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Titel

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ISBN 978-3-7751-7168-7 (E-Book)
ISBN 978-3-7751-5479-6 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:
Satz & Medien Wieser, Stolberg

© der deutschen Ausgabe 2013
SCM Hänssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG · 71088 Holzgerlingen
Internet: www.scm-haenssler.de · E-Mail: info@scm-haenssler.de

Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:
Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung
2006, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Umschlaggestaltung: OHA Werbeagentur GmbH, Grabs, Schweiz;
www.oha-werbeagentur.ch
Titelbild: Hl. Kunigunde mit Kirchenmodell: Meister v. Meßkirch, 16. Jh., Foto: akgimages;
Bordüre Engel: OHA Werbeagentur GmbH; Gold: iStockphoto.com
Bild innen: Heilige Kunigunde mit dem Kaiser Heinrich. Urheber unbekannt. Entstehung
um 1520. Tempera auf Holz, 91,5 x 69 cm. Moravian Gallery, Brno.
Karte: Prof. Dr. G. Pápay
Stammbaum: Entnommen aus Karin Dengler-Schreiber »Kunigunde und Heinrich:
Ein Herrscherpaar«, Heinrichs-Verlag GmbH, Bamberg, 2008
Autorenfoto Umschlag: Rainer Luther @ LiBo Media
Satz: Satz & Medien Wieser, Stolberg

Inhalt

Kaufungen 1027: – Beginn meiner Nonnenzeit, Uta veranlasst mich, meine Biografie aufzuschreiben

Wie ich den Bayernherzog kennenlernte, Trier und meine Familie

Mein Leben als Herzogin von Bayern: Erster Italienfeldzug und Freundschaft mit Adelheid und Sophie

Kaiser Otto III. stirbt, Heinrich kämpft um die Macht und ich empfange die Königskrone

Das Leben als Königspaar: Auseinandersetzungen mit Polen, König von Italien und erste Gebetsverbrüderungen

Bamberg wird Bistum und meine Brüder erheben sich gegen uns

Eine Intrige macht mich stark, wir erringen die Kaiserkrone und meine Brüder werfen sich uns zu Füßen

Das Kloster Kaufungen erblüht, Hezilo wird wieder Bayernherzog, Sehnsucht nach Frieden

Wenn schon kein Sieg, dann wenigstens Frieden. Der Papst besucht Bamberg, und Heinrichs Kräfte lassen nach

Nach Heinrichs Tod: Ich lege die Krone ab und nehme den Schleier

Ausklang – Kaufungen 1029: – Ich will die Zeit als Nonne nützen …

Nachwort der Autorin

Leseempfehlungen

Ahnentafeln in Auszügen

Anmerkungen

Fußnoten

Kaufungen 1027:
Beginn meiner Nonnenzeit, Uta veranlasst mich, meine Biografie aufzuschreiben

Gemurmel und Gelächter quillt unter der dicken Türe hervor. Wie kann das sein? Etwas Schlimmes muss passiert sein, wenn unsere liebste Mutter, die Äbtissin, den Laudes fernbleibt. Ich öffne zögernd, da ich unsere liebste Mutter krank auf ihrem Bett liegend vermute. Aber meine Augen sehen, was die Ohren bereits schmerzlich vernommen haben: Uta, die Vorsteherin unseres Klosters, sitzt vergnügt mit zwei Vertrauten in ihrer Kammer. Sie haben Speisen vor sich ausgebreitet, und von fünf Karaffen Wein sind vier bereits zur Gänze geleert.

Schlagartig begreife ich, warum die Äbtissin gefehlt hat: Sie hat sich nach dem Nachtgebet nicht zur Ruhe gelegt, sondern sich mit zwei Nonnen wie Bauerntölpel zum Saufen in einer Schenke zusammengesetzt. Unzüchtigen Weibern gleich führen sie in der heiligen Kammer närrische Reden. Ich bin außer mir. Wie kann man so furchtbar sündigen?

