Ronald M. Hahn

 

 

DIE STAHLFRONT-AKTEN

 

 

 

 

Ein avantgardistischer Schelmen-Roman

 

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Das Buch

 

2020: Nobbi Flick, Skiffi-Fan, Ex-Gumminasiast, Träger eines multikultig gefärbten Irokesenkamms und Nasenrings, zieht in die weite Welt hinaus, von der er annimmt, dass sie so toll ist, wie seine Eltern sie ihm versprochen haben. Sein größter Wunsch: ein politisch korrekter Schriftsteller zu werden! Seine Inspiration holt er sich aus der bekannten Raketenheftchenserie Percy Rotten, die im Poebel Verlag erscheint.

Es verschlägt den jungen aus einem gutmenschlich orientierten evangelikan-islamophilen Elternhaus stammenden Mann an das Institut für Temporalforschung, wo er als Reinigungskraft im Labor des mysteriösen Dr. Gernsback tätig wird.

Unbeabsichtigt klaut er dort einen Zeitreisegürtel, der ihn unversehens in eine Pension des Jahres 1934 trägt, in der ein gewisser Ernst wegen seiner sexuellen Orientierung gerade gering geschätzt wird. Und in dieser Pension im schönen Bad Wiessee wird ein mittelgroßer Herr mit Nickelbrille, den alle „Reichsführer“ nennen, auf unseren Helden aufmerksam. Zunächst aber muss der zukünftige Sturmmann Flick in der Zeitebene Adolf Hitzlers die erste große Bewährungsprobe seines Lebens bestehen, als der Reichsführer ihn fragt: „Warum hat es einen Nasenring wie ein Rindviech?“

Dieser avantgardistische Roman erzählt von den tapferen Taten eines wackeren und dreisten Demokraten unter lauter Rechtspopulisten.

Ein Roman, wie nur Ronald M. Hahn ihn schreiben kann.

Der Autor

 

Ronald M. Hahn, Jahrgang 1948.

Schriftsteller, Übersetzer, Literaturagent, Journalist, Herausgeber, Lektor, Redakteur von Zeitschriften.

Bekannt ist Ronald M. Hahn für die Herausgabe der SF-Magazine Science Fiction-Times (1972) und Nova (2002, mit Michael K. Iwoleit) sowie als Autor von Romanen/Kurzgeschichten/Erzählungen in den Bereichen Science Fiction, Krimi und Abenteuer.

Herausragend sind das (mit Hans-Joachim Alpers, Werner Fuchs und Wolfgang Jeschke verfasste) Lexikon der Science Fiction-Literatur (1980/1987), die Standard-Werke Lexikon des Science Fiction-Films (1984/1998, mit Volker Jansen), Lexikon des Horror-Films (1985, mit Volker Jansen) und das Lexikon des Fantasy-Films (1986, mit Volker Jansen und Norbert Stresau).

Für das Lexikon der Fantasy-Literatur (2005, mit Hans-Joachim Alpers und Werner Fuchs) wurde er im Jahr 2005 mit dem Deutschen Fantasy-Preis ausgezeichnet. Insgesamt sechsmal erhielt Hahn darüber hinaus den Kurd-Laßwitz-Preis – dem renommiertesten deutschen SF-Preis - , u.a. für die beste Kurzgeschichte (Auf dem großen Strom, 1981) und als bester Übersetzer (für John Clute: Science Fiction – Eine illustrierte Enzyklopädie, 1997).

Weitere Werke sind u.a. die Kurzgeschichten-Sammlungen Ein Dutzend H-Bomben (1983), Inmitten der großen Leere (1984) und Auf dem großen Strom (1986) sowie – als Übersetzer – der Dune-Zyklus von Frank Herbert.

Ronald M. Hahn lebt und arbeitet in Wuppertal.

Kurzes Vorwort für alle, die keine Vorworte lesen

von Christian Dörge

 

 

»Barbara Bach macht gerade KREISCH!

in DIE HEILIGE BESTIE DER KUMAS (1979) von Sergio Martino.«

 

- Ronald M. Hahn, Lexikon des Horror-Films 

 

 

 

  Liebe Lesende, 

 

  ich bin nicht witzig. Glaubt mir Leute, ich hab’s versucht – ohne nennenswerten Effekt. Selbst die Überschrift dieses Vorworts – und die finde ich wirklich zum Totlachen – habe ich geklaut, Wort für Wort, und zwar aus dem Lexikon des Science Fiction-Films aus der Feder von – Sie ahnen es bereits – Ronald M. Hahn und Volker Jansen.

  Mangelhafter Eigen-Witz bedeutet freilich nicht die Abwesenheit von Humor. Ganz ehrlich: Ich bin ohne Frage ein humoriges Kerlchen! Beispiele gefällig? Nun, bis Mitte der 80er Jahre konnte ich auf das Vortrefflichste über den Humor von Otto Waalkes lachen. Kein Witz! Zudem bin ich absolut in der Lage, mich über Dieter Hallervordens performance als Kongo-Otto schlapp zu lachen. Und wenn Terence Hill als Nobody dem zu Pferde einherreitenden Henry Fonda zwei soeben gefischte Fische präsentiert und strahlend »Er hier? Oder jönner?« fragt – brechen bei mir sämtliche Dämme. Ja, und von Nobody ist’s kein langer Weg zu Lord Brett Sinclair und Danny Wilde aka Die Zwei. 

