Cover

BIG
MAN

CLARENCE
CLEMONS
& DON REO

Aus dem Englischen
von Rüdiger Uetzmann

Cover

IMPRESSUM

Edel Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright © 2015 Edel Germany GmbH,

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Originalausgabe © 2009 by Slam Alley Productions, Inc. and AMF Inc.

Foreword © 2009 by Bruce Springsteen

Originally Published October 2009 by Grand Central Publishing, Hachette Book Group, 237 Park Avenue, New York, USA

Übersetzung: Rüdiger Uetzmann

Projektkoordination: Dr. Marten Brandt

Layout, Satz und ePub-Konvertierung: Datagrafix Inc.| www.datagrafix.com

Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH | www.groothuis.de

Coverabbildung: © epa

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

eISBN 978-3-8419-0386-0

Norfolk, Virginia, 1950


CLARENCE

Meine Mutter erzählte mir diese Geschichte, und ich liebe sie über alles.

– C. C.


Der Mann trank Coca-Cola, die Frau Gingerale. Alle anderen Leute im Club tranken Alkohol. Nicht dass es dort besonders voll war. Der kleine Raum war etwa zu einem Drittel gefüllt. Alle Augen waren auf die Bühne gerichtet und auf den Mann, der Saxofon spielte. Er hieß Sill Austin und er war großartig. Er spielte mit einer solch sanften Intensität, dass es eine fast hypnotisierende Wirkung hatte. Der Mann und die Frau waren zwei Meilen durch den kalten Dezemberabend gegangen, um ihn zu sehen. In diesen Tagen gingen sie nur selten aus. Babysitter waren ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnten. Aber als der Mann die Nachricht in der Zeitung gelesen hatte, dass Sill Austin in der Frankie’s Lounge gebucht war, wusste er, dass er dorthin musste. Seine Aufnahmen hatten sie sich immer wieder ­angehört.

„Du wirst das Ding noch einmal durchnudeln“, hatte sie ihm jedes Mal gesagt, wenn er die Scheibe wieder auf den Plattenspieler legte.

„Dann kaufe ich mir eine neue“, antwortete er dann immer.

Und nun waren sie hier in demselben Raum wie er und schauten ihm zu, wie er spielte und jenen Zauber heraufbeschwor.

Sill Austin zuzuschauen erwies sich als dankbar für die Leute. Er streckte der Frau seinen Arm entgegen und ergriff ihre Hand. Sie erwiderte seinen Händedruck.

Nach der Show saßen sie noch eine Weile am Tisch und tranken ihre Limonade zu Ende. Es fühlte sich an wie damals, als sie angefangen hatten auszugehen. Vor dem Krieg, der alle Kriege beenden sollte.

„Wenn der Zweite Weltkrieg der Krieg war, der alle Kriege beenden sollte“, sagte er einmal, „wie kam es dann, dass sie ihm eine Nummer gaben?“

„Ich denke, das war der Erste Weltkrieg“, hatte sie gesagt und ­gelächelt.

„Noch schlimmer“, hatte er geantwortet.

„Hat dir die Show gefallen?“, fragte sie ihn, obwohl sie die Antwort wusste.

„Ja“, sagte er. Er war noch nie jemand gewesen, der viel redete.

Sie dachte, wie gut er aussah in seinem Sonntagsanzug. Das Hemd war so weiß wie seine Zähne.

„Was meinst du, warum gefällt er dir so sehr?“, fragte sie. „Es gibt viele andere Saxofonisten da draußen.“

„Er spielt die Musik, die ich in meinem Kopf höre“, sagte er.

Es war sehr kalt, als sie wieder draußen standen. Der Wind hatte aufgefrischt und der Wetterbericht hatte für morgen Schnee angesagt. Weihnachtslichter leuchteten in vielen Schaufenstern. Beide zogen ihren Kragen hoch und machten sich auf den Weg. Sie hakte ihren Arm bei ihm unter und sie liefen im Gleichschritt Schulter an Schulter.

„Ich glaube, das ist er“, sagte sie.

Er guckte zu Sill Austin, der seinen Saxofonkoffer auf dem Vordersitz eines neuen DeSoto verstaute.

„Ja, er ist es“, sagte er.

„Wollen wir ihm nicht Hallo sagen?“, fragte sie.

„Nein“, antwortete er.

„Warum nicht?“

„Weil dieser Moment gerade so perfekt ist“, sagte er.

Nach der ersten Meile sagte sie: „Clarence möchte eine Spielzeugeisenbahn.“

Er schwieg.

„Vom Weihnachtsmann“, sagte sie. „Eine elektrische Eisenbahn.“

„Ja“, sagte er. „Wenn er groß wird, kann er Hoteldiener im Pullman werden.“

„Ich glaube nicht, dass das wirklich so kommen wird“, sagte sie und lächelte. Vor Kälte konnte sie kaum ihr Gesicht fühlen.

„Der Junge wird neun Jahre alt“, sagte er. „Die Zeit ist vergangen.“

„Was meinst du?“, fragte sie.

„Ich besorge ihm keine Eisenbahn“, sagte er.

„Er wird enttäuscht sein“, sagte sie.

„Er wird darüber hinwegkommen“, sagte er.

„So, und was wirst du ihm schenken?“, fragte sie.

Er hob seinen Kopf und schaute sie an.

„Ein Saxofon.“

Norfolk, Virginia, 1958


CLARENCE

Ich habe mich in Shirley verliebt.

Leider wusste es Shirley nicht.

Shirley war Cheerleader, und sie war das schönste Mädchen, das ich jemals gesehen hatte. Sie war schöner, als ich es mir in meinen Träumen hätte vorstellen können. Sie war groß, athletisch, und ihre Haut honigfarben. Ihr Lächeln ließ die Welt lächeln, lange vor Mary Tyler Moore. Ich liebte alles an ihr.

Sie wusste nicht einmal, dass ich existierte.

Ich war sechzehn Jahre alt und Außenverteidiger. Nicht gerade eine glamouröse Position. Für den hübschesten Cheerleader der Geschichte war ein Lineman natürlich unsichtbar.

Aber ich zwang mich, Hallo zu ihr zu sagen, als ich an ihr auf meinem Weg zum Spielfeld oder zur Bank vorbeiging.

Nur ein „Hey, wie gehts?“, aber wenigstens musste sie Augenkontakt mit mir aufnehmen. Als Antwort lächelte sie, und manchmal gab sie ein „Hey“ zurück.

Jeden Abend dachte ich an sie. Ich war besessen von ihr. Ich konnte eine ganze Stunde damit verbringen, mir nur ihre Lippen vorzustellen und die Art, wie ihre Zähne glitzerten, und wie perfekt alles an ihr zu sein schien. Ich hätte sie nicht gebeten, irgendetwas an sich zu ändern. Normalerweise fand ich an einem Mädchen immer etwas auszusetzen. Nicht dass ich wählerisch war; klar war aber, dass ich mich wahnsinnig darüber freuen würde, Zeit mit irgendeinem Mädchen zu verbringen, das überhaupt Interesse an mir zeigte. Das Saxofon half. Es war einfacher, wenn ich Saxofon spielte; es gab mir Sicherheit. Sonst fühlte ich nur, dass ich groß war und schwarz und Furcht einflößend. Einige Mädchen waren hübsch, hatten aber einen schlechten Charakter, eine nervige Stimme oder ein unsympathisches Lachen oder irgendwas anderes, das mir auf den Zeiger ging.

