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Friedrich Haarhaus

Unsere schönsten

WEIHNACHTS-
LIEDER

Wie sie entstanden, was sie verkünden

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SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7504-3 (E-Book)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2020

Die Liedtexte sind größtenteils entnommen:

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Weiter wurden verwendet:

Umschlaggestaltung: Nakischa Scheibe Fotografie + Design

Inhalt

Über den Autor

Einleitung

I. Advent

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit

O Heiland, reiß die Himmel auf

»Wachet auf«, ruft uns die Stimme

Die Nacht ist vorgedrungen

Es kommt ein Schiff, geladen

Tochter Zion, freue dich

Maria durch ein Dornwald ging

Es ist ein Ros entsprungen

Seht, die gute Zeit ist nah

Wir sagen euch an den lieben Advent

II. CHRISTFEST/WEIHNACHTEN

Stille Nacht, heilige Nacht!

O du fröhliche, o du selige

In dulci jubilo

Nun singet und seid froh

Vom Himmel hoch, da komm ich her

Vom Himmel hoch, o Englein, kommt!

Nun komm der Heiden Heiland

Gott sei Dank durch alle Welt

Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein

Ich steh an deiner Krippen hier

Auf dem Berge, da wehet der Wind

Joseph, lieber Josph mein

Ihr Kinderlein, kommet

Fröhlich soll mein Herze springen

Kommt und lasst uns Christus ehren

Lobt Gott, ihr Christen alle gleich

Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank

Kommet, ihr Hirten, ihr Männer und Fraun

Gelobet seist du, Jesu Christ

III. Volkstümliche Weihnachtslieder

O Tannenbaum, o Tannenbaum

Alle Jahre wieder kommt das Christuskind

Süßer die Glocken nie klingen

»Fröhliche Weihnacht überall«

Still, still, still, weil’s Kindlein schlafen will

Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen

Leise rieselt der Schnee

Kling, Glöckchen, klingelingeling

Anmerkungen

Über den Autor

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Dr. Friedrich Haarhaus (Jg. 1928) stammt gebürtig aus Köln und ist Theologe und Sozialwissenschaftler. Er war Leiter des ev. Jugendwerks im Saarland und ev. Pfarrer in Köln. Heute engagiert er sich in einem aktiven Ruhestand in vielerlei Hinsicht, u. a. mit dem reichen Erbe geistlichen Liedguts.

Einleitung

Worte geraten leicht in Vergessenheit. Melodien bleiben in Erinnerung. Sie holen Worte nach Jahrzehnten noch zurück. Freuden in Kindheit und Jugend vergolden bald Vergangenes. Vieles lebt in uns weiter. Bilder und Träume tauchen wieder auf. Lieder zu Advent und Weihnacht beleben Altvertrautes. Wir freuen uns daran.

Wie sie entstanden, auch was sie uns zu sagen haben, das zu bedenken, weckt zu neuer Kraft. Was wir vielleicht nur ahnten oder schon vergaßen, wird uns erneut bewusst. Es geht nicht nur um Wissen und Geschichte. Lieder sagen etwas aus. Sie haben eine nicht nur zeitbedingte Botschaft. Sie zu verinnerlichen, öffnet neue Türen.

Selbst Lieder, die gering geachtet, man zur Volkskunst rechnet, überraschen oft, von wem sie zu uns kamen, was sie bezeugen und vermitteln: die Frohe Botschaft. Sie schenkte uns den Mut zum Wiederaufbau einst aus Trümmern. Sie bringt auch jetzt uns einen hoffnungsfrohen Ausblick. Christus verspricht uns: Ihr sollt leben.

Pfarrer Friedrich Haarhaus

1.  ADVENTimage

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit

1. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit;
es kommt der Herr der Herrlichkeit,
ein König aller Königreich,
ein Heiland aller Welt zugleich,
der Heil und Leben mit sich bringt;
derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
mein Schöpfer reich von Rat.

2. Er ist gerecht, ein Helfer wert;
Sanftmütigkeit ist sein Gefährt,
sein Königskron ist Heiligkeit,
sein Zepter ist Barmherzigkeit;
all unsre Not zum End er bringt,
derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
mein Heiland, groß von Tat.

3. O wohl dem Land, o wohl der Stadt,
so diesen König bei sich hat.
Wohl allen Herzen insgemein,
da dieser König ziehet ein.
Er ist die rechte Freudensonn,
bringt mit sich lauter Freud und Wonn.
Gelobet sei mein Gott,
mein Tröster früh und spat.

4. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
eu’r Herz zum Tempel zubereit’.
Die Zweiglein der Gottseligkeit
steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
so kommt der König auch zu euch,
ja, Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott,
voll Rat, voll Tat, voll Gnad.

5. Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein;
dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit
den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr,
sei ewig Preis und Ehr.1

Hätten nicht die verschiedensten Heerführer immer wieder verlangt, die Stadttore zu öffnen oder Tribut zu zahlen, anderenfalls würden sie die Stadt stürmen und in Brand stecken, hätten die Menschen nicht so dringend gebeten, der »Herr der Herrlichkeit« soll kommen: ihm wollten sie die Türen und Tore, vor allem ihres Herzens öffnen.