  Es sei also ausdrücklich versichert: Ich bin kein Gaudi-Abstinenzler.

  Allein: Humor resp. die Aufnahme desselben (mit anschließender Umsetzung in wieherndes Gelächter) verändert sich mit den Jahren: Gern unterscheidet man mit zunehmendem Alter zwischen Humor und Klamauk.

  Witzig geblieben ist bis dato Das Leben des Brian. Witzig geblieben sind überdies Murtaugh und Riggs (denn niemand außer diesen beiden Unerschrockenen nennt Donald Ducks vierten Neffen derart beiläufig beim Namen) und der Typ, der im Film Return To Horror High zuverlässig das Blut fortfeudelt, nachdem der nervöse Töter wieder zugeschlagen hat.

  Kongo-Otto, klar, Otti als Heino, gewiss, die Ghostbusters (»Zielt auf ihre Bürste!«) sowieso – immer wieder Garanten für einen erfrischendes Sich-Ausschütten vor Lachen.

  Aber dann – dann wird’s langsam echt eng.

  Warum ich Ihnen davon erzähle?

  Vermutlich, weil es in diesem Vorwort um Humor (nicht Klamauk!) zu gehen hat, dessen Verfallsdatum bis ins Jahr 802.701 (Dave Filby, weghör’n!) reichen dürfte. Um Humor also, der den schwatzhaften Chronisten von der Adoleszenz bis ins – nun ja – gemäßigte Alter begleitet hat.

  Um den ewigen Witz, wenn Sie so wollen, liebe Lesende.

  Und das führt uns – Sie und mich – zum Verfasser von Die Stahlfront-Akten.

  Das führt uns zu: Ronald M. Hahn.

  Keine Ahnung, ob diese Überleitung nun ein wenig holperig daher gestolpert kam, jedoch sehen Sie mir das bitte nach; Überleitungen sind ebenso wie Kalauer meine Stärke nicht.

  Zum Punkt:

  Ronald M. Hahn ist witzig. Vertrauen Sie mir, ich weiß es.

  Irgendwie war er wohl schon immer witzig – sogar damals in den schon erwähnten 80ern, als an Witzigkeit nicht wirklich ein Mangel herrschte. Es muss so im Jahr 1984 gewesen sein – Georgie Orwell war der Miesmacher der Stunde, Ronald Reagan gab des US-Präsidenten, die beliebtesten Vornamen im Ländle waren Martin (für Jungs) und Katrin (nicht für Jungs); was Wunder, dass eine möglichst heitere Ausfahrt-vom-Ganzen händeringend gesucht wurde.

  Dr. Best-mäßiges Durchatmen (freilich ohne Tomate) war greifbar, als ich das Lexikon des Science Fiction-Films (ich erwähnte es bereits: aufgeschrieben von Ronald M. Hahn und Volker Jansen) aus dem Bücher-Drehkarussell beim Kaufhaus Pausch zog und sogleich von juveniler Erregung ergriffen wurde: auf dem Buchdeckel (heute würde man sagen: Cover) waren Han Solo und sein flauschiger Side-kick Chewie abgebildet – beide grimmig, beide definitiv ready for Äktschn. Folglich musste ich dieses Buch einfach haben, trotz des stolzen Preises von 12,80 DM.

  Die D-Mark war damals schwer angesagt, liebe Lesende.

  Klar, unverzeihlich war indes, dass Hahn und Jansen die Filme Kampfstern Galactica und Mission Galactica: Angriff der Zylonen sozusagen in Bausch und Bogen zur Hölle wünschten und auch so gar kein Verständnis für den Weltraumschrott von Delta III aufzubringen in der Lage waren.

  Darüber, meine Herren, müssen wir uns gelegentlich mal unterhalten; und die Getränke zahlt Ihr. 

  Immerhin: Ronald und seinem Mittäter gelang es, sauber recherchierte Fakten mit einem sehr speziellen, niemals unsympathischen Humor – okay, wer sich über Zylonen lustig macht, geht trotzdem ohne Abendbrot ins Bett! – zu verknüpfen, wodurch der Humor niemals Klamauk-affin sondern ganz im Gegentum: geflügelt wurde. Ein Humor also, der dem Thema verpflichtet blieb und der sich – als effect secondaires – in den Sprachgebrauch hineinmogelte wie der Deibel ins Herz vom alten Faustus selig. 720 Filme wurden in diesem Lexikon besprochen, und dies in Verbindung mit Humor von einer Köstlichkeit, die mir – ich war gerade mal 15 Lenze jung – ziemlich neu war und die mir unglaublich cool erschien.

  Cool zu sein war damals schwer angesagt, liebe Lesende; fragen Sie Pete Venkman!

