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DAS STECKT IN DIESEM WINTERGARTENBUCH: EIN ÜBERBLICK

WILLKOMMEN IM WINTERGEMÜSEPARADIES

EINE ODE AN DEN WINTER

Ein erster Winter-Check

Winterversorgung herkömmlich: ab zum Supermarktregal

Winterversorgung neu: ab ins Gemüsebeet

Illustration Von Wintergärten, Versuchspersonen und unzähligen Projekten und Experimenten

EINZUG DES WINTERS IM GARTEN: EIN PROLOG

Winter – wer bist du?

Der Winter: Freund oder Feind?

Wintergarten-Planung

Wunderwerk Pflanze: Ist das Winterzauberei?

Wintergemüsevorlieben: Schlafsack, Zelt, Hütte oder Haus?

Zu ebener Erde und im 4. Stock: Wintergemüsegenuss auf Terrasse, Balkon und Fensterbrett

Illustration Upcycling Winter

EIN JAHR IM LEBEN MEINES WINTERGARTENS: EINE ERZÄHLUNG

Achtung: Festhalten!

Gärtnergrundkurs: Gemüsevermehrung

Der Frühling

Der Sommer

Der Herbst

Der Winter

Illustration Einwände und Bedenken: auf Nimmerwiedersehen

PFLANZENPORTRAITS: AUTOBIOGRAFISCHES AUS DER WINTERGEMÜSEWELT

Sauerampfer

Winterheckenzwiebel

Schnittlauch

Schnittknoblauch

Blatt-Petersilie

Pastinake

Mangold

Porree/Lauch

Butterkohl

Zuckerhut

Winterendivie

Zichorie Castelfranco’

Kohlrabi

Grünkohl

Palmkohl/Schwarzkohl

Illustration Gefräßige Mitbewerber:
Guten Winterschlaf, ihr süßen Schnecken, Käfer & Co

Zierkohl

Rosenkohl/Sprossenkohl

Winterkresse

Bundkarotten

Frühlingszwiebel

Winterportulak

Echter Spinat

Feldsalat/Vogerlsalat

Gartensalate

Rucola

Asia-Salate/Kohlsalate

Gartenkresse

Radieschen

Erbsentriebe

Zwiebelgrün

Knoblauchsprosse/Jungknoblauch

Illustration So schmeckt der Winter!
Snow Food: die Schneehaubenküche

WINTERMÄRCHEN: EIN EPILOG

Es war einmal ...

AM WINTER HÄNGT SO EINIGES

Winter-Talk: Das kleine Glossar des Wintergärtnerns

Bezugsquellen

Literaturverzeichnis

Winterwunder-Garten: ein Resümee

Über den Autor

Gemüsemodels, Wintergärtnerinnen und Kälteforscher

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Willkommen im Wintergemüseparadies

Liebe Leserin, lieber Leser,

während ich hier sitze, diese Zeilen schreibe und zum Fenster hinausschaue, sehe ich, dass es zu schneien begonnen hat. Dicke, samtige Schneeflocken fallen vom Himmel und hüllen alles in ein zauberhaftes Weiß. Hier in Wien erleben wir das nicht so oft. Ich weiß, dass viele nun vom Skifahren träumen, von idyllischen Winterlandschaften und märchenhaften Bergwelten im glitzernden Sonnenlicht.

Ich denke ans Gemüse! Meine Salate, Frischkräuter und Radieschen haben jetzt Hochsaison. Es geht ihnen prächtig. Frost und Kälte können ihnen nichts anhaben. Während andere ihren Garten für ein halbes Jahr geschlossen halten, geht es bei mir so richtig rund. Die ungeheizten Forschungsgewächshäuser auf meiner Versuchsstation Zinsenhof in Niederösterreich und die Winterbeete in der City Farm Augarten in Wien sind randvoll bepflanzt mit üppigem Wintergemüse. Ich bin Wintergärtner aus Überzeugung und Leidenschaft.

