habe – und so einen Anteil an meinem Leben bekommst. Viel Spaß beim Lesen. Lassen wir es krachen.

Nathanael Draht
August 2019

VERÄNDERUNG – Mein radikal anderes Leben

Etwa neun Monate nachdem ich mein Leben Jesus gegeben hatte, nahm ich an einer Missionsreise nach Indien teil. Unsere kleine Reisegruppe ging oft auf die Straßen, redete mit den Menschen über Jesus und veranstaltete Gottesdienste. Im Anschluss an einen dieser Gottesdienste boten wir Heilungsgebete an. Gerd und Gabi, die Leiter der Missionsreise, standen vorne und die Menschen kamen in Scharen und bildeten eine lange Schlange. Ich gesellte mich zu Gerd und Gabi und betete mit ihnen für die Menschen. Und tatsächlich wurde einer nach dem anderen gesund.

Nach einer Weile sagte Gerd: »Nathanael, geh du doch ans Ende der Schlange und bete dort für die Menschen.«

Wow. Ich hatte zwar schon für meine Mutter gebetet und ihre Schmerzen waren verschwunden. Aber das hier war ganz klar eine größere Nummer. Ich war supernervös, ging aber ans Ende der Schlange, trat auf den ersten Menschen zu, der hoffnungsvoll darauf wartete, gesund zu werden, und betete. An meine Worte kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber er behauptete, geheilt zu sein. Okay, danke Jesus. Der Nächste bitte. Auch er wurde sofort gesund, und so ging das weiter. Nach einer Weile fragte ich mich: Sind die vielleicht alle bezahlt? Nach dem Motto: Stellt euch da mal in einer Reihe auf, und wenn jemand für euch betet, behauptet ihr einfach, gesund zu sein. Macht sich sicherlich gut auf den Videoaufnahmen für die Leute in Deutschland.

Also fragte ich den Nächsten in der Reihe, was ihm überhaupt fehle. Sein Knie tat ihm weh. Ich sah mir das Knie an und hatte allein vom Anschauen selbst Schmerzen: Die Kniescheibe war zur Seite verrutscht und hing etwa drei Zentimeter zu tief.

Ich legte meine Hand auf und befahl: »Kniescheibe, komm zurück in die göttliche Ordnung, in Jesu Namen!«

Es fing an zu knacken und ich spürte, wie sich die Kniescheibe unter meiner Hand bewegte. Verrückt!

Aber ich hielt mich nicht etwa für einen Glaubensheld, nein, mein erster Gedanke war: »Das ist Beschiss, er macht das irgendwie mit seinen Muskeln, um mich zu verarschen.«

Ich tastete mit meiner freien Hand sein Bein ab, aber alle Muskeln waren total relaxed. Es knackte fröhlich weiter, die Kniescheibe bewegte sich und in mir wuchs der Glaube.

Mit etwas mehr Inbrunst wiederholte ich meine Worte: »Kniescheibe, in Jesu Namen, komm in die göttliche Ordnung!«

Es wurde still und ich nahm meine Hand weg. Beide Knie sahen nun gleich aus.

»Kannst du mal aufstehen und testen, ob es noch wehtut?«, fragte ich ihn. Er machte ein paar Kniebeugen und ging mit strahlendem Gesicht davon.

Der Nächste in der Reihe klagte über schwere Bauschmerzen und behauptete, einen Tumor zu haben. Ich fragte ihn, wo genau es wehtue, und er deutete die Stelle mit der Hand an.

»Hier?«, fragte ich, und bohrte ihm etwas übermütig den Finger in den Bauch.

Sollte man nicht unbedingt nachmachen. Der Mann schrie vor Schmerz auf und klappte zusammen. Nun, zumindest war jetzt klar, dass er tatsächlich krank war.

Ich fragte mich: »Wie lange braucht Gott wohl, um diesen Menschen zu heilen?«

Ich betete ein sehr kurzes Gebet, und stach erneut mit dem Finger in die gleiche Stelle. Sein Gesicht hellte sich auf. Er tastete seinen Bauch ab und jubelte. Scheinbar hatte Gott ihn wirklich geheilt, und zwar unmittelbar. Ich meine, das war ja eigentlich klar, oder? Immerhin handelte es sich um eine übernatürliche Heilung. Warum sollte es Stunden oder Tage dauern, bis jemand übernatürlich gesund wurde? Gott ist schließlich nicht von Zeit und erst recht nicht von richtigen Formulierungen abhängig. Ich fing also an, nur sehr knapp formulierte Gebete zu sprechen – und tatsächlich wurden die Menschen gesund.