  Ich war also angefixt. Und Sätzchen wie »Haben wir gelacht!« Und »Glykol in meinem Wein?« gehören seither zum guten Umgangston unter Freunden und solchen, die es gerne wären.

  Neuer Stoff näherte sich in Gestalt des Lexikons des Horror-Films (Hahn/Jansen, 1985) und des Lexikons des Fantasy-Films (Hahn/Jansen/Stresau, 1986); und jetzt geht’s erst richtig los, wie es im (deutschen) Untertitel zu Police Academy 2 hieß.

 

  Ich sagte ja: Es waren die 80er.

  Geradezu legendär: die Rezension zu Der Irre vom Zombiehof, abgefasst in szenischer Form (mit den Hauptfiguren Sekretär und Produzent) und schlichterding zum Brüllen! Das Raunen und Rauschen sagt: Die Idee zu jener vergnüglichen Rezi sei dem Ronald in der Badewanne gekommen. Irgendwie passend.    

  Noch legendärer: die Bildunterschriften! 

 

  »Herr Ober, fünf Kurze!« 

  »Herbert Fux in Äktschn.« 

  »Ein Darsteller auf der Suche nach den Drehbuchautoren – aber auch der da will’s nicht gewesen sein.« 

  »Little Joe auf Hasenjagd.« 

  »Die Blicke des filmischen Wahnsinns.« 

  »Marty Feldman und Peter Boyle bitten den lieben Gott um einige Gags.« 

 

  Sie finden das nicht witzig, liebe Lesende? Nun – kaufen Sie die Bücher, und vor allem: lesen Sie die Bücher und ich versichere Ihnen, Sie werden es witzig finden. 

   Aus den 80ern wurden die 90er, und weil’s damals noch kein Internet gab, blieben mir nur das Heyne SF-Magazin sowie später das Heyne Science Fiction-Jahr, um schließlich den Groschen fallen zu hören: `zefix!, dieser Hahn schreibt ja auch Romane. Und Kurzgeschichten. Großartiges fiel mir in die Hände:  

  Inmitten der großen Leere.  

  Auf dem großen Strom.  

  Die Roboter und wir. 

  Doch wie schon der Lexikon-Ronald war auch der Prosa-Ronald niemals nur eindeutig. Die Texte waren ernst, manchmal lustig, stets: vielfältig belesen. Ronald M. Hahn war schon ein weiser Mann, bevor ich erstmals versuchte, witzig zu sein. 

  Ja, und all das, was an seinem Werk stets zu Heiterkeitsausbrüchen der angenehmeren Art verleitete, ist auch heute noch unverändert witzig. Warum das so ist? Ich habe keine Ahnung. Humor erklärt sich nicht, wie ich vermute. Oder aber diesen speziellen Jux versteht nur, wer Nena ebenso überlebt hat wie Marusha. 

  Und genau hier liegt er,  der Hase im Pfeffer: Jene Balance, sowohl das Amüsante als auch das Ernsthafte (im Sinne von: das Nicht-Lustige) zu Papier bringen zu können, ist es, die aus einem Schriftsteller einen außergewöhnlichen Schriftsteller macht. 

  Ronald M. Hahn ist ein außergewöhnlicher Schriftsteller. Sein Werk ist eine prosperierende Konstante. Daran werden auch die ausgeflippten Sex-Spiele der Vampire nicht rütteln können. 

  Womit wir wieder zum Anfang dieses kleinen Exkurses zurückkehren. 

  Wie gesagt – leider, leider bin ich nicht witzig. Aber – wer weiß? - , vielleicht besteht nach der Lektüre von Die Stahlfront-Akten auch für mich ein Funke Hoffnung. 

 

 

  Christian Dörge. 

  München, im März 2016. 

 

 

 

 

Je länger das Dritte Reich tot ist,

desto beliebter wird der Widerstand dagegen.

 

Henryk M. Broder

OBACHT!

 

Dieser Roman enthält 50 Fußnoten. Der Leser erkennt sie daran, dass sie in eckigen Klammern stehen und unterstrichen sind: [23].

Lesegeräte verfügen über eine Funktion, die es ermöglichen, Fußnoten anzusteuern, zu lesen und zum normalen Text zurückzukehren.

Wie dies im Einzelnen funktioniert, muss der Leser allein herausfinden, da dies von Lesegerät zu Lesegerät anders ablaufen kann.

Überspringen Sie die Fußnoten bitte nicht: Ihnen würden mindestens 86 Chancen entgehen, sich auf dem Boden zu wälzen.

Ronald M. Hahn

DIE STAHLFRONT-AKTEN

Ein avantgardistischer Schelmen-Roman

 

 

1. Kapitel

MIT DEM ENDE DER PUBERTÄT FÄNGT DAT LEBEN AN, ALTER!

 

Dass Nobbi Flick seinen Sozialpädagogik-Studienplatz nach Einführung des Migrantenquotenförderungsgesetzes an Hadschi Özelközel aus Duisburg-Marxloh verlor, juckte ihn wenig.

