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Dr. phil. Helmut Neuhold, Jahrgang 1959, studierte an der Universität Wien Geschichte und Politikwissenschaft. Er verfasste verschiedene wissenschaftliche Arbeiten mit dem Schwerpunkt Militärgeschichte und biografische Arbeiten. Publikationen bei marixwissen: Die großen Eroberer, Der Dreißigjährige Krieg und Die großen Herrscher Österreichs.

Zum Buch

Seit Beginn der Seefahrt gibt es Piraterie und Freibeuterei auf allen Meeren unseres Planeten. Sie kamen im Mittelmeer während der letzten drei Jahrtausende niemals vollkommen zum Erliegen, sie verunsicherten die Nord- und Ostsee, den Atlantik, die Karibik, den endlosen Pazifik und ganz besonders die asiatischen Gewässer. Schiffe wurden aufgebracht und Küstengebiete angegriffen, es wurde gekämpft, geraubt, geplündert, gebrandschatzt - und getötet. Bedeutende Männer der Geschichte, wie Julius Caesar und Miguel de Cervantes wurden Opfer der Piraterie. Die Abenteuer der Piraten und Freibeuter haben immer wieder die Fantasie der Menschen stimuliert. Dieses Buch liefert einen kompakten, fundierten und dennoch unterhaltsamen Überblick über die Geschichte der Seeräuberei von den Anfängen bis in unsere Tage. Es werden bekannte und weniger bekannte Piraten und Freibeuter porträtiert und über die wichtigsten Ereignisse und Schwerpunkte des Seeraubs berichtet. Historische Zusammenhänge und soziale Hintergründe machen viele Entwicklungen verständlich. Die wichtigsten Schiffstypen, Ausrüstung, Bewaffnung, Herkunft der Mannschaften und deren Organisation werden ebenfalls vorgestellt.

Helmut Neuhold

Die berühmtesten Freibeuter und Piraten

Helmut Neuhold

Die berühmtesten
Freibeuter und Piraten

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INHALT

SO ALT WIE DIE SEEFAHRT UND DOCH NOCH IMMER AKTUELL – DIE PIRATERIE

Somalia, die „Schatzinsel“, Begriffsklärung, berühmte Seeräuber, Piraten-Klischees

RUND UMS ANTIKE MITTELMEER: HEUTE HÄNDLER, MORGEN SEERÄUBER

Die Argonauten, Homer, Handel und Piraterie, Ägypten und die Seeräuber, Alexander der Große bekämpft Piraten

ROMS LANGER KAMPF MIT DER PIRATERIE

Karthago, die wichtigen Getreideschiffe, Caesar und die Seeräuber, Spartacus, der Kampf des Pompeius gegen die Kilikier, die Vandalen

DIE RAUBZÜGE DER SARAZENEN

„Glaube und Schwert“, Byzanz im Piratenkrieg, das griechische Feuer, Galeerenkämpfe, Einfälle in den Atlantik, Sklavenjagd, gefährliche Küsten

DIE WIKINGER – VON RAUB- UND BEUTEZÜGEN ZUR LANDNAHME

Lindisfarne, Schrecken der Langboote, Plünderungen an Westfrankens Strömen, die Zerstörung Hamburgs, die Wikinger und England, Vorstoß ins Mittelmeer, Island und Grönland, Fahrten nach Vinland, die Waräger und Russland

PIRATERIE IN NORD- UND OSTSEE

Der „Schwarze Mönch“, die Vitalienbrüder, Klaus Störtebeker, Godeke Michels, Gotland, friesische Häuptlinge, die Rolle der Hanse, die Koggen, „Bunte Kuh“ gegen „Roter Teufel“, eine denkwürdige Hinrichtung

KAPERFAHRER – STAATLICH GEDULDETE SEERÄUBER

„Legale“ Kaperfahrer und „illegale“ Piraten, das Aufkommen der Kaperbriefe, Francis Drake, die spanische Silberflotte, Robert Surcouf, die „Hilfskreuzer“

BARBARESKEN, TÜRKEN UND USKOKEN

Die Barbareskenstaaten, Chaireddin Barbarossa, Dragut, die Folgen von Lepanto, Miguel de Cervantes, Johanniter und Malteser, wilde Gesellen in Dalmatien, Venedigs Kampf gegen die Piraterie, die Renegaten

DAS „GOLDENE ZEITALTER“ DER PIRATERIE IN DER KARIBIK

Piet Heyn, die Bukanier, Tortuga, Port Royal, François l’Olonnais, Blackbeard, Anne Bonny und Mary Read, Flibustiers, Bartholomew Roberts, William Dampier, die Nordamerikaner

MADAGASKAR – DAS „PIRATENNEST

Die gescheiterte Kolonie Sainte Marie, die indische Pilgerflotte, Ostindienfahrer, William Kidd, Robert Culliford, Henry Every, Richard Sievers, „Libertalia“, Mauritius, Piratenmuseum

DIE LETZTEN KORSAREN UND DAS ENDE DER PIRATERIE IM MITTELMEER

Französische Korsaren als Nationalhelden, Renaissance der Piraterie im Mittelmeer, griechischer Freiheitskampf, Strafexpeditionen der Seemächte, Piratenkrieg im Biedermeier

DIE PIRATERIE IN CHINA UND SÜDOSTASIEN

Japanische Piraten plündern Korea und Chinas Küsten, „Piraten-Dynastien“ in China, die Witwe Cheng, Piraten bekämpfen Kolonialmächte, die Piraten unter der Tigerflagge

MODERNE PIRATERIE – DIE WIEDERKEHR EINER ALTEN GEFAHR

Die Dampfschifffahrt als der Tod der Piraterie?, „etwas hat überlebt“, der „gescheiterte Staat“ Somalia, die Straße von Malakka, gefährliche Gewässer vor Indonesien, die hohe Dunkelziffer, moderne Flusspiraten, in Zukunft Weltraumpiraterie?