Meistens ignorierte ich solche Dinge und versuchte, wo immer es möglich war, sie ins Bett zu kriegen, aber ich war nicht mit dem Herzen dabei – nur mit dem Schwanz.

Shirley war anders. Eine wie sie zu vögeln kam mir nicht mal in den Sinn. Es schien irgendwie falsch. Sicher, sollten wir einmal verheiratet sein, würden wir die ganze Zeit vögeln, aber bis dahin war sie zu besonders, zu zerbrechlich oder so. Ich wollte wirklich nur in ihrer Nähe sein. Die ganze Zeit. Allein. Nur wir beide. Jeder andere auf der Welt könnte sterben, es wäre mir egal, solange Shirley überlebte und mit mir reden würde. Meine Hand berühren, mir in die Augen schauen und lächeln. Ich brauchte nichts zu essen oder zu trinken.

Sie wohnte in Woodlawn, zwanzig Meilen von meinem Haus entfernt. Ich fuhr per Anhalter in ihre Gegend und lief dort einfach umher. Ich fand es schön, den Bürgersteig entlangzugehen, den auch sie benutzte. Ich fand es schön, in den gleichen Supermarkt zu gehen und mir vorzustellen, wie sie wahrscheinlich vor Kurzem hier gestanden hatte, vor den Cornflakes, den Wheaties oder den Cheerios. Später fand ich heraus, dass sie nichts außer Haferbrei aß. Das war aber erst, als sie angefangen hatte, mit mir zu reden, nachdem ich Wochen damit verbracht hatte, um ihr Haus herumzuschleichen. Dabei hüpfte ich hoch, um einen flüchtigen Blick von ihr durch ein Fenster zu erhaschen. Schließlich war ich dahintergekommen, dass sich ihr Zimmer im zweiten Stock des Holzhauses befand und ihr Fenster zur Straße hinausging.

„Oh, hi“, sagte sie. „Was machst du denn hier in dieser Gegend?“

„Weißt schon“, sagte ich und schaute zu Boden.

„Nein, weiß ich nicht“, sagte sie. Ich schaute sie verstohlen an. Sie lächelte kaum merklich und ließ mich glauben, dass sie es wahrscheinlich doch wusste.

„Nur so rumhängen“, sagte ich.

„Nur so rumhängen“, wiederholte sie und senkte dabei ihre Stimme, was mich ziemlich beeindruckte.

„Willst du nicht mit reinkommen?“

„Ja“, sagte ich. Ich dachte Zum Teufel, ja und Scheiße, ja und Verdammt, ja, aber alles, was ich rausbrachte, war „Ja“.

„Nun komm schon“, sagte sie, nahm meine Hand und führte mich ins Haus.

Sie war Waise. Ihre Eltern waren bei einem Unfall ums Leben gekommen, als sie noch klein war. Seitdem lebte sie bei ihrer Tante Cara.

Cara fand es okay, wenn wir auf der Couch oder auf der Veranda saßen, doch ein Auge hatte sie immer auf uns. Aber nicht dass sie sich über irgendetwas Gedanken machen musste. Wir lernten uns nur näher kennen und fanden raus, was für Musik wir beide mochten, was für Filmstars, was für Essen, was für Farben und alles Mögliche, was es zu entdecken gab, und das war eine Menge.

Wir fingen schnell an zu lachen. Beide schienen wir die gleiche Art von Humor zu haben, und wir mochten die gleichen „kranken“ Witze, die man sich gerade überall erzählte, so wie diesen: „Der Mörder schleift das kleine Mädchen durch den Wald und sagt: ‚Wieso weinst du? Ich muss allein zurücklaufen.‘“

Die nächsten zwei Monate nahm ich den Weg hierher auf mich. Es machte mir nichts aus, dass er so weit war, solange sie mich nur am anderen Ende erwartete. Ich liebte sie mit dieser tiefen und totalen Liebe, die weder Vorsicht noch Angst kennt, nur Freude. Genau das fühlte ich, wenn ich bei ihr war oder wenn ich nur an sie dachte oder ihren Namen aussprach: Freude. Sie würde meine Frau sein, sobald wir alt genug waren, um zu heiraten. Dessen war ich mir sicher. Wenn unser erstes Kind ein Mädchen wäre, würden wir sie Joy nennen.

Nach etwa einem Monat mit Händchenhalten und Flirten durfte ich sie küssen. Eigentlich standen wir an der Haustür, um Goodbye zu sagen, wie wir es immer machten, und sie küsste mich. Auf die Lippen. Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen und sie tat es. Sie lächelte hoch zu mir und sagte: „Wir sehen uns in der Schule.“

Ich hatte kein Interesse, an jenem Nachmittag mit dem Bus nach Hause zu fahren. Ich ging den ganzen Weg zu Fuß. Ich schwebte nach Hause, voller Glücksgefühle. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass so etwas in dieser schwierigen Welt überhaupt möglich wäre. Am nächsten Sonntag küssten wir uns wieder, dieses Mal auf der Couch, als Cara gerade nicht guckte. Diesmal war es, wie sich Erwachsene küssen. Ein Filmkuss, und sie steckte ihre kleine Zunge in meinen Mund. Ich glaubte, ich würde von der Couch nach oben schweben und in die Decke krachen. Sie kicherte und küsste mich erneut.

Am folgenden Sonntag regnete es heftig. Ich fuhr per Anhalter und hatte Glück, dass die Fahrt mich bis in die Nähe ihres Hauses brachte. Obwohl ich nur noch einen Häuserblock vor mir hatte, war ich durchnässt, bevor ich die Eingangsterrasse erreichte und an die Haustür klopfte. Tante Cara öffnete und sah mich an.

„Guten Tag“, sagte ich. „Schlimmer Regen heute.“

„Shirley ist nicht da, Clarence“, sagte Cara. „Sie ist schwanger.“

Das Lächeln war noch immer auf meinem Gesicht und wollte nicht so recht verschwinden. Es dauerte einige Zeit, bis die Bedeutung von Caras Worten bei mir ankam.

„Was?“, fragte ich.

„Ich weiß, dass du es nicht warst, Clarence. Du bist ein guter Junge. Es tut mir leid“, sagte sie.

Ich rief zu Hause an, um meinen Vater zu bitten, mich abzuholen.

„Wo bist du? Obwohl, als wenn ich das nicht wüsste...“, sagte meine Mutter.

„Bei Shirley“, sagte ich.

Ich hörte, wie meine Mutter die Sprechmuschel zuhielt und mit meinem Vater sprach.

„Clarence möchte wissen, ob du ihn drüben in Woodlawn abholen kannst.“

„Wie ist er da hingekommen?“

„Wie bist du da hingekommen?“, fragte sie mich.

„Per Anhalter“, antwortete ich.

„Sag ihm, er soll per Anhalter zurückfahren“, meinte mein Vater.

„Shirley ist schwanger“, sagte ich. „Aber das Kind ist nicht von mir. Ich hatte nichts damit zu tun.“

Meine Mutter legte auf.