Eigentlich hatte er sich nur aus einem Grund um den Platz beworben: In humanistisch gebildeten Elternhäusern wie dem seinen war es nicht nur üblich, ein Instrument zu lernen und das Abitur zu machen. Man musste auch ein progressives Fach studieren und nach Möglichkeit auch promovieren.

Nach diesem Plan hatte die Familie Flick im Laufe von acht Generationen zahllose Hundertschaften von Theologen, Sozialpädagogen, Sprach- und Kunstlehrerinnen sowie Kirchenmusiker hervorgebracht.

Doch Nobbi war ein wenig aus der Art geschlagen. Er war nicht nur im örtlichen Skiffi-Klub „Galaktische Migranten“ aktiv, sondern plante auch seit dem elften Lebensjahr, eines Tages ein berühmter Autor zu sein. Wenn er erst mal berühmt war, würde man ihn ganz sicher ins Autorenkollektiv der größten Raketenheftchenserie der Welt berufen: Perry Rotten, König des Kosmos.

Sein auf akutem Sammlerwahn fußender Ehrgeiz, sämtliche Flohmärkte zwischen Burg a.d. Wupper und Karlsruhe-Durlach abzugrasen, hatte dazu geführt, dass er inzwischen 2222 der insgesamt 2758 erschienenen Hefte der Serie aufzutreiben. Dass es ihm gelungen war, dem zurückgezogen lebenden Skiffi-Altmeister Ulli Anton ein Autogramm abzuschwatzen, hatte ihn bei seinen Klubfreunden in den Adelsstand erhoben. Seitdem sprachen sie ihn nicht mehr mit dem Kindernamen Nobbi an, sondern nannten ihn nur noch „Captain“. Als Captain Flick wurde er im Wuppertaler Multikulti-Gumminasium und seinem Heimatdorf Schöller zur Legende.

Als die Schulzeit mit dem zweiundzwanzigsten Lebensjahr zu Ende ging und der Ernst des Lebens begann, zog es die Mitglieder des Skiffi-Klubs in verschiedene deutsche Universitätsstädte, denn natürlich wollten ein jeder und eine jede, die ein Reifezeugnis hatten, ein Studium beginnen. So kam es, dass die Aktivitäten des Skiffi-Klubs einstweilen ruhten, da seine Mitglieder im ganzen Lande untertauchten und nur Captain Flick zurückblieb, der nun wieder Nobbi hieß. Was ihm wenig gefiel.

Da Nobbi nicht genau wusste, wie sehr es seine Eltern betrüben würde, wenn nicht er demnächst in einem Hörsaal saß, sondern ein aufgrund seiner Herkunft benachteiligter Mensch aus dem Gelsenkirchener Orient, spielte er mit dem Gedanken, ein Auslandsstudium ins Auge zu fassen. Dann aber wurde ihm bewusst, dass er keinen Grund hatte, sich seines Pechs zu schämen: Dass Hadschi Özelközel in Deutschland auch in der vierten Generation noch diskriminiert wurde, war ja inzwischen dank des aufklärerischen Fernsehens überall bekannt. Deswegen, fand Captain Nobbi es gut, wenn er als privilegierter Autochthoner einem Talent aus dem Morgenlande Platz machte!

In seinem Elternhaus kam Nobbi mit dieser Einstellung ganz ganz gut an: Mama und sein Papa waren nämlich Anhänger der Philosophie der Permanenten Selbstkasteiung, weil die Deutschen früher gemein zu allen anderen Menschen gewesen waren. Um Buße zu tun, predigte Nobbis Vater, ein Pastor der evangelisch-islamsympathisantischen Kirche täglich (sonntags ganz ganz besonders) gegen die vielen hundert Nazis im Land, weil die sich seit Kriegsende alle vier Jahre erneut anschickten, bei den nächsten Wahlen die Macht zu übernehmen.

Dass Hadschi Özelközels Urgroßeltern nach dem Krieg kräftig geholfen hatten, Deutschland wieder aufzubauen, hatte Captain Flick schon im Kindergarten gelernt. Wer es nicht glaubte, brauchte sich nur alte Wochenschauen im Fernsehen anzuschauen: Da sah man die Kopftuch tragenden zugereisten Frauen aus Maghrebinien, die deutsche Straßen von Trümmerbergen befreiten. Dass ihre Urenkel die Früchte dieser Tätigkeit auch irgendwann genießen durften, war ja wohl eine Selbstverständlichkeit.

„Pah, so ein Studium ist schließlich nicht alles“, sagte Mama zu Nobbi. „Nun ja, ich hätte dich schon ganz gern eines Tages als Leiter einer EUdSSR-Gesamtschule gesehen, an der alle Kinder bis zum Hauptschulabschluss vierzehn Jahre zusammen lernen können, aber wie ich sehr wohl weiß, kann auch ein Schriftsteller an der Verbesserung der Welt mitwirken.“ Sie lächelte freundlich vor sich hin, wie es ihre Art war. „Er kann ja Bücher schreiben, die den Menschen sagen, dass wir alle vom gleichen Gott erschaffen wurden und alles schön und gerecht wird, wenn wir alles schön gerecht verteilen und alle Probleme der Welt in einer Atmosphäre des Vertrauens bei einer guten Tasse Tee diskutieren.“

„In einer Atmosphäre der Brüderlichkeit“, sagte Papa bekräftigend. „Und Nächstenliebe.“

„Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit“, wurde er von Mama verbessert.

