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Dr. Martin von Falck (Hamburg):

Ägyptologe, Koptologe, Klass. Archäologe. Kurator u. a. am Pelizaeus-Museum, Hildesheim, und Gustav-Lübcke-Museum, Hamm. Wissenschaftlicher Leiter der Replikenausstellung Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze. Lehrbeauftragter an den Universitäten Münster, Hamburg und München. Herausgeber und Autor zahlreicher Kataloge zu Ausstellungen und Sammlungen, u. a. Pharao siegt immer – Krieg und Frieden im Alten Ägypten.

Susanne Martinssen-v. Falck,

M. A. (Hamburg): Ägyptologin, Althistorikerin, Ethnologin. Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Replikenausstellung Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze, Autorin des Begleitkataloges für Kinder und Jugendliche. Lehrbeauftragte der Universität Hamburg; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Edfu-Projekt, Hamburg (Akademie der Wissenschaften zu Göttingen).

Zum Buch

»In Ägypten entstand zum ersten Mal ein Reich des Unsichtbaren.« FRIEDRICH HEGEL

Als Individuen treten die Pharaonen Ägyptens kaum in Erscheinung, agieren sie doch in Texten und Darstellungen vornehmlich als kultisches Gegenüber der Götter. Sollen die ägyptischen Könige für uns nicht bloße Namen bleiben, gilt es, die in den schriftlichen Quellen genannten Ereignisse, die noch heute sichtbaren Denkmäler und die im archäologischen Fundgut fassbaren Kulturphänomene zu Bildern bestimmter Regierungszeiten zusammenzufügen, die sich durch Neufunde oder Neuinterpretationen stetig wandeln. Nur die Pharaonen der späten Dynastien, vor allem die Ptolemäer, treten verstärkt als Einzelpersonen hervor, weil sie auch von griechischsprachigen Autoren, die unserem Verständnis von Geschichtschreibung näherkommen, geschildert werden.

Martin von Falck /
Susanne Martinssen-von Falck

Die großen Pharaonen

Martin von Falck /
Susanne Martinssen-von Falck

Die großen
Pharaonen

Von der Frühzeit
bis zum Mittleren Reich

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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Alle Rechte vorbehalten

© by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2015
Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2015

ISBN: 978-3-8438-0492-9

www.verlagshaus-roemerweg.de

»So steige Du empor zu Deiner Mutter Nut!
Sie soll Dich an die Hand nehmen und Dir einen Weg
zum Horizont weisen,
zum Ort von Res Aufenthalt.«

aus Spruch 422 der Pyramidentexte

INHALT

VORWORT

EINLEITUNG

Die ägyptischen Königsnamen

Die Chronologie des Alten Ägypten

DIE FRÜHZEIT

Aha

Djer

Den

Qa-a

Hetepsechemui

Ninetjer

Chasechemui

DAS ALTE REICH

Djoser

Snofru

Cheops

Chephren

Mykerinos

Userkaf

Sahure

Neferirkare

Niuserre

Djedkare

Unas

Teti

Pepi I.

Pepi II.

DAS MITTLERE REICH

Mentuhotep II.

Amenemhet I.

Sesostris I.

Amenemhet II.

Sesostris II.

Sesostris III.

Amenemhet III.

ANHANG

Pläne 1–4

Glossar

Literaturverzeichnis

Abbildungsnachweis

VORWORT

Der vorliegende Band »Große Pharaonen« umfasst die Biographien der wichtigsten ägyptischen Könige von der Frühzeit bis zum Ende des Mittleren Reiches (2900–1630 v. Chr.).

Die Biographie eines altägyptischen Königs, die ein heutiger Ägyptologe entwirft, muss zwangsweise ein sehr ungenaues und fragmentarisches Konstrukt bleiben. Aus einer ehemaligen Fülle von historischen Daten können nur diejenigen Quellen ausgewertet werden, die heute zufällig zur Verfügung stehen. Könige, aus deren Regierungszeiten wenige archäologische Artefakte erhalten sind, mögen Bedeutendes geleistet haben, ohne dass wir Kenntnis davon haben. Auch die Art und Aussagekraft von Quellen kann von gänzlich unterschiedlicher Qualität sein. Je früher ein König in der Chronologie der ägyptischen Geschichte angesiedelt ist, desto spärlicher sind im Normalfall die Informationen, die uns vorliegen. Es gilt also oft in kriminalistischer Manier, die wenigen Fakten zu einem schlüssigen Gesamtbild zu verbinden. Dabei sind zunächst grundlegenden Eckdaten, wie zum Beispiel die Länge der Regierung, festzustellen. Selbst bei diesen einfachen Fragestellungen treten gelegentlich die ersten Schwierigkeiten auf. Bei der Beschreibung von innen- und außenpolitischen Ereignissen, der Organisation und personeller Besetzung der Verwaltung sowie von religiösen und gesellschaftlichen Entwicklungen sind wir auf Qualität und Quantität der durch Fundzufall erhaltenen Quellen angewiesen. Leichter fällt die Auswertung der materiellen Hinterlassenschaften. Königsgräber, Tempelbauten, Statuen und Grabausrüstung scheinen die Präsenz der Herrscher besser fassbar zu machen. Völlig unmöglich ist es, Fragen nach der Persönlichkeit der ägyptischen Könige zu beantworten. Als Individuen bleiben sie für uns ein unzugängliches Rätsel. Offizielle königliche Inschriften enthalten lediglich Standardformeln, welche den Herrscher in seiner offiziellen Rolle als König beschreiben. Bestimmte Eigenschaften und Aufgaben waren generell mit einem Pharao verbunden: Stärke, Handeln im Sinne der Maat (gerechte Weltordnung), Ausüben der Götterkulte und Verteidigung Ägyptens gegen die Fremdvölker. Die gottgleiche, später gottähnliche Stellung der ägyptischen Könige verhinderte sowohl in königlichen wie auch privaten Quellen Aussagen über den Charakter der Herrscher. Wenn derartiges überhaupt Erwähnung findet, dann mit programmatischer Absicht. Die historische Bewertung der altägyptischen Könige kann zwar nicht ihre individuelle Persönlichkeit berücksichtigen, aber es fällt schwer, sich der Hochachtung vor den herausragenden Leistungen der Pharaonen sowie ihrer Beamten- und Priesterschaft, der Handwerker und Arbeiter zu entziehen. Beindruckende Monumentalarchitektur wie Pyramiden, Tempel und Gräber mit ihren Inschriften, Reliefs, Statuen und Wandmalereien sowie die ägyptischen Sammlungen in den Museen vieler Länder machen die Geschichte der Pharaonenzeit für heutige Betrachter in Ägypten und auf der ganzen Welt erfahrbar. Die »großen Pharaonen« und die Kunst und Kultur Altägyptens üben damit noch nach Jahrtausenden eine ganz besondere Faszination aus.