Vielleicht halten Sie mich für ein bisschen verrückt, aber schlagen Sie dieses Buch bitte jetzt nicht zu. Folgen Sie mir doch auf eine frostige Reise in eine unglaublich frische, saftige, grüne und vor allem genussvolle Winterwelt …

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IM WINTER ZU ERNTEN, FRISCHES GEMÜSE AUS DER ERDE ZU HOLEN, ETWAS BUNTES IM SCHNEE ZU FINDEN – DAS ERÖFFNET UNS EINE GANZ ANDERE WELT. TAUCHEN SIE MIT MIR EIN!

Eine Ode
an den Winter

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„BEI DIR WIRD MIR WARM UMS HERZ“ – DAS SAGT DER KOHL DIESEN WINTER VIELLEICHT AUCH ZU IHNEN.

Ein erster Winter-Check:

Nachdem ich nun kurz von mir erzählt habe, versuche ich mir ein Bild von Ihnen zu machen, liebes Lesepublikum. Welcher Typ Gärtnerin oder Gärtner sind Sie? Wo liegen Ihre Stärken, wo Ihre Schwächen im Gemüsebeet? Was sind Ihre geheimsten grünen Träume für Garten und Hochbeet? Schwierige Fragen für einen psychologisch nicht geschulten Autor wie mich!

So habe ich mir Hilfe aus der Kriminalistik geholt und, wie das moderne Profiler tun, ein Gemüsetäterprofil von Ihnen erstellt. Das sieht so aus:

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Sie wollen selbst aktiv sein, Ihre Gemüseversorgung nicht allein dem Supermarkt überlassen.

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Sie erschrecken im Winter in der Obst- und Gemüseabteilung des Supermarktes auch jedes Mal beim Blick aufs Kleingedruckte. Es ist unglaublich, wie viele Transportkilometer in diesen Produkten stecken.

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Sie lieben Ihren Gemüsegarten, Ihr Hochbeet oder Ihr Gemüsebalkonkistchen und verbringen gerne Zeit beim Säen, Gießen, Ernten.

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Sie haben noch große Pläne in Sachen Gemüseanbau, sind neugierig, wollen aber nicht jeden Fehler selbst machen.

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Die Gemüsesaison ist Ihnen viel zu kurz geworden. Sie können von Ihrem selbstgezogenen Gemüse gar nicht genug bekommen, aber das Gartenjahr endet einfach zu früh.

Wenn mindestens zwei oder drei dieser Aussagen auf Sie zutreffen, dann sind Sie in diesem Buch goldrichtig angekommen.

Nun ist es Zeit, dass wir mit unserer ersten Übung zum Wintergärtnern beginnen. Wir starten beschaulich: Schließen Sie bitte Ihre Augen und denken Sie intensiv an Ihren Garten oder Ihr Hochbeet. Malen Sie vor Ihrem inneren Auge ein Gemälde Ihres grünen Reichs …

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SIE WERDEN IHREN NEUEN WINTERLICHEN GARTEN GANZ SICHER LIEB GEWINNEN.

Sie können Ihre Augen jetzt wieder öffnen. Was haben Sie gesehen? Rote Tomaten auf kräftigen Stauden? Üppiges Grün im strahlenden Sommerlicht? Vielleicht die Tochter mit Strohhut und Gießkanne im bunten Blumenbeet? Oder einfach Ihren Erntekorb, gefüllt mit Gurken, Beeren, frischen Kräutern und Salaten?

Ich bin mir sicher, dass Sie nicht Ihr Hochbeet mit Schneehaube vor Augen hatten. Oder glitzernden Raureif auf frostig erstarrtem Kohl. Haben Sie Eiszapfen auf Ihrer Gartenhütte gesehen, Eisblumen auf Ihren Fensterscheiben oder in Erdkellern eingelagerte Rüben und Karotten? Nein.

Der Winter gehört in unseren Vorstellungen den Skisportlern und Eisläuferinnen, den Schneepflügen und Weihnachtsmännern. Der Garten aber liegt fest in Sommerhand.

Illustration LOST & FOUND:
WINTER AN AUFGESCHLOSSENE HOBBY-GÄRTNERINNEN UND -GÄRTNER GRATIS ABZUGEBEN (NEUWERTIG, BISHER UNBENUTZT!)

Sogar Fachleute im Gartenbau wie die Phänologen, die Pflanzen in ihrer jahreszeitlichen Entwicklung beobachten, haben den Winter anscheinend ausgeklammert.

