Über dem Herd ist eine kleine Lampe angebracht, damit man das Essen besser sieht. Um diese Lampe herum summen Wespen, viele. Sie kommen nachts in die Wohnung, weil es draußen für diese Jahreszeit zu kalt ist. Ein Auto hält, und eine Person steigt aus. Wenig später schließt jemand die Tür auf. Der Mann hat etwas Schweres auf dem Rücken. In der Küche läßt er es auf den Boden gleiten. Es ist eine Frauenleiche, mit Plastik umwickelt. Hart matscht der Mund, der aus der Tüte guckt, auf die Fliesen. Die Wespen spüren die Wärme, die von dem noch nicht lange toten Körper ausgeht, und stürmen auf ihn los. Sie werden bald sterben, der Sommer ist vorbei. Der Mann tritt nach ihnen, um sie zu vertreiben, eine Wespe sticht ihn. »Verdammte Scheiße! Hau ab, du Arsch!« Er schlägt mit der bloßen Hand ein paar kaputt. Jetzt ist er erschöpft, er wirft sich auf den Küchenstuhl. Dann raucht er. Er starrt lange auf die Leiche und bekommt einen dicken Arm von dem Wespenstich. Er versucht, das Gift aus seinem Blut zu saugen, doch es gelingt ihm nicht, er stirbt noch am gleichen Abend. Doch keiner soll ihn in den nächsten Wochen finden, auch die Leiche der ermordeten Frau nicht.

 

 

 

Die Zeitungen schreiben auf ihren Titelseiten von dem Mord: »Mann überfiel wahrscheinlich Frau und erwürgte sie! Ein Augenzeuge hat gehört, wie er zu der Frau sagte: ›Zieh dich aus, du alte Hippe!‹ Doch sie tat es nicht! Deshalb wurde sie umgebracht.« Eine Zeitung setzt eine Belohnung auf die Ergreifung des Täters aus. Die Polizei sucht ihn auch. Der Kommissar heißt Schneider. Er ist ein alter Hase und hat schon viele gefunden. Und er kann sehr schnell Auto fahren und macht alles heimlich. In seinem Büro erfährt er von dem Mord durch jemanden, der reinkommt, um es zu petzen.

Dieser Jemand erzählt: »Guten Tag, Herr Kommissar! Ich habe einen Mord gesehen! Ich bin total kaputt. Ich konnte da nicht mehr länger hingucken, deshalb habe ich nicht geholfen. Bitte verstehen Sie mich, Herr Kommissar! Was soll ich nur tun?«

Schneider runzelt die Augenbrauen und guckt ihn professionell an: »Erst einmal den Namen und Beruf, wo wohnen Sie?«

»Ich wohne in der Holzstraße, direkt neben dem Chinarestaurant »Mykonos«, wo ich immer esse. Es war furchtbar, der Mörder ist grauenhaft gewesen! Ich bin so froh, daß er mich nicht genommen hat.«

»Na, na, na, na! Bürschchen! Sachlich bleiben! Wie war der Täter angezogen? Trug er Ballettschuhe, oder wie habe ich das!« Er schlägt mit der flachen Hand nach dem Kerl. Dafür muß er ein wenig aus seinem Sessel hoch.

»Aua! Ich hab nichts verbrochen, deshalb dürfen Sie mich nicht hauen! Der Mann hat die Frau nackend sehen wollen, aber sie traute sich nicht, sich auszuziehen! Es war furchtbar! Immer und immer wieder hat der Mann mit einer aufgesägten Chappidose in der Frau rumgekratzt!«

»An der Kehle?«

»Ja, genau wie Sie sagen! Woher wissen Sie das?«

Der Kommissar haut dem Mann voll eins in die Fresse, dann tritt er mit seinem Stiefel dem Opfer die Zähne weg, der Mann fängt an zu weinen. »Du Memme! Du bist doch wohl nicht auf Urlaub hier! Oder?!« Und noch mal reißt der Kommissar ihm mit angewinkelten Zeigefingern den Mund kaputt, es ist ein widerliches Bild.