Den Band »Große Pharaonen« zu schreiben, war Martin von Falck ein Herzensanliegen. Die Vermittlung ägyptologischen Wissens war ihm nicht nur als Lehrer an den Universitäten Münster, Hamburg und München wichtig. Als Buchautor sowie als Kurator an diversen Museen, für Sammlungen und Sonderausstellungen hat er stets großen Wert darauf gelegt, Wissenschaft und Publikumsinteresse zusammenzuführen.

Im Vordergrund stand dabei für ihn immer die Überzeugung, dass Lesern und Ausstellungsbesuchern ein wissenschaftlicher Anspruch durchaus »zuzumuten« sei, solange er didaktisch und professionell aufbereitet ist. Es war für Martin von Falck eine Form von Respekt gegenüber Leserschaft und Publikum, deren Wunsch nach Qualität ernst zu nehmen. Krankheitsbedingt hat sich die Arbeit an den »Großen Pharaonen« verzögert, und leider hat sich sein Wunsch, das Buch selbst abschließen zu können, nicht mehr erfüllt. Es war für mich gleichermaßen selbstverständliche Verpflichtung wie auch ein besonderer Herzenswunsch, das Manuskript meines verstorbenen Mannes für die Veröffentlichung fertig zu stellen. Alle Biographien bis auf diejenige des Königs Mentuhotep II. sind von Martin vorbereitet worden, wurden aber von mir inhaltlich und redaktionell stark nachbearbeitet und auf einen möglichst aktuellen Stand gebracht. Zum Teil bin ich von den von ihm vertretenden Meinungen abgewichen und habe Änderungen vorgenommen, weil sie mir zwingend oder eher plausibel erschienen. Ich bin sicher, dass Martin mir dazu seinen Segen gegeben hätte. Alle Einleitungs- und Überblickstexte sind von mir verfasst worden, die Einleitung zu den Königsnamen auf der Basis seiner Recherchen. Es wäre unmöglich gewesen, das Manuskript ohne Hilfe in dieser kurzen Zeit abzuschließen. Ich bin meinen Lehrern, Kollegen und Freunden zu großem Dank verpflichtet, die unsere Texte nicht nur bereitwillig gelesen und kommentiert, sondern auch viele inhaltliche Anregungen beigesteuert haben. Namentlich möchte ich nennen: Prof. Dr. Hartwig Altenmüller, Dr. André Block, Dr. Andreas Effland, Dr. Jan-Peter Graeff, Prof. Dr. Alexandra Verbovsek und Marc-Anton André, M.A. Besonders zu danken habe ich Cecilia Benavente Vicente, M.A. Sie war mir eine große Hilfe bei der Bildrecherche und hat dankenswerterweise das Glossar erstellt.

Den Lesern der »Großen Pharaonen« wünsche ich ebenso viel Freude bei der Lektüre, wie Martin und ich beim Schreiben der Texte hatten.

Susanne Martinssen-von Falck
Hamburg, im März 2015

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EINLEITUNG:

DIE ÄGYPTISCHEN KÖNIGSNAMEN

Die Titulatur der ägyptischen Könige bestand aus fünf verschiedenen Namen. Den Eigennamen trug der Herrscher bereits seit seiner Geburt, die anderen vier Namen wurden bei der Thronbesteigung ausgewählt. Bis zum Mittleren Reich waren Reihenfolge und Verwendung der Titel variabel. Das Namensprotokoll gewann erst unter Sesostris II. (12. Dynastie) seine endgültige Form, die bis zum Ende der ägyptischen Geschichte Bestand haben sollte.

HORUS-NAME

Der älteste durchgehend verwendete Bestandteil der Königstitulatur ist der Titel »Horus«, der ganz knapp und lapidar ein zentrales Element ägyptischer Königsideologie zum Ausdruck bringt: Der inthronisierte König ist die irdische Inkarnation des Himmelsgottes Horus. Zur Identifikation des individuellen Herrschers dient der dem Horus-Titel folgende Name, der wohl erst mit der Thronbesteigung angenommen wurde und insofern als immanent programmatisch anzusehen ist. Die Kombination von Horus-Titel und Name wird Horus-Name genannt. Dabei kann der Name im engeren Sinne wie ein Beiwort des Titels aufgefasst werden: z.B. »Horus, der Kämpfer« (Aha), »Horus, der Abwehrende« (Djer) oder »Horus, der mit erhobenem Arm« (Qa-a). Ähnlich wie bei den Beinamen (Epitheta) von Gottheiten verkörpert der Horus-Name also einen bestimmten Aspekt der Falkengott-Inkarnation in Gestalt des jeweiligen Herrschers. Während der 1. Dynastie scheint bei der Namenswahl die kriegerische Qualität eines Herrschers im Vordergrund gestanden zu haben. Nur im Falle Semerchets, des vorletzten Königs der 1. Dynastie, wird bereits mit dem Namen eine theologische Aussage getroffen: »Gefährte der (göttlichen) Körperschaft«. Ein Herrscher der 2. Dynastie wählte für sich erstmals einen Namen mit Bezug auf die kosmische Ordnung Maat: Sechemib-peren-Maat. In der 3. Dynastie beziehen sich die Horus-Namen überwiegend auf die göttliche Körperschaft, in der wohl die spätere Neunheit von Heliopolis zu erkennen ist: Netjerichet = »Göttlich(st)er der Körperschaft« oder Sechemchet = »Mächtig(st)er der Körperschaft«. Graphisch wird der Horus-Name in den sogenannten Serech eingeschrieben. Dieser Serech stellt eigentlich die zeichnerische Kombination einer frontal gesehenen, nischengegliederten Palastfassade mit stilisiertem Rechteckgrundriss dahinter dar. Als zu lesendes Zeichen wird der titelgebende Horus-Falke oben auf die Abschlusslinie des stilisierten Grundrisses gesetzt. Diese ist unter Narmer und bei Aha zu Beginn der 1. Dynastie noch merklich gebogen, wird aber seit König Djer in klassisch-kanonischer Weise gerade durchgezogen. Reichte zu Beginn der oberägyptischen Expansion ein leer gelassener Serech z.B. als Gefäßmarke zur Kennzeichnung königlichen Besitzes bzw. Besitzanspruchs aus, wird dieser in der unmittelbar vor Beginn der dynastischen Zeit, durchgehend spätestens bei König (Horus) Ka (0. Dynastie), dem Vorgänger des Narmer, als Horus-Name individualisiert.