PIRATERIE ALS PHÄNOMEN DER UNTERHALTUNGSKULTUR

Seeraub in antiken Romanen, Piratenromane der Neuzeit, Daniel Defoe, „Die Schatzinsel“, Sandokan, der Piratenfilm und seine Helden, Peter Pan, „Fluch der Karibik“

ZEITTAFEL

LITERATURLISTE

SO ALT WIE DIE SEEFAHRT UND DOCH NOCH IMMER AKTUELL – DIE PIRATERIE

„Ein Pirat ist ein Feind der Menschheit, dem man – nach Cicero – weder Wort noch Schwur zu halten braucht. Wer Piraten auf frischer Tat zur See ergreift, hat das Recht, sie am Mastbaum aufzuknüpfen ohne langes Gericht oder Urteil.“ (Hampton Court 1719)

Wenn man Berichte über die Piraterie vor der Küste des zerfallenden Staates Somalia liest, fühlt man sich unweigerlich an längst vergangene Zeiten erinnert, in denen fast jede Seereise nicht nur wegen der Gefahren durch die Witterung oder den Zustand der Schiffe, sondern auch ganz besonders durch die Gefahr von räuberischen Angriffen durch fremde Schiffe zu einem schwer kalkulierbaren Risiko wurde. Dabei ist die Gefährdung durch Seeräuberei nie vollständig aus der Geschichte der Seefahrt verschwunden und die gegenwärtig so medienpräsente Piraterie am Horn von Afrika stellt auch nur einen von mehreren aktuellen Gefahrenherden dar.

Seit der Antike gab es Piraterie und Freibeuterei auf allen Meeren unseres Planeten. Sie kam im Mittelmeer während der letzten drei Jahrtausende niemals vollkommen zum Erliegen, verunsicherte die Nord- und Ostsee, den Atlantik, die Karibik, den endlosen Pazifik und auch ganz besonders die asiatischen Gewässer. Schiffe wurden aufgebracht und Küstengebiete angegriffen, es wurde gekämpft, geraubt, geplündert, gebrandschatzt – und getötet. Bedeutende Männer der Geschichte, wie Julius Caesar und Miguel de Cervantes, wurden Opfer der Piraterie.

Die Abenteuer der Piraten und Freibeuter haben immer wieder die Fantasie der Menschen stimuliert. Was dazu geführt hat, dass es eine Vielzahl von Büchern und Filmen gibt, die sich mit dem Thema beschäftigen. Den meisten Menschen sind Abenteuerromane wie „Die Schatzinsel“ oder einige der vielen Filme bekannt, die seit der Stummfilmzeit über die Seeräuberei gedreht wurden. Dabei wurden immer wieder Klischees und Stereotypien über das Piratenleben benutzt und weiterverbreitet, die meistens wenig mit den historischen Verhältnissen zu tun haben. Sachbücher über das Piratenwesen mit wissenschaftlichem Anspruch gibt es im Verhältnis zur belletristischen Vermarktung der Thematik verhältnismäßig wenige. Mit diesem Buch möchte der Autor einen kompakten, aber wissenschaftlich fundierten und dennoch unterhaltsamen Überblick über die Geschichte der Seeräuberei von den Anfängen bis in unsere Tage bieten.

Zunächst sollte man vielleicht einige Begriffe klären: Das Wort Pirat stammt eigentlich aus dem Griechischen und kam über den lateinischen Begriff „pirata“ zu uns. Er entspricht dem deutschen Wort Seeräuber, einem Ausdruck, mit dem man Menschen bezeichnet, die Gewalttaten, Eigentumsdelikte und Freiheitsberaubungen unter Verwendung eines Seefahrzeuges (oder auch eines Flugzeugs) verüben. Piraten „arbeiteten“ nicht im staatlichen Auftrag, während Kaperer oder Freibeuter lange Zeit der allgemein akzeptierte Teil der Seekriegsführung verschiedener Staaten waren. Dazu erhielten Kapitäne von einer staatlichen Macht die sogenannten „Kaperbriefe“ ausgestellt, welche sie zum Aufbringen von Schiffen einer gegnerischen Macht berechtigten, was sie allerdings nicht davor schützte, dass sie meistens von ihren Gegnern wie Piraten behandelt wurden. Oft sind beide Bereiche schwer voneinander zu trennen, da viele Freibeuter auch als Seeräuber tätig waren. Der Begriff Korsar bezeichnete Seeräuber, die vornehmlich an der afrikanischen Küste ihr Unwesen trieben, wurde aber auch in anderen Gebieten verwendet. Die Bezeichnung Bukanier kam erst im 17. Jahrhundert auf und hat indianisch/französische Wurzeln. Mit ihm bezeichnete man Piraten, deren Schiffe einen oder mehrere Eigner hatten, die in der Regel nicht an den räuberischen Unternehmungen teilnahmen. Dieses Phänomen fand sich vor allem in der Karibik und stellte einen fließenden Übergang von Freibeuterei und Piratentum dar. Auch der Begriff „Filibuster“ ist der Karibik zuzuordnen und wurde sowohl für Piraterie als auch für Kaperei verwendet.

Der Leser wird die Namen von Männern wie Klaus Störtebeker, Blackbeard und Sir Henry Morgan hier erwarten und viele werden auch nicht überrascht sein, wenn sie mit weiblichen Piratinnen wie Anne Bonny konfrontiert werden, doch viele sehr erfolgreiche Seeräuber erfreuen sich einer nicht so großen Bekanntheit, obwohl ihr Leben und ihre Taten oft genauso einzigartig und spannend waren.

Deshalb sollen bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten, die das Handwerk der Piraterie und Freibeuterei betrieben, in biografischen Skizzen dargestellt und die Hauptströmungen und wichtigsten geografischen Schwerpunkte des Seeraubs sollen dem Leser nahegebracht werden. Auch auf die historischen Zusammenhänge und die sozialen Hintergründe soll eingegangen werden, da nur dadurch gewisse Entwicklungen verständlich erscheinen. Die wichtigsten Schiffstypen, die Ausrüstung, Bewaffnung, die Herkunft der Mannschaften und deren Organisation stellen weitere behandelte Bereiche dar. Nur so kann sich trotz aller Kompaktheit ein für den Leser einigermaßen nachvollziehbares Bild des Piratenwesens quer durch die Jahrhunderte ergeben.