»Abführen!«

Zwei Wachtmeister tragen den ohnmächtigen Zeugen raus. Der Kommissar Schneider guckt auf die Uhr: »Wenn der Täter vor – wie dieser Mann hier beteuerte – zwanzig Minuten erst geflüchtet ist mit dem Opfer, dann haben wir eine frische Spur. Ich weiß nur noch nicht, wie frisch.« Zu sich selbst murmelnd verläßt er das Büro und geht Richtung Toilette.

 

 

 

Es ist schon spät am Abend. Ein vollbesetzter Bus rast durch die Stadtmitte, Kommissar Schneider hält sich hinter dem Fahrer an einer Schlaufe fest. Die Passagiere kippen immer wieder von links nach rechts, als der Bus in Schlangenlinien seine Überholvorgänge erledigt. Schneider denkt nach. Was hat es nur mit dem Mord auf sich? Sollte der Täter vielleicht ein ganz besonderer Typus sein, jemand, den man bislang noch nicht hatte? Immer und immer wieder läßt Schneider die Tat vor seinen Augen abspulen, nichts bringt ihn weiter.

Ein kleines Mädchen faßt ihn beim Aussteigen aus Versehen am Bein. Ganz klar, daß der Kommissar ihm so gut es geht von hinten mit seiner schweren Aktenmappe auf den Kopp haut. Die anderen Fahrgäste scheint es nicht zu interessieren. Mit verzerrtem Grinsen zückt Schneider plötzlich einen vergilbten Ausweis aus der Manteltasche: »So! Darf ich dann hier mal die Fahrausweise sehen!?« Er kontrolliert den Bus. Einer hat keine Karte und will verduften. Schneider hechtet ihm hinterher, erwischt ihn an den Fußgelenken und läßt sich nicht mehr abschütteln. Bis auf die nächste Straßenseite geht es. Der verhinderte Flüchtige hat Schaum vorm Mund, als Schneider seine Linke vorsausen läßt. Angeekelt reibt sich der Kommissar den Schaum von der Faust, und zwar am Pullover des Erwischten. Mit blutverschmiertem Mund fleht der Betrüger um Gnade. Doch da schließen sich schon ein paar lustige Handschellen um seine Gelenke.

»Los, auf geht’s, in den Knast, Bruder!« Schneider hat einen dicken Fisch am Haken, seine Wachtmeister klatschen Beifall, als sie ins Büro kommen. Während der Gefangene fluchend hinter dem Gitter auf und ab läuft, kommt ein Anruf. Ein Wachtmeister hebt ab: »Bitte? Hier ist die Polizei.« Am anderen Ende will einer den Kommissar. »Ja, Moment, er ist da!« dann gibt er den Hörer weiter.

Der Kommissar sagt: »Nein, ich bin nicht da!« Er ist unwirsch. »Entschuldigung, ich glaube, er ist doch nicht da! Auf Wiedersehen!« sagt der Wachtmeister und legt auf.

 

 

 

Der Mann in der Telefonzelle ist zirka vierzig bis fünfzig Jahre alt, er trägt einen hellen Oberlippenbart, aber er scheint angeklebt zu sein, denn links und rechts tropft noch Pattex raus. Er ist total sauer. Mit ungeheurer Wucht knallt er den Hörer auf die Gabel und spuckt in die Ecke. Sein Streifenanzug ist chic, aber er sieht trotzdem nicht so aus, als gehörte er zu der besseren Gesellschaft der Stadt.