THRONNAME

Unter König Den, gegen Mitte der 1. Dynastie, kann ein weiterer Name ergänzend zum oder ersatzweise für den Horus-Namen verwendet werden. Diesem Namen steht ein Titel voran, der konventionell mit »König von Ober- und Unterägypten« (eigentlich: »Nesu- und Bit-König«) übersetzt wird. Möglicherweise steht der neue Titel im Zusammenhang mit der ebenfalls seit König Den belegten Zeremonie »Erscheinen des Königs von Ober- und Unterägypten«. In der 5. Dynastie nahmen die Könige einen mit dem Namen des Sonnengottes Re gebildeten Namen an, sofern ihr Geburtsname nicht bereits den Namen des »Re« enthielt (erstmals belegt unter Neferirkare). Seither bilden Titel + Name den eigentlichen Thronnamen, der ab Pepi I. in Inschriften neben dem Geburtsnamen auftritt, wobei beide Namen in Kartuschen eingeschrieben sind. Seit dem Mittleren Reich erscheint der Titel »König von Ober- und Unterägypten« kanonisch vor der ersten Kartusche mit dem Thronnamen.

HERRINNENNAME / NEBTI-NAME

Seit Semerchet, dem vorletzten König der 1. Dynastie, wird der zweite Königsname mit dem Titel »König von Ober- und Unterägypten« mit dem Element Nebti »die beiden Herrinnen« gebildet, das auf die Göttinnen der beiden Landeshälften, Wadjet für Unterägypten und Nechbet für Oberägypten, verweist. Erst Peribsen, der vorletzte König der 2. Dynastie, verwendet den mit dem Bestandteil Nebti gebildeten Königsnamen ohne den voranstehenden Titel »König von Ober- und Unterägypten«.

Fortan kann der mit dem Element Nebti gebildete Königsname nicht mehr als Thron-Name angesehen werden, sondern wird in der Ägyptologie als Herrinnen-Name bezeichnet. Dabei bleibt das gesamte Alte Reich hindurch das Bilde-Element Nebti »Herrinnen« als bedeutungstragend in den Herrinnen-Namen integriert. Erst mit dem Ende des Alten Reiches verselbständigt sich der ehemalige Namensbestandteil zu einem standardisierten neuen Titel, der wohl als »Der der beiden Herrinnen« aufzufassen ist.

GOLD(HORUS)NAME

Bei dem späteren sogenannten Gold-Namen handelt es sich zunächst um einen Titel mit Namenselement. Bereits unter Den ist ein mit dem Schriftzeichen für »Gold« und dem der Kobra gebildeter Titel belegt, der mit dem sogenannten Schen-Ring kombiniert ist. Der Schen-Ring, das Symbol für die Ewigkeit, nimmt in gelängter Form als sogenannte Kartusche später den Thronsowie den Eigennamen eines Königs auf. Noch bei Djoser und Chaba, zwei Königen der 3. Dynastie, kann der Gold-Titel völlig separat oder vor einer leeren Kartusche stehen. Ein in Bet Challaf gefundenes Siegelfragment des Sanacht, des vermutlich vorletzten Königs der 3. Dynastie, belegt erstmals einen in eine Kartusche geschriebenen Königsnamen. Leider ist aber der dem Namen voranstehende Titel auf dem Siegelfragment nicht mehr erhalten. Erst unter Snofru, dem 1. König der 4. Dynastie, tritt die Kombination eines aus den Zeichen für »Falke« und »Gold« gebildeten Titels mit dem in eine Kartusche geschriebenen Eigennamen auf. Dementsprechend steht auf dem in der 5. Dynastie redigierten Annalenstein von Palermo (Abb. 1) auch bei den Frühzeitkönigen Djer, Semerchet und Ninetjer ein mit namenartigem Zusatz versehener Gold-Titel dem in Kartusche geschriebenen Eigennamen voran.

EIGENNAME/»SOHN DES RE-NAME«

Erst von Huni, dem letzten König der 3. Dynastie, ist ein zeitgenössisch belegter, in eine Kartusche geschriebener Eigenname überhaupt gesichert. Bei den früheren Königen der 3. Dynastie wie Djoser und Nebka stammen die Belege von in Kartuschen geschriebenen Eigennamen aus späteren Zeiten, sind also postum. Diesen steht während der 4. Dynastie oft noch ein Gold-Titel voran. Zwar wurden während der ersten beiden Dynastien die Eigennamen in den offiziellen zeitgenössischen Denkmälern fast gänzlich unterdrückt, müssen aber in den heute verlorenen damaligen Annalen verzeichnet gewesen sein. So begegnen wir auf dem aus der 5. Dynastie erhaltenen Annalenstein von Palermo bei den Frühzeitkönigen einer festen Abfolge von Namen und Titeln: Horus-Name – Gold-Titel (mit Erweiterungen) – Eigenname in Kartusche – Name der Mutter.

Unter Djedefre, dem 3. König der 4. Dynastie taucht erstmals der Beiname »Sohn des Re« auf. Bei Unas, dem letzten König der 5. Dynastie wird dieser Beiname dann als Namenszusatz des Eigennamens mit in die Kartusche aufgenommen. Schließlich tritt er ab der Herakleopolitenzeit, also der 9./10. Dynastie, als selbständig gewordener Titel vor die Kartusche mit dem Eigennamen.

Literatur:

SCHNEIDER, Lexikon (1996) S. 12–55. J.v. BECKERATH, Handbuch der ägyptischen Königsnamen, 2. Aufl., MÄS 49, Mainz 1999. WILKINSON, Early Dynastic Egypt (1999) S. 200–208. R. GUNDLACH, in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), 2006 (Zugriffsdatum: 13.02.2015; http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/23832/). R. GUNDLACH, in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), 2008 (Zugriffsdatum: 13.02.2015; http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/35722). R.J. LEPROHON, The Great Name, Ancient Egyptian Royal Titulary, Writings from the Ancient World 33, Atlanta 2013.

EINLEITUNG
DIE CHRONOLOGIE DES ALTEN ÄGYPTEN

Die Erstellung einer Chronologie Altägyptens und unser Wissen über die Biographien der Pharaonen speisen sich aus diversen Quellen. Die Einteilung der ägyptischen Geschichte in Dynastien geht auf den ägyptischen Priester MANETHO zurück, der in der frühen Ptolemäerzeit die »Aegyptiaca« verfasste, ein Geschichtswerk, das uns durch spätere Abschriften fragmentarisch erhalten ist. Für die Frühdynastische Zeit und das Alte Reich ist der sogenannte »Palermostein« eine bedeutsame historische Quelle. Auf der Basaltplatte, die heute in Palermo aufbewahrt wird, und weiteren Fragmenten des Steins in London und Kairo sind die Namen der Könige, die jeweilige Mutter und in aller Kürze wichtige Ereignisse der einzelnen Regierungsjahre notiert. Der letzte auf dem Annalenstein von Palermo aufgeführte König ist Neferirkare (5. Dynastie).