Es wurde neben neuerer auch ältere Literatur und Selbstzeugnisse von Piraten und deren Opfern herangezogen. Einige Zitate aus vor allem zeitgenössischen Quellen sollen das Gesamtbild abrunden und den Leser auch mit uns teilweise sehr fremden Denkweisen und Verhaltensmustern konfrontieren.

„Seeräuber ist, wer als Führer eines bewaffneten Fahrzeuges ohne Auftrag eines Herrschers oder selbständigen Staates auf dem Meer umherfährt, um Raub oder irgendwelche Gewaltakte zu begehen.“ (Portugiesisches Strafgesetzbuch 1886)

RUND UMS ANTIKE MITTELMEER: HEUTE HÄNDLER, MORGEN SEERÄUBER

„Schweift ihr wohl gar, dem Gewerb der Piraten zu frönen? Kühnlich wagen das Haupt sie und bereiten den anderen Kummer.“

(Homer)

Eine griechische Sage handelt davon, dass eine Gruppe einfältiger Piraten den Gott des Weines, Dionysos, gefangen nahm und ein Lösegeld für ihn erpressen wollte. Der Gott nahm daraufhin die Gestalt eines Löwen an und die erschreckten Piraten sprangen ins Meer, Dionysos verwandelte sie zur Strafe in Delfine. In Homers Ilias und Odyssee finden sich einige interessante Passagen zum Thema Seeraub, dabei schien der Erwerb von Sklaven durch Raub ein allgemein anerkanntes Vorgehen zu sein. Auch hat angeblich die winkelige Anlage von Siedlungen jener Zeit mit ihren sehr engen Gassen damit zu tun, dass man bei Angriffen von See her die Eindringlinge leichter zersplittern und niedermachen konnte.

Niemand kann genau sagen, wann es den ersten Akt von Piraterie in der Geschichte der Menschen gab, doch tauchen in den ersten Berichten über die Seefahrt auch schon solche über den Raub zur See oder von See aus auf. Dieser konnte schon früh große Ausmaße annehmen, wenn man an den Kampf der Ägypter gegen den Angriff der „Seevölker“ denkt. Auch der Raub des „Goldenen Vlieses“ durch Jason und die Argonauten stellt eigentlich einen Akt der Piraterie dar, wenn man annimmt, dass es ihn wirklich gegeben hat.

Schon mehr als 1.000 Jahre vor Christus musste sich ein ägyptischer Einkäufer von Bauholz namens Wen-Amun gegen Seeräuber verteidigen, die an der Levanteküste tätig waren, wie einem Papyrus zu entnehmen ist. Da die Schiffe des Altertums das offene Meer mieden und fast immer in Küstennähe segelten, hatten die Piraten meistens leichtes Spiel. Besonders die Ägäis mit ihren vielen kleinen Inseln, den zerklüfteten Küsten, den vielen Buchten und Grotten war eine ideale Gegend für die Form der küstennahen Piraterie. Bot sich doch dort eine Vielzahl von Verstecken an, von denen aus man leicht und überraschend zuschlagen, aber schwer gefunden werden konnte.

Aber nicht nur in der Ägäis gab es in der Antike Piraterie in größerem Maßstab. So führte der assyrische König Sanherib im Jahre 694 v. Chr. einen groß angelegten Seekrieg gegen chaldäische Seeräuber, die in sein Königreich an der Küste von Elam eingedrungen waren. Dieser Seekrieg im nördlichen Teil des Persischen Golfes scheint die Bedrohung durch die Piraten für einige Zeit beendet zu haben und wurde von den Assyrern groß gefeiert.

Über die Seeräuberei bei den alten Griechen gibt es nur wenige und bruchstückhafte Aufzeichnungen. Die lange Zeit auf dem Meer dominierenden Phönizier betätigten sich sowohl als Händler als auch als Piraten, besonders wenn es gegen fremde Völker ging. Bereits der sagenhafte König Minos von Kreta soll die phönizischen Piraten bekämpft und zahlreiche von ihnen vernichtet haben, berichtete zumindest der Geschichtsschreiber Thukydides. Dass die Griechen selbst niemals der Seeräuberei ganz abgeneigt waren, geht aus anderen Berichten hervor.

So schrieb Thukydides: „Nachdem die früheren Griechen und diejenigen Nichtgriechen, die an der Festlandsküste oder auf den Inseln wohnten, damit begonnen hatten, häufiger zu Schiff miteinander Kontakt aufzunehmen, wandten sie sich der Piraterie zu, und dabei wurden sie von ihren jeweiligen Eliten angeführt, die die Sache um des Gewinnes willen und für den Lebensunterhalt ärmerer Schichten betrieben; daraus, dass sie unbefestigte Städte und dörfliche Siedlungen überfielen und diese ausplünderten, zogen sie den größten Teil ihres Lebensunterhalts; dieser Beruf war noch nicht stigmatisiert, sondern verschaffte im Gegenteil nicht geringes Ansehen.“ (Grieb 2012, S. 26)

Spätestens mit der griechischen Kolonisation weiter Teile des gesamten Mittelmeerraumes ab etwa 750 v. Chr. nahm die Seeräuberei wohl allgemein zu. Im westlichen Mittelmeer trafen die Griechen auf die Karthager und Etrusker, die auch seefahrerisch aktiv waren. Man mochte sich nicht besonders und es gab immer wieder räuberische Aktivitäten gegen Schiffe oder Küstenorte der anderen Völker. Doch kam es auch immer wieder vor, dass griechische Schiffe von Griechen überfallen wurden, wenn sie aus einem anderen Stadtstaat kamen. Herodot berichtete ziemlich beiläufig über die seeräuberischen Aktivitäten der Griechen aus Phokaia. War schon im Frieden das Befahren der Gewässer des Mittelmeeres ein großes Risiko, so war Freibeuterei bei militärischen Konflikten natürlich ein wesentliches Mittel der Seekriegsführung. Und Kriege gab es zur Zeit der griechischen Stadtstaaten sehr viele.