Denn er hat darüber eine grüne Lodenjacke an, die an den Kanten schon schmierig ist und auch kaputtgewetzt. Dreckige Fingernägel umrahmen seine Hände, die er nur mit Mühe so hält, daß sie nicht zittern. Er ist aufgeregt, weil er erpreßt. Dieser Mann hat sich vorgenommen, einen andern zu erpressen. Doch erst mal muß er herausfinden, wie der Frauenmörder heißt, daher ruft er die Bullen an. Als Kommissar Schneider am Apparat ist, verläßt ihn jedoch der Mut, und er hat einen zugeschnürten Hals. Sein Vorhaben wird jäh abgebrochen, doch dieser Mann gibt mit Sicherheit nicht auf.

 

 

 

Ein brauner Lieferwagen fährt vor dem Polizeigebäude vor, zwei Männer in weißen Kitteln und Ölschutzhandschuhen steigen aus und machen sich an der Hintertür zu schaffen. In weiter Ferne bellt jäh ein Hund. »Los, pack mal mit an, du Hänfling!« Der Ältere der beiden macht die Tür auf, und sie ziehen einen länglichen, in Plastikfolie verpackten Gegenstand raus. Er stinkt nach Verwesung, der Junge dreht sich ruckartig um und kotzt auf die Straße.

»Mach das bloß weg, du Schwein!« Der Ältere kann die eingehüllte Leiche nicht mehr allein halten, sie rutscht ihm auf den Asphalt, ein mahlendes Geräusch zeigt ihm an, daß die Zähne der unbekannten Person dabei zu Bruch gegangen sind.

»Verdammt, was soll denn das! Komm jetzt her!« Er tritt den Jüngeren in den Hintern, der damit beschäftigt ist, seine eigene Kotze wieder aufzuschlecken.

Notdürftig wischt er den Rest mit dem unteren Ärmelteil weg, es trieft von Kotze. »Entschuldigung, ich muß mich übergeben, wenn ich das sehe.« In dem Moment kommt Kommissar Schneider die Treppe runter.

»Hey, Fans! Na, wie geht’s?«

»Wir haben das Paket auf dem Müll gefunden. Er ist sehr schwer.«

»So, dann wolln wir mal.« Der Kommissar untersucht den Toten, wendet ihn mit dem Fuß rum und sieht ihm ins Gesicht. Der Junge heult und versteckt sich hinterm Lastwagen.

»Er ist eines natürlichen Todes gestorben, Freunde! Ich kann ihn hier nicht gebrauchen, bringt ihn ins Schauhaus. Da solln sich die Angehörigen drum kümmern!« Er geht und läßt die beiden mit ihrem Fund stehen.

In seinem Büro riecht es nach Qualm. Schneider merkt es sofort.

»Guten Tag, Kommissar!« Der hohe Ledersessel dreht sich von selbst um, und darin sitzt der Bürgermeister.

»Klären Sie den Fall, und Sie bekommen mehr Geld demnächst, Herr Kommissar! Es war meine Schwester, die verschwunden ist. Man will auch mir ans Leder. Hier ist ein Scheck.« Er überreicht Schneider einen Zettel und zündet sich die Zigarre noch einmal an, sie war ausgegangen.

Schneider prüft den Scheck, er hält ihn gegen das Tageslicht. Zufrieden schüttet er sich was zu trinken ein und setzt sich so auf den Schreibtisch, daß sein eines Bein runterbaumelt, das andere nicht. »Sie müssen ja wissen, wer Ihre Schwester umbringen wollte, und wer es wahrscheinlich auch gemacht hat, denn Sie scheinen ja Interesse an dem Fall zu haben. Ist es nicht so?!« Er springt auf und rammt dem Bürgermeister einen Ellenbogen in die Magengegend.