Ein Relief aus dem Amun-Tempel von Karnak (Theben) zeigt König Thutmosis III. (18. Dynastie), der vor 61 sitzenden Königsstatuen opfert. Die nicht chronologische Liste gibt die Statuen von Herrschern wieder, die im Tempel aufgestellt waren. Die »Königsliste von Karnak« stellt zwar keine Königsliste im historischen Sinn dar, ist aber bedeutsam, weil sie Könige erwähnt, die in anderen Königslisten fehlen.

Im Tempel Sethos’ I. in Abydos aus der Ramessidenzeit sind der König und sein Sohn Ramses (der spätere Ramses II.) bei Opferhandlungen vor einer langen Liste mit Königsnamen abgebildet. Die »Königsliste von Abydos« umfasst Könige von der 1. bis zur 19. Dynastie, jedoch wurden durch redaktionelle Bearbeitung als nicht legitim empfundene Könige beziehungsweise Dynastien gestrichen. Eine ähnliche Liste ließ Ramses II. in seinem eigenen Tempel in Abydos anbringen. Sie ist allerdings deutlich fragmentarischer erhalten.

Ebenfalls aus der Ramessidenzeit stammt die »Königsliste von Sakkara«, die 1861 im Grab des Tjuneroy in Sakkara entdeckt wurde und heute im Museum von Kairo aufbewahrt wird. Die Zusammenstellung deckt sich weitgehend mit den Königslisten von Abydos. Auch hier fehlen viele Herrscher, beispielsweise aus der 1. Zwischenzeit.

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Abb. 1: sog. »Palermostein«, National Archeological Museum Palermo

Der »Turiner Königspapyrus«, ebenfalls ein Dokument aus der Ramessidenzeit (wohl Ramses II.), ist eine der aussagekräftigsten Königslisten, die von der Zeit mythischer Götterkönige bis in die 2. Zwischenzeit reicht. Auf dem leider sehr fragmentarischen Papyrus sind deutlich mehr Könige aufgelistet, als in den anderen ramessidischen Listen (Abydos, Sakkara). Es besteht eine Ähnlichkeit mit der Auflistung der Könige bei MANETHO.

Diese historiographischen Quellen werden ergänzt durch die archäologischen Primärquellen aus der Regierungszeit der jeweiligen Könige. Im Idealfall sind Objekte und Inschriften durch die Nennung eines Königs- oder Beamtennamen zeitlich einzuordnen. Oft spezifiziert die Angabe des Regierungsjahres, manchmal sogar das exakte Datum, Objekt oder Inschrift sehr genau. Auch Beamten- oder Priestergenealogien geben Anhaltspunkte für zeitliche Zuweisungen. Für die allgemeine relative Chronologie sind Stratigraphien der archäologisch untersuchten Areale bedeutsam. Im Falle von ungestörten Schichten geben diese eine unbedingte Abfolge (unten ältere und oben jüngere Epochen) wieder. Hinzu kommen Sequenzaufstellungen von bestimmten Objektgruppen (Keramik, Särge, Skarabäen) anhand ihrer Stil- und Formentwicklung. Sicher datierbare Artefakte dienen dabei als Eckpunkte, um andere, nicht sicher datierbare Objekte in eine relative Chronologie einzuhängen.

Unterstützt werden diese Einordnungen von naturwissenschaftlichen Methoden zur Altersbestimmung von Funden, wie die C14-Methode (Radiokarbondatierung) oder die Datierung mit Hilfe der Dendrochronologie (Jahresringdatierung). Astronomische Daten liefern Fixpunkte für die absolute Chronologie der altägyptischen Geschichte. Besondere Bedeutung hat dabei der »Hundsstern« Sirius (ägyptisch: Sopdet; griechisch: Sothis), dessen morgendlicher Aufgang den ersten Tag des zivilen Kalenders markiert und die bevorstehende Nilüberschwemmung ankündigte. Durch die Länge des Jahres mit 365 Tagen (ohne Schaltjahr) wanderte das Neujahrsdatum jedoch durch das Jahr (Sothis-Zyklus). Zwei ägyptische Quellen mit Nennung des Sothisaufgangs an einem konkreten Datum bilden die Basis für die Erstellung einer absoluten Chronologie. Es handelt sich um das 7. Jahr Sesostris’ III. (12. Dynastie) und das 9. Jahr Amenophis’ I. (18. Dynastie). Während diese beiden Sothis-Daten lange als unumstößliche Messpunkte galten, werden inzwischen die Unsicherheiten (Ort der Sothis-Sichtung, Sichtungsbedingungen) der Sothis-Datierung eher betont. Weitere astronomische Daten zur Erstellung einer absoluten Chronologie sind die Monddaten. Der religiöse Kalender Ägyptens basierte auf dem Mondzyklus (354 Tage pro Jahr) und es existieren insbesondere aus el Lahun Aufzeichnungen, die bestimmte Festdaten in Verbindung mit Monddaten nennen. Auch für die Monddaten bleiben jedoch Unsicherheiten, so dass letztlich die Festlegung der Chronologie nur unter Berücksichtigung vieler verschiedener Quellen und Berechnungen erfolgen kann, wobei letzte Unsicherheiten bislang bestehen bleiben.

Der Vergleich (Synchronisierung) mit den historischen Abfolgen der Nachbarkulturen Ägyptens (z.B. Minoische Kultur, Antikes Griechenland, Assyrien) bietet ebenfalls Anhaltspunkte zur Präzisierung der ägyptischen Chronologie.

In der ägyptologischen und der populärwissenschaftlichen Literatur finden sich abweichende Zahlen zu Regierungszeiten einzelner Könige und Geschichtsepochen. Hier spiegeln sich die Unsicherheiten der absoluten Chronologie und die verschiedenen akademischen Ansätze wider. Für das vorliegende Buch wurde auf die Angaben eines der neueren Standardwerke zur ägyptischen Chronologie zurückgegriffen (HORNUNG/KRAUSS/WARBURTON, Ancient Egyptian Chronology (2006).

Literatur:

SCHNEIDER, Lexikon (1996) S. 12–55. J. v. BECKERATH, Chronologie des pharaonischen Ägypten, MÄS 46, Mainz 1997. WILKINSON, Early Dynastic Egypt (1999) S. 60–66. K.A. KITCHEN, in: World Archaeology Vol. 23, No. 2, Chronologies (Oct., 1991) S. 201–208, (Zugriffsdatum: 13.02.2015; http://www.jstor.org/stable/124743). R. KRAUSS, in: M. BIETAK (Hrsg.), The Synchronisation of Civilisations in the Eastern Mediterranean in the Second Millennium B.C. II, Wien (2003) S. 175–197. HORNUNG/KRAUSS/WARBURTON, Ancient Egyptian Chronology (2006). A. J. SHORTLAND/C. B. RAMSEY, Radiocarbon and the chronologies of ancient Egypt, Oxford 2013.