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DER WINTER BLEIBT SELBST BEI DEN PHÄNOLOGEN GRAU UND EINTÖNIG – ZEIT, FARBE ZU BEKENNEN.

Sie unterteilen das Jahr in Unterjahreszeiten, um möglichst präzise Aussagen machen zu können. Ob eine Pflanze im Vor- oder im Vollfrühling zu blühen beginnt, macht für sie einen Unterschied. Nur der Winter bleibt grau und monolithisch im Raum stehen. Er hat offensichtlich keine Unterteilung verdient.

Mich reizt es, genau hinzusehen. Immerhin macht die sogenannte tote Jahreszeit fast ein halbes Jahr aus. Von November bis Ende März lassen wir unseren Garten ruhen. Diese Zeit definiere ich deshalb als Gemüse-Winterzeit. Wir folgen im Winter brav den Anweisungen der abonnierten Gartenzeitschrift. Die Beete sind geräumt, die Pflanzenreste entsorgt. Bis es hier wieder grün wird, ist Geduld gefragt.

Winterversorgung herkömmlich: ab zum Supermarktregal

Genau diese Geduld aber wird lange Monate hart auf die Probe gestellt. Im Winter sind wir, ob wir wollen oder nicht, in unserer Frischversorgung bisher einzig und allein auf den Supermarkt angewiesen. Statt erntereifen Früchten direkt von der Pflanze, „pflücken“ wir Gemüsepackungen aus dem Regal. Und dabei haben wir die Qual der Wahl: Importware aus dem Süden – über Tausende von LKW-Kilometern transportiert – oder Regionales aus heimischen, beheizten, oft künstlich belichteten Intensivgewächshausanlagen. Beide Varianten überzeugen keineswegs mit Ressourceneffizienz und sparsamem Energieeinsatz. Im Gegenteil: die winterliche Supermarkt-Frischware kommt auf ökologischer Schuhgröße 97 daher. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass bei ihrer energieaufwändigen Entstehung oftmals mehr CO2 freigesetzt wird, als die Produkte Eigengewicht haben. Den wirklich schlanken Fuß macht das buchstäblich nicht.

Jetzt habe ich gleich noch eine Übungsaufgabe für Sie: Nehmen Sie doch bei Ihrem nächsten Supermarktbesuch das Gemüseregal genau unter die Lupe. Welche Gemüse werden angeboten? Woher stammen sie? Wurden sie importiert oder im Inland erzeugt? Ich bin mir sicher, Sie werden sich wundern, wie viele Transportkilometer da versammelt sind.

Regional – saisonal – mir egal?

Aber Achtung: regional bedeutet nicht automatisch nachhaltig. Das Schlüsselwort in diesem Zusammenhang lautet: saisonal. Heimische Ware, die außerhalb der Saison erzeugt wird, ist häufig nämlich sogar noch energiefressender entstanden als die importierten Vergleichsprodukte. Nur was im Rhythmus der Jahreszeiten, angepasst an die natürliche biologische Entwicklung, produziert wurde, hat wenig Ressourcen verbraucht. Saisonal ist Gemüse dann, wenn es direkt vom Beet oder aus technisch einfachen Kulturräumen ohne zusätzliche Beheizung geerntet werden kann. Nur für die Jungpflanzenanzucht ist künstliche Wärme auf kleiner Fläche zulässig.

Kritische Konsumentinnen und Konsumenten, die sich rund ums Jahr in diesem Sinne saisonal versorgen wollen, fragen sich an dieser Stelle, wie man denn als Laie so einen Jahresüberblick gewinnen kann. Die Suche im Internet trägt nicht unbedingt zum besseren Verständnis bei. Manchmal habe ich angesichts der unzähligen Saisonkalender, die durchwegs bunt und grafisch anspruchsvoll illustriert sind, fast den Eindruck, dass hier mehr Verwirrung angerichtet, als Aufklärung geleistet wird. Kürzlich fand ich bei einer kleinen Internetrecherche zu diesem Thema zum Beispiel Knollensellerie und Zucchini in der Spalte Frühlingsgemüse, den Frischspinat dafür im Sommer. Mit Fachinformation für ein höheres Saisonalitätsverständnis hat das nichts zu tun.