„Und Schwesterlichkeit.“ Papa errötete leicht. „Natürlich! Wie konnte ich das nur vergessen?“

Da Captain Nobbi sich weniger als Autor von Pamphleten sah, fragte er sich kurz, ob er diese von Mama formulierten hehren Ziele vielleicht auch in den Werken zur Sprache bringen konnte, die er schreiben wollte. Ach, kommt Zeit, kommt Rat! „Ich gehe nach Bayern“, sagte er zu seinen Eltern. „Weil dort die ganzen Buchverlage sind! Ich glaube, ich weiß schon, wo ich ein Quartier finde! Einige meiner in München studierenden Schulfreunde haben Quartier in einer preiswerten Pension in Bad Wiessee gefunden und wollen dort – neben dem Studium natürlich – eine fortschrittliche Zelle gründen, die aktiv für die Menschenrechte eintritt, Faschismus, Kapitalismus und Imperialismus bekämpft, allen Homo- und Islamophoben sowie Antifeministen und Rechtspopulisten die Zähne zeigt. Ich könnte mir dort einen Job suchen, der mich über Wasser hält, bis ich meinen Weg als progressiver Schriftsteller gemacht habe!“

Mama und Papa waren begeistert. Sie umarmten und küssten ihren Jungen und wünschten ihm alles Gute. Papa schmierte Captain Nobbi ein Dutzend Schmalzstullen. Mama überreichte ihm die 5.000 Euronen, die ihn übers erste Semester hätten bringen sollen und strich über seine naturblonden Locken.

Noch am gleichen Abend verließ der junge Captain Flick auf einem zwar alten, doch ganz ganz umweltfreundlichen Damenrad sein Elternhaus und machte sich auf den Weg nach Bayern.

Dazu brauchte er zwei Wochen, denn nach zwei Tagen tat ihm der Popo schon so weh, dass er in Lumpingen-Asiberg rasten musste. An der dortigen Tankstelle lernte er sieben umweltfreundlich vermummte und unkonventionell frisierte Revolutionäre beiderlei Geschlechts kennen, die sich gerade einen ansoffen, da sie von der Lohn- und Einkommenssteuer jener dummen Schweinebacken lebten, die tagsüber malochten. Nachdem die Revolutionäre Nobbi über seine Herkunft und Pläne befragt hatten, rieten sie ihm, seinen wunden Popo ein, zwei Nächte lang in ihrer Kommune auszuruhen – unter der Bedingung, dass er sich an den Unkosten des heutigen Tages beteiligte – zum Beispiel indem er die Getränke und den Tabak für die nächsten beiden Tage übernahm.

„Na, klar“, sagte Nobbi. „Wir Umweltfreunde müssen doch zusammenhalten!“

„Keine Frage!“

„Sowieso!“

„Genau!“

Als es den revolutionären Umweltfreunden gelang, beim Bezahlen der Waren in Nobbis Portmonee zu schauen, kauften sie noch ein paar Dinge mehr ein, und ihr weiblicher Teil wurde plötzlich sehr anschmiegsam. Mit Nikotin, Bier und Steaks beladen ging es dann in die Räumlichkeiten der Kommune – in ein Abbruchhaus. Während dort die Steaks über dem offenen Feuer brieten, verpassten zwei Umweltschützerinnen ihrem nach zwei Flaschen Bier heftig angeschickerten, schweinisch gut aufgelegten Gast einen knallroten Irokesenkamm, damit er nicht so aussah „wie der Sohn eines evangelischen Pfaffen und einer Sprachlehrerin für Graupapageien.“

Als Nobbi mit der neuen Frisur erwachte, sagte er sich: „Wer revolutionäre Arbeit leisten will, darf nicht wie ein Spießer rumlaufen!“

Um es den reaktionären Spießern zu zeigen, denen er auf dem Weg nach Bad Wiessee noch begegnen würde, erwarb er von einem Umweltfreund für zwanzig Euronen einen echt silbernen Nasenring aus einem Kaugummiautomaten, den er sich sofort an den Zinken klemmte. Seine doofe bürgerliche Lederjacke warf er in den gleichen Container, aus dem er seine neue revolutionär zerschlissene Kutte mit den progressiven Farbflecken zog.

Einer seiner revolutionären Umweltfreunde war Diplom-Tätowierer. Als Nobbi die tollen Motive sah, mit denen er seine anderen Freunde schon verziert hatte, wollte er sein Äußeres dringend an sein revolutionäres Inneres anpassen.

Achthundert Kröten wechselten den Besitzer. In den folgenden Tagen wurde Captain Flick mit Raumschiffchen, drolligen außerirdischen Rüsselmonstren, mysteriösen asiatischen Schriftzeichen, einer Waschmaschine und dem Spruch „Perry Rotten hat den Größten!“ verziert.