Es gibt einige wenige Darstellungen von Piratenangriffen auf Handelsschiffe auf griechischen Keramiken. Man sieht, dass so manches Piratenschiff eigentlich wie eine griechische Kriegsgaleere gebaut war, inklusive Rammsporn. Schnellen und gut bewaffneten Räubern dieser Art hatten die schwerfälligen antiken Handelsschiffe nichts entgegenzusetzen. Sehr oft wurden aber nur kleinere Ruderboote eingesetzt, die schnell auftauchen und rasch wieder verschwinden konnten.

Viele nutzten die Piraterie und die großen damit verbundenen Gewinne auch für einen raschen Aufstieg. Wie heute wurde in Regionen ohne fest gefügte Territorialität und Staatlichkeit wenig nach der Herkunft des Vermögens gefragt und oft waren Nachkommen in der von Großkriminellen in der zweiten Generation schon regelrecht „nobilitiert“. Wichtig bei Piratengruppen war jedoch immer, dass es eine Hierarchie gab und der Anführer gewisse Privilegien hatte, während allgemein jedoch bei der Aufteilung der Beute ein gewisses Prinzip von Gleichrangigkeit vorherrschte.

Um 530 v. Chr. gab es den räuberischen Flottenkommandanten Polykrates, der als einfacher Seeräuber begann und sich unter Ausschaltung des örtlichen Adels zum Herrn von Samos aufschwang. Er wird als raublustig, kühn, listig und grausam beschrieben. Polykrates eroberte Lesbos und Milet und bedrohte die Schifffahrt in der Ägäis so sehr, dass die meisten ihm freiwillig Tribut zahlten. Die ehemaligen „Kollegen“ vom Beginn seiner Laufbahn als Pirat waren ihm bald unangenehm und er rottete sie alle mit großer Brutalität aus. Schließlich wurde der erfolgsverwöhnte Polykrates immer übermütiger und stieg in die große Politik zwischen Ägypten und Persien ein. Das führte dazu, dass er ein schlimmes, aber für ihn vielleicht angemessenes Ende fand: „Polykrates aber wurde wie ein Pirat ans Kreuz genagelt, und so denn verreckte der wilde Wogenfürst nackt und arm, vom Regen gewaschen, von der Sonne gefleckt…“ (Leip 1969, S. 25)

Herodot berichtete von einem gewissen Dionysios aus der für ihre Seefahrer bekannten kleinasiatischen Stadt Phokaia, der durch Seeraub zu großer Macht, Reichtum und Ansehen gelangte. Dionysios hatte während des Ionischen Aufstandes gegen die Perser im Jahre 495 v. Chr. das Kommando in einer Seeschlacht, die allerdings für die Griechen recht erfolglos verlief. Doch Dionysios konnte drei persische Schiffe kapern und entschloss sich, nicht in seine Heimat zurück zu segeln, sondern weiter einen Kaperkrieg auf hoher See zu führen. Seine Hauptopfer waren phönizische Schiffe, die ihm nach und nach großen Gewinn einbrachten. Mit diesem Kapital begann er dann, sich in größerem Maßstab auf Sizilien als Seeräuber festzusetzen. Von hier aus griff er allerdings nur die Karthager und Etrusker an, während er griechische Schiffe verschonte. Dionysios erlangte große Macht und Reichtum und wurde in seiner Region gefürchtet.

Auch im Peloponnesischen Krieg spielten das Kaperwesen und die Piraterie eine große Rolle, wobei Athen lange Zeit versuchte, sie zu bekämpfen und unter Kontrolle zu bringen. Besonders Sparta setzte während der großen innergriechischen Auseinandersetzung auf angeheuerte Seeräuber, um das wirtschaftlich mächtigere Athen zu bekämpfen. Auch in der spätklassischen Zeit war die Seeräuberei ein bedeutender Faktor der griechischen Lebenswelt und auch die Hauptquelle des Menschenraubs für die Sklaverei. Nun wurde ganz besonders die kilikische Küste zum Schwerpunktgebiet der Piraterie, was sich bis in die Zeit des römischen ersten Jahrhunderts v. Chr. halten sollte. Aber auch Illyrien, einige ägäische Inseln und besonders Kreta wiesen zahlreiche Piratenstützpunkte auf, wobei letzteres darin schon eine lange Tradition hatte.

Der antike griechische Autor Heliodorus von Emesa beschrieb, wie sich so ein Überfall abgespielt haben könnte, als ein phönizisches Handelsschiff von einem Piratenschiff aus Kreta verfolgt wurde: „Als eine Windstille eintrat, mussten wir zu den Riemen greifen, aber die Barke kam immer näher. Dort legten sich alle in die Riemen, und es war ein leichtes Schiff. Auf unserem Fahrzeug herrschte ein fürchterlicher Tumult. Die Leute jammerten und liefen durcheinander… Als einer der Piraten an Bord sprang, ein paar unserer Leute niederschlug, und weitere ihm folgten, verloren die Phönizier den Mut, warfen sich zu Boden und flehten um Gnade.“ (Mitchell 1976, S. 26)