Lebender Saisonkalender:
pflanzen, sprießen, ernten

Davon bin ich überzeugt: Nur wer selbst gärtnert, entwickelt ein Gefühl für die jahreszeitlichen Rhythmen im Gemüsebeet. Wann sind die ersten Radieschen erntefertig? Wie lange brauchen Tomaten, um zu reifen? Kann es saisonale Erdbeeren schon im April geben? Dabei ist es gar nicht so wichtig, wie groß der eigene Garten ist.

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DIESE GEMÜSE KOMMEN DIREKT AUS DEM BEET - UND SCHMECKEN TAUSENDMAL KÖSTLICHER ALS IHRE BEHEIZTEN, AUFPOLIERTEN KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN IM SUPERMARKTREGAL.

Es geht ums Prinzip. Die Radieschen im Balkonkistchen entwickeln sich nicht so anders wie die auf dem Acker. Tomaten reifen bei guter Pflege im Topf ähnlich wie im Beet.

Und auch wenn die eigene Ernte nicht zur hundertprozentigen Selbstversorgung ausreicht, kann sie als lebender Saisonkalender dienen, und damit als Leitfaden für einen konsequenten saisonalen Einkauf im Lebensmittelhandel. Eine Bearbeitung nach den Kriterien des biologischen Landbaus ist für mich Selbstverständlichkeit.

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SIE MÖCHTEN IHREN SELBST GEBAUTEN SCHNEEMANN AUCH MIT EIGENEM GEMÜSE SCHMÜCKEN? DA HILFT NUR EIN WINTERGARTENBEET.

Winterversorgung neu: ab ins Gemüsebeet

Ich komme noch einmal auf das Dilemma des Winters zurück: Importgemüse oder heimische Intensivgewächshausware? Oder bleibt uns doch nichts anderes, als uns während langer Winterwochen ausschließlich mit Kohl und Rüben durchzubringen? Das taten unsere Vorfahren, aber jetzt einmal ehrlich: Wer will dahin zurück? Sind nun Umweltbewusstsein und Verantwortungsgefühl zwangsläufig mit Monotonie und Verzicht verbunden? Oder müssen wir bei jeder unserer täglichen Kaufentscheidungen schlechten Gewissens die Frage nach dem geringsten Übel stellen? Da fällt uns die Wahl wirklich schwer.

Alles frisch macht der Winter: Schlagen wir gemeinsam einen anderen Weg ein!

Dieser Weg ist so naheliegend und überzeugend, dass man sich fragt, wieso er nicht längst unseren Winter bestimmt. Er verbindet auf optimale Weise Ressourceneffizienz mit Genuss, ökologische Verantwortung mit reichhaltiger Abwechslung. So neu ist dieser Weg gar nicht, denn Generationen von Gemüsegärtnerinnen und -gärtnern sind ihn in vergangenen Zeiten schon gegangen. Damals lagerte man aus der Not heraus Wintergemüse in ressourcenschonender Weise ein, baute Mistbeete und Erdmieten. Neu ist die ungeahnte Sortiments-breite, die im Winter frisch nutzbar ist, und der genussvolle Zugang, mit dem wir auch in der kalten Jahreszeit aus dem Vollen schöpfen wollen. Tatsächlich ist dieser Weg aber noch kaum bekannt. In der Breite unserer Lebensmittelversorgung ist er noch nicht angekommen.

In diesem Buch geht es um eine Winterversorgung mit heimischer, ungeheizter, frischer Ware, die wir in ihrer Vielfalt in diesen Monaten nicht für möglich gehalten haben. Sie lebt von diesem alten Geheimnis, das die Publikationen und Lehrbücher der modernen Wissenschaft völlig übersehen und gänzlich vergessen haben: Viele Gemüsearten sind wesentlich frostfester und winterhärter, als wir es ihnen jemals zugetraut haben. Sie wachsen unbeirrt in einer unwirtlichen Jahreszeit und erlauben eine unglaublich üppige Ernte – und damit eine ganz unerwartete Winterfrischversorgung. Ihre natürliche Robustheit erspart aufwändige technische Ausstattungen und einen energieverschwendenden Betrieb.