Im Regen ging ich nach Hause. Wenigstens bekam niemand mit, dass ich weinte. Zu Hause zog mir meine Mutter die nassen Sachen aus und hüllte mich in eine warme Decke. Sie brachte mir eine Tasse Tee.

„Shirleys Tante hat angerufen und mir alles erzählt“, sagte sie. „Es tut mir leid, Clarence.“

Ich war untröstlich. Von dieser Verletzung habe ich mich nie wieder erholt.

* * *

Sie hat alle meine Beziehungen beeinflusst. Niemandem konnte ich mehr trauen. Nicht bedingungslos. Das hat sich eigentlich seit jenem Tag nie geändert. Wie sich herausstellte, war der Vater ihres Babys ebenfalls Mitglied des Footballteams. Er wusste nicht einmal, dass ich sie kannte. Es war nicht seine Schuld. Ich weiß nicht, was aus ihnen geworden ist. Ich habe Shirley nie wiedergesehen.

Norfolk, Virginia, 1960


CLARENCE

Es war wie auf einer winzigen Insel in einem Meer voller Haie. Wir waren die einzigen Schwarzen in der ganzen Gegend. Nicht nur in der Nachbarschaft. Da gab es meilenweit keine Nigger. Es fühlte sich an, als lebte ich in Kanada oder am gottverdammten Nordpol oder an irgend so einem Scheißort.

In einer Winternacht im Jahre 1960 blieb mein Wagen liegen und so fuhr ich per Anhalter den restlichen Weg nach Hause. Etwa eine Meile von meinem Haus entfernt wurde ich abgesetzt. Es wurde eine sehr lange Meile. Ich erinnere mich noch, wie dunkel es war. Es war eine dieser mondlosen Nächte, und ich schwöre bei Gott, es war stockdunkel, ich konnte die Hand nicht vor meinen Augen sehen. Ungefähr auf halber Strecke zu meinem Haus lebten die Leute mit diesen beiden Hunden. Pitbulls. Diese Scheißköter hassten mich. Jedes Mal, wenn sie mich sahen, rasteten sie aus.

Das waren vierbeinige Rassisten. Als ich mich ihrem Haus näherte, war ich so leise wie nur eben möglich. Da stieß ich gegen eine Mülltonne, eine von diesen großen Scheißdingern aus Blech. Sie kippte um und es gab ein unglaubliches Gepolter. Die Pitbulls gerieten außer sich. Sie fingen an zu bellen und zu knurren. Ich konnte sie in der Dunkelheit hören. Dann vernahm ich, wie sich das Tor öffnete. Das Bellen hörte auf. Pitbulls bellen nicht, wenn sie angreifen. So ist das.

Ich weiß nicht, ob sich das Tor zufällig öffnete oder ob jemand nachgeholfen hatte. Ich wusste aber, dass ich ein Problem hatte. Die zwei Bestien waren schon seit Jahren hinter mir her gewesen und jetzt war ich hier in der Dunkelheit zum Abschuss freigegeben. Ich ­erinnere mich daran, dass ich ihre Pfoten auf der Straße hörte. Das Tappen der Pfoten auf dem Pflaster kam geradewegs auf mich zu.

Ich machte mir klar, dass Weglaufen sinnlos war. Also zog ich meinen Gürtel aus der Hose und wirbelte ihn wie wild um mich herum. Ich muss zumindest einen mit der Schnalle am Kopf getroffen haben, jedenfalls gab es ein großes Gejaule und beide Hunde rannten zum Hof zurück.

Trotzdem lief ich nie wieder zu Fuß nach Hause.

Es war tatsächlich so, dass ich kurz nach jener Nacht beschloss, mit dem Reisen anzufangen. Ich fühlte, dass es da etwas gab, das auf mich wartete. Etwas Größeres. Ich hatte Angst, aber ich war entschlossen, ein besseres Leben für mich zu entdecken. Und wenn es nur eine Kleinigkeit war. Ich ahnte, wenn ich diese Chance nicht beim Schopfe packte, würde ich womöglich keine mehr bekommen.

New York City, 1966


CLARENCE

Die erste Zeile dieser Geschichte ähnelt der ersten Zeile von William Goldmans großartigem Roman Control. Im Showbusiness ist dies kein Diebstahl, sondern eine Hommage.

– C. C.


Wenn es einen Ort in dieser Welt gab, wo ich nie Probleme erwartete, dann war es Bloomingdale’s. Trotzdem hatte ich im dritten Stockwerk ein seltsames Erlebnis, das ich niemals vergaß.

Ich war hier, um mir ein neues Saxofon zu kaufen. Ich hatte Jahre gebraucht, um mir das Geld zusammenzusparen. Nach mehreren gescheiterten Versuchen hatte ich schließlich die Entscheidung getroffen, mich endgültig von Virginia zu trennen. Ich hatte mich entschlossen, Berufsmusiker zu werden, und dieses neue Instrument sollte mir dabei helfen. Das Saxofon war wunderschön. Als ich es das erste Mal in die Hand nahm, seufzte ich vor Erleichterung. Es war, als ob ein Teil von mir, der verloren gegangen war, nun wieder zu mir zurückkehrte. Zum ersten Mal in meinen Leben fühlte ich mich rundum glücklich. Es wartete auf mich in seinem Koffer bei Manny’s. Ich wollte es nicht im Wagen lassen. So beschloss ich, es in etwa einer Stunde abzuholen, und machte mich auf den Weg Richtung Süden.

Die vorherige Nacht hatte ich in einem billigen Motel an der Jersey Shore verbracht. Die Wände dort waren so dünn, dass man jedes Wort verstand, das die Nachbarn sprachen. Mein Glück oder Pech, dass das Paar im Nebenraum einen Rekord im Dauervögeln aufstellen wollte. Zuerst war es lustig, sogar antörnend, aber es wurde bald langweilig, dann total nervig. Schließlich pochte ich an die Wand und sagte: „Hört zu, ihr Ficker, ihr habt die Wahl – kommt her oder haut ab!“ Danach wurde es ruhig; ich schlief ein und träumte von meiner ersten Freundin Shirley.

Am Morgen fuhr ich über die Brücke in die Stadt und hörte die Drifters im Radio. Sie sangen „Sweets for My Sweet“, ich hörte den Song gern. Ich liebte Manhattan, fühlte mich dort wie zu Hause. Es kam mir vor wie eine riesige Schatzkiste, die alles enthielt, was ich mir jemals gewünscht hatte. Nicht nur Dinge, sondern auch Gefühle. Ich wusste, mein Leben würde mich irgendwie hierherführen. Es war der richtige Zeitpunkt.

Nachdem ich das Saxofon gekauft hatte, wollte ich noch etwas in der Stadt herumlaufen. Ich liebte Grand Central Station, also ging ich dorthin, setzte mich ins Grand Concourse und dachte mir zu den Leuten, die vorübergingen, Geschichten aus. Ich sah aus wie ein großer schwarzer Typ, wahrscheinlich ein Athlet – und nicht besonders schlau. So sahen mich die meisten Weißen. Auch die meisten Schwarzen. Aber in mir war eine Welt voller Farben und Ideen und Musik, die grenzenlos schien. Meine Gedanken produzierten unaufhörlich Bruchstücke von Songs und Bildern und einen Schwall von Wörtern. Es fühlte sich an wie eine geheimnisvolle Tür in der Wand, durch die man in den schönsten Garten der Welt schauen konnte.