DIE FRÜHZEIT

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PRÄDYNASTISCHE ZEIT

Die ältesten neolithischen Kulturen lassen sich ab 6000 v. Chr. in Unterägypten nachweisen (Merimde-Beni Salâme, Faijum-A-Kultur). In Oberägypten geht die Badari-Kultur nahtlos in die drei Phasen der Negade-Kultur über (ca. 4500–3000 v. Chr.). Es scheinen sich in dieser Zeit städtische Zentren herauszubilden, die Keramik- und Metallverarbeitung entwickelt sich weiter. Gräber von unterschiedlicher Größe und Ausstattung deuten auf die soziale Differenzierung der Gesellschaft hin.

Die Negade-Kultur verdrängt in Unterägypten die Maadi-Kultur, was auf eine politische Einigung des Landes deuten kann, aber nicht muss. Erste Schriftquellen tauchen gegen Ende der Negadezeit auf, einzelne Kleinkönige (Skorpion, Ka) sind durch Darstellungen und Inschriften nachweisbar (Dynastie 0). Handwerk, Ackerbau (Bewässerung) und Verwaltungswesen sowie Binnen-, Außenhandel und Expeditionswesen entwickeln sich kontinuierlich. Der Herrschaftsanspruch auf größere Territorien ebnet den Weg in Richtung Reichseinigung und gesamtägyptisches Königtum. Narmer, wohl letzter prädynastischer König, ist bereits durch zahlreiche Artefakte (Narmer-Palette, Keulenkopf, Jahrestäfelchen, Gefäßinschriften) belegt. Obwohl es umstritten ist, in wieweit Darstellungen des Königs beim Erschlagen von Feinden (Asiaten/Deltabewohner) historisch oder rituell zu werten sind, scheint unter Narmer die endgültige Reichseinigung vorbereitet oder sogar bereits vollzogen worden zu sein.

FRÜHDYNASTISCHE ZEIT (1.–2. DYNASTIE)

Spätere ägyptische Königslisten lassen die erste Dynastie mit dem mythisch verehrten König Menes beginnen, bei dem es sich vermutlich um König Aha handelt (andere Theorien sprechen sich für Narmer aus). Ober- und Unterägypten werden endgültig zu einem Gesamtstaat vereinigt, Memphis ist das politische Zentrum, während der Königsfriedhof in Abydos (Plan 1) liegt.

Seit Aha werden rund um das Königsgrab und den Totenkultbezirk Nebengräber angelegt, in denen anlässlich der königlichen Bestattung auch ein Teil des Hofstaates beigesetzt wurde. Alle Könige der 1. Dynastie folgen diesem Bestattungskonzept, unter Djer erreichte die Anzahl der Nebenbestattungen mit ca. 300 einen erschreckenden Höhepunkt.

Neben späteren Aufzeichnungen liefern vor allem Elfenbeintäfelchen mit Jahresbezeichnungen, die zur Kennzeichnung von Warenlieferungen dienten, Informationen über Götterfeste, Tempel- und Domänengründungen, Wirtschafts- und Militärexpeditionen, Herstellung von Kultgerät sowie Steuereintreibungen (Horusgeleit). Anhand von Beamtentiteln kann die sich differenzierende Verwaltung nachvollzogen werden und sowohl Importgüter aus Vorderasien in den Grabanlagen der ägyptischen Elite wie auch ägyptische Objekte, die in Vorderasien gefunden wurden, zeugen von einem kontinuierlichen Wirtschaftsaustausch. Felsinschriften aus den Expeditionsgebieten (Ostwüste, Sinai) belegen den Abbau von Rohstoffen.

Als Ehefrau von König Djet und vor allem als Regentin für ihren noch unmündigen Sohn Den tritt Königin Merit-Neith als eine der wenigen Frauengestalten der 1. Dynastie prominent hervor. Auf Dens Nachfolger Adjib und Semerchet folgt Qa-a als letzter Vertreter der 1. Dynastie.

Der Dynastiewechsel zur 2. Dynastie manifestiert sich vor allem durch die Verlegung der Königsnekropole von Abydos nach Sakkara, was eine verstärkte Hinwendung des ägyptischen Königtums zur Residenz Memphis zeigen mag. Statt Grubengräbern werden nun Galeriegräber angelegt, ein Zusammenspiel von sich wandelnden Jenseitsvorstellungen sowie den andersartigen topographischen Gegebenheiten in Sakkara. Unter König Hetepsechemui endet die Etikettierung von Beigabengefäßen mit Jahrestäfelchen. Steinplatten mit den sogenannten Speisetischszenen – ikonische Darstellungen der Totenversorgung – schmücken die Privatgräber.

Auf Nebre, den zweiten König der 2. Dynastie, folgte Ninetjer, von dem die erste, durch eine Inschrift identifizierte königliche Rundplastik aus Ägypten erhalten ist.

Da von Ninetjers Nachfolger Peribsen nur Belege aus Oberägypten existieren und es eine scheinbar geteilte Landesverwaltung gab, wurden früher innerpolitische Machtkämpfe und die Existenz unterägyptischer Gegenkönige postuliert. Ohne direkte Belege für kriegerische Handlungen geht man inzwischen eher von einer gewaltlosen Teilung des Landes aus. König Sechemib wurde gelegentlich als identisch mit Peribsen angenommen, ist aber wohl eher als dessen Nachfolger anzusprechen. Von Chasechemui, dem letzten Herrscher der Dynastie, nimmt man an, dass er die unterägyptischen Territorien zurückgewinnen konnte. Eine differenzierte Verwaltungsstruktur, neue Standards in der Relief- und Statuenherstellung sowie die Entwicklung in der Architektur der königlichen Grabanlage, die ebenso wie die des Peribsen wieder in Abydos liegt, bilden die Grundlage für die bemerkenswerten kulturellen Entwicklungen im folgenden Alten Reich.

Literatur:

J. v. BECKERATH, Abriss der Geschichte des alten Ägypten, Oldenbourgs Abriss der Weltgeschichte, München/Wien 1971. J. v. BECKERATH, in: SAK 11 (1984) S. 49–56. E. HORNUNG, Grundzüge der ägyptischen Geschichte, Darmstadt 19964. J. v. BECKERATH, Chronologie des pharaonischen Ägypten, MÄS 46, Mainz 1997. WILKINSON, Early Dynastic Egypt (1999) S. 28–70. T. A. H. WILKINSON, Royal Annals 2000. HORNUNG/KRAUSS/WARBURTON, Ancient Egyptian Chronology (2006). D. WENGROW, The Archaeology of Early Egypt, Social Transformations in North-East Africa, 10,000 to 2,650 BC, Cambridge World Archaeology, Cambridge 2006. E. TEETER (Hrsg.), Before the Pyramids, The Origins of Egyptian Civilisation, OIMP 33, Chicago 2011.