Egal ob in der professionellen heimischen Gemüseproduktion oder im Hausgarten: dieser neue Weg ist ein Weg der Zukunft, eine Bewegung, der wir uns alle anschließen können, um einer agroindustriellen, ressourcenfressenden Lebensmittelmaschinerie etwas Wirkungsvolles, Nachhaltiges, Genussvolles entgegenzusetzen.

Jetzt fragen Sie vielleicht:
Aber wie fange ich an?

Sie haben schon angefangen! Immerhin haben Sie schon zwei praktische Übungen und einige Buchseiten hinter sich. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Den Gemüsewinter zu entdecken, ist ein Abenteuer für sich. Vor Ihnen liegt eine spannende Winterwelt voller Gartenexperimente, Überraschungen und beglückender Ernteerlebnisse. Statt wie Scharen von Gemüsegärtnerinnen und -gärtner in Winterschlaf zu gehen, in den gängigen winterlichen Standby-Modus sozusagen, haben Sie sich entschlossen „durchzumachen“. Sie wollen den verbreiteten Stereotypen und Vorurteilen, dass Frost und Kälte alles winterliche Leben im Gemüsegarten verhindern, keinen Glauben mehr schenken. Sie trauen Ihren Schützlingen zu, dass sie imstande sind, rauen, grauen Winterwochen mit Frische, Knackigkeit und bunter Vielfalt zu trotzen. Sie haben den Mut, trostloser Beetleere grünen, saftigen Salat entgegenzusetzen (das meine ich jetzt ganz wörtlich).

Kurz: Sie wollen eine verlorene, verkannte, vergessene Jahreszeit ganz neu entdecken, nutzen, genießen.

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WENN SIE MIT DEM ERNTEN IM WINTER BEGINNEN, FÜHLEN SIE SICH VIELLEICHT EIN WENIG WIE SUPERWOMAN ODER SUPERMAN. ZU RECHT – SIE REVOLUTIONIEREN NICHT NUR IHREN GARTEN, SONDERN TUN SICH SELBST UND DER UMWELT ETWAS GUTES.

Die Wintergemüserevolution:
Herzlich willkommen!

Die Widerstandsgruppe der aktiven Wintergärtnerinnen und -gärtner wächst ständig. Das spüre ich nach meiner ersten Buchveröffentlichung und bei den unzähligen Vorträgen, die ich im ganzen deutschsprachigen Raum zu diesem Thema halte. Und das freut mich natürlich außerordentlich! Als ich vor mehr als 12 Jahren in dieses spannende Thema hineinstolperte, gab es weder Bücher noch Vorträge dazu.

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HÄTTE ICH MEINEN SALAT EINES SCHÖNEN WINTERS NICHT VERGESSEN ZU ERNTEN, KÖNNTE ICH MICH HEUTE NICHT ZU MEINEN SCHNEEGEMÜSEN KUSCHELN. SCHLIESSLICH WÜSSTE ICH NICHTS VON IHRER FROSTHÄRTE.

Eigentlich habe ich meinen Einstieg einer peinlichen Panne zu verdanken: Einen Spezialsalatversuch, den ich an meiner Versuchsstation Zinsenhof im niederösterreichischen Mostviertel angelegt hatte, konnten wir aus zeitlichen Gründen vor dem Winter nicht mehr auswerten und räumen. Wir überließen ihn dem damals vorzeitigen Wintereinbruch und schrieben ihn ab. Die bekannte Fachliteratur gesteht diesen Salaten eine Frosthärte von -3 bis -5 °C zu. Keine Chance also für ein solches Gemüse am Zinsenhof in seiner rauen voralpinen Lage, in der jeden Winter klirrend kalte Wetterphasen üblich sind. Aber die Salate gingen während des ganzen Winters nicht ein. Trotz Frösten unter -15 °C blieben sie frisch, saftig und grün. Wir waren verblüfft. Hatten sie die Fachliteratur nicht gelesen? Zum plangemäßen Absterben hatten sie offensichtlich keine Lust!