Ich will trotzdem liebevoll fragen: »Liebste Uta, werte Mutter unserer Gemeinschaft, wo warst du während den Laudes?« Doch bevor ich meinen Mund dazu öffne, schlage ich Uta mitten ins Gesicht. Uta starrt mich ungläubig an. Als ich meine Hand sinken lasse, sehe ich, dass ihre Wange aufgerissen ist und Blut aus der Wunde rinnt.

Ich fliehe vor ihr, vor mir. In meiner Kammer lehne ich mich von innen gegen die Tür, damit ich nicht noch mehr Unheil sehe und anrichten kann. Ich bin entsetzt über meine Tat, die ungleich größer ist als die Verfehlungen meiner noch so jungen Nichte. Ich sinke zu Boden und weine in diese unseligen Hände, die die meinen sein sollen. An meinem Handballen haftet noch das Blut Utas. Es vermischt sich mit meinen Tränen und netzt den schönen Ring, der mir einst durch Gottes Willen zum Geschenk gemacht worden ist und den ich nun zur Unzeit trage.

Wie kann mir das passieren? Wie komme ich dazu, meine geliebte Nichte, die ich mit Gottes Willen als Äbtissin meines Klosters einsetzte, mitten ins Gesicht zu schlagen? Ich schaue auf meine Hände, als ob sie nicht die meinen seien, und finde an ihnen den Satan, der mich zu der Tat verleitet hat. Ich selber … ich selber habe den Teufel in meiner schwachen Stunde angezogen, weil ich meinen alten Glanz und die Macht nicht loslassen kann. Wie man die Hand des Liebsten im Schlaf umklammert hält, so drücke ich des Nachts Luzifer an mein Herz.

Der Übeltäter umschließt meinen rechten Ringfinger. Mein wunderschöner Ring aus purem Gold und Edelsteinen. Ich habe ihn nach dem Nachtgebet aus meiner versteckten Truhe geholt und ihn zur Nachtruhe an meinen Finger gesteckt. Die Schmuckseite habe ich nach innen gedreht, damit ich den kühlen Edelstein an meine Wange legen und das goldene Metall riechen konnte. Wenn ich meine Hand schließe, erkennt keine meiner Mitschwestern, dass es nicht der Ring ist, den mir zwei Jahre zuvor der Erzbischof an den Finger gesteckt hat. Zum Zeichen, dass ich nun Gottes Braut bin.

Ich bin Nonne. Doch ich habe noch aus früheren Tagen einen Großteil meines Schmuckes. Den Schmuck, den ich zu der Zeit getragen habe, als ich die Königin und Kaiserin im Reich war. In den Nächten, wenn ich allein in meiner Kammer bin, stecke ich mir meist einen herrlichen Ring an meinen Finger – an den Finger, der tagsüber den schlichten Ring einer Nonne trägt.

Und nun habe ich durch meine verwerfliche Tat unserer Heiligen Mutter geschadet! Der Ring, den in den Schoß der Kirche zu legen ich nicht bereit war, hat ihr die Wange aufgeschlitzt. Noch heute werde ich ihn in die Schatzkammer des Klosters geben!

Ich will kein schlechtes Vorbild sein. Es wird mein Geheimnis bleiben, warum mein Handstreich eine solch tiefe Narbe in dem schönen Gesicht Utas hinterlassen hat. Niemand weiß von meiner törichten Art, mir des Nachts noch den schönsten Schmuck umzulegen, den Byzanz, die Goldschmieden Reichenaus, Echternachs und Triers herstellen. Für Uta und die Schwestern ist die tiefe Wunde ein Zeichen Gottes zur Ermahnung an ihre Treue. Und für mich ist sie ein ständiges Mahnmal, wie weit ich noch davon entfernt bin, meiner Aufgabe als Nonne gerecht zu werden.