AHA

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Der erste König der 1. Dynastie trug den Horus-Namen Aha, »Der Kämpfer«. Ob Narmer, der letzte prädynastische König, auch Vater des Aha gewesen ist, kann nicht mit letzter Sicherheit bewiesen werden, wird aber allgemein angenommen. Uneinigkeit besteht auch darin, ob es sich bei Hetepui-Neith um die Hauptgemahlin des Aha oder um dessen Mutter gehandelt hat. Siegel der Hetepui-Neith sowie des Aha fanden sich in der großen, nischengegliederten Mastaba von Naqada, wo entweder sie selbst oder ein anderer bedeutender Angehöriger des Königshauses bestattet war. Aufgrund der als typisch unterägyptisch angesehenen Bauform dieser Nischenmastaba sowie ihres mit der unterägyptischen Göttin Neith gebildeten Namens wurde Königin Hetepui-Neith in der älteren Forschung für eine aus politischen Gründen geehelichte unterägyptische Prinzessin gehalten. Jedenfalls schrieb man ihren Namen wie einen königlichen Horus-Namen in die Serech-Palastfassade ein, welche jedoch nicht von einem Falken, sondern von dem Emblem der namensbildenden Göttin Neith bekrönt war. In einer der Nebenkammern seiner Grabanlage in Abydos fand sich ein Kamm mit dem Namen des Aha und einer womöglich dort bestatteten Nebenfrau namens Ima-ib. Auch auf dem Fragment eines Elfenbeinkästchens aus Abydos und einem Kalzitgefäß (Berlin ÄMP 31007) sind die Namen von Aha und Ima-ib gemeinsam verzeichnet. An Söhnen des Königs sind Rechit, Het, Tschati und Sa-iset durch Siegelabrollungen belegt. Nachfolger des Aha war sein Sohn Djer, als dessen Mutter spätere Quellen Chenut-Hap nennen, die damit als Frau des Aha anzusehen wäre.

Allgemein nimmt man an, dass die Aufzeichnung von Annalen unter Aha eingesetzt hat, doch ist der seiner Regierungszeit gewidmete Abschnitt auf dem Annalenstein von Palermo nicht mehr erhalten, so dass nur zufällig überlieferte Jahrestäfelchen Ereignisse seiner Herrschaft vermelden. Dabei ist die Interpretation der sehr archaischen Schreibungen oft unsicher: Eines der Täfelchen zählt wohl das »Schlagen (?) von Nubien«, die Herstellung einer Statue des abydenischen Nekropolengottes Chontamenti sowie die Gründung der Festung Hor-pecher-ihu als Ereignisse des Jahres auf. Ein weiteres nennt unter anderem eine »Fahrt des Falken in der Barke«, die Gründung eines Heiligtums der Göttinnen Wadjet und Nechbet sowie ein großes Opfer anlässlich der Ablieferung von Abgaben, zu dem sich der König mit Gefolgsleuten aus seinem Palast begibt. Diese Deutung hat sich durchgesetzt, weil auf einem weiteren Täfelchen dieses Typs die Vermerke »Abgaben von Unterägypten« sowie »Speisen von Oberägypten« zu lesen sind. Ein drittes Jahrestäfelchen zählt folgende Ereignisse auf: Die Herstellung eines (den Totengott Anubis symbolisierenden) Imiut-Fetisches, eine Fahrt mit 2 Schiffen, den königlichen Aufenthalt im unterägyptischen Neith-Tempel, das Fangen und Erlegen eines Wüstenstieres sowie die Anlieferung von Koniferenholz aus dem vermutlich vorderasiatischen Ort »Pesch«. Ein viertes Jahrestäfelchen nennt wiederum die Herstellung eines Imiut-Fetisches.

Im Königsfriedhof von Abydos (Plan 1) ließ Aha sein Grab zunächst wie die Gräber seiner Vorgänger Iri-Hor, Ka und Narmer in Form von zwei mit Ziegeln ausgemauerten, versenkten Kammern anlegen, wobei die südliche der beiden wie bislang für den Holzschrein mit der Bestattung bestimmt war. Dann allerdings änderte sich das Konzept und quer zu den ersten beiden wurde weiter westlich eine größere Kammer für den Holzschrein angelegt, die dann noch um zwei weitere Kammern zu einer neuen Dreikammergruppe erweitert wurde. Abgedeckt wurden die Kammern 50 cm unter dem Wüstenniveau mit Holzbalken, auf denen Schilfmatten lagen, die eine Schicht verputzter Ziegel trugen. Sehr wahrscheinlich war das ganze Ensemble oberirdisch mit einer Sandschüttung bedeckt. Das ältere Paar Kammern wurde für die Bestattung zweier Individuen genutzt. Östlich dieses Kammerpaars hob man insgesamt 35 Nebengräber aus. Die erhaltenen Skelette der dort Bestatteten deuten fast durchgehend auf ca. 25 Jahre alte Personen, so dass davon auszugehen ist, dass sie alle beim Begräbnis des Königs diesem ins Jenseits nachfolgen, d.h. ihr Leben lassen mussten. Außerdem fanden sich auch Knochen von insgesamt 7 jungen Löwen, die der König als Beute- oder Begleittiere ins Jenseits mitzunehmen gedachte.

Konzeptionell gehörten zu den abydenischen Königsgräbern auch die sogenannten Talbezirke, nahe dem Fruchtland gelegene, rechteckige, aus Ziegeln errichtete Strukturen. Die 5–11 m hohen Außenmauern der von Südosten nach Nordwesten orientierten Talbezirke wiesen eine einfache Nischengliederung auf, die nur entlang der Nordost-Mauer aufwendiger differenziert wurde. Innerhalb des ummauerten Bezirkes stand in der Ost-Ecke lediglich eine kleine Kapelle. Aus der Regierungszeit des Aha sind jüngst drei derartige Talbezirke ausgegraben worden, die alle von Einkammergräbern umgeben waren. Die beiden kleineren Bezirke im Nordwesten, Aha II und III, dürften für die in den älteren beiden querliegenden Kammern der Königsgrabanlage bestatteten Individuen bestimmt gewesen sein. Der mehr als doppelt so große Bezirk Aha I weist am nördlichen und südlichen Ende der aufwendig gegliederten Nordost-Mauer jeweils einen Eingang auf. Der nördliche wurde nach einmaliger Verwendung vermauert, der südliche wiederholt geöffnet und neu versiegelt. Er stand in Verbindung zur innenliegenden Kapelle und ermöglichte die dort mehrfach stattfindenden Kulthandlungen. Die Kapelle selbst war ebenfalls von Osten betretbar und wies in ihrer Nordwestecke einen Raum mit Spuren von Kulthandlungen auf, der über einen größeren Vorraum erreichbar war. Den Südwestbereich dieser Kapelle nimmt ein durchgehender unzugänglicher Raum ein. Die große Freifläche innerhalb des Talbezirkes dürfte postum aufgeführten Feierlichkeiten wie dem Sedfest-Ritual gedient haben, während der Bezirk als Ganzes durch seine Form auf die Institution »Palast« verwies, waren doch die in den umliegenden Einkammergräbern bestatteten Personen als Handwerker und Magazinverwalter augenscheinlich im ökonomischen Sektor der Residenz beschäftigt. Auch diese Individuen wurden anlässlich der Bestattung geopfert, um dem König ins Jenseits nachzufolgen. Anscheinend sind derartige Talbezirke vom jeweiligen Nachfolger vor Errichtung seines eigenen Bezirkes niedergelegt und so gleichfalls ins Jenseits transferiert worden.