Was damals am Zinsenhof begann, wiederholte sich in vielen Experimenten, die ich gemeinsam mit meinem großartigen Team durchgeführt habe, unzählige Male. Viele Gemüsearten erwiesen sich als wesentlich frostfester, als ihnen das in der Fachliteratur zugestanden wird. Bis heute sind wir aus dem Staunen nicht herausgekommen. Mehr als 77 Gemüsearten konnten wir in die Kategorie voll frostresistenter Winterkandidaten einreihen. Sie sorgen seither in wechselnden Besetzungen für lebendige Vielfalt auf unseren winterlichen Versuchsflächen und in den Beeten der City Farm Augarten.

Immer noch bin ich jedes Mal begeistert, sie nicht nur überleben zu sehen, sondern sie mitten im Winter zu ernten und zu genießen. Immer noch fasziniert mich der Anblick eingefrorener und dann unversehrter, aufgetauter Gemüsepflanzen. Ich fühle mich ein bisschen wie Christoph Kolumbus, weil wir gleichsam einen neuen Gemüsekontinent entdeckt haben. Wollen auch Sie den Abenteuergeist in sich wecken?

Die Schönheit und den Reichtum dieser neuen Winterlandschaft möchte ich in diesem Buch gerne mit Ihnen teilen. Ich freue mich, dass Sie dabei sind!

Illustration VON WINTERGÄRTEN, VERSUCHSPERSONEN UND UNZÄHLIGEN PROJEKTEN UND EXPERIMENTEN

Nur um es gleich ganz ehrlich zu sagen: In unserem privaten Garten zuhause bauen wir kein Wintergemüse an. Das liegt daran, dass ich „dienstlich“ wirklich ausreichend Experimentierfläche und Ernteprodukte zur Verfügung habe. Ich möchte Sie hier in meine Wintergemüsereiche und -projekte entführen.

Der Zinsenhof ist die gemüsebauliche Versuchsaußenstelle der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau – Schönbrunn, an der ich die Abteilung Gemüsebau leite. Das ist mein Beruf. Der Zinsenhof ist im schönen niederösterreichischen Mostviertel ca. 100 Kilometer westlich von Wien gelegen. Es ist ein alter historischer Gutshof, der seit 70 Jahren in Bundesverwaltung steht. Immerhin 20 Jahre davon bin ich für ihn verantwortlich. Meine dienstlichen Vorfahren haben ihn jahrzehntelang zur Sichtung von Gemüse genutzt. Stets wurden neu gezüchtete Gemüsesorten auf Ertrag und Qualität getestet, und Bauern und Gärtnerinnen die Ergebnisse von Weißkohl- oder Einlegegurkenversuchen nahegebracht. In Zeiten von Nahrungsknappheit und dem Aufbau einer heimischen Grundversorgung war das eine wichtige Aufgabe.

In den letzten Jahren habe ich unser Versuchskonzept und unsere Forschungsstrategie völlig erneuert. Uns geht es nun um die Entwicklung alternativer Produktionssysteme für heimische Bio-Gemüsebetriebe. Ziel ist es, eine ressourcenschonende, ökologische, energieeffiziente, kleinstrukturierte, konsumentennahe und vielfältige heimische Gemüseversorgung zu fördern. Ich sehe in ganz konkreten Maßnahmen und Anbauweisen, die sich an diesen Leitlinien orientieren, die einzige Chance, unsere Landwirtschaft aus der agrarindustriellen Einseitigkeit herauszuführen und in Zeiten der Klimakrise zukunftsfähig zu machen. Die Landwirtschaft darf nicht Ressourcen- und Energiefresser sein. Wir müssen Lösungen finden, sie wieder zu dem zu machen, was sie eigentlich immer war und sein sollte: zu einer positiv bilanzierenden Basis energieliefernder Nahrungsmittelsouveränität und zu einer Säule regenerativer Nachhaltigkeit. Das geht nur, wenn wir uns auf dieses verlässliche, bewährte Zusammenspiel besinnen: Boden – Pflanze – Mensch. Da gibt es viel wiederzuentdecken und ganz neu anzuwenden.

VERSUCHSSTATION ZINSENHOF

Wie es aussieht auf so einer Gemüseversuchsstation? Hier ein paar Eindrücke von Forschungsgegenständen und gelungenen Ergebnissen.