Eine Woche später setzte Nobbi seine Reise nach Bayern fort. Dass es ihm nicht gelungen war, seine neuen Freunde für eine spontane Aktion zugunsten der Menschenrechte zu begeistern, wurmte ihn: Wieso war es ihnen nicht wichtig, mehr Quotenfrauen in den Straßenbau, mehr Quotenmigranten in die Hirnchirurgie und mehr Quotenschwule in den Polizeidienst zu bringen?

Nun ja, Künstler mit alternativer Lebensplanung waren vielleicht apolitischer als man annahm. Aber das würde sich bestimmt irgendwann geben. Spätestens wenn die Büttel des Kapitals sie aus ihrem besetzten Haus vertreiben wollten, mussten sie Farbe bekennen. Dann würden sie sehen, dass man als revolutionäre Kraft nur überlebte, wenn man dem reaktionären Spießer und dem Rechtspopulismus die Zähne zeigte.

Nach einer zwölfstündigen Irrfahrt über die schlecht asphaltierten Landstraßen des Südens bemerkte Captain Flick bei einem Halt vor einem Gasthof, dass er nicht nur blank war. In seiner Geldbörse lag auch ein Zettel, auf dem „Mach’s gut, doofe Nuss!“ stand.

O, Frust. Nobbi verspürte den Drang, mit dem Fuß aufzustampfen, auf die Landstraße zu spucken und die jungen Leute, bei denen er übernachtet hatte, zu verwünschen. Doch sogleich fiel ihm Mama ein, die Vorsitzende des VGM  Schöller e.V. war.

„Arme Menschen“, lautete Mamas Standardpredigt, „die einen bestehlen, beschimpfen, bespucken, schlagen, treten und so böse sind, dass man manchmal den Drang verspürt, man müsse sie ausschimpfen... kommen immer aus einem furchtbar schlechten Elternhaus. Sie können sich nicht anders helfen! Sie wissen es nicht besser. Diese Menschen, mein lieber Junge, verdienen keine Schelte. Sie verdienen unser Mitleid.“

Ja, genau! Captain Flick nickte betrübt vor sich hin. Sie wussten es nicht anders. Seufz.

Die Erkenntnis ließ sein Magenknurren aber leider nicht verstummen. Nobbi setzte sich wieder aufs Rad und fuhr zum nächsten Ort weiter. Dort fand gerade ein Flohmarkt statt. Aus den umliegenden Dörfern waren viele Menschen angereist und scharten sich interessiert um die Verkaufstische. Einigen dieser Menschen sah Nobbi an der Nase an, dass sie Skiffi-Leser waren: Sobald sie einen Karton sahen der dreckige Schundhefte aus dem 20. Jahrhundert enthielt, fingen ihre Augen an zu glänzen, ihre Hände an zu beben und ihre Nase an zu tropfen. Dann sanken sie auf die Knie, wühlten das Unterste im Karton nach oben und freuten sich wie die Schneekönige, wenn sie irgendein zerfranstes Raketenheftchen von Karl-Herbert Schmier erwischt und es dem Mann, der es verkaufen wollte, für achtzig Euronen abgeschwatzt hatten.

Nobbi hatte sein 350 Euronen teures Fahrrad im Nu für einen Fünfziger an einen öläugigen Rotationseuropäer abgetreten, der so arm wie eine Kirchenmaus war und zwei kranke Mütter und zwölf hungrige Kinder hatte.

Nobbi nahm auf dem Flohmarkt eine fettige Mahlzeit zu sich. Dann überlegte er, wie er seine Reise nach Bad Wiessee fortsetzen sollte. Per Anhalter fahren kam nicht in Frage, denn Autoabgase schädigten die Umwelt.

Also trug er seinen Rucksack zum Bahnhof. Leider war der Bahnhof gleich nach der Bahn-Privatisierung stillgelegt worden, weil er den Dreckskapitalisten zu wenig Profit einbrachte. Seither war die darbende Arbeiterklasse dazu verpflichtet, jeden kleinen Weg mit dem Auto zu fahren.

Also zu Fuß. Seufz. Nobbi wanderte die ganze Nacht hindurch, bis in den frühen Morgenstunden ein silberner Porsche neben ihm hielt.

Der junge Mann, der am Steuer saß, war nicht nur in seinem Alter; er war ihm auch bekannt: Er hieß Leander Schmock und war der Sohn eines dreckigen Spekulanten, der sein Vermögen mit Atomstrahlenaktien gemacht hatte. Nobbi wusste, dass Leander auf dem gleichen Gumminasium gewesen war wie er, aber vorgestellt worden waren sie einander nie. Nobbi bezweifelte sogar, dass Leander ihn überhaupt je wahrgenommen hatte, denn er war ein Popper mit blondem Haar und hübschen Gesichtszügen und konnte eigentlich bei diesem Aussehen nur ein Nazi sein.