Ich war total geflasht. Aber es wurde noch krasser, denn es kam diese Frau an die Reihe. Als ich für sie beten wollte, verdrehten sich ihre Augen, sodass das Weiße zu sehen war, ihr Kopf klappte nach hinten. Sie streckte die Zunge raus und brabbelte unverständliches Zeug. Was ging denn da ab? Ich hörte auf zu beten, die Frau richtete sich wieder auf und sah mich an, als ob wir eben bei einer Tasse Tee nett miteinander geplaudert hätten. Als ich sie fragte, was eben passiert sei, sagte sie, dass sie das nicht wüsste, aber den Eindruck habe, eine Schlange würde sich um ihren Kopf wickeln. Eine Schlange, soso. Ich dachte sofort an die Bibel und die Schlange im Paradies. Könnte es sich hier um etwas Teuflisches oder Satanisches handeln? Auch mit Dämonen hatte ich bereits ansatzweise Erfahrungen gesammelt. Und weil ich schon mal da war und Gott ganz offensichtlich wirkte, betete ich einfach für die Frau und befahl der Schlange, zu verschwinden. Was soll ich sagen? Es wirkte!

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Ich war seit gerade einmal neun Monaten Christ und hier stand ich irgendwo in Indien, Gott heilte Menschen, wenn ich für sie betete, und schickte durch mich Dämonen oder irgendwelche anderen Mächte einfach weg. Das hatte mit dem Leben, dass ich zuvor 30 Jahre lang geführt hatte, rein gar nichts zu tun. Aus einem egoistischen, vom eigenen Erfolg und Reichtum geblendeten jungen Mann war ein Nachfolger Jesu geworden. Statt mir mit meinem vielen Geld immer wieder neue irdische Kicks zu kaufen, erlebte ich jetzt jede Menge übernatürlicher Kicks, ganz umsonst, direkt von Gott. Es war eine Wandlung, auf die mein Leben vielleicht zugesteuert war, weil Gott das so wollte, aber auf die ich absolut nicht vorbereitet war.

Das alles traf mich wie aus heiterem Himmel.

Der Beginn eines neuen Lebens

Nach meinen damaligen Maßstäben hatte ich alles erreicht: Ich hatte ein äußerst erfolgreiches Unternehmen gegründet, war Millionär, hatte ein Haus, das meine Freunde scherzhaft als Prunkvilla bezeichneten, schnelle Autos und ausreichend Frauen. Ich hatte Freunde, mit denen ich Party machte, holte mir einen Drogenkick, wann immer ich Lust dazu hatte. Aber irgendwie war ich trotzdem leer.

Nach einem durchzechten Wochenende machte ich mich mit einem Cocktail-Kater und Schmerzen in Kopf und Gliedern an die Aufräumarbeiten. In meinem Barschrank stieß ich auf ein Buch mit hellbraunem Ledereinband und roter Schrift darauf. Es war das Neue Testament, das mir meine Schwägerin vor einigen Jahren geschenkt hatte. Ich konnte mir nicht erklären, wie es in meinen Barschrank gekommen war und warum ich es nicht schon zuvor entdeckt hatte. Ich nahm es heraus, drehte und wendete es und stellte mir Fragen, die mein Leben veränderten:

Was, wenn dieses Buch die Wahrheit ist?

Was, wenn das tatsächlich die Worte eines Gottes sind, wie manche behaupten? Was, wenn es tatsächlich einen Himmel und eine Hölle gibt?

Ich schlug das Buch auf und begann zu lesen. Ich las das Matthäusevangelium und obwohl ich viele der Geschichten aus meiner Kindheit kannte, las ich es mit einer ganz neuen Einstellung: Könnte es sein, dass das alles wirklich passiert ist? Ich stellte mir bildlich vor, wie das beispielsweise mit Jesu Zeugung gelaufen sein konnte.

