Cover

3So nutzen Sie dieses Buch

Die folgenden Elemente erleichtern Ihnen die Orientierung im Buch:

Beispiele und Übungen

In diesem Buch finden Sie zahlreiche Beispiele, die die geschilderten Sachverhalte veranschaulichen, sowie hilfreiche Übungen.

Definitionen

Hier werden Begriffe kurz und prägnant erläutert.

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Die Merkkästen enthalten Empfehlungen und hilfreiche Tipps.

Auf den Punkt gebracht

Am Ende jedes Kapitels finden Sie eine kurze Zusammenfassung des behandelten Themas.

9Eine Geschichte

Ein Schüler kommt zum Meister. „Meister, alle sagen, ich würde nichts taugen und schaffe es eh nicht. Ständig kritisieren die Leute mich. Kannst du mir helfen?“

„Ja, aber zuerst musst du diesen Ring für mich verkaufen. Mindestens für ein Goldstück.“

Daraufhin geht der Schüler auf den Markt. Die Leute lachen über den Ring und sein Ansinnen und bieten ihm nur Silberlinge oder weniger an. Enttäuscht kommt der Schüler abends zurück. Er hat nichts erreicht. Daraufhin schickt ihn der Meister am nächsten Tag zu einem Goldschmied. Der bietet ihm 58 Goldstücke an, vielleicht auch 60. Der Schüler ist überrascht, verkauft den Ring und kommt zurück.

Der Meister sagt: „Den Wert dieses Ringes konnte nur ein Fachmann erkennen, aber nicht die Leute auf der Straße. So ist es auch mit dir: Die Leute auf der Straße kennen dich nicht und können nicht beurteilen, wer du bist. Nur ein Profi kann dein Potenzial erkennen und dir die nötige Anerkennung geben bzw. dich fördern.

Nimm meinen Rat an. Werde dein eigener Profi und lerne deinen unermesslichen Wert kennen und schätzen, dann kann dich das Gerede der Leute nicht mehr erschüttern.“

11Vorwort

Was haben Sie davon, wenn Sie dieses Buch lesen? Es kann Ihnen das Leben an Ihrem Arbeitsplatz und in Ihrer Partnerschaft erleichtern. Erwarten Sie jedoch keine Wunder, denn Sie werden beim Thema Kritik auch in Zukunft nicht um Konflikte herumkommen. Aber dieses Buch wird Ihnen helfen, diese Konflikte nicht unnötig und in ungeschickter Weise zu verschärfen.

Jeder von uns hat mehr oder weniger täglich mit Kritik zu tun. Sei es, dass er selbst andere Menschen kritisiert (aktiv), sei es, dass er von anderen kritisiert wird (passiv).

Aber was ist eigentlich Kritik? Der altgriechische Begriff „krinein“ meint Tätigkeiten wie scheiden, trennen, entscheiden, urteilen, anklagen und streiten. Kritik ist demnach ein Unterscheidungsvermögen (vgl. Gürses, Topographie der Kritik), eine Tätigkeit, die sowohl trennende und als auch (ver-)urteilende Aspekte enthält, wobei die Kriterien, nach denen beurteilt wird, nicht immer ganz klar sind und die leicht zu Konflikten führen kann.

Für die meisten von uns ist Kritik eher unangenehm, beinhaltet sie doch oft Punkte, in denen wir uns als Person infrage gestellt sehen. Die Angst vor Kritik ist daher weitverbreitet, denn mit ihr hängen die Angst vor Fehlern und die Angst vor Ablehnung zusammen.

Dass Kritik einen so richtig aus der Bahn werfen kann, das haben sicherlich viele von Ihnen auch schon erlebt. Häufig hört man dann den Ratschlag: „Nimm’s doch nicht so persönlich!“ Aber wie soll das gehen? – Immerhin waren ja Sie gemeint – also können Sie es auch nur „persönlich“ nehmen.

12Die Frage ist jedoch: Müssen Sie sich darüber wirklich aufregen? Und wie schaffen Sie es, die Kritik etwas distanzierter und damit gelassener aufzunehmen? In diesem Buch werden die Grundsätze des Kritisierens sowie die zentralen Ursachen, warum uns Kritik immer wieder so zu schaffen macht, vorgestellt.

Lernen Sie in wenigen Schritten, wie Sie Ihren persönlichen Kritik-Zündstoff entschärfen und somit gelassener und souveräner reagieren können. Lernen Sie auch, wie Sie Ihrerseits andere auf verträgliche Art und Weise auf Fehler hinweisen können.

Dieses Wissen wird Ihnen dabei helfen, mit Zurückweisung und Ablehnung sowohl im beruflichen wie auch im privaten Umfeld besser umzugehen.