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Wir tun dies am Zinsenhof nicht nur in der Erforschung des ungeheizten Wintergemüsebaus, sondern auch in der Entwicklung von Low-Energy-Anbauverfahren, die ganz ohne Fremdenergiezufuhr eine Fruchtgemüseernte von Tomaten und Gurken ab Mai erlauben. Wir nutzen dafür das alte, geniale „Mistbeetkasten-Prinzip“: Der Abbau organischer Materialien wie Mist, Strauchhäcksel und Stroh erzeugt biologische Wärme, die zur Saisonverfrühung in einfachen modernen Folientunneln eingesetzt werden kann. Auch in Projekten mit Rollfolientunneln, mit mehrjährigen Permaveggies oder mit der Entwicklung von Anbauverfahren für ganz neue, unbekannte Gemüsearten verfolgen wir dieselben Ziele.

Wenn in der Überschrift dieses Kapitels von Versuchspersonen die Rede ist, meine ich nicht, dass wir an Menschen experimentieren, sondern gemeinsam mit ihnen. Ganz konkret steht mir ein großartiges Team aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Seite: Versuchs-Ingenieur Hans Kupfer und meine Sekretärin Gabriele Riegelnegg in der Zentrale in Schönbrunn und die „Zinsenhofer“ unter der Leitung von Harald Streimelweger.

PROJEKTE UND VERNETZUNGEN

Inspirierend und bereichernd ist die Zusammenarbeit auf nationaler Ebene. Soeben haben wir ein Wintergemüseprojekt abgeschlossen, in dem wir mit sieben österreichischen Biobetrieben, mit ihrem Verband Bio Austria, dem Landwirtschaftlichen Versuchszentrum Wies, der Gartenbauschule Langenlois und anderen Partnerorganisationen zum praxisorientierten Wintergemüseanbau geforscht haben. Es ging auch um ökonomische Fragen, um den Geschmack des Wintergemüses, um den ökologischen Fußabdruck, die richtige Verpackung ebenso wie um arbeitswirtschaftliche Aspekte einer gewinnbringenden, nachhaltigen Winterproduktion.

Gemeinsam mit Alexandra Depisch, der Feingemüseberaterin von Bio Austria, habe ich Tausende von Anbau-, Ertrags- und Wetterdaten ausgewertet. Es war unglaublich spannend, die Unterschiede in der Winterernte zwischen dem alpinen Saalfelden, dem östlichen Marchfeld und der Südsteiermark zu beobachten und Unmengen an Erfahrungen und Daten zu sammeln. Eines kann man zusammenfassend sagen: Ein Freilandanbau ebenso wie eine ungeheizte Wintergemüseproduktion in einfachen Foliengewächshäusern ist in ganz Österreich möglich. Die westlichen Anbaugebiete hatten wegen der sonnigen Winterwitterung gegenüber den Hauptgemüsezentren im Osten sogar die Nase vorn. Auch von Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, die mit Wintergemüse experimentieren, habe ich viele Erfolgsmeldungen erhalten.

City Farm Augarten

Just arrived: Nachdem die City Farm im Sommer 2018 von Schönbrunn in den Augarten, direkt neben die Wiener Sängerknaben, übersiedelt war, wurde sofort ein Wintergarten angelegt. Im Jänner 2019 konnten wir dann auch schon ernten.

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Im letzten Jahr bot sich mir dann die Gelegenheit, an einem internationalen Forschungsprojekt teilzunehmen. Es geht unter dem Titel „GreenResilient“ um die Entwicklung von resilienten, also standortangepassten, ressourceneffizienten, nachhaltigen Anbauverfahren im Gemüsebau europaweit. Wir gehen nun unter anderem der Frage nach, ob sich dieses Konzept eines heizungsfreien Gemüseanbaus in der kalten Jahreszeit auch in West- und Nordeuropa umsetzen lässt. Vor allem interessieren wir uns für die Grenzen winterlichen Wachstums, die sich aus den starken Kurztagesbedingungen nördlicher Anbaugebiete ergeben. In Belgien, Dänemark und Schweden liegen die Versuchsstationen unserer Partner. Gleichzeitig soll in diesem Forschungsprojekt unter der Leitung des italienischen Wissenschaftlers Fabio Tittarelli die Kommunikation zur Gesellschaft verbessert werden. Auch dazu kann ich einiges beitragen.