Alexander der Große ärgerte sich sehr über die Piraterie an den Küsten seines riesigen Machtbereiches und ordnete an, die Meere von den Seeräubern zu säubern. Da der Makedone über die nötigen Machtmittel verfügte, fielen dieser Aktion eine große Anzahl von Piraten zum Opfer. Doch auszurotten war das Übel damit nicht, zumal dem großen Alexander nur wenige Lebensjahre beschieden waren und seine Nachfolger weitaus weniger konsequent vorgingen. Es gibt noch eine kleine Geschichte über Alexander und die Piraten: Angeblich hat er einmal einen gefangenen Piraten befragt, warum dieser seinem Handwerk nachginge. Darauf soll der Pirat geantwortet haben: „Aus dem gleichen Grund, aus dem du die die ganze Welt belästigst. Aber da ich es in einem kleinen Schiff mache, nennt man mich einen Piraten. Weil du es mit einer großen Flotte tust, nennt man dich einen Imperator.“ (Platt 1995, S. 9)

Der Hellenismus bescherte uns auch einen Fachausdruck für die kriminellen Aktivitäten zur See. Die Seeräuber hießen von nun an „peirates“, was im Lateinischen als „pirata“ übernommen wurde. Sie hielten sich selten fern von der Küste auf und führten ihre Unternehmen in der Regel nur bei Tageslicht durch. Somit wäre es ein Leichtes gewesen, ihnen zu entkommen, wenn man zum Beispiel außer Sichtweite der Inseln oder nachts unterwegs gewesen wäre. Aber derlei war in der Antike eher ungewöhnlich und wurde als sehr gefährlich angesehen, somit musste man die Gefahr durch die Piraten in Kauf nehmen.

Eine griechische Sage berichtet von einer Gruppe etwas dümmlicher Piraten, die Dionysos, den Gott des Weines, gefangen nehmen wollten, um ein Lösegeld für ihn zu erhalten. Dionysos aber verwandelte sich in einen Löwen und trieb die Piraten ins Meer. Sie wurden zur Strafe in Delfine verwandelt, wie sie auf vielen antiken Mosaiken zu sehen war. Die Römer kannten später die gleiche Sage, allerdings hieß ihr Weingott nunmehr Bacchus. (Platt 1995, S. 9)

ROMS LANGER KAMPF MIT DER PIRATERIE

„Merkwürdig bleibt, wie hin und wieder erstaunlich kleine Volksgruppen die Seefahrt des ganzen Mittelmeeres zu beunruhigen vermochten.“

(Leip 1969)

Lange Zeit hatte die Macht Karthagos zumindest im westlichen Mittelmeer für Ordnung gesorgt und die Piraterie in erträglichem Rahmen gehalten. Doch als die Römer im Jahre 146 v. Chr. dem ungeliebten Konkurrenten im Dritten Punischen Krieg endgültig den Todesstoß versetzten, entstand in gewisser Weise auch ein maritimes Machtvakuum, das von der römischen Flotte nicht so schnell beseitigt werden konnte. Große Kaperflotten tauchten mit einem Male auf, der See-, Küsten- und Menschenraub blühte auch im westlichen Mittelmeer. Sogar Ostia, die wichtigste römische Hafenstadt, wurde geplündert und vornehme Römer gerieten immer wieder in die Gefangenschaft der Piraten. Diese problematischen Zustände hielten lange an.

Die Römer nannten das Mittelmeer „mare nostrum“ (unser Meer), doch war das über viele Jahrhunderte nur bedingt richtig. Ganze Flotten von Piraten machten fast das ganze Meer unsicher und die Existenz dieser Seeräuber hatte auch Auswirkungen auf die römische Geschichte. Als zum Beispiel der Gladiator Spartacus, der den wohl für Rom gefährlichsten Sklavenaufstand aller Zeiten anführte, im Jahre 71 v. Chr. mit seinem riesigen Sklavenheer im Süden Italiens stand, trat er mit den Kilikischen Piraten in Verbindung. Der Grund dafür war, dass er wollte, dass ihn die Piratenflotte mit Tausenden seiner Leute nach Sizilien übersetzen sollte. Geld zur Bezahlung der Piraten hatte er durch seine Raubzüge genug, Spartacus wurde aber von den Piraten betrogen und im Stich gelassen, obwohl sie sein Geld genommen hatten. Die Römer dürften noch viel mehr geboten haben, um den Plan des Sklavenführers zu vereiteln. Letztlich musste Spartacus mit seinen Leuten auf dem Festland bleiben und sah seinem Untergang entgegen. Wenn er mithilfe der Piraten die wichtige Insel Sizilien unter seine Kontrolle gebracht hätte, wäre es vielleicht zu einer anderen geschichtlichen Entwicklung gekommen.

Selbst der stolze Gaius Julius Caesar wurde in jungen Jahren ein Opfer der Piraten. Im Jahre 75 v. Chr. reiste er nach Rhodos, um das Studium seiner Redekunst zu vollenden, doch sein Schiff wurde bei der kleinen Insel Pharmakussa südlich von Milet von Piraten gekapert. Der stolze Römer war nun etwa fünf Wochen lang auf einer kleinen ionischen Insel gefangen, bis endlich das geforderte Lösegeld von 50 Talenten eintraf. Der später mächtigste Mann Roms setzte nach seiner Freilassung alle Hebel in Bewegung, um seine Entführer zu fassen. Eiligst wurde eine bewaffnete Expedition mit fünf Schiffen losgeschickt, die vorwiegend von Caesar finanziert wurde, er übernahm auch gleich das Kommando und folgte den Piraten in ihre Schlupfwinkel an der kilikischen Küste. Die arglosen Seeräuber wurden schließlich während eines Gelages, mit dem sie ihren Erfolg feierten, überrascht und überwältigt. Caesars Leuten fielen 350 überlebende Piraten und die erpressten 50 Talente in die Hände. Zudem konnten die restlichen Gefangenen der Piraten befreit werden. Der rachsüchtige junge Römer musste sich dann noch gegen den Statthalter durchsetzen, der die Hinrichtung der gefangenen Piraten ablehnte. Aber Caesar, der nie zartbesaitet war, wollte blutige Rache. Unter Einsatz seiner finanziellen Mittel gelang es ihm durchzusetzen, dass 300 der Kilikier erwürgt wurden und der Rest ans Kreuz geschlagen wurde. Genau das hatte er ihnen angekündigt, doch ließ er einigen der Anführer vor der Kreuzigung „gnadenhalber“ die Gurgel durchschneiden.