13Explosionsgefahr

Warum Kritik ein so gefährlicher ­Zündstoff ist

Kritik gehört zu unserem Alltag. Dabei zeigt sich meist ein Ungleichgewicht zwischen kritisieren und kritisiert werden: Wir selbst sind schnell dabei, unsere kritische Meinung zu Dingen und über andere Menschen zu äußern, reagieren aber eher empfindlich, wenn wir selbst von anderen kritisiert werden. Kritisieren ist leicht, kritisiert werden dagegen schwer.

Der souveräne Umgang mit Kritik will daher gelernt sein.

Warum souveräner Umgang mit Kritik schwierig ist

Wie wir kritische Bemerkungen aufnehmen, ob wir sie in den falschen Hals bekommen, gelassen darauf reagieren oder sogar dankbar annehmen können, liegt sowohl an äußeren als auch an inneren Faktoren:

Bei so viel negativem Potenzial, das in der Kritik steckt, wäre es naheliegend, ganz auf sie zu verzichten. Doch dieser Gedanke ist nicht nur blauäugig, er verkennt auch das enorme positive Potenzial, das Kritik bereithält.

Warum Kritik enormes Potenzial ­bereithält

Denn Kritik ist ein wichtiger Motor für Veränderung: Mit ihrer Hilfe wird auf Missstände aufmerksam gemacht und Lösungen werden vorangetrieben. Das können scheinbar banale Angelegenheiten sein:

Beispiele

Ein Anwohner bemerkt zum Beispiel, dass ein Schild, das die Vorfahrt regelt, schlecht sichtbar angebracht wurde. Er kritisiert das beim zuständigen Amt. Das Schild wird so aufgestellt, dass es besser sichtbar ist, und so wird mög­licherweise ein Unfall verhindert.

Kritik kann also möglicherweise auch Menschenleben retten. Ein anderes Beispiel:

15Beispiele

Einer Führungskraft wird mitgeteilt, dass ihr Kommuni­kationsstil bei den Mitarbeitern für Irritationen sorgt. Das war der Führungskraft (vielleicht) gar nicht bewusst. Nun achtet sie verstärkt darauf, wie und was sie zu ihren Mitarbeitern sagt, und kann so künftig größere Konflikte vermeiden.

Kritik hilft uns also, unser Verhalten zu verbessern. Außerdem dient sie als Spiegel, wie wir auf andere wirken.

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Kritik ist für uns unverzichtbar. Wir benötigen sie, um zu lernen, auch wenn sie sich meistens nicht gut anfühlt.

Da Kritik sich aber selten gut anfühlt, müssen wir erst lernen, damit umzugehen, d. h. sie nicht generell als Angriff auf die eigene Person zu sehen, sondern als nützlichen Hinweis für Handlungsverbesserungen aufzunehmen. Souverän mit Kritik umzugehen bedeutet, kritikfähig zu werden.

Souveränität

Souverän sein bedeutet in diesem Zusammenhang also, sich nicht von der Kritik erschüttern zu lassen, sondern trotz aufwallender Emotionen handlungsfähig zu bleiben und die eigene Reaktion von den Emotionen zu trennen.

Souverän und gelassen zu bleiben ist schwierig, wenn man kritisiert wird, vor allem, wenn die Kritik auch noch überzogen oder ungerecht ist. Daher sind kleine rhetorische Kniffe, die die Emotionen des Kritikers dämpfen, oft hilfreich, um 16selbst ruhiger zu bleiben. Verständnis zu zeigen, ist eine Möglichkeit, wie das Beispiel unten zeigt:

Beispiele

„Das klappt doch sowieso nicht! Sie halten mit Ihrer Art doch nur den ganzen Laden auf!“

„Herr Meier, ich kann verstehen, dass Sie unter Zeitdruck sind, und ich würde mir wünschen, dass Sie mehr Vertrauen in mich haben, dass ich das Projekt zeitnah abschließe. Was brauchen Sie von mir, damit Sie das Gefühl haben, dass es weitergeht?“

Souveräner Umgang mit Kritik bedeutet im Einzelnen:

Wer dagegen Kritik nicht gut verarbeiten kann, der merkt das zum Beispiel daran, dass er

Kritik ist ein Zündstoff, der sowohl zerstören als auch neue Wege freisprengen kann. Umso wichtiger ist daher ein umsichtiger und souveräner Umgang mit ihr.

Dazu gehört die erlernte Fähigkeit, Kritik nicht als Angriff auf die eigene Person zu verstehen (passive Kritikfähigkeit). Und umgekehrt, Kritik so zu üben und zu formulieren, dass sie anstatt zu kränken, den Kritisierten sogar motivieren kann (aktive Kritikfähigkeit, bzw. Kritikkompetenz).

Kritikfähigkeit bzw. Kritikkompetenz gehören deshalb zu den essenziellen Soft Skills im Berufsleben.

Auf den Punkt gebracht

Wenn Ihr persönliches Ziel der souveräne Umgang mit Kritik ist, dann bedeutet das,

19Warum macht uns Kritik so zu ­schaffen?

Was ist eigentlich Kritik?