Am Tresen der Oyster Bar aß ich zu Mittag. Viel konnte ich mir nicht leisten. Ich hatte eine Muschelsuppe bestellt und trank ein Bier. Beides war fantastisch. Dort wollte ich für den Rest meines Lebens jeden Tag essen. Ich steckte mir eine Tüte mit OysterCrackern in die Hemdtasche, zahlte und ging nur ungern.

Später ging ich am Lex vorbei zu Bloomingdale’s. Noch nie war ich in dem berühmten Kaufhaus gewesen, aber wegen des Saxofonkaufs war ich so euphorisch, dass ich mir sagte, kaufen kann ich mir hier zwar nichts, aber gucken kostet nichts.

Im Kaufhaus erschien es mir, als würde ich direkt in den Morgen des ersten Weihnachtstages versetzt. Niemals zuvor hatte ich mich inmitten eines solchen Überflusses befunden. Ich fand alles unglaublich. Das Kaufhaus war voll von Weißen der Oberschicht. Ich überlegte, woher all diese Leute nur das Geld hatten, in einem solchen Laden einzukaufen. Wenn ich daran dachte, wurde mir ganz schwindelig. Bei den meisten handelte es sich um ältere, gut situierte Frauen. Sie trugen Anzüge und flache Schuhe und einige sogar Hüte. Viele rauchten diese langen, elegant aussehenden Zigaretten. Sie schienen Wesen aus einer anderen Welt zu sein. Shit, sie waren Wesen aus einer anderen Welt.

Ich schlenderte durch das Kaufhaus und schaute mir alles an. Im ersten Stock roch es besser als draußen, wenn Frühling war. Es roch nach den verschiedensten Arten von Pudern, Parfüms und Shampoos. Nach einer Weile bemerkte ich einen schwarzen Typen in einer grauen Hose und einem dunkelblauen Blazer, der mir folgte. Das überraschte mich nicht. Ich war es gewohnt, dass man in Läden hinter mir herging. Die Tatsache, dass ich von dem einzigen Schwarzen im Gebäude verfolgt wurde, ließ mich schmunzeln. Nach kurzer Zeit schien er das Interesse zu verlieren. Als ich Blickkontakt zu ihm aufnahm, nickte er mir zu und trollte sich.

Als ich mir Lederjacken im dritten Stock anschaute, bemerkte ich, wie sie mich anstarrte. Okay, eine Menge Leute starren mich an, aber nicht so. Sie saß auf einem Stuhl in der Nähe der Fahrstühle. Sie schaute sich nicht um, sie rauchte nicht und sie bewegte sich kaum. Sie starrte mich nur an, und zwar so, wie ein Habicht auf ein Kaninchen starrt.

Sie war alt – vielleicht achtzig, schwer zu schätzen –, aber das war schon echt eine Kombi: schwarzer Anzug, weiße Bluse, das weiße Haar zurückgekämmt und – mein Gott – sie trug Handschuhe. Weiße gottverdammte Handschuhe. Wer trägt drinnen Handschuhe? Sie hatte nur wenig Make-up aufgetragen, sie war eine großartige Erscheinung. Sie muss unglaublich hübsch gewesen sein, als sie jung war. Aber nun waren ihre Augen von Falten umrahmt und machten einen leicht gequälten Eindruck, als ob die Dinge, die sie erlebt hatte, sie erheblich verletzt hätten.

Unsere Blicke trafen sich ein paarmal, doch ich schaute schnell weg. Mir war früh beigebracht worden, dass man weiße Frauen nicht anstarrte. Aber jedes Mal, wenn ich einen Blick riskierte, folgte sie ihm. Es war unheimlich. Nein, nicht wirklich unheimlich; sie schaute nicht furchterregend oder so. Es war nur seltsam. Sie schien durch mich hindurchzugucken. In mich hinein.

Ich ging Richtung Fahrstuhl. Verdammt. Es war Zeit, hier rauszukommen. Das Saxofon abzuholen und zurückzufahren, bevor der Berufsverkehr anfing. Vielleicht noch einmal zur Jersey Shore fahren und einen Club finden, wo man mich spielen lassen würde. Dort entwickelte sich gerade eine unglaubliche Musikszene, und es schien, als eröffnete jeden Tag eine neue Bar.

„Junger Mann“, sagte sie.

Ich blieb stehen. Ich schaute zu ihr hinüber.

„Ja?“, fragte ich.

Einen Augenblick lang sagte sie nichts. Sie starrte mich nur an. Gerade wollte ich weitergehen, als sie aufstand. Sie war sehr klein und spindeldürr. Sie kam herüber zu mir und legte ihre behandschuhte Hand auf meinen Arm. Sie schaute fortgesetzt in meine Augen. Ihre Augen waren sehr dunkel, fast schwarz, und ihre Haut war so weiß wie ihr Haar. Sie schimmerte regelrecht.

„Sie werden einmal ein sehr wichtiger Mann sein“, sagte sie mit einer klaren Stimme, die wie die einer viel jüngeren Frau klang. „Ein bedeutender Mann“, sagte sie.

Dann lächelte sie leicht, tätschelte meinen Arm und ging weg.

Ich aß die OysterCracker auf dem New Jersey Turnpike.

Jamesburg, New Jersey, 1969


CLARENCE

Ich verließ das Haus, legte mein Saxofon ins Auto, stieg ein und startete den Motor. Ich hatte wieder einen Buick. Ich glaubte, nach dem Unfall würde ich nie mehr in einen Buick einsteigen, aber jetzt empfand ich das Ereignis als Segen. Es war eine mystische, äußerst nachhaltige Erfahrung gewesen. Ja, es bedeutete das Ende meiner Footballkarriere. Meine Verletzungen hielten mich davon ab, es weiterhin bei den Browns zu versuchen. So spielt das Leben.

„Du hast alles mitgebracht, Junge“, sagte Choo-Choo Charlie. Man nannte ihn Choo-Choo, weil er dich auf dem Feld in Grund und Boden lief.

Charlie hatte mir den Job an der Jamesburg Reform School besorgt. Ich war jetzt seit fast fünf Jahren dort und half diesen Jungs, die alle anderen schon aufgegeben hatten. Ich liebte diese Arbeit. Auch nur einen kleinen Fortschritt zu sehen verschaffte mir unge­heure Befriedigung. Viele dieser Kids waren geistig zurückgeblieben und würden niemals eine Chance bekommen. In Kombination mit Ignoranz und Armut bedeutete das Gefängnis oder Tod. Ich brachte ihnen bei, füreinander verantwortlich zu sein. Ich machte kleine Familien aus abgeschotteten Gruppen. Auf Exkursionen sagte ich immer: „Wenn auch nur einem was passiert, werden wir nie wieder so etwas machen können. Also passt aufeinander auf.“

Es war eine dankbare Aufgabe. Und sie ließ mir genügend Zeit, exzessiv Football zu spielen. Ich war Offensive Center und Defensive End in einem semiprofessionellen Team in New Jersey. Charlie war ein Mitspieler und zugleich mein Supervisor an der Schule. Zu den Spielen gingen wir gemeinsam.