Gott sprach zu Maria: »Möchtest du den Erlöser Israels als Sohn gebären?«

»Klar, gerne, ich würde mich geehrt fühlen.«

»Dann wirst du schwanger werden und deinen Sohn Jesus nennen.«

»Ja, okay. Sonst noch was, Gott?«

»Ne, das war’s erst mal, bis bald.«

Aber wie konnte Maria Gottes Stimme hören? Und wenn es Gott wirklich gibt, warum habe ich ihn dann noch nie gehört? Dann war da die Eizelle in Marias Bauch und der Heilige Geist mischte die Eizelle ein bisschen auf und packte etwas göttliches Erbgut rein oder teleportierte einen göttlichen Samen in die Gebärmutter, sodass Maria schwanger wurde – oder wie sollte ich mir das vorstellen? Total abgefahren! Wie soll so was gehen?

Ich verschlang das gesamte Matthäusevangelium in zwei Tagen und las dann die Apostelgeschichte. Krass! Dort wurde eine Gemeinde beschrieben, die so gar nichts mit der Kirche gemeinsam hatte, die ich kannte. Wenn die Kirchen heute so wären, wie die ersten Christen damals lebten, welche Wunder würden sie wohl heute vollbringen? Menschen hätten übernatürliche Begegnungen mit Gott und niemand könnte behaupten, die Kirche sei tot. Im Gegenteil müssten die Menschen doch voller Faszination dorthin rennen, sie würden reihenweise überzeugt, ja überwältigt werden. Aber genau das war doch nicht der Fall. Zumindest kannte ich keine Kirche, die auch nur ansatzweise so war, wie die Gemeinde, die in der Apostelgeschichte beschrieben wird.

Ich ging zu meiner Mutter, um mit ihr über das, was ich gelesen hatte, zu sprechen. Immerhin war sie seit Jahren überzeugte Christin. Dennoch konnte sie mir nicht wirklich helfen. Sie empfahl mir, den Römerbrief zu lesen. Dadurch wurden mir zwar manche Dinge klarer, allerdings warf der Text auch doppelt so viele neue Fragen auf, zum Beispiel:

• Wie kann Liebe Sünde sein?

• Warum ist Hass gegenüber Menschen, die einen verletzt haben oder permanent verletzen, nicht gerecht?

• Wie kann der Verzicht auf Konsum und das Zurückstecken der eigenen Lebensziele im »wahren Leben« münden?

• Und wie sollen mehrere Menschen wie »ein Leib« funktionieren, von dem Paulus, der Autor des Römerbriefs sooft sprach?

So richtig sinnvoll schien mir das alles nicht zu sein. Außerdem gab es da noch diese Christen, die ich allesamt für Heuchler und Loser hielt. Das waren in meinen Augen Menschen, die zum Beispiel keinen Partner fanden oder Angst vor Sex hatten und dann religiös wurden. Sie versteckten sich hinter ihrer Religion, während sie geheuchelt fromm auf den einen richtigen Partner warteten, der natürlich nie kommen würde. Christen waren in meinen Augen Menschen, die beruflich auf keinen grünen Zweig kamen und dann ihre Bibel schützend vor sich hielten und davon redeten, man solle nicht nach irdischen Reichtümern trachten. Christen waren einsame Menschen, von niemandem geliebt, aber anstatt etwas an ihrem Leben zu ändern, trösteten sie sich damit, dass irgendein Jesus sie ganz doll lieb hatte.

Mit anderen Worten: Christen waren für mich schwache, verängstige, hässliche, sexuell verkrampfte, zurückgebliebene, unwissende, hilflose Menschen, die sich der Wissenschaft verschlossen und es nicht schafften, ein halbwegs erfolgreiches Leben zu führen. Ich bin nix, ich kann nix, aber das ist auch nicht schlimm, denn Gott liebt mich so, wie ich bin.

Ich war das absolute Gegenteil. Ich war hip, reich, erfolgreich. Ich hatte Freunde, alles coole Partypeople mit besten Chancen auf ein sorgloses Leben in Hülle und Fülle. Ich hatte Sex, schnelle Autos, Partys und alles, was ich mir nur wünschen konnte und was ein Leben lebenswert macht. Wem die Reichtümer der Erde zu Füßen liegen, braucht keinen Gott und keine Bibel.