Nach Luft ringend regt sich der Bürgermeister sofort auf: »Was meinen Sie, wen Sie vor sich haben, Sie Person! Ich werde Anzeige erstatten! Sie sind ab heute entlassen, denn ich bin Ihr Dienstherr, falls Sie das noch nicht wissen!«

»Aber dann erzähle ich dem Kulturausschuß auch, wo Sie die Instrumente der Beatbands versteckt halten, das wird ein Skandal! Hahahahaha!« – »Schon gut, Schneider, weitermachen! Und scheuen Sie sich nicht, etwas mehr Geld auszugeben für die Ergreifung meiner Schwester. Ich hoffe, sie ist nicht tot. Vielleicht hat der Mann sie nur scheintot gemacht. Das gibt es immer wieder, die Leute reden ja viel heutzutage. Auf Wiedersehen, Herr Oberkommissar.«

»Gut, ich kümmere mich darum.« Schneider schnippt mit den Fingern, als das Stadtoberhaupt rausgeht.

 

 

Erst mal geht der Chef der hiesigen Kriminalpolizei zu sich nach Hause. Er hat Hunger. Seine Frau macht ihm die Tür auf.

»Wie siehst du denn aus! Irgendwie so enttäuscht, Helge! Stimmt was nicht?«

Schneider zieht seinen langen, dunklen Mantel aus und hängt ihn an den Haken. Dann streift er seine Schuhe ab und zwängt sie in den Schuhschrank, der über und über mit Stöckelschuhen beladen ist. Mit einer normalen Geste schmeißt er ein paar Schuhe raus, damit seine Platz haben.

»Was gibt’s zu Essen, Schlampe?«

»Rotkohl.«

»Aha.«

Es ist halb sieben, als der Kommissar mit seiner Frau Mittag ißt.

Sie reden nicht. Er mümmelt an seinem Essen rum. Es sieht so aus, als wenn es nicht schmeckt. Doch er zwängt es sich rein, genau wie die Schuhe in den Schuhschrank.

»Noch Nachtisch?« Sehnsuchtsvoll guckt er in die Richtung, in der die Küche liegen muß. Dabei atmet er.

Die Frau steht auf und gibt ihm Eis. Als es dem Kommissar schmeckt, sieht sie gut aus. Er merkt es natürlich und wird scharf auf sie.

»Zieh dich aus, du alte Hippe!« Mit verzerrtem Gesicht und verkniffenen Lippen steht er vor ihr und sagt das.

Dann wird das Licht ausgelöscht, und niemand sieht mehr was.

Nur Fickgeräusche sind zu erkennen.

 

 

 

Am frühen Morgen schläft der Kommissar ein. Es regnet. Tropfen schlagen an die Fenster, das Toilettenfenster ist auf. Gleichmäßige Atemzüge sind zu hören. Der Kommissar träumt. Eine Ratte hat einen Minirock an und tanzt zu Jethro Tull. Plötzlich geht die Tür auf, und herein kommt Beckenbauer. Er hat einen Fußball zwischen den Zehen. Ein gefährlicher Grizzlybär nimmt eine Puppe hoch und schmeißt sie weg. Die Achterbahn auf der Kirmes ist schnell, Schneider sitzt drin und hat Angst. Er schreit wie am Spieß. Da, ein Stern fällt vom Himmel, es ist der Jupiter! Der Kommissar begeht mit einer Atemausrüstung den Lehnstuhl, der in seinem Zimmer nur darauf wartet, genommen zu werden.

Bald ist es sieben Uhr morgens, der Wecker wird dann schellen. Aber so lange ist noch Frieden bei den Leuten hier. Gleichmäßige Atemzüge verraten es.

 

 

 

Die Frau steht als erste auf und macht sich sauber, sie ist eine Sauberkeitsfanatikerin. Alle wissen es. Der Wecker schlägt acht.

»Kaffee!« Schneider erschreckt im Schlaf. Er steht senkrecht im Bett. Sie sollte nicht immer so schreien. Wie oft hatte er das schon gesagt. Da wirft jemand die Zeitung unter der Tür durch. »Wieder Mord an Frau in unserer Stadt! Wer war es?« Die Titelzeilen verraten nichts Gutes. Kommissar Schneider steht unter der Dusche, als seine Frau mit der Zeitung unter dem Arm reinkommt.

»Hier, lies!« Schneider traut seinen Augen nicht.