In der älteren Literatur hielt man vielfach das in der Nekropole von Sakkara-Nord gelegene monumentale Ziegelgrab 3357 aufgrund der zahlreichen dort gefundenen Siegelabdrücke für das eigentliche Königsgrab des Aha. Diese Ansicht ist aufgrund der neueren Nachgrabungen in der Nekropole von Abydos nicht mehr haltbar, so dass in Grab 3357 ein Spitzenbeamter beigesetzt worden sein muss, der aber vermutlich auch der königlichen Familie angehörte. Der nischengegliederte Ziegeloberbau enthielt 27 als Magazine benutzte türlose Kammern, welche allein die Ka-Seele des Verstorbenen betreten sollte, um sich zu versorgen. Die eigentliche Bestattung erfolgte aber in einem von 5 mit Holzbalken überdachten unterirdischen Räumen. Zur Anlage gehörten das ziegelgemauerte Modell eines Landgutes mit Wirtschaftseinrichtungen sowie ein Schiffsgrab, das ein wohl fahrtüchtiges Boot enthielt. Boot wie Modell-Architektur sollten wohl die Versorgungsfähigkeit des Toten im Jenseits gewährleisten. Da es sich bei Grab 3357 um das bisher älteste datierte der Nekropole von Sakkara-Nord handelt, dürfte diese tatsächlich von Aha gegründet worden sein. Die Stadtgründung von Memphis selbst erfolgte aber sicher früher, spätestens unter Narmer, weil weitere potentiell memphitische Nekropolen (Abusir und Heluan auf der Ostseite des Nils) existieren, die zum Teil ältere Belegungen aufweisen. Die monumentalen Gräber von Sakkara-Nord waren jedoch Spitzenbeamten vorbehalten und wurden so angelegt, dass sie vom Fruchtland aus gut sichtbar waren.

Die oben erwähnte, weit im Süden Ägyptens gelegene, nischengegliederte Mastaba von Naqada ist heute weitgehend zerstört. Sie bestand aus einer Kernstruktur, die 5 hintereinander liegende Kammern umfasste. Die mittlere davon enthielt eine Grube und stellte die Sargkammer dar, lag also nicht vollständig unterirdisch wie in Sakkara üblich. Zwischen Kernbau und Außenfassade waren ringsum offenbar fundleere Kammern angelegt. Die nischengegliederte Außenfassade wies einen umlaufenden, geweißten Sockelfuß auf. Um den gesamten Bau verlief eine niedrige Umfassungsmauer. Trotz eines starken Brandes und vorheriger Beraubung haben ca. 900 Objekte dieses Grabes den Weg in die Museen gefunden, obwohl tönerne Gefäße schon von den damaligen Ausgräbern DE MORGAN (1897) und GARSTANG (1904) mehrheitlich zurückgelassen worden waren. Unter den Funden befinden sich Steingefäße von großer Formvarianz aus insgesamt 14 unterschiedlichen Materialien, darunter Bergkristall aus der Westwüste und Obsidian aus Äthiopien. Muscheln aus dem Mittelmeerraum und ein Kästchen aus afrikanischem Ebenholz deuten ebenso wie die Steinmaterialien auf die weitreichenden Handelskontakte zur Zeit des Aha hin. Geborgen wurden ferner insgesamt 250 Verschlüsse mit Siegelabrollungen, Werkzeuge aus Silex, Perlen und Ringe aus verschiedenen Materialien, eine Frauenfigurine aus Elfenbein sowie Spielsteine und -figuren des sogenannten Schlangenspiels. Da die hinteren beiden Kammern Fragmente von Möbeln wie beispielsweise Bettfüße aus Elfenbein enthielten, wurden hier wohl die Objekte gelagert, die den Privatgemächern eines Wohnhauses zuzuordnen sind.

Die Mehrheit der Forscher folgt auch heute noch der Theorie, Aha sei mit dem sagenhaften Menes identisch. Diese Identifikation beruht im Wesentlichen auf einem Siegel, bei dem sich der Horus-Name des Narmer, des Vorgängers von Aha, mit dem Prinzennamen Meni abwechselt. Da nur Prinzen oder andere königliche Verwandte den Königsnamen im Siegel führen durften und es sich bei Aha sehr wahrscheinlich um einen Sohn des Narmer handelt, lag die Gleichsetzung nahe. Nun taucht Menes in der Schreibung Meni sowohl in der Königsliste von Abydos am Beginn der Vorfahrenreihe als auch im Turiner Königspapyrus auf, dort sogar vierfach: am Ende der vorzeitlichen Könige, als erster regulärer König, in einer Summenangabe der Herrscher bis Unas und als erster Herrscher einer von der 1. bis zur 6. Dynastie reichenden Epoche. In der klassisch-griechischen Überlieferung wird ihm die Einigung des Landes, die Erfindung der Schrift, die Gründung der Hauptstadt Memphis und die Einführung des Apis-Kultes zugeschrieben. Da sich zumindest die ersten drei Großtaten sicher früher datieren lassen, handelt es sich bei dem sagenhaften Menes eher um eine Gestalt der Tradition als um die konkrete historische Persönlichkeit des Königs Aha. Möglicherweise wurden die genannten Taten auf diesen projiziert, weil er in den herkömmlichen Annalen die 1. Dynastie eröffnete. Als ägyptischem Gründerheros war ihm während der Ptolemäerzeit in den memphitischen Tempeln ein Filialkult gewidmet. Weitere Berichte klassischer Autoren gehören aber wohl ins Reich der Legenden: So erzählt der Historiograph DIODOR, Menes sei in der Flußoase Faijum von seinen eigenen Jagdhunden angegriffen worden und habe sich diesen durch einen Sprung in den Moeris-See entzogen, um wunderbarerweise von einem Krokodil an das gegenüberliegende Ufer getragen zu werden. Dieses eindrückliche Erlebnis habe Menes zur Gründung einer Stadt und zur Weihung des Sees an den Krokodilgott bewogen. Frühere Forscher wollten die Gründung von Krokodil-Kulten im Faijum als historischen Kern der Legende ebenso wie den Bericht vom Tod des Menes durch ein Nilpferd auf Ahas Vorgänger Narmer beziehen.