All das änderte sich im Jahre 1968, als an der dunkelblauen Riviera auf der langen, von Bäumen gesäumten Zufahrtsstraße das Gaspedal klemmte – auf der Straße, die zu dem bevölkerten Vorplatz der Schule führte. In Sekunden beschleunigte das Auto auf 100 Meilen. Die Motoraufhängung war gerissen, und es gab keine Möglichkeit, den Wagen zum Stehen zu bringen. Ich versuchte es mit der Handbremse, aber ohne Erfolg. Ich wendete meine Augen von der Fahrbahn ab und bückte mich, um das Gaspedal anzuheben. Es war ein verzweifelter Versuch, er misslang. Als ich wieder nach vorn blickte, war ich nur noch Zentimeter vom Baum entfernt.

Es gab keinen Schmerz. Überhaupt keinen Schmerz. Ich entschwebte meinem Körper, während ich den Rettungssanitätern bei ihrer Arbeit an mir zusah. Einen von ihnen hörte ich sagen, ich sei tot. Doch ich befand mich in diesem Licht. Ich fühlte nur noch Euphorie. Ich fühlte, ich sollte loslassen, aber dann dachte ich, es ist noch nicht zu Ende mit mir, ich muss zurückkommen. Und ich kam zurück.

Also war ich jetzt mit einem anderen Buick auf dem Weg nach Asbury Park. Dort gab es eine Menge Clubs und viele Leute, die Musik machten. Der Ort fühlte sich lebendig an. Es kam mir vor, als sei hier der Mittelpunkt des Universums. Hier konntest du Musiker sein. Das war alles, was ich wollte.

Seit Jahren spielte ich Saxofon bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit. Es war wie ein Fieber, das stetig anstieg. Meine Abhängigkeit von der Musik wurde immer stärker, bis ich sie nicht mehr verleugnen konnte. Etwa zu dem Zeitpunkt wusste ich, dass ich, wenn ich mit meinem Saxofon nicht meinen Lebensunterhalt verdienen würde, genauso gut tot sein könnte. Es war eine solche Leidenschaft. Und ich habe sie immer noch.

Die Gründe kann nicht einmal ich mir genau erklären. Ich verließ Englishtown, fuhr die Straße hinunter und hielt vor einer roten Ampel. Die Nacht war warm, deshalb hatte ich die Fenster geöffnet. Auf der rechten Straßenseite gab es einen Club und ich hörte Musik. ­Countrymusic. Ich suchte mir einen Parkplatz, nahm mein Saxofon und ging hinein.

Die „Band“ bestand aus einem Country-Duo, sie nannten sich die Bobs. Der eine Bob spielte Gitarre und der andere Bob spielte Geige. Ich gesellte mich dazu und fand eine gemeinsame Sprache mit diesen Jungs, die unter normalen Umständen gar nicht mit mir reden würden. Ich blieb den ganzen Abend und spielte weiter mit. Am nächsten Abend kam ich wieder, auch am übernächsten Abend. Das ging so über zwei Wochen, so lange, wie die Bobs dort spielten. Ja, es war Shitkicker-­Musik, aber das kümmerte mich nicht. Ich machte Musik und nur das zählte.

Die Legende von Puerto Rico, 1970


Hier haben wir mehrere wahre Geschichten miteinander kombiniert und eine daraus gemacht.

– D. R.

Den Hut habe ich noch.

– C. C.


Der Wecker hörte nicht auf zu klingeln.

Clarence drehte sich um und zog sich das Kissen über den Kopf. Sein Kopf schmerzte. Er erinnerte sich an die Trinkerei gestern Abend. Er hatte früh damit angefangen.

Es klingelte immer noch.

Clarence stöhnte, drehte sich um und öffnete die Augen. Er befand sich in einem Hotelzimmer. Er erinnerte sich nicht daran, wie er hierhergekommen war, sich ausgezogen hatte oder überhaupt in dieses Bett gekommen war. Die Bewegung machte ihn schwindelig. Langsam drehte er den Kopf zurück, um den verdammten Wecker zu lokalisieren. Einen Wecker gab es gar nicht in diesem Raum. Es war das Telefon, das klingelte. Es stand auf dem Tisch auf der gegenüberliegenden Seite. Clarence stöhnte und wälzte sich aus dem Bett. Als er bemerkte, dass er vollständig angezogen war, stolperte er durch den Raum und nahm den Hörer auf.

„Hallo“, sagte er. Seine Stimme war unglaublich tief.

„Hi, Clarence“, sagte eine Mädchenstimme.

„Hi“, sagte er zögernd. Er erinnerte sich, dass er in Puerto Rico war. Er war hierhergekommen, um herumzuhängen, die Clubs unter die Lupe zu nehmen und ein bisschen Ganja zu rauchen. Die Stimme des Mädchens erkannte er nicht.

„Hier ist Ginger“, sagte sie.

Nichts.

„Von gestern Abend“, fügte sie hinzu.

Nichts.

„Aus dem Danny’s Hideaway?“, sagte sie, und ein leichter Ton von Verstimmung war in ihrer Stimme zu spüren.

Clarence wusste, dass Danny’s Hideaway ein Club in San Juan war, den er hatte besuchen wollen. Er konnte sich nicht erinnern hingegangen zu sein. Er entschloss sich zu bluffen.

„Ach, klar“, sagte er. „Wie gehts?“

„Prima“, sagte sie. „Soll ich rüberkommen?“

Das war eine Frage, die weitere Fragen aufwarf. Beängstigende Fragen.

Wer war diese Tussi? Woher wusste sie, wo er war, wenn er sich da selbst nicht sicher war. Was, wenn sie eine fette Alte war?

„Ähmmm ...“, sagte er.

„Hab ich dich geweckt?“, fragte sie.

„Nein“, sagte er. „Ich musste sowieso aufstehen, um ans Telefon zu gehen.“

Sie lachte. Es klang nicht wie das Lachen eines dicken Mädchens, aber man kann sich täuschen. „Du warst so lustig letzte Nacht“, sagte sie.

„Wirklich?“, fragte er.

„O Gott“, sagte sie, „zum Totlachen komisch.“

„Uuh“, sagte er. „Wie spät ist es?“

„Mittag“, sagte sie. „Ich bin grad vom Jogging zurückgekommen.“

Vielleicht eine Alte, aber nicht fett. Sie klang weiß. Clarence hatte sich noch nie mit einem weißen Mädchen verabredet. Weiße Mädchen schüchterten ihn ein – wobei er auch sie einzuschüchtern schien.

„Hör zu“, begann er. „Ich hab noch was zu erledigen. Ein paar Dinge. Warum treffen wir uns nicht später auf einen Drink?“ Der Gedanke an einen Drink ließ Übelkeit in ihm aufsteigen.

„Wie wärs wieder bei Danny’s?“, sagte er. „Sagen wir um acht?“

„Ich denke, durch die Hintertür werden sie dich schon reinlassen“, lachte sie.

Scheiße. Was hatte er gemacht?

„So schlimm wars nicht, oder?“, fragte er.

„Nein“, sagte sie. „Aber ich glaube, du hast das Klavier zerkratzt, als du draufgestiegen bist.“

Scheiße.

„Yeah“, sagte er.

„Du hast trotzdem das Haus gerockt“, sagte sie. „Mann, kannst du tanzen!“

Er tanzte nie. Er war ein lausiger Tänzer.