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Ein paar Tage später rief mein ältester Bruder an. Unsere Oma sollte operiert werden. Es war eine riskante OP, da wollte er sie vorher noch einmal besuchen und fragte, ob ich mitkäme. Auf dem Weg dorthin wollte er in einen Gottesdienst in der nächstgrößeren Stadt. Ich war seit bestimmt 15 Jahren nicht mehr ernsthaft in einer Kirche gewesen. Zu Hochzeiten vielleicht, oder an Heiligabend meiner Mutter zuliebe. Das waren in meinen Augen komplett sinnlose und lästige Veranstaltungen. Nun hatte ich ja aber das erste Mal in meinem Leben selbst die Bibel gelesen, und vielleicht wäre es gar nicht mal so schlecht, mir jetzt auch einen Gottesdienst noch mal genauer anzusehen.

Ich nahm das Angebot also an und ging am nächsten Tag mit meinem Bruder und seiner Familie in die Kirche. Es war ein schlichtes, etwa 30 Jahre altes Gebäude, im Altarraum waren Musikinstrumente aufgebaut, dahinter hing ein beleuchtetes Kreuz an der Wand. Diese Art von Kirche und Gottesdienst war anders, als das, was ich bisher kannte, und das befremdete mich ein wenig. Als die Band zu spielen begann, standen die Leute auf, klatschten und hoben die Hände. Einige Leute um mich herum beteten laut, teilweise unverständliches Zeug.

Und mein Herz zerriss.

Schmerzen, Trauer und eine unbekannte Sehnsucht überwältigten mich. Tränen schossen mir in die Augen. Ich sah mich vorsichtig um, aber niemand schien etwas Ähnliches zu spüren. Sollte ich nach vorne laufen und Jesus in mein Leben einladen? Alle meine Prinzipien über den Haufen werfen? Mich von irgend so einem dämlichen Gefühl verarschen lassen?

Ich versuchte, meine Gefühle zu unterdrücken.

Dann kam tatsächlich ein Aufruf, nach vorne zu kommen: Wer sich angesprochen fühle und heute sein Leben Jesus geben wolle, könne jetzt zum Kreuz kommen. Irgendwer würde dann beten.

Niemals! Was sollte mein Bruder dann von mir denken, was sollten die Leute alle denken? Machen die hier eigentlich jeden Sonntag so einen Aufruf? Vielleicht ist das nur so eine Masche: Die sorgen für die richtige Stimmung, bisschen Musik, irgendwelches Psychozeug. Und wer dann nicht widerstehen kann, landet in den Fängen dieser Sekte, verliert seine Kohle und muss sich fortan den Zwängen von Religion und Askese beugen. Ein spaß- und ruhmloses Leben erwartet ihn.

Nach der Lobpreiszeit predigte jemand, aber ich bekam keinen klaren Gedanken. Zu viele Fragezeichen schwebten über meinem Kopf. Dann kam das Missionarsehepaar Weinert nach vorne, um von seiner Arbeit in Südafrika zu berichten. Irgendetwas war bei diesen beiden anders und ich war gespannt, was diese Menschen, die an vorderster Front mit Gott arbeiteten, zu berichten hatten.

Neben der Missionsarbeit hatte das Ehepaar eine Näherei aufgebaut, damit einige Frauen der Umgebung etwas Geld verdienen konnten. Keine schlechte Idee, fand ich. Als kürzlich ein wichtiger Terminauftrag fertig werden musste, ging einen Tag vor der Auslieferung die Knopflochmaschine kaputt. Eine defekte Knopflochmaschine irgendwo in Südafrika ist vergleichbar mit einem Feuer auf einer Ölbohrplattform in der Nordsee. Hilfe ist weit weg und Selbsthilfe aussichtslos.

Was tun? Beten! Das war jedenfalls die Lösung der Weinerts. Sie gingen nach Hause, beteten zu ihrem Gott und legten sich schlafen. Bitte was? Was für eine dämliche Art von Vertrauen ist das denn? Wenn der allmächtige Gott tatsächlich so allmächtig ist, warum hat er dann die Knopflochmaschine überhaupt kaputtgehen lassen? Ist das der Dank für 20 Jahre Missionsarbeit? Aber über die Lippen der beiden kam kein Wort von Undankbarkeit, Missmut oder Anklage.