Grundsätzlich versteht man unter „Kritik“ die Beurteilung eines Gegenstandes, eines Sachverhaltes oder einer Handlung nach mehr oder weniger „festgelegten“ Maßstäben.

Das Wort „Kritik“ wurde Ende des 17. Jahrhunderts aus dem Französischen übernommen. Das französische Wort „critique“ wiederum geht auf Griechisch: κριτική [τέχνη] (kritikē [téchnē], abgeleitet von κρίνειν krínein’ [unter-]scheiden, trennen) zurück. Die Kunst, etwas zu beurteilen, gehört zu den wesentlichen menschlichen Fähigkeiten (Wikipedia).

Dabei tritt Kritik in vielen verschiedenen Formen auf, d. h. unsere Sprache kennt viele Worte für das Kritisieren und die meisten davon sind negativ behaftet:

Kritisieren

Ablehnen, abservieren, anfechten, angreifen, argumentieren, beanstanden, bekritteln, bemängeln, beurteilen, kritisch betrachten, meinen, meckern, motzen, nörgeln, prüfen, rügen, rezensieren, runtermachen, sich beklagen, sich beschweren, sich über etwas auslassen, Stellung nehmen, tadeln, verreißen, Vorwürfe machen, werten, zerpflücken, zurückweisen, zweifeln u. v. m.

Kritik, wie wir sie hier untersuchen, ist die mehr oder weniger gelungene Rückmeldung (= Feedback) der Umwelt auf ein Verhalten.

20Kritik und Kränkung

Wenn diese Rückmeldung von anderen kommt, stellt sie häufig unser Selbstbild infrage und wir reagieren gekränkt. Außerdem haben wir die fatale Neigung, einem negativen Urteil über uns generell Glauben zu schenken. Auch das stärkt nicht gerade das Selbstwertgefühl.

Da wir uns durch die erlebte Zurückweisung und Bewertung ziemlich unwohl fühlen können, glauben wir, dass der andere diese Gefühle in uns hervorgerufen hat. Dabei sind es unsere, durch die kritische Äußerung ausgelösten Interpretationen, Befürchtungen und Ängste, die diese Gefühle erzeugen. Dass wir ein negatives Urteil über uns meistens glauben, bewirkt ebenfalls, dass wir uns schnell gekränkt fühlen.

Das kann aber nur dann passieren, wenn die Kritik einen wunden Punkt in uns trifft, also einen Sachverhalt berührt, den wir uns selbst (heimlich) vorwerfen bzw. den man uns in der Vergangenheit schon öfter vorgeworfen hat.

Hinzu kommt, dass Kritik nicht nur auf der Inhaltsebene, sondern auch auf der Identitäts- und Beziehungsebene wirkt und dadurch leicht als Angriff gewertet wird.

Sicher haben Sie das schon einmal erlebt: Sie haben versucht, jemandem sehr freundlich oder schonend mitzuteilen, dass er etwas lassen soll oder etwas nicht richtig gemacht hat. Und dennoch fasst der Adressat das Gesagte als Angriff auf.

In einer Gesellschaft, in der primär Leistung und Perfektion zählen, kann auch schon die geringste Kritik ein starkes Unbehagen beim Empfänger auslösen. Denn einerseits herrscht 21in unserer Kultur eine Grundunsicherheit darüber, ob man so, wie man ist, überhaupt akzeptiert wird. Andererseits stellt sich der Kritiker quasi über den anderen, weiß es besser und riskiert, dass der Angesprochene sich peinlich berührt oder gar verletzt fühlt.

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Kritik kann uns leicht kränken, weil wir uns nicht sicher sind, ob wir so sein dürfen, wie wir sind.

Und der Kritiker stellt sich durch seine Kritik über den Kritisierten, was sich für diesen erniedrigend anfühlen kann.

Warum reagieren wir oft dünnhäutig auf Kritik?

Einmal davon abgesehen, dass auch berechtigte Kritik in unangemessener Art und Weise geäußert werden kann, stellt sich doch die Frage, warum wir häufig überhaupt so dünnhäutig auf Kritik reagieren.

Angst vor Ablehnung

Kritik ist uns zum ersten Mal als Kind begegnet: Wir waren zu klein, zu dumm, zu ungeschickt, zu langsam, zu faul, zu laut, zu anstrengend … Und nur wenn wir dieses oder jenes taten oder ließen, hatten Mama und/oder Papa uns wieder lieb. Wir durften wieder mit den anderen mitspielen und gehörten wieder dazu.

22Was haben wir also als Kind gelernt? „Wir sind nicht in Ordnung so, wie wir sind. Wir sind nicht gut genug, es gibt ständig etwas an uns auszusetzen, wir machen Fehler und produzieren dadurch Ablehnung.“

Und diese Ablehnung wurde von uns als Kind durchaus als sehr unangenehm und vielleicht sogar als existenzbedrohend empfunden.