Das war schon im fünften Kriegsjahr, 1623, als Pfarrer Georg Weißel aus Königsberg (Kaliningrad) den Liedtext schrieb. In Ostpreußen fanden zwar keine Schlachten statt. Aber man blieb nicht ganz ungeschoren vom Krieg. Es war ein Rückzugsgebiet für am Krieg teilnehmende Heere. Ihre Kriegslust, Ruhm- und Ehrsucht, vor allem ihre Beutegier waren unerträglich. Das Essen war knapp. Hinzu kam die Pest. Sie verlangte in vielen Gegenden noch mehr Opfer als der Krieg. Die Hexenprozesse machten die Menschen noch trostloser.

Lieber wollten die wehrlosen Bürger die Stadttore dem »Herrn der Herrlichkeit, dem König aller Königreich, dem Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Leben mit sich bringt« (Strophe 1) öffnen als einem Schlachtenbummler, ganz gleich welcher Nation oder Konfession. Vielen Städten und Landstrichen brachten sie Verwüstung und Tod.

Im 24. Kriegsjahr (1642) erschien das Gebet von Pfarrer Weißel gedruckt. Auch andere Gemeinden sollten mit diesem Gebet die Wiederkunft des Heilandes herbeibeten: »Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist« (Strophe 6)! Im selben Jahr vertonte der Kantor Johann Stobäus vom Dom in Königsberg den Text, aber wie in einem Trauermarsch zu einer Beerdigung! Als achtzig Jahre später die Wunden des Krieges verheilt waren, gaben Pietisten aus Halle dem Lied eine beschwingte, heitere Melodie. Die Wiederkunft des Herrn war für sie zum Freuen, nicht zum Trauern. Sie lebten ihren Glauben frei und fröhlich. Man hätte auf ihre Melodie einen Walzer tanzen können. Pietisten waren eine Minderheit. Aber sie hielten an dem Lied fest. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es zum beliebtesten Adventslied.

Warum gelang ihm dieser Siegeszug? – Ich vergleiche die Menschen dieser Zeit mit den Afro-Amerikanern und deren Spirituals. Unsere Vorfahren hatten zwar nicht auf riesigen Baumwollfeldern Frondienste zu leisten. Aber viele fühlten sich als Industriearbeiter unfrei. Sie wohnten in Mietskasernen, verdienten wenig und wurden kaum satt. Den Stand des Industriearbeiters entdeckte man erst bei der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht: viele waren nicht wehrfähig. Die Demokratie verwirklichte sich erst langsam. Dieses und andere Lieder in der Vorweihnachtszeit, verbunden mit dem Evangelium, trösteten sie. Sie gaben ihnen Halt. Von Gott fühlten sie sich geliebt. Er ließ sie nicht im Stich.

Warum bleibt dieses Lied beliebt, wenn auch nicht als Volksliedgut? – An den Verhandlungstischen der Völker geht es um »Zeitabschnittsfrieden«. Jesus aber schenkt uns Frieden in alle Ewigkeit. Die ihn annehmen, ändert er, dass sie die Welt so verändern, wie Gott sie haben will. Paulus: »Durch den Glauben wohne Christus in euren Herzen« (Epheser 3,17). Gott kommt. Er hält, was er verspricht. »Meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht« (Johannes 14,27).

imageO Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf

1. O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf,
reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.

2. O Gott, ein’ Tau vom Himmel gieß,
im Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr Wolken, brecht und regnet aus
den König über Jakobs Haus.

3. O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd,
dass Berg und Tal grün alles werd.
O Erd, herfür dies Blümlein bring,
o Heiland, aus der Erden spring.

4. Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst uns hier im Jammertal.

5. O klare Sonn, du schöner Stern,
dich wollten wir anschauen gern;
o Sonn, geh auf, ohn deinen Schein
in Finsternis wir alle sein.

6. Hier leiden wir die größte Not,
vor Augen steht der ewig Tod.
Ach komm, führ uns mit starker Hand
vom Elend zu dem Vaterland.

7. Da wollen wir all danken dir,
unserm Erlöser, für und für;
da wollen wir all loben dich
zu aller Zeit und ewiglich.2

Nie war die Kirche mehr eine singende und betende als in Zeiten der Trübsal, Angst, Not und Gefahr. Die glaubensstärksten Lieder entstanden im Dreißigjährigen Krieg (1618−1648) und in den Jahren danach. Die Menschen wollten sich den Kummer vom Herzen und den Schutz Gottes herbeisingen. Gerade diese Zeit brachte geniale Liederdichter wie Paul Gerhardt und Friedrich Spee von Langenfeld hervor. In Frieden und Wohlstand hätten sie nur gekünstelt oder aus besonderen Anlässen Gott ihr Elend und Leid klagen und für Bewahrung bitten können. Ihre gefühlsstarken Lieder werden angesichts von Not und Elend im und nach dem schrecklichen Krieg verständlich.