Nachdem die Römer die griechische Welt vollkommen unter ihre Kontrolle gebracht hatten, mussten sie sich auch massiv mit der Piraterie in der Region auseinandersetzen. Zum Teil waren sie selbst schuld an dem Problem, denn sie hatten den Machtverfall der auf das Reich Alexanders des Großen folgenden Diadochenstaaten gefördert und ihnen dann den Gnadenstoß gegeben. Durch diese Entwicklung wurde das Entstehen schlagkräftiger Piratengruppen gefördert, die einige Zeit lang kaum wirksam bekämpft werden konnten. Im an der Südküste Kleinasiens gelegenen Kilikien entstand sogar eine fast wie ein Staat organisierte Freibeuter-Gemeinschaft, die auch aufgrund ihrer Größe einen bedeutenden Machtfaktor zur See darstellte. Deren Hauptopfer wurden zunehmend die immer präsenteren römischen Handelsschiffe. Diese Entwicklung nahm bald ein sehr bedrohliches Ausmaß für das römische Wirtschaftswesen an.

Die Römer hatten den Hafen auf der griechischen Insel Delos zum Freihafen erklärt, das zog viele Handelsschiffe und auch Piraten magisch an. Delos erlebte eine große Blüte, da hier legales und illegales Gut ohne große Probleme weiterverkauft werden konnte. Besonders Sklaven wurden in großen Mengen gehandelt, meistens Entführungsopfer von Piraten, was wohlhabende Römer aber nicht daran hinderte, sich hier mit dem für die Antike wichtigsten Produktionsfaktor einzudecken. Delos galt schon bald vielen als großes Ärgernis, aber der Handel blühte und kaum jemand fragte nach, woher die wohlfeilen Waren und die Sklaven kamen. Und der Seeraub blühte in der Ägäis und im restlichen Mittelmeer. Als jedoch die für die Ernährung der plebejischen Bevölkerung Roms so wichtigen Getreideschiffe zunehmend Opfer der Piraten wurden, regte sich auch in den stets zur Aufruhr neigenden Unterschichten der Stadt der Ärger. Man forderte Maßnahmen der Verantwortlichen, um das gemeine Volk vor einer Hungersnot zu bewahren.

Ein Schlag gegen das kleinasiatische Piratenwesen wurde von Publius Servilius Vatia Isauricus geleitet, der nach einer wechselhaften politischen Karriere 78 v. Chr. Prokonsul von Kilikien wurde. Nach einem Jahr Vorbereitung für den Feldzug, bei der vor allem eine Flotte leichter und schneller Schiffe bereitgestellt wurde, begann 77 v. Chr. der eigentliche Kampf. Zuerst wurde Lykien angegriffen, wo sich ein Pirat namens Zeniketes zum Herrn einiger Küstenstädte emporgeschwungen hatte. Die Römer konnten Zeniketes in seiner Festung auf dem Berg Olympos einschließen, wo er wegen der Ausweglosigkeit seiner Lage sich und seinen Anhang durch ein Feuer tötete. Da Zeniketes vermutlich kilikischer Herkunft oder zumindest mit diesen verbündet war, nahmen die kilikischen Seeräuber nun den offenen Kampf mit den Römern auf, anstatt wie bisher üblich jeder Seeschlacht auszuweichen. Es kam dann zu einem blutigen Seegefecht zwischen den Kilikiern und der Flotte des Servilius Isauricus, bei dem sich die Römer sehr schwer taten, einen eindeutigen Sieg zu erringen. Letztlich konnten sich die Soldaten Roms aber durchsetzen und zerstreuten die Kilikier. Danach begann Servilius Isauricus eine Strafaktion gegen die an der pamphylischen Küste gelegene piratenfreundliche Stadt Attaleia, die sich unterwerfen und große Gebiete abtreten musste. Damit hatten die Römer zwar einen Sieg über das kleinasiatische Piratentum errungen, aber nicht das Übel wirklich beseitigt. Schon bald zeigte sich, dass sich die Kilikier rasch von ihrer Niederlage erholt hatten und die Probleme begannen aufs Neue.

In den Jahren 74 bis 71 v. Chr. mühte sich auch Marcus Antonius Creticus, der Vater des später so berühmten Triumvirn, damit ab, die Piraterie zu bekämpfen. Er hatte ein „unbegrenztes Imperium“ erhalten, das ihm große Vollmachten gab und seine Amtsbefugnis umfasste das gesamte Mittelmeer. Doch die Erfolge hielten sich in Grenzen und es gelang nicht, die bedeutendsten Piratengruppen zu vernichten. Marcus Antonius Creticus starb 71 v. Chr. während seines Feldzuges gegen das mit den Piraten verbündete Kreta.

Der römische Senat gab schließlich dem Feldherrn Gnaeus Pompeius Magnus ein umfassendes Kommando zur Vernichtung der Piratenplage. Sogar Caesar, der eher ein Konkurrent von Pompeius war, stimmte im Jahre 67 v. Chr. dem Gesetz zu, das Pompeius weitreichende Vollmachten und eine für einen römischen Feldherrn ungewöhnlich große Macht gab – war doch Caesar selbst Opfer der Piraten geworden. Pompeius bewies bei seiner Aufgabe großes Geschick und führte einen regelrechten „Blitzkrieg“ gegen die Piraten. Er hatte 20 Legionen und 500 größere Schiffe zur Verfügung, außerdem konnte er seine Kommandogewalt an allen Küsten 50 Kilometer landeinwärts ausdehnen – eine viel diskutierte Einmaligkeit, denn alle römischen Statthalter in diesen Provinzen mussten sich dem Befehl von Pompeius unterordnen. Aber genau diese Maßnahmen wurden die Grundlage seines Erfolges, schon nach einigen Wochen war der Großteil der Piratenbanden vernichtet. Das traf ganz besonders die gefürchteten Kilikier, die als der eigentliche Kern der antiken Piraterie galten. Die Besiegten wurden jedoch nicht gänzlich ausgerottet, sondern in großem Maßstab umgesiedelt und befriedet. Jedermann in Rom war erstaunt über die große Schlagkraft und Effizienz des Unternehmens. Mit einem Male schien die Piratengefahr für alle Zeiten ihren Schrecken verloren zu haben. Pompeius wurde wegen seiner großen militärischen Führungsqualitäten schon ein Jahr später das Oberkommando im Krieg gegen Mithradates übertragen, wo er wieder große Lorbeeren einheimste.