„Na“, sagte er zu Nobbi. „Willste mit?“ Dabei lachten seine Augen ganz ganz komisch, ey, sodass Nobbi den Eindruck gewann, er mache sich über ihn lustig.

Schaute er nicht auch reichlich ungebührlich auf seine Schoßpartie?

Natürlich wusste Nobbi, dass ein Antirassist niemals homophob sein konnte. Doch wurde ihm bei Leanders Blick leicht blümerant. Was ging im Kopf dieses widerlichen Yuppies vor?

„Hübsches Jäckchen haste da an.“ Leander deutete mit dem Kinn auf das zerfranste graugrüne Ding, das Nobbi vor dem Haus seiner angeblichen Freunde aus dem Müllcontainer gezogen hatte. „Eigenes Design ?“

Was konnte der Sohn eines großbürgerlichen Spekulanten an diesem revolutionären Jäckchen hübsch finden? Außerdem: War hübsch nicht ein Begriff aus dem Wortschatz des Klassenfeindes? Was konnte denn an dieser auf Egoismus, sozialer Kälte und Diskriminierung basierenden Welt hübsch sein? Nobbi spürte erneut einen Ansturm von Frustration.

„Na, komm, steig ein, Süßer“, sagte Leander. „Du kennst mich doch. Wir waren doch in der gleichen Penne. Ich fahr nach München. Wir werden uns bestimmt gut verstehen.“ Erneut fiel sein Blick auf Nobbis Schoß.

Nobbi errötete. „Nein, danke.“ Er musste eine Notlüge an den Mann zu bringen. Leander sollte bloß nicht glauben, er hätte was gegen Schwule. „Ich hab ein Gelübde abgelegt“, sagte er. „Ich muss meine Sache zu Fuß erledigen.“ Womöglich bog Leander noch irgendwo ab und fuhr über die Autobahn. Das ging schon mal gar nicht, denn die hatten die Nazis gebaut.

Nobbi tippte mit dem rechten Zeigefinger an seine Stirn. „Aber danke, dass du so hilfsbereit bist.“

Er ging weiter. Der Porsche fuhr neben ihm her, und Leander fragte: „Was ist für ’ne Sache, die du zu Fuß erledigen musst, Alter?“

„Ein... ähm...“ Nobbi überlegte schnell. Sein Vater war Pastor der evangelisch-islamsypathisantischen Kirche; seine Mutter eine gute MenschIn mit Doppelnamen-Hintergrund. Er durfte nicht lügen. Au weia, was sollte er nur tun?

„Ich bin ein progressiver Schriftsteller“, sagte er hastig. „Das heißt, ich möchte einer werden. Ich werde progressive Bücher schreiben, die den Menschen erklären, dass unsere Ahnen uns die Erde hinterlassen haben, damit wir sie für unsere Nachkommen pflegen. Und dass es gefährlich für die Natur ist, wenn wir für jeden kleinen Weg das Auto nehmen.“

„Ach, so einer bist du.“ Leander nickte. „Na schön. Wer nicht will, der hat schon.“ Er lächelte – wie Nobbi fand, reichlich überheblich, als hätte er einen Blödmann mit Brillanten vor sich. „Wenn man dich so in deinem Jäckchen durch die Gegend zockeln sieht, kommt man da gar nicht so drauf.“ Er fuhr die Seitenscheibe hoch, gab Gas und brauste davon. Viel, viel später, in einer Situation, in der Nobbi Leander Schmock fast schon vergessen hat, werden sie sich wieder treffen.

Zwei Stunden später stand Captain Flick mit wehen Füßen im Regen unter einem Baum und fragte sich, ob man eigentlich immer zu seinen Prinzipien stehen musste. Die islamische Religion kannte beispielsweise den schönen Brauch der Taqiyya: Kam ein Mohammedaner in eine beschissene Lage, durfte er seinen Glauben rotzfrech verleugnen. Die Katholen hatten auch so eine schöne Tradition: Sie konnten sündigen und die Sünde anschließend in der Beichte bereuen. Leider gehörte Nobbi nur der evangelisch-islamsympathisanthischen Kirche an, deswegen durfte er die Taqiyya nur sympathisch finden, aber nicht praktizieren. „Andererseits“, murmelte er und zog die Nase hoch, „kommt die Welt natürlich nicht weiter, wenn man Prinzipien hat, aber immer wieder von ihnen abweicht.“

Bald krachte und donnerte es. Der Regen schiffte wie aus Eimern vom Himmel herab. Nobbi war im Nu so klatschnass wie damals, als er fiebrös hustend und mit triefender Nase im elterlichen Pfarrhaus das Bett hatte hüten müssen.

Er dachte an Perry Rotten und seine Crew, die in einem sicheren Raumschiff aus Kruppstahl immer trocken in der Galaxis unterwegs war. Er dachte auch an seine Freunde, die es nach dem Gumminasium nach Bad Wiessee gezogen hatte und die nun auch gewiss trockenen Fußes vor einem warmen Ofen saßen, nicht gar vor einem Kamin.