Bleiben wir zunächst bei Friedrich Spee von Langenfeld! Ein Mann aus einem adeligen Geschlecht, beheimatet in Düsseldorf-Kaiserswerth, geboren 1591. Auch hier könnte man sagen: ein tief Gläubiger. Schon früh wollte er und wollten viele junge Begeisterte wie Franz Xavier (1506−1552) als Missionar nach Indien gehen, wollten sie ihr Leben in Armut und Schmerzen dem Gekreuzigten weihen. Wie er heute wäre, lässt sich nur rätseln.

Mich beeindruckt Spees Selbstlosigkeit. Er war in keiner Weise stolz auf sich, ruhm- und ehrsüchtig: Erst im 20. Jahrhundert entdeckte man von ihm anonym veröffentlichte Lieder. Sein Orden schickte ihn nicht als Missionar nach Indien, aber als Lehrer und Dozent nach Speyer, Worms, Mainz, Paderborn, Köln, Peine bei Hildesheim und Trier.

In Köln hatte er kurze Zeit Jura studiert. Ihn interessierte das Prozessrecht. Als er Jahre später in Köln lehrte, begleitete er zugleich seelsorgerlich als Hexen verdächtigte Frauen. Er stand ihnen bei bis zu ihrer Hinrichtung. Er studierte die Hexenliteratur und gewann Einblicke in Verhöre, Urteile und Hinrichtungen. Er kam zu dem Ergebnis: Würde man Menschen meines Ordens foltern, würden auch sie sich für schuldig erklären. Seine Beobachtungen und seine Kritik stellte er in einem 400-Seiten-Manuskript Cautio Criminalis zusammen.

Sein Manuskript wurde gegen sein Wissen und Willen veröffentlicht. Ihn hatte man als Autor identifiziert. Denn er hatte mit seinen Mitbrüdern wiederholt über Hexenprozesse diskutiert. Er erntete Empörung und geriet in Gefahr. Man schickte ihn nach Trier. Der Erzbischof von Trier hatte sich mit Frankreich gegen das anrückende kaiserliche Heer verbündet. Es kam zu schweren Straßenkämpfen. Katholische kämpften gegen Katholische in einem angeblichen Religionskrieg von Katholischen gegen Protestanten. Spee hätte die Stadt beizeiten verlassen können. Er blieb und versorgte die gefangenen Franzosen im Lazarett, auch als die Pest im Lazarett ausbrach. Er infizierte sich und starb 1635 mit 44 Jahren. Ein Fürbitter und opferbereiter Tatchrist.

Spee hatte beobachtet, dass die Sitten verrohten, Gewalttätigkeit und Unordnung zunahmen. Je mehr sich damit der Ausblick auf die Zukunft verdunkelte, desto lauter rief er mit den Verzweifelten Gott herbei, er solle retten! Wie Jesaja für die in Babylon gefangenen Israeliten betete, Gott, der alles tut, solle Gerechtigkeit aus dem Himmel träufeln, die Wolken sollen sie regnen (Jesaja 45,7-8). So betete auch Spee, Gott soll einen Tau vom Himmel gießen, im Tau herab soll der Heiland fließen (Strophe 2). Wie Jesaja das Bild zur Erde wechselte, die sich auftun und Heil bringen soll, damit Gerechtigkeit mit aufwachse, so betete Spee, soll die Erde ausschlagen, dass alles grün werde (Strophe 3). Noch stärker erinnert Spees dritte Strophe an ein Bild Jesajas: aus der Wurzel Isais soll ein Reis wachsen und ein Zweig Frucht bringen. Auf der Frucht, die wächst, soll der Geist des Herrn ruhen, der Geist auch der Erkenntnis und der Furcht des Herrn (Jesaja 11,1).

image»Wachet auf«, ruft uns die Stimme der Wächter sehr hoch auf der Zinne

1. »Wachet auf«, ruft uns die Stimme
der Wächter sehr hoch auf der Zinne,
»wach auf, du Stadt Jerusalem!
Mitternacht heißt diese Stunde«;
sie rufen uns mit hellem Munde:
»Wo seid ihr klugen Jungfrauen?
Wohlauf, der Bräut’gam kommt,
steht auf, die Lampen nehmt!
Halleluja!
Macht euch bereit
zu der Hochzeit,
ihr müsset ihm entgegengehn!«

2. Zion hört die Wächter singen,
das Herz tut ihr vor Freude springen,
sie wachet und steht eilend auf.
Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig,
von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig,
ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf.
Nun komm, du werte Kron,
Herr Jesu, Gottes Sohn!
Hosianna!
Wir folgen all
zum Freudensaal
und halten mit das Abendmahl.

3. Gloria sei dir gesungen
mit Menschen- und mit Engelzungen,
mit Harfen und mit Zimbeln schön.








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