„Das bin ich“, sagte er. „Ich bin ein Tänzer.“

Er erreichte die Bar um halb acht an diesem Abend, nachdem er den Tag damit verbracht hatte, den Alkohol auszuschwitzen und so viele Erinnerungslücken zu schließen, wie er konnte. Er hatte am Abend zuvor das Hotel kurz nach dem Einchecken verlassen. Er wollte ein paar Drinks zu sich nehmen und sich danach auf den Weg zu Smooth Gary Walker und den Immortals machen, die in Johnny’s Dreambar auftraten. Ein Drink folgte dem anderen, alle waren so nett und wollten dem großen schwarzen Typen einen ausgeben. Für die Zeit danach bestand seine Erinnerung nur noch aus Bruchstücken: ein paar Gesichter, Musikfetzen, das Gefühl von Hitze um seinen Kopf und verqualmte Räume und Lichter und Zähne und Leute auf dem Gehweg, die ihn anguckten und ihm Platz machten … Der Rest: Blackout.

„Du wirst dich heute Abend gut benehmen, oder?“, sagte eine Stimme hinter ihm.

„Yeah, Mann. Hör zu, ich entschuldige mich für das, was passiert ist, was auch immer passiert ist“, sagte er.

„Ist in Ordnung. Du hast eine Menge Drinks umgesetzt. Hast hier für eine wirklich klasse Party gesorgt. Normalerweise ist hier so spät nichts los. Halt dich nur vom Klavier fern, okay?“, sagte der Typ.

„Ich versprechs dir“, sagte Clarence.

„Tommy, gib dem großen Mann einen Drink, geht auf mich“, sagte der Typ. „Ich bin Tony Desilva.“

„Clarence Clemons.“

„Yeah, hast du gestern Abend schon gesagt“, meinte Tony. „Du hast mir deine ganze Lebensgeschichte erzählt. Vom Football, von der So­­­zialarbeit, vom Saxofon, all das.“

„Tschuldigung“, sagte Clarence.

„Nimm dich vor Ginger in Acht. Die Tussi ist frech. Ich hab noch nie gesehen, dass sie sich mit jemandem eingelassen hat, jedenfalls nicht so wie mit dir“, sagte er.

„Sie ist scharf, oder?“, fragte Clarence.

„Irre scharf“, sagte Tony. „Sie ist seit ein paar Wochen in der Stadt beim Film, aber keiner hat es geschafft, sie zu knacken, bis du hier aufgetaucht bist.“

„Ich kann nichts dafür, dass ich unwiderstehlich bin“, sagte Clarence.

„Sei brav!“, sagte Tony, als er in den Hauptraum des Clubs ging.

Später, als Ginger durch die Eingangstür schritt, dachte Clarence, sie sei die schönste Frau der Welt. Große grüne Augen, rothaarig, milchig-weiße Haut und ein Lächeln wie Sonnenstrahlen.

„Clarence!“, sagte sie, als sie herüberkam und ihn umarmte. Er war zu benommen, um sich zu bewegen. Normalerweise hätte er sich niemals getraut, sich dieser Frau zu nähern, geschweige denn, sie anzusprechen.

„Hey“, war alles, was er herausbrachte.

„Bist du okay?“, fragte sie, trat einen Schritt zurück und betrachtete ihn eingehend.

„Yeah, mir gehts gut“, sagte er.

„Sicher?“, fragte sie.

„Definitiv“, sagte er. „Wieso fragst du?“

„Weiß nicht“, sagte sie. „Du kommst mir so anders vor als gestern Abend.“

„Ich war gestern Abend betrunken“, sagte er.

„Hmmmmmm“, sagte sie.

Sie saßen zusammen und redeten etwa zehn Minuten miteinander.

„Du solltest immer betrunken sein“, folgerte sie. „Das wertet dich auf.“

Er lachte. „Vielleicht hast du recht.“

„Du bist wirklich die meiste Zeit so drauf, oder?“, fragte sie und nippte an dem Martini, den er ihr ausgegeben hatte. Er trank ­Limonade.

„Yeah“, sagte er. „Das stimmt so ziemlich.“

„Ist ganz recht so“, sagte sie. Er ahnte, dass sie eine Entscheidung getroffen hatte. „Wir hätten sowieso ein Riesenproblem gehabt.“

„Weil ich schwarz bin?“, bot er ihr an.

„Nein“, sagte sie. „Weil ich lesbisch bin.“

„Ahhh“, sagte er. Es war eine Art neutraler Laut, wie um sie zu ermutigen weiterzureden.

„Ich bin wirklich nicht an Männern interessiert“, sagte sie. „Aber du hast mir so viel Spaß gemacht, hey, was solls ... aber ...“ Sie trank aus. „Es wäre nicht gut gegangen.“

„Wahrscheinlich nicht“, sagte er. „Ich wäre endlich nüchtern geworden.“

„Yeah“, stimmte sie zu. „Würdest du mich entschuldigen? Ich geh mich mal frisch machen.“

„Sicher“, sagte er im Stehen, als sie den Barraum verließ.

Er wusste nicht, ob er nun erleichtert oder beleidigt sein sollte. Er fühlte sich ein bisschen von beidem. Er setzte sich wieder hin und nippte an seiner Limonade. Über die Absurdität der ganzen Angelegenheit musste er laut lachen. Sie war komisch. Man konnte weinen oder man konnte lachen, also lachte er.

Augenblicke später näherte sich ein Typ, der an der Bar gegenüber gesessen hatte. Clarence hatte ihn bemerkt, als er hereinkam, denn er war schwarz und trug einen coolen Panamahut.

„Hey, Bruder.“ Der Typ streckte seine Hand aus und hielt sie ihm selbstsicher für den Soulshake des Monats entgegen.

„Na, wie gehts?“, sagte Clarence. Sie taten, als würden sie sich durch den Handschlag kennenlernen. Sie waren die einzigen Schwarzen hier.

„Ich bin Smooth Gary Walker“, sagte der Typ.

„Gott verdammt, tatsächlich?“, sagte Clarence, schüttelte seine Hand noch einmal. Dieses Mal machte er es auf die herkömmliche, altmodische Art.

Gary lächelte.

„Tatsächlich?“, sagte Clarence noch einmal. „Ich hatte vor, dich heute Abend hier zu sehen.“

„Heute Abend sind wir nicht da“, sagte Gary. „Tut mit leid.“

„Ihr spielt morgen?“

„Oh, ja“, sagte Gary. „Zwei Shows. Um acht und um zehn, eigentlich aber eher um neun und um elf oder halb zwölf.“

„Ich spiele auch Sax“, sagte Clarence.

„Cool“, sagte Smooth Gary, der nicht wirklich zuhörte. Er sah an Clarence vorbei.

„Ich hab deinen Song Dreamboy immer gemocht“, sagte Clarence.

„Schön“, sagte Gary. „Hör mal zu. Die Frau, mit der du gerade geredet hast ... ist sie ... ich meine ... seid ihr beide ...?“ Er brach ab.

Clarence hatte bemerkt, dass Gary sich nicht für ihn interessierte, und es schmerzte ein wenig. Es war besser, seine Helden niemals wirklich zu treffen. „Nun ja“, sagte er. „Kann schon sein.“

„Die Frau sieht toll aus“, sagte Gary.