Wie sehr bin ich es gewohnt, zu wachen, zu herrschen und zu befehlen. Ein Blick, ein Wort haben früher genügt, dass sich alle vor mir beugten und meinem Willen untertan waren. Nun muss ich lernen, zu gehorchen und auch zu ertragen, was mir missfällt. Ich habe die Krone, ehe sie mir entrissen wurde, in Würde aus meinen Händen gegeben, um als Magd Gottes meine Bestimmung zu finden. Einzig Gott sollte mein Trost und die Liebe seines Sohnes meine Hilfe sein. Doch darüber, so scheint mir, will mein Herz zerspringen wie ein Glas, das auf das Pflaster einer Marktstraße geworfen wird.

Mir ist mit meinen bunten Gewändern mein Fleisch von den Knochen gefallen, und meine Haare im versiegelten Kasten der Klosterkammer schreien noch, als ob sie eben erst von meinem Kopf geschoren worden seien. Heilige Jungfrau, hilf mir durch des Gerechten Blut, dass ich nicht der Dunkelheit anheimfalle und mich an dem heiligen Leib Christi vergehe.

Ich ziehe den tückischen Ring vom Finger und weiß: Ich will ihn nie wieder tragen. Mit leeren Händen komme ich zu dir. Habe ich dies laut oder leise gesprochen? Ich weiß es nicht mehr. Deshalb sage ich nun laut: »Mit leeren Händen komme ich nun zu dir, mein Gott, wie ich es am Tag meines Gelübdes schon versprochen habe.« Es tut gut, diese Worte laut auszusprechen.

Ich gehe hinunter in den Garten. Am Brunnen steht wie immer ein Eimer voll frischen Wassers. Ich wasche mir das Gesicht, die Hände. Den Rest des Wassers gieße ich an die Weinsetzlinge, die immer durstig im steinigen Boden auf Sonne warten. Nie schmecken hier die Trauben, wie sie mir in meiner Heimat Trier mundeten. Nie werden sie so süß wie an den südlichen Hängen um Bamberg.

Die Glocke ruft zur Frühmesse. Wir Nonnen singen die Gebete, hören, wie der Priester die Worte der Heiligen Schrift liest. Er sieht sehr wohl das verbundene Gesicht Utas, und mir sind die Augen vom vielen Weinen noch gerötet. Aber er hält sich an seine Weisungen und fragt nicht weiter nach. Mit seinem Segen gehen wir in den Tag. Hirsebrei mit einem Löffel Butter und Honig ist unsere Morgenspeise. Gelobt sei die Hand, die dieses einfache Gericht mit so viel Liebe zubereitet hat.

Über den Tellern begegnet mein Blick den Augen Utas. Obwohl ich einen solch großen Fehler begangen habe, sehe ich, dass auch sie traurig ist, weil wir uns entzweit haben. »Heilige Mutter, ich bin es nicht wert, dass du meine Bitte um ein unterwürfiges Gespräch annimmst«, sage ich, als wir uns vom Tische erheben und unserem Tagwerk nachgehen.

Doch Uta will nicht, dass ich weiterspreche. Sie nimmt meine Hände in die ihren und zieht mich mit sich fort. Sie eilt mit mir durch den Garten, öffnet die Schreibstube und bittet mich einzutreten. Doch nicht genug, dass sie mit mir durch das Skriptorium geht. Sie führt mich in die Vorratskammer, in der Papyrus, Tinte, verschiedene farbige Pulver und andere kostbare Utensilien aufbewahrt werden, die für die Buchkunst gebraucht werden. »Schau, wir haben die Lieferung Papyrus erhalten. Gestern kam sie an, aber ich konnte dir nicht mehr erzählen, dass ich es für dich bestellt habe.«

Ich verstehe nicht, was sie mir damit sagen will. Haben wir nicht etwas zu bereinigen? Ich kann nicht anders und platze heraus: »Es tut mir so von Herzen leid, was ich dir angetan habe.« Mir stürzen die Tränen von Neuem aus den Augen.