Er dachte auch an Mama, die gute Seele, und ihren leckeren Kamillentee. Dann kam ihm die Idee, aus dem Jäckchen zu schlüpfen und es wie eine Markise über seinen Kopf zu halten. Dass es ihm aus den vor Kälte starren Händen rutschte und auf den schon patschnassen Boden fiel, machte ihm so wenig Freude, dass ihm ein böses Wort – „Mist!“ - entschlüpfte.

Nobbi bückte sich flink, um das Jäckchen aufzuheben, bevor es nass und schmutzig wurde.

Nanu? Was war das?

Den Rücken seines Jäckchens zierten große weiße Buchstaben. Captain Flick runzelte die Stirn. Im Container waren die noch nicht da gewesen. Hatten seine Freunde aus der Künstlerkommune es in der Nacht vor seiner Abreise verschönert?

HEY, ALTER, stand da. MACH MIT IM BUND REVOLUTIONÄRER SCHWANZLUTSCHER!

2. Kapitel

DAS INSTITUT FÜR TEMPORALFORSCHUNG

 

Einige Wochen später hatte Captain Flick nicht nur ein passables Quartier gefunden, sondern auch einen Job.

Der Job war zwar nicht besonders hoch dotiert, aber dafür war er auch nicht anspruchsvoll. Nobbis Aufgabe bestand darin, die Fenster und Räume eines Unternehmens, das seiner Unterkunft ziemlich genau gegenüber lag, so sauber zu halten, dass man hinausschauen und sich fortbewegen konnte, ohne auf glitschigen Dingen auszurutschen.

Welcher Tätigkeit die Mitarbeiter des Unternehmens genau nachgingen, wusste Nobbi nicht. Was ein Institut für Temporalforschung war, wusste er nicht, denn ausländische Wörter verstand er noch weniger als Physik. Das Tempo ein anderes Wort für Geschwindigkeit war, wusste er natürlich. Also ging er davon aus, dass die Ingenieure und Physiker, die ihm gelegentlich in den Institutskorridoren begegneten, Uhrmacher waren oder Geräte bauten, mit denen man Geschwindigkeit maß. Tachometer oder so.

Wie Captain Flick herausgefunden hatte, las einer dieser Herren – auf dem Türschild seines Labors stand Dipl.-Ing. Hugo Gernsback VI. – ebenfalls Raketenheftchen: Am Ende jeder Woche lag nämlich in seinem Papierkorb immer die letzte Folge der aufregenden Weltraumabenteuer des Kosmos-Königs Perry Rotten – ausgelesen und hin und wieder mit handschriftlichen Kommentaren versehen, die Nobbi nicht nur deswegen nicht gefielen, weil er sie nicht verstand, da ihm die dazu nötigen physikalischen Kenntnisse fehlten: Kein Skiffi-Fän, der etwas auf sich hielt, wäre je auf die Idee gekommen, mit einem Kugelschreiber in einem Raketenheftchen herumzuschmieren! Perry Rotten war mindestens so heilig wie Nick der Weltraumpfarrer. Andererseits gefiel es Nobbi aber sehr, dass er jede Woche das neueste Perry Rotten-Heft aus Dipl.-Ing. Gernsbacks Papierkorb fischen konnte, denn sein Job wurde, wie schon erwähnt, nur mäßig bezahlt, sodass er sich über jede gesparte Eurone freute. Wie auch heute.

Nobbi hätte den Herrn Dipl.-Ing. gern mal auf seine Lektüre angesprochen. Aber er traute sich nicht. Vielleicht hätte der studierte Mann ihn dann in ein Gespräch über so komplizierte Dinge wie Physik verwickelt. Nobbi hätte dann vielleicht zugeben müssen, dass er zwar Experte für sechsdimensionale Raumschiffstriebwerke und Materietransmitter war, von den Naturwissenschaften aber nur wenig verstand, sodass er nur wegen seiner tollen Noten in Religion, Kunst und Eierlaufen zur Abiturzeugnisverlosung zugelassen worden war. Kam in einem Perry Rotten-Heft Physik vor, überschlug Nobbi schon mal eine Seite und las erst weiter, wenn die Äktschn losging oder Schlucki, die drollige Skunkmaus, jemanden mit ihrem Hypnoseblick zum Affen machte, indem sie ihn öffentlich zu gestehen zwang, FDP  zu wählen.

In seinem Büro betrieb Dipl.-Ing. Gernsback jede Menge geheimnisvolle Forschungen. Leider durfte Nobbi nie einen Blick in sein Geheimlabor tun. Kam jemand ins Büro, um die Möbel abzustauben, den Boden zu fegen und den Papierkorb zu leeren, achtete der Forscher immer genau darauf, dass er nicht in die Nähe der Labortür kam.

„Wagen Sie sich bloß nicht da rein, Flick“, sagte Dipl.-Ing. Gernsback schon mal, wenn Nobbi sich mit seinem Besen vor dieser Tür zu schaffen machte. „Was hinter der Tür passiert, ist streng geheim. Wenn Sie rauskriegen, was ich dahinter treibe, muss ich sie erschießen.“