Beim Namen Meni dürfte es sich um den in zeitgenössischen Quellen meist unterdrückten Eigennamen gehandelt haben. Alternativ schlug James P. ALLEN vor, in Meni eine Ableitung aus dem Stadtnamen Men-nefer für Memphis zu erkennen, die einfach »der Memphit« bedeutet habe. Früher hat man die erste belegte Schreibung der »beiden Herrinnen«, der Göttinnen Wadjet und Nechbet, in Kombination mit dem Zeichen für »men« auf dem zweiten der oben erwähnten Jahrestäfelchen als Beleg dafür gelten lassen, der Herrinnen-Name des Aha habe Menes gelautet. Allerdings gibt die Schreibung eher den Namen eines Heiligtums wieder, das »Bleibend (men) sind die beiden Herrinnen« geheißen haben könnte. Die schlangengestaltige Göttin Wadjet von Buto und die geiergestaltige Göttin Nechbet von el-Kab verkörpern die beiden Landeshälften Ägyptens und werden von der modernen Forschung oft als »Wappentiere« Unter- bzw. Oberägyptens bezeichnet.

Wenn Aha als historische Figur auch sicher nicht die Bedeutung hatte, welche die spätere Tradition Menes zuschrieb, so geht doch die markante Veränderung der Königsgrabarchitektur durch die Vervielfältigung von Kammern auf ihn zurück. Die Opferung (bzw. der Suizid) der in den Nebengräbern Bestatteten illustriert eindrücklich den totalen Machtanspruch des Aha über seine Gefolgsleute. Diese gegenüber früher ins Beispiellose gesteigerte absolute Verfügungsgewalt über Menschen sollte prinzipiell die gesamte 1. Dynastie hindurch beibehalten, danach aber in dieser Form nicht weiter aufrecht erhalten werden.

Literatur:

EMERY, Ägypten (1961) S. 44–53. WILDUNG, Rolle (1969) S. 4–21. P. KAPLONY, in: LÄ I (1975) Sp. 94–96. J.P. ALLEN, in: GM 126 (1992), S. 19–22. J. KAHL, in: Festschrift Krause (1995) S. 168–176. SCHNEIDER, Lexikon (1996) S. 59–60, 233–234. WILKINSON, Early Dynastic Egypt (1999) S. 70–71. J. KAHL/E.-M. ENGEL, Vergraben, verbrannt, verkannt und vergessen, Münster 2001. ROTH, Königsmütter (2001) 31–35. JIMÉNEZ SERRANO, Royal Festivals (2002). DODSON/HILTON, Royal Families (2004) S. 44–49. G. DREYER, in: DREYER/POLZ, 100 Jahre in Ägypten (2007) S. 193–196, 207. BESTOCK, Development (2008). O’CONNOR, Abydos (2011) S. 158–181. Th. C. HEAGY, in: Archéo-Nil 24 (2014), S. 59–92.

DJER

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Auf den nur kurzzeitig regierenden Athotis folgte Horus Djer als 3. König der 1. Dynastie. Die seinem Vorgänger zugewiesene, aus zwei Gruben bestehende Grabanlage wurde nur provisorisch fertiggestellt. Djer war ein Sohn des Aha von einer Nebenfrau namens Chenut-Hap »Sängerin des Apis« und selbst Vater seines Nachfolgers Djet, der ihm ebenfalls von einer Nebenfrau geboren wurde. Die zeitweilig für ihren unmündigen Sohn Den regierende Königin Merit-Neith, die wohl bedeutendste Frau der ägyptischen Frühzeit, war eine Tochter des Djer. Die in Grab 3507 in Sakkara-Nord bestattete Hor-Neith könnte eine Ehefrau des Djer gewesen sein. Als weitere Nebenfrauen des Herrschers kämen die in abydenischen Nebengräbern bestatteten Nacht-Neith, Seschemet-ka sowie die auf einem Elfenbeintäfelchen genannte Pe-Nebui in Betracht.

Seit Djer wird der Horus-Name in die kanonische, rechteckig verlängerte Form der Palastfassade eingeschrieben, die von einem sitzenden Falken bekrönt wird. Als klassisches Denkmal monumentalhieroglyphischer Schreibung dieser Namensform gilt die berühmte Stele seines Sohnes und Nachfolgers Djet. Das Kairener Fragment des Annalensteins nennt postum neben dem Horus-Namen eine titelartige Bezeichnung und einen weiteren Namen des Djer. Der in eine Kartusche geschriebene Name lautet Iti und wird von den meisten Ägyptologen als Eigenname des Königs angesehen, der auf offiziellen Denkmälern während der 1.–2. Dynastie nicht verwendet wird. Die dem Namen voranstehende Ni-Nebu zu lesende und mit »Der zum Goldenen gehörige« übersetzbare Bezeichnung bezieht sich inhaltlich wohl auf den goldglänzenden Himmelsgott und stellt eher einen Titel mit Erweiterung als einen selbständigen Namen dar. In späteren Zeiten wird das Bildungselement Nebu als selbständiger Titel »Der Goldene« im königlichen Namensprotokoll verwendet.

Für Djer werden über 50 Regierungsjahre veranschlagt. Insgesamt sind auf den Annalensteinfragmenten aus Palermo und Kairo 18 Jahreseinträge erhalten, die jeweils in der zweiten Reihe stehen. Die das 1. Jahr des Djer identifizierenden Zeremonien »Vereinigung der beiden Länder« und »Umzug um die Mauern« gehören zu den Thronbesteigungsriten. Ab dem Jahr 2 und von da an regelmäßig ist auf dem Stein das in zweijährigem Rhythmus stattfindende »Horus-Geleit«, die mit einem königlichen Umzug durch das Land verbundene zentrale Eintreibung von Steuern, vermerkt. Die meisten Jahre werden nach kultpolitischen Ereignissen oder regelmäßigen Festen benannt: Die Jahre 2, 20 und 26 sind offenbar mit Schiffsprozessionen verbunden. Das Gros der Jahres-Einträge machen Anfertigungen von Götterstatuen aus: so eine der Göttin Seschat im Jahre 6, eine des Min im Jahre 7, Götterstatuen des ChontamentiDjerDjerDjersHemakaDjerDjerDjers