„Yeah, sie ist scharf, das stimmt“, sagte Clarence.

„Aber es sieht aus, als wärst du als Erster an ihr dran, und das ist eben mein Pech, stimmts?“, sagte Gary.

„Ich meine ...“

„Ich meine? Ich meine was?“

„Ich meine, vielleicht könnten wir uns ja einigen“, sagte Clarence. „Ich könnte weg sein, wenn sie wiederkommt.“

„Würdest du das tun, Mann?“, sagte Gary.

„Vielleicht“, sagte Clarence. Jetzt war es an ihm, zögerlich zu sein.

Gary langte in seine Tasche. „Was würde es kosten?“, fragte er.

„Deinen Hut“, sagte Clarence.

Gary fasste an die Hutkrempe. „Das ist ein Montecristi fino“, sagte er. „Irgendein Typ in Panama hat einen Monat damit verbracht, dieses Scheißding zu flechten.“

„Sie scheint Brüder zu lieben“, sagte Clarence.

Gary überlegte einen Augenblick, nahm dann den Hut ab und sah ihn sich an. Clarence betete, dass Ginger noch eine Minute auf der Toilette bleiben würde.

„Willst du ihn mal anprobieren?“, fragte Gary.

Clarence tat es und er saß perfekt.

„Abgemacht?“, fragte Clarence.

„Abgemacht“, sagte Gary.

Clarence stand auf. „Viel Glück“, sagte er. „Und bestell dir einen Martini auf meine Rechnung.“

„Ich rühre keinen Alkohol an“, sagte Gary. „Aber trotzdem danke.“

Clarence lächelte, tippte an seinen neuen Hut und ging nach draußen in die drückend heiße Nacht.

Neptune, New Jersey, 1970


CLARENCE

Mit meiner damaligen Band, den Entertainers, befand ich mich nach einem erfolgreichen Gig im N.C.O. Club in Fort Monmouth auf dem Weg nach Hause. Die Entertainers coverten Soulstücke. Ich war seit sechs Monaten dabei, einmal aber auch nicht.

Das war, als sie mich feuerten, nachdem ich zu spät zur Probe erschienen war. Aber sie stellten mich wieder ein, als ich erzählte, wie einer meiner Jungs in der Schule in eine Schlägerei geraten war und ich ihn ins Krankenhaus bringen musste. Ich war ja schon froh gewesen, dass ich bei Bluesman Phillips mitmachen durfte, aber bei den Entertainers zu spielen war ein richtig solider Job.

Bevor ich mich diesen Jungs hier in Neptune angeschlossen hatte, hatte ich ein paar Monate mit Lloyd Sims and the Untouchables gespielt. Ich kannte die Barkeeperin in dem Club, in dem Lloyd spielte, ihr Name war Candy Brown. Candy stellte mich Lloyd vor und schon durfte ich mitmachen. Aber Lloyd wollte erst einmal schauen, ob ich was draufhatte. Also kam ich am nächsten Abend wieder. Das ging so die nächsten zwei Monate, ich spielte immer umsonst, machte es Lloyd aber schwer, ohne mich aufzutreten. Ich war mir sicher, das Geld würde schon noch kommen. Ich wusste ja, dass ich das Richtige für mich gefunden hatte. Ich wollte Musik machen.

Den Job an der Schule hatte ich noch immer, aber um bei Lloyd zu spielen, fuhr ich den weiten Weg in einem VW ohne Kupplung. Meinen letzten Buick hatte ich verkauft, um mir ein neues Saxofon zu besorgen. Das alte war beim Unfall beschädigt worden und irgendwann nicht mehr zu reparieren. Auf dem Weg von der Arbeit zum Club und zurück dachte ich oft an den Unfall. Mir war, als hätte Gottes Hand mich berührt und als wäre nichts jemals wieder wie früher.

Ich erinnerte mich, wie ich im Krankenhaus aufgewacht war, als der Krankenpfleger, ein Inder, mein linkes Ohr zusammennähte. Bei dem Unfall wäre um ein Haar mein Kopf abgerissen. Ich dachte daran, wie eine Schwester meine Kopfhaut zusammengenäht hatte, kein Arzt. Die Ärzte waren mit etwas anderem beschäftigt gewesen.

Während der Zusammenarbeit mit Lloyd, die allmählich Geld einbrachte, erhielt ich das Angebot von den Entertainers.

Also, wie ich schon sagte, ich fuhr nach Hause mit den Entertainers, als der Wagen nicht mehr weiterwollte.

Entweder war der Sprit alle oder seine Zeit war einfach abgelaufen. Wie dem auch sei, wir rollten aus in eine Parklücke vor einen Club, der White Elephant hieß.

Einer der Jungs machte sich auf die Suche nach einem Münztelefon, um seinen Onkel anzurufen, der uns abholen sollte. Ich stieg aus, stand in der Parklücke und wieder einmal hörte ich Musik. Sie kam aus dem Club. Es war nicht R & B. Die Musik hatte etwas Kraftvolles, sie gefiel mir. Rock and Roll sprach zu mir als etwas, das noch fernlag.

Ich griff nach meinem Saxofon im Kofferraum und ging in den Club. Ein Mädchen sang dort Janis-Joplin-Songs, und sie war gut. Der große weiße Typ mit dem roten Afro war der Bandleader. Auf einem Aushang im Vorraum las ich, dass sich die Gruppe Norman Seldin and the Joyful Noyze nannte. Die Band hatte einen Stand-up-Drummer namens Barry Thompson und einen grandiosen Gitarristen namens Hal Hollander.

Zwischen den Sets sprach ich Norman an, der an der Bar saß und ein Bier trank. Wir redeten eine Weile über Leute und Orte, die wir beide kannten. Norman sah, dass ich mein Saxofon dabeihatte, und fragte mich, ob ich Lust hätte mitzuspielen. Genau so war es. Eine Geschichte, die sich zu wiederholen schien. Immer wieder ergaben sich solche unglaublichen Gelegenheiten. Manchmal kam es mir vor, als lebte ich in einem Buch, das schon geschrieben war.

Norman bot mir noch an dem Abend einen Job an. Ihm gefiel, wie das Saxofon seine Musik ergänzte. Er mochte dessen Soul.

Aber dies war eine weiße Band. Man hatte seine schwarzen Bands und man hatte seine weißen Bands, und wenn man sie mischte, konnte man nicht mehr an so vielen Orten spielen.

Ich hatte ein ungutes Gefühl, die Entertainers zu verlassen, aber so lief es damals; die guten Musiker flitzten umher wie Bienen auf der Suche nach der süßesten Blume. Doch zunächst gab es diesen einen Punkt, über den ich mit Norman reden musste.

„Du hast doch bemerkt, dass ich nicht gerade weiß bin“, sagte ich.

„Sag bloß, ist mir nicht aufgefallen“, sagte Norman.

Als er mich anheuerte, gab es tatsächlich ein paar Buchungen weniger. Einige Clubbesitzer befürchteten, dass ich schwarze Zuhörer anziehen und die weißen Kids vergraulen würde. Norman scherte sich nicht darum. Er fand, dass seine Band dank mir so viel besser war, dass ihm das komplett am Arsch vorbeiging.