Die Bewohner Kilikiens, die einen Landstrich bewohnten, der nur von See her gut zu erreichen war, hatten durch die vielen Kriege in ihrer Region, die seit den Assyrern hier tobten, immer wieder sehr gelitten. Schließlich wandten sie sich dem Seeraub zu, der viel ertragreicher war als ihre kargen Böden. Schon das Orakel von Delphi hatte die Kilikier deshalb verurteilt und Plutarch schilderte diese Piraten als sehr gute Seeleute mit schnellen Schiffen, die sich besser als alle anderen an der zerklüfteten Küste auskannten und deshalb immer wieder schnell zuschlagen und entwischen konnten. Die Kilikier wurden deshalb im Laufe der Zeit sehr wohlhabend und sollen ihre Segel mit echtem Purpur gefärbt haben, das in der Antike fast unbezahlbar war. Die Schiffe der Piraten waren angeblich mit goldenen und silbernen Beschlägen verziert und sie wurden allgemein als sehr prahlerisch und verschwenderisch beschrieben. Im Laufe der Zeit sollen die Kilikier noch vor dem Auftauchen der Römer bis zu 400 griechische Städte und Tempel geplündert haben. Nun wurde ihnen zum Verhängnis, dass sie das mächtige Rom herausgefordert hatten, vom Piratenfeldzug des Pompeius sollten sie sich nie mehr erholen und die berüchtigten kilikischen Piraten waren damit bis auf einige klägliche Reste Geschichte.

Das Schicksal wollte es, dass Sextus Pompeius (67–36 v. Chr.), der Sohn des großen Piratenbezwingers, nach der Niederlage und Ermordung seines Vaters selbst zum Piraten wurde. Auf diese Art versuchte er, seine Feinde, zu denen besonders Octavian gehörte, zu bekämpfen. Sextus Pompeius versuchte alles, um die italienischen Küsten von der Versorgung mit Getreide und anderen wichtigen Gütern abzuschneiden, wozu er vor allem von Sizilien aus operierte. Die großen, bauchigen römischen Lastschiffe, die eine Menge Getreide transportierten, waren auf ihren Routen von Karthago und Alexandria nach Ostia leicht aufzuspüren und auch leicht zu entern. Der Sohn des großen Pompeius kaperte viele Schiffe und war einige Zeit sehr erfolgreich, ehe er 36 v. Chr. von Octavian besiegt wurde und dabei sein Leben verlor.

Nachdem Octavian/Augustus nach seinem Sieg über Marcus Antonius und Kleopatra endgültig die ganze Macht im Römischen Reich in seinen Händen hielt, begann im Mittelmeerraum eine Epoche, die bis dahin einmalig war. Für 250 Jahre war das Mittelmeer nun ein Hort der weitgehenden Sicherheit für die Schifffahrt, Piratenüberfälle kamen so gut wie nicht mehr vor. Dafür garantierte die starke und präsente römische Kriegsflotte, der Piratenschiffe nichts entgegenzusetzen hatten. Erst als das römische Reich in die Krise des dritten Jahrhunderts nach Christus kam und man die Flotte verfallen ließ, kam die Unsicherheit für die Seefahrt im Mittelmeerraum zurück. Es gab wieder Piratengruppen, Kaperungen und Überfälle, so wie vor dem großen Feldzug des Pompeius.

In anderen Regionen der antiken Welt war niemals Sicherheit vor Piraterie eingekehrt, wie im Mittelmeer unter der „Pax Romana“. So sah sich der persische König Schapur (309–379) gezwungen, einen erbarmungslosen Kampf gegen die Seeräuber im Persischen Golf zu führen. Dabei erhielt er den Beinamen „Zulaklaf“ (Herr der Schultern), weil er die Schultern der gefangenen Seeräuber durchbohren und sie wie Perlen an einer Schnur aufgereiht aufhängen ließ. Überhaupt war der Persische Golf seit der Frühzeit menschlicher Zivilisation bis hin ins 19. Jahrhundert ein Tummelplatz für Piraten, eine Vielzahl von lokalen und überregionalen Herrschern bis hin zu den Kolonialmächten der Neuzeit mussten sich mit dem Problem der Seeräuber in diesem Gebiet auseinandersetzen.

In der Untergangsphase des römischen Imperiums wurde das Mittelmeer zu einem immer gefährlicheren Ort. Die unruhigen und expansiven germanischen Stämme entdeckten ziemlich schnell die Seefahrt und bereits im 3. Jahrhundert begannen die Goten von der Krim aus, Seeraub zu betreiben, sie suchten das Schwarze Meer und auch Teile des Mittelmeeres heim. Spätestens mit der Errichtung des Reiches der Vandalen im ehemals römischen Nordafrika im Jahre 429 erreichten die Fahrten der Germanen im Mittelmeer ihren Höhepunkt. Man bezeichnete den bedeutendsten Herrscher der Vandalen, Geiserich, sogar als „Seekönig“. Nun war selbst die Stadt Rom vom Meer her bedroht.