Am nächsten Morgen sagte die Frau zu ihrem Mann: »Ich hatte einen komischen Traum. Der Pfarrer der Nachbargemeinde hat die Knopflochmaschine repariert«, und lachte herzhaft. »Dabei hat er doch zwei linke Hände! Was für ein komischer Traum.« Doch nach dem Frühstück gab sich der Mann einen Ruck und rief den Pfarrer an.

Seine spontane Reaktion: »Klar, da kenne ich einen, der kann die Maschine reparieren. Ich rufe ihn sofort an.«

Keine fünf Minuten später stand jemand vor der Tür und sagte, dass der Pfarrer ihn angerufen habe und er zufällig in der Nähe sei. Er reparierte die Maschine in kürzester Zeit, sodass der Auftrag noch fristgerecht fertiggestellt werden konnte. Und was machten die Missionare? Sie strahlten um die Wette, dankten dem Herrn und priesen ihn für dieses Wunder.

Dass jemand in Südafrika zufällig in der Nähe war, um eine Knopflochmaschine zu reparieren, ist genauso wahrscheinlich wie wenn man bei dem Brand auf der Ölbohrplattform einen Bekannten anruft, der in London wohnt, welcher dann antwortet: »Kein Problem, bin zufällig in einem Hubschrauber mit einem Team von Löschspezialisten auf dem Weg von Hamburg nach London und etwa 40 Kilometer von euch entfernt. Ich bin in vier Minuten bei euch.«

Ein Gedanke drängte sich in meinen Kopf: »Was, wenn all das passiert ist, damit das Ehepaar hier und heute davon erzählt, an dem einzigen Tag, an dem sie und ich gemeinsam in dieser Gemeinde sind, damit ich das höre und mich bekehre?«

Es fällt mir schwer, zu beschreiben wie ich mich in diesem Moment fühlte. Überwältigt, ergriffen, paralysiert, durchrüttelt, mit einem Herzschmerz erfüllt, den ich nie zuvor gefühlt hatte. Das Wort Zufall hat seit diesem Tag eine völlig neue Bedeutung für mich.

Mir war klar, dass ich niemanden kannte, der mir jetzt weiterhelfen konnte. Keiner aus meiner Familie oder meinem Bekanntenkreis hatte jemals etwas Ähnliches erzählt. Aber wenn jemand auch nur ansatzweise eine lebendige Beziehung zu Gott hätte, der müsste solche Dinge doch zumindest ab und zu erleben und davon erzählen, oder? Solche krassen übernatürlichen Dinge kann man doch nicht verschweigen, wenn man sie erlebt hat.

Am Ende des Gottesdienstes erzählte noch jemand, dass das Missionarsehepaar Weinert auch beim nächsten Velberter Missionsfest sein würde. Wer dorthin wolle, könne sich ja zu Fahrgemeinschaften zusammenschließen. Und ich entschied, dass die beiden wohl die Einzigen waren, die meine Fragen beantworten konnten. Beim Rausgehen nahm ich mir unauffällig einen Flyer vom Missionsfest mit. Wir fuhren zu meiner Oma, meine Gedanken drehten sich jedoch immer nur um das, was ich an diesem Vormittag erlebt hatte:

»Wo bist du da nur gelandet? Du bist doch ein intelligenter Mensch. Lass dich doch von solch einer emotionalen Entgleisung nicht aus der Bahn werfen. Das ist bestimmt eine Sekte. Du bist nur kurzfristig psychisch labil, warum auch immer. Stell dir nicht so viele Fragen, mach einfach weiter wie bisher. Warum solltest du deine Einstellung und dein Leben ändern? Dir geht es doch super, du hast doch alles, was ein Mensch nur haben kann. Komm runter, bleib wo und wie du bist, lass dich nicht verarschen.«

… und Gott beantwortete meine Fragen.