Ihm machte es nicht einmal etwas aus, dass man uns „Seldom Normal and the Jerk Off Noise“ nannte.

Norman Seldin war ein einfühlsamer jüdischer Junge, der stundenweise im Schmuckladen seines Vaters arbeitete. Aber er hatte Musik im Blut. Er spielte Keyboard und war der Erste an der Jersey Shore, der einen Moog-Synthesizer hatte. Und jetzt mit mir an Bord hatte er endlich die Band, die er sich wünschte.

Wir spielten an allen möglichen Orten wie dem Crossing Inn oben in Princeton, dem White Elephant und der Wonder Bar und anderen Clubs in den Seaside Heights und Umgebung.

Bei Norman war ich fast drei Jahre. Die junge Sängerin der Band hieß Karen Cassidy und während dieser Zeit fing ihre beste Freundin eine Beziehung mit einem Typen namens Bruce an.

Everglades National Park


DON

Draußen auf dem Wasser unterhalten Clarence und ich uns über die legendäre Nacht, in der Clarence den Club aufsuchte, in dem Bruce spielte.

– D. R.


Bevor du in jener Nacht zum Student Prince gegangen bist und zum ersten Mal bei Bruce mitgespielt hast, was wusstest du über ihn?“

„Von dem Mädchen in unserer Band hörte ich immer nur, wie großartig er sei“, sagte Clarence.

„Wer war das?“

„Sie hieß Karen Cassidy“, sagte er. „Ihre Mitbewohnerin ging mit Bruce, und Karen erzählte mir immer: ‚Du musst diesen Typen unbedingt kennenlernen! Er ist fantastisch.‘ Ich glaube, ich ging nur hin, damit sie endlich damit aufhörte.“

„Aber du hast dein Saxofon mitgenommen.“

„Damals nahm ich mein Saxofon überallhin mit. Falls ich es irgendwo liegen gelassen hätte oder es mir geklaut worden wäre, hätte ich mir kein neues leisten können.“

„Bist du zu der Zeit aufgetreten?“

„Yeah, ich spielte noch immer in Normans Band. Wir traten in der Wonder Bar in Asbury Park auf. Aber an dem Abend hatte ich keinen Gig. Ich glaub, es war ein Mittwoch“, sagte er.

„Und es war eine dunkle und stürmische Nacht?“, fragte ich.

„Ich weiß, es klingt blödsinnig, aber es hat sich wirklich so abgespielt. Wir hatten einen kräftigen Nordostwind und es regnete und donnerte wie verrückt. Als ich die Tür öffnete, riss es sie aus den Angeln und sie flog auf die Straße.“

„Wirklich?“

„Ich verarsch dich nicht, Mann. Jeder in dem Raum schaut zur Türöffnung und ich hebe mich in ihr als Silhouette ab, als dieser riesige schwarze Typ. David wandte sich an Bruce und sagte: ‚Boss, da ist was im Gange.‘“

„David Sancious?“

„Ja, David, der, der so viel las.“

„Wer war in der Nacht noch in der Band?“

„Danny, Vinnie Lopez, ich kann mich nicht mehr erinnern, wer Bass spielte, aber es war nicht Garry. Da gab es noch zwei schwarze Mädels, die Backgroundsängerinnen. Eine von ihnen war Delores Holmes, der Name des anderen Mädchens fällt mir aber nicht mehr ein.“

„Waren viele Zuschauer da?“, fragte ich.

„Schon, aber es war auch nicht rappelvoll.“

„Also, was ist passiert?“

„Jemand hat mich Bruce vorgestellt, jeder kannte ihn, und er hat mich gefragt, ob ich mitmachen wolle. Und ich sagte: ‚Klar doch.‘“

„Erinnerst du dich, welchen Song ihr zuerst gespielt habt?“

„Es war eine frühe Version von ‚Spirit in the Night‘. Du musst bedenken, dass Bruce nicht viel coverte. Ich meine, er spielte ein bisschen klassisches Zeug, wenn er es mochte, aber er spielte vor allem seine eigenen Songs. Viele Clubs engagierten ihn daher nicht.“

„Was hat dich an ihm fasziniert?“

„Seine unglaubliche Leidenschaft. Mir gefiel seine Musik sehr. Ich sage dir jetzt was. Als wir an dem Abend zu spielen anfingen, schauten wir uns in die Augen und es war wie ... reine Magie“, sagte er. „Meine Freundin sagte, wir würden wie Schwule miteinander umgehen. Von da an gingen wir regelmäßig zusammen aus, tranken und redeten über Musik. Wir wussten beide, wir waren Freunde fürs Leben.“

„Aber du hast dich nicht sofort der Band angeschlossen, oder?“

„Nein. Wir brauchten diese ‚Muss dich erst kennenlernen‘-Zeit. Ich hatte ja erst einen Auftritt, und Bruce hörte noch kein Saxofon in seiner Musik, glaube ich.“

Die Legende von der Strandpromenade, frühe 70er


Damals redeten Bruce und ich oft stundenlang miteinander. Die nächste Geschichte ist eine Zusammenstellung von einigen dieser Gespräche. Wir haben uns vielleicht nicht exakt so ausgedrückt; es ist unmöglich, sich an alles zu erinnern, aber die Gefühle entsprechen der Wahrheit. Es gab viele, viele Abende, an denen es genau so war.

– C. C.


Bruce und Clarence saßen im Sand unterhalb der ­Strandpromenade in Asbury Park.

Es war einer jener warmen Sommerabende a der Jersey Shore. Alles schien möglich.

Es war noch früh am Abend, das Licht über dem Meer wechselte langsam ins Blau-Graue, bevor es schließlich dunkel wurde. Ein paar Sterne waren schon sichtbar.

Sie hatten ein Sixpack in einer Papiertüte dabei und gerade ihre erste Dose geöffnet. Das Bier war kalt und schmeckte wie der Sommer.

Über ihnen waren all die Klänge der Strandpromenade zu hören. Ein herrlicher Grillgeruch hing überall in der Luft.

Beide trugen Shorts, T-Shirts und Flipflops, die sie abgestreift hatten, um die Füße in den Sand zu stecken. Unter der Oberfläche war der Sand kühler, was sich gut anfühlte. Für später hatten sie sich mit zwei Mädchen in der Wonder Bar verabredet, sie dachten, leicht beschwipst würde ihnen das Reden leichter fallen.

Sie hatten ihre Zusammenarbeit noch nicht offiziell gemacht, aber durch die Musik war eine Verbindung entstanden, die sich gut anfühlte. Beide wussten, dass sie für eine lange, lange Zeit beste Freunde sein würden. Nicht dass sie darüber sprachen, aber es war offensichtlich, weil sie dieses seltene Gefühl der gegenseitigen Zuneigung hatten, das einige Leute nie erleben.

„Weißt du noch, wie sie heißen?“, fragte Bruce.

„Ann, und ich denke, die Blonde ist Janie, bin mir aber nicht ganz sicher“, sagte Clarence. Er nahm einen Schluck aus der Dose und fühlte, wie das Bier seine Kehle hinunterfloss. Den ganzen Tag über war es um die dreiunddreißig Grad gewesen, und der Wetterfrosch sagte, es würde sich so schnell nicht abkühlen.