Mir ist es nämlich nicht genug, mit alternativen Anbaukonzepten nur die Fachwelt zu erreichen. Ich möchte die Freude an der Faszination Gemüse – sommers wie winters – in die Gesellschaft hinaustragen. Denn Gemüse kann unser Leben verändern! Klingt das zu pathetisch? Macht nichts: die Lebensgeschichte von Gemüse vom Samenkorn bis zum Ernteprodukt, vom Beet bis auf den Teller mitzuverfolgen, ist ein einziges Abenteuer. Das sollten wir alle nicht verpassen. Gemüse ist nicht nur gesund – so empfinden das vielleicht einige von uns eher als Bedrohung denn als Bereicherung – sondern unglaublich abwechslungsreich und genussvoll.

Genau deshalb habe ich vor mehr als 7 Jahren die City Farm ursprünglich in Schönbrunn gegründet. Seit dem Jahr 2018 arbeitet der gemeinnützige Verein im Wiener Augarten ganz im Zentrum der Stadt. Die City Farm Augarten hat es sich zum Ziel gesetzt, mit Klein und Groß zu gärtnern und die Freude an der vielfältigsten Lebensmittelgruppe, die wir kennen, ganz lebensnah zu vermitteln. Ich bin sehr froh, die renommierte, mehrfach ausgezeichnete Umweltjournalistin Ingrid Greisenegger und meine Frau Angelika an meiner Seite zu haben, ebenso wie ein wunderbares, engagiertes Team an Gartenpädagoginnen, Gärtnern und Workshopleiterinnen.

Wir gärtnern gemeinsam zu allen Jahreszeiten. Auf der längsten Hochbeetanlage Österreichs wachsen dieses Jahr 150 verschiedene Tomatensorten. Unzählige Gemüsearten gibt es bei uns zu entdecken und zu verkosten, die man in keinem Supermarkt zu kaufen bekommt. Aber besonderen Spaß macht es uns, im Winter zu gärtnern. Unsere Wintergemüse-Workshops sind jedes Jahr voll ausgebucht. Alles, was man in diesem Buch lesen kann, wird bei uns ganz praktisch gelebt und vermittelt. Beim letzten Winterkurs kam sogar ein Profi-Landwirt extra aus Niederbayern angereist, weil er sich für den Ganzjahresanbau von Gemüse inspirieren lassen wollte.

Eigentlich möchten wir die unzähligen Balkonbesitzerinnen und Hochbeetgärtner, die Selbstversorgerinnen und Hobby-Kleinstlandwirte in unserer Nähe erreichen und sie dazu animieren, ihren Gemüsegarten ganzjährig zu nutzen und sich an den Ernteprodukten zu erfreuen. Damit kann man nicht früh genug beginnen. Deshalb besuchen uns jeden Tag Schulklassen, Kindergarten- und Hortgruppen. Die Kleinen stecken in unserem Garten ihre Hände in die Erde, streicheln Regenwürmer, säen Samen aus, gießen und genießen – und verabschieden sich allesamt mit einem Lächeln im Gesicht und mit einem Pflänzchen unter dem Arm. Noch niemals habe ich jemanden mit einem griesgrämigen Gesicht gehen sehen. So einfach und wirkungsvoll funktioniert das! Denn der Mensch – klein oder groß – ist auch im digitalen 21. Jahrhundert im Grunde ganz analog veranlagt. Und den Garten kann man nicht downloaden – den kann man nur ganz in echt erleben!

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Bei den ersten Wintergemüse-Workshops gab es bereits eine unglaubliche Vielfalt zu bewundern und zu verkosten.

Einzug des Winters im Garten: ein Prolog

Nach der Einführung im vorigen Kapitel sieht die Buchregie an dieser Stelle den feierlichen Einzug des Winters vor. Die begleitende Festmusik für diesen Auftritt überlasse ich Ihrer Fantasie. Nun ist es an der Zeit, die „Hauptperson“ dieses Buches näher kennenzulernen. Was macht den Winter aus? Wie wirkt er auf Pflanzengewebe und Gemüsewachstum? Wie kann er ganz praktisch im Gemüsebeet nutzbar gemacht werden? Gibt es Hilfsmittel und einfache Techniken, ihn abzumildern, pflanzenverträglicher zu machen?