Meine Bekehrung

Einige Tage später hatten mich meine Gedanken immer noch nicht losgelassen. Ich schrieb die Gemeinde wegen des Missionsfests an und hoffte irgendwie darauf, dass mich so kurzfristig niemand würde mitnehmen können. Das Fest sollte am Vatertag stattfinden und ich wollte eigentlich mit meinen Freunden wandern gehen. Samt Druckbetankung und fest eingeplantem Exitus mit Filmriss. Dummerweise antwortete mir aber der Jugendpastor Josef. Zufälligerweise war noch Platz in seinem Auto. Also fuhr ich mit.

Es war eine alte evangelische Kirche, gefühlte 300 Jahre alt. Wir saßen oben auf der Empore in der ersten Reihe. Die Kirche war voll, ganz unterschiedliche Menschen waren gekommen: dicke und dünne, geschminkte Frauen und ungeschminkte, dunkelhäutige und hellhäutige, Männer in teuren Mänteln und Anzügen, Jugendliche, Pfadfinder und was die menschliche Vielfalt sonst noch zu bieten hatte.

Eine amateurhafte Band spielte, sie trafen nicht jeden Ton und legten auch noch eine mäßige tänzerische Performance hin. Aber sie hatten Spaß. Mit meiner ersten Gemeindeerfahrung hatte das wenig zu tun und auch sonst wurden meine Vorstellungen von Kirche einmal mehr gesprengt. Warum fahren über 1 000 Leute aus ganz Deutschland Hunderte von Kilometern hierher, um dann einen Stehplatz in dieser Kirche zu ergattern, anstatt entspannt auszuschlafen und im Bett zu frühstücken? Warum bin ich nicht im Bett geblieben? Und wo waren die Weinerts?

Statt des Missionarsehepaares betrat der durch seine Massenbekehrungen in Afrika bekannte Prediger Reinhard Bonnke die Kanzel. Ein junger, dynamischer Mann um die 70 Jahre. Erstaunlich, wie frisch er noch aussah. Als er anfing zu predigen, war dieses Gefühl wieder da. Dieses unbeschreibliche Gefühl, als ob mein Herz zerrisse. Ich spürte instinktiv, dass sich etwas Übernatürliches anbahnte.

Während Bonnkes Predigt stellte ich Gott einige Fragen und bekam innerhalb kürzester Zeit extrem komplexe und vollständige Antworten. Diese mischten sich irgendwie mit Reinhard Bonnkes Worten. Kaum etwas davon kann ich heute nachvollziehen, wenn ich mir die Predigtaufnahmen von damals anhöre.

Es fällt mir schwer, das, was da passierte, in Worte zu fassen. Entführ mal einen schlafenden nepalesischen Mönch, der sein Kloster noch nie verlassen hat, der weder Elektrizität noch Sonnencreme kennt, gib ihm etwas Koks und ein bisschen LSA, und dann setz ihn in Avatar 3D. Kurz bevor sein Gehirn implodiert, holst du ihn raus, setzt ihn mit Äther außer Gefecht und bringst ihn zurück in sein Kloster. Wenn er dann aufwacht, dann lass ihn mal erzählen, was er die Nacht so erlebt hat. So ähnlich ist das auch bei mir. Ich weiß nur: Was damals passiert ist, hat mein Leben komplett umgekrempelt.

Im Laufe dieses Buches werde ich immer wieder auf diesen Moment zurückkommen und von meinen Fragen und Gottes Antworten berichten.

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Es war inzwischen später Nachmittag, Gott hatte mir in zwei Gottesdiensten einige Fragen beantwortet, aber längst nicht alle. Josef, seine Verlobte und ich gingen essen und redeten über den bisherigen Tag. Ich wollte noch so viel wissen:

• Wie kann man mit Jesus eine Beziehung führen?

• Wie soll es funktionieren, von ihm zu lernen, ihm zuzuhören, ihn zu spüren, mit ihm Freude und Leid zu teilen? Jesus war doch tot, meinetwegen auferstanden, aber selbst dann doch im Himmel?

• Was kommt wirklich nach dem Tod? Können wir Jesus umarmen, mit ihm über unser Leben, unsere Abenteuer und Entdeckungen quatschen?

• Wie war es damals, als die Apostel nach Pfingsten erfüllt vom Heiligen Geist loszogen? Und kann so etwas heute noch passieren? Wenn ja: Was genau passiert dann überhaupt?