Die Seeraubzüge der Vandalen brachten den Handelsverkehr der Spätantike fast völlig zum Erliegen. 455 griffen die Vandalen mit einer Flotte sogar Rom an und sollen die Stadt zwei Wochen lang ausgeplündert haben. Damit kam der Begriff „Vandalismus“ in die Geschichte. Durch die vielen Schätze und das angenehme Leben in den Palästen „verweichlichten“ die vormals wilden Vandalen allerdings bald und verloren an Biss. Die Byzantiner setzten schließlich alles daran, dem Unruheherd im westlichen Mittelmeer ein Ende zu setzen und dem Feldherrn Belisar gelang es im Jahre 533 dann auch, die Vandalen größtenteils zu vernichten.

Im Norden des Kontinents gab es als eine Art von Vorgeschmack der späteren Wikingerzeit bereits während der Endphase des Römischen Imperiums germanische Seeräuber. Schon 500 Jahre vor den Nordmännern suchten sächsische Piraten von der Ostsee aus die Küsten Nordeuropas heim. Ihre Schiffe waren klein, wendig und flach, sodass sie auch seichte Gewässer und Flüsse befahren konnten. Sie bedrängten die Römer in England und trugen mit zum Niedergang der Provinz Britannien bei, in der sie sich schließlich festsetzten.

DIE RAUBZÜGE DER SARAZENEN

„Nährt euch von erlaubten Gütern,
die ihr dem Feinde genommen habt!“

(Mohammed 622)

Der Prophet Mohammed starb im Jahre 632 und bereits wenige Jahrzehnte später war das westliche Mittelmeer eine islamische See, kontrolliert von Schiffen, die mit aggressiven jungen Männern hauptsächlich arabischer Herkunft besetzt waren. Sie kämpften, beseelt von ihrer neuen monotheistischen Religion, mit einer fanatischen Todesverachtung, der die geschockten christlichen Streiter wenig entgegensetzen konnten. Wenn es das byzantinische Kaiserreich schließlich unter dem Verlust eines großen Teils seines Territoriums und mittels seiner „Wunderwaffe“, des griechischen Feuers, schließlich schaffte, diesen Ansturm einigermaßen zu überstehen, so waren die Aussichten für die Gebiete des ehemaligen Weströmischen Reiches, den Angriff der so genannten Sarazenen zu überstehen, weitaus schlechter. Selbst der Papst in Rom und somit das Herz des Christentums schien in akuter Gefahr.

Der Begriff „Sarazenen“ war ursprünglich nur der Name eines Volksstammes im Nordwesten der arabischen Halbinsel, die Bezeichnung wurde dann während der islamischen Expansion in den Ländern des christlichen Europa zu einer Sammelbezeichnung für alle islamischen Völker, die ab Mitte des siebenten Jahrhunderts in den Mittelmeerraum eindrangen. Zur Verbreitung des Begriffs trug ganz besonders die von den Eindringlingen betriebene Piraterie bei, zu der sich bald die Eroberung von christlichen Inseln und Gebieten auf dem europäischen Festland gesellte.

Das auch nach dem Untergang des Römischen Reiches in geringerem Maß weiterhin aktive Schifffahrtsund Handelswesen wurde durch den Angriff der Gotteskrieger im westlichen Mittelmeer innerhalb kurzer Zeit völlig zum Erliegen gebracht, während es im östlichen Bereich unter dem Schutz der byzantinischen Flotte auf niedrigem Niveau weiter erhalten werden konnte. Genauso wie die Handelsschiffe wurden die Hafenstädte und viele Küstengebiete Opfer der sarazenischen Gotteskrieger. Durch die Übernahme römisch-byzantinischer Flottenstützpunkte, die Aneignung der spätantiken Schiffsbaukunst und das nautische Wissen der eroberten Küstengebiete hatten die Eroberer aus der Wüste rasch die Möglichkeiten für ihre Expansion zur See erworben.

Im Jahre 649 wurde als erstes größeres Opfer Zypern geplündert, drei Jahre darauf wurde Sizilien angegriffen, wo viele Orte geplündert und zerstört wurden. Viele Gefangene wurden neben großen Mengen an Beute zurück an die syrische Küste gebracht. Die Raubzüge der Sarazenen gegen Landziele waren viel zahlreicher als das Kapern von Schiffen und die Auseinandersetzung mit bewaffneten Schiffen vor allem der Byzantiner. Im Jahre 655 gelang es ihnen allerdings, der byzantinischen Flotte eine schwere Niederlage beizubringen. Später waren sie diesbezüglich weniger erfolgreich, da die Oströmer das berühmte „Griechische Feuer“ einsetzten. Im Jahr 655 erfolgte auch ein großer Überfall auf Kreta, der für die Sarazenen sehr erfolgreich verlief. Etwa zur gleichen Zeit wurden Angriffe auf kleinasiatische Städte wie Ephesos und Halikarnassos überliefert. Auch Rhodos wurde überfallen und dabei der berühmte Koloss von Rhodos erbeutet. Während alle Angriffe der Moslems auf Konstantinopel scheiterten, konnten sie jedoch dem Umland der Stadt massiven Schaden zufügen.

Als die byzantinische Flotte zusehends stärker wurde, verlegten die Sarazenen ihre Angriffe wieder mehr in den Bereich des westlichen Mittelmeeres. Sizilien wurde zunehmend von Tunis aus angegriffen und als weitere Ziele der Raubzüge folgten die Insel Sardinien und die Balearen. Große Teile des Reichtums dieser Inseln verschwanden für immer nach Nordafrika. Als die islamischen Gotteskrieger bei ihrem zweiten großen Angriff auf Konstantinopel in den Jahren 717–718 eine vernichtende Niederlage erlitten, konnten sie für längere Zeit im östlichen Mittelmeer keine größeren Operationen mehr durchführen. Umso mehr wurden die Inseln und Küstengebiete des westlichen Mittelmeeres nun von seeräuberischen Angriffen heimgesucht. Die Bedrohung vom Meer aus durch Piraterie, Plünderung und Entführung gehörte für die Bewohner dieser Region zum Lebensalltag. Dabei wurde vieles, was die Antike an Kultur, Wirtschaft und Handel hinterlassen hatte, endgültig vernichtet.