Es gab noch einen dritten Gottesdienst an diesem Tag und nach allem, was bisher passiert war, hatte ich große Erwartungen. Ich spürte die Anwesenheit Gottes immer intensiver, je näher die Predigt von Bonnke rückte. Ich wurde richtig nervös, mein Herz schlug unfassbar schnell, es war wie ein ständiges Explodieren in mir.

Josef stand neben mir und ich sagte zu ihm: »Du, ich glaube, Gott hat heute zu mir gesprochen und mir zwei Dinge gesagt: Erstens möchte er mich gebrauchen und zweitens soll ich mich heute hier bekehren.«

Ich weiß nicht mehr, wie er reagierte, aber bei mir kehrte schlagartig Ruhe ein. Ich war irritiert: Wo war dieses krasse Gefühl hin? Warum war es weg? Und wie kommt es wieder?

Die Predigt ging an mir vorüber, keines der Worte sprach mich an. Ich ahnte, dass nun andere dran waren. Ich war entzückt und schwer beeindruckt, dass Gott ganze zwei Predigten verwendet hatte, um in voller Länge mit mir zu reden. Mit mir, einem Menschen, der gefangen war in einem System aus Lebenslügen, materiellen Annehmlichkeiten und innerer Leere.

Am Ende der Predigt kam der Aufruf, auf den ich die letzte Stunde gewartet hatte: »Wer heute sein Leben Jesus Christus geben möchte, der hebe die Hand.«

Ich reagierte sofort und meldete mich.

»Ich möchte nun die, aber wirklich nur die, die jetzt gerade ihre Hand gehoben haben, bitten, hier nach vorne zu mir auf die Bühne zu kommen.«

Ich ging nach vorne. Im Vorbeigehen gratulierten mir wildfremde Menschen, alle schienen glücklich darüber zu sein, dass ich nach vorne lief. Die Bühne füllte sich innerhalb weniger Minuten. Gottes Gegenwart war dort sehr stark. Ich ließ meine Tränen einfach laufen, über meine Wangen, an den Lippen vorbei und dann sonst wohin. Es war mir egal, was die Leute dachten. Wir beteten zusammen ein Übergabegebet.

Als wir fertig waren, sah ich ein Loch in der Decke der Kirche, durch das Gott einen Lichtstrahl schickte. Der Strahl war etwa einen Meter breit und traf direkt auf meinen Oberkörper. Ich konnte direkt in die Herrlichkeit Gottes schauen. In diesem Moment wusste ich, dass Gott mir alle meine Sünden und Fehltritte vergeben hatte. Jesus Christus hatte durch seinen Tod am Kreuz das Böse besiegt, er war als fleckenloser Sohn Gottes in den Tod gegangen und trug meine persönliche Sünde ins Grab.

Was für eine fantastische Gewissheit, vor Gott gerecht zu sein. Es stand nichts mehr zwischen ihm und mir, ich konnte ihm direkt begegnen, seine Liebe spüren, seine Allmacht erkennen und seine Liebe empfangen. Während ich all dies wahrnahm, floss das Licht, das Gott durch die Decke der Kirche schickte, durch mich hindurch, es durchflutete meinen gesamten Körper, es floss in meine Arme und Beine und aus mir hinaus wie ein Fächer aus Licht. Mein Herz wurde frei. Schwere Lasten bröckelten von mir ab. Alles, was ich an Groll, an Wut, an nachtragenden Gedanken in mir getragen hatte, vaporisierte sich.

Ich war frei und hatte absoluten Frieden.

DER SINN DES LEBENS – Wozu lebe ich überhaupt?

Als ich 18 Jahre alt war, sprach ich ein Gebet. Es war ein ganz besonderes Gebet, eine Art umgekehrtes Übergabegebet. Ich übergab mein Leben, aber nicht an Jesus, sondern ich forderte es vollständig für mich ein. Jeden kindlichen Glauben, der vielleicht noch in Restbeständen in irgendeiner hinteren Ecke meines Hirns verstaubte, kehrte ich hinaus.

Ich sagte: »Gott, ich habe nie etwas von dir bekommen und ab sofort soll alles, was ich tue, auf meiner eigenen Kraft gegründet sein. Ich werde es den fehlgeleiteten, sogenannten Christen zeigen und die Welt erobern.«

Das war’s. Und tschüss, Religion.

Aber das war nur der erste Teil meines Manifests. Inspiriert von einem Kinofilm, erstellte ich mir eine Liste mit zehn Dingen, die ich erreichen wollte, bevor ich sterbe. Ausdrücklich aus eigener Kraft.

• Viel Geld besitzen, am besten millionenfach

• Chef sein

• einen Sportwagen

• ein großes Haus

• Freunde

• viele Frauen

• Partys, Spaß und Adrenalin

• Gesundheit

• Schönheit

• Ansehen

Was soll ich sagen? Etwa zehn Jahre später hatte ich alles erreicht.

Ich studierte Maschinenbau und gründete eine Firma für Computerwasserkühlungen. An der Uni fand ich Freunde, wir feierten und gaben Vollgas. Alkohol wurde unser bester Freund, bald kamen andere Einstiegsdrogen dazu. Mit der Firma ging es steil bergauf, nach fünf Jahren waren wir Marktführer in Deutschland, zwei Jahre später Marktführer in Europa. Ein Konkurrent nach dem anderen ging pleite, aber ich rockte das Geschäft. Ich hatte mit einem Ein-Mann-Betrieb im Bastelkeller angefangen und war ohne Startkapital, aber dank eines Arbeitspensums von locker 60 Wochenstunden innerhalb von vier Jahren zum Millionär geworden. Ich kaufte mir ein Haus und kurz vor meinem 30. Geburtstag erreichte ich das letzte meiner zehn Lebensziele: Ich kaufte mir ein Audi S5 Cabriolet.

Es gab niemanden, der mir Grenzen setzte. Ich definierte meine Grenzen selbst. Ich war reich, gesund, sportlich, gut aussehend, eloquent, intelligent, einfallsreich. Ich war der König von Schloss Holte-Stubenbrock, meinem Heimatort. Ich hatte Partys und Spaß mit Frauen, wann und wo auch immer ich wollte.

Ich hatte es geschafft!

Doch ich war nicht glücklich. Ich hatte alle meine Lebensziele erreicht, aber es war nicht genug. Ich dachte mir die tollsten Dinge aus, wie ich mein Geld ausgeben könnte, aber nichts davon erfüllte mich. Mein ganzes Leben hatte ich gedacht, wenn ich erst weg bin von zu Hause, wenn ich erst mein eigenes Unternehmen habe, wenn ich erst reich bin, wenn mir die Frauen nachlaufen, wenn ich mein Traumauto habe … dann bin ich glücklich. Aber jetzt hatte ich alles – und verstand nicht, warum ich innerlich immer leerer wurde. Es gab nichts mehr, was ich noch erreichen konnte. Mein Leben war komplett sinnlos geworden.

Es gibt einige Bibelstellen, die eine Antwort auf meine Situation damals geben. Die erste steht im Markusevangelium. Jesus offenbart seinen Jüngern, dass er sterben wird. Die hatten eher gehofft, dass Jesus das Land vom römischen Besatzer befreien und neuer König von Israel werden würde. Aber was sind solche Ziele verglichen mit Gottes Plan, die gesamte Welt zu retten? Jesus nimmt seine Jünger beiseite und erklärt ihnen: »Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber seine Seele verliert?« (Markus 8,36)

Kann ich dir sagen: Nichts.

Ganz ehrlich, die Welt zu gewinnen, macht schon eine Weile Spaß. Natürlich macht es Spaß, mit einem Audi TT um die Kurven heizen zu können, ohne sich um Schäden am Auto Sorgen machen zu müssen. Es ist schön, ein großes Haus zu haben oder sich zu Beginn einer Partynacht keine Gedanken machen zu müssen, ob das Geld auch reichen wird. Es wäre sicherlich auch nett gewesen, König von Israel zu sein, in einem hübschen Palast zu wohnen und Münzen mit dem eigenen Kopf im Profil prägen zu lassen. Aber das war halt nicht Gottes Plan. Jesus hatte eine Aufgabe, die weit über die schnöde Königswürde hinausging.