»Ach«, wehrt Uta ab, »die Wange wird schon heilen. Wir haben es gestern ja auch übertrieben mit der Freude über den so sauber gearbeiteten Papyrus für dich. Ich konnte einfach mit meinem Auftrag und der Freude darüber nicht warten. So haben wir schon begossen, was wir mit dir feiern wollten.«

Ich sehe die Äbtissin verständnislos an. Da richtet sie ihre Kutte, streicht das Kreuz gerade und fragt mich: »Sitzt der Schleier richtig?«

Ich antworte: »Der Schleier sitzt hervorragend.« Von der verbundenen und geschwollenen Wange will ich nicht reden.

»Ich treffe dich nach der Terz in meiner Dienstkammer«, bestimmt sie fröhlich und geht fort.

Als die Glocke läutet, bin ich die Erste, die sich zur Terz, dem Vormittagsgebet, einfindet. Ich bin neugierig, was mich in Utas Kammer erwarten wird. Welche Strafe hat sie sich wohl für mich ausgedacht? Ich kann mich kaum auf das Gebet konzentrieren.

Nach dem Gebet folge ich der Äbtissin. Wie es sich gehört, bleibe ich an der Tür stehen. »Setz dich«, werde ich angewiesen. Ich tue, was sie sagt, und halte die gefalteten Hände vor meinen Mund, denn ich erwarte meine Strafe.

Uta beginnt mit ihrer viel zu forschen Art, Anweisungen zu geben. »Da ich nun meine liebste kaiserliche Tante als unterwürfige Nonne in meinem Chor habe, so nehme ich mir die Freiheit, ihr einen Auftrag zu erteilen, auf den noch kein Abt oder Bischof je gekommen ist.«

Ich habe mich züchtig und ordentlich vor Uta hingehockt, aber nun muss ich aufsehen, lasse meine Hände sinken und frage: »Worauf kam noch kein Abt oder Bischof, was doch Christus gebührt?«

Da lacht Uta laut. »Alle umgeben sich mit Schreibern und Lobsängern. Auch ihr habt es so gehalten, um den eigenen Glanz zu mehren. Thietmar von Merseburg schrieb eure Geschichte so ausführlich nieder, dass ihr nie mehr vergessen werdet. Von den Chronisten werden die Tatsachen jedoch meist so beschrieben, dass es scheint, es gäbe nur Heilige oder Gottlose. Ich beauftrage dich jedoch, selbst deine Geschichte aufzuschreiben, wie sie durch Gottes Güte schon im Hause deiner Eltern in Luxemburg begann. Du sollst nichts dazuerfinden oder vergessen.« Uta sieht mein verdutztes Gesicht und fährt fort: »Dein Auftrag, zu schreiben, sollte dich nicht schrecken. Roswitha von Gandersheim ließ sich auch nicht abhalten, ihre philosophischen Gedanken auf Papyrus zu bringen. Du sollst jedoch nicht von Dichtern und Denkern sprechen, sondern dich einzig an die Tatsachen halten, die dein Leben ausmachen. Dazu gebe ich dir drei Jahre Zeit. Drei Stunden am Tag sollen dir genügen. Um nicht die Neugier der Menschen auf uns zu laden, darf niemand die Zeilen lesen. Ich selbst werde auch nicht hineinschauen. Die Blätter sollen versiegelt und von dir an einem geheimen Ort begraben werden.« Dann zeigt sie mir Tisch und Bank, wo ich mich jeden Werktag nach dem Morgenmahl einzufinden habe.

»Werte Mutter, verzeih mir meine törichte Frage. Warum soll ich aufschreiben, wie mein Leben war, und auch noch das, was geschah, ehe die Welt auf mich aufmerksam wurde? Und wozu mühevoll schreiben, was keiner liest?«

Da mustert mich Uta mit strengem Blick und spricht doch gütig wie eine Mutter: »Gott selbst wird dir nah sein und deine Worte lesen. Alles, woran du dich in Demut erinnerst, ist vor Gott wie ein Gebet, das er erhört und wodurch er dir Frieden schenkt. Darin wird Segen und Heil für alle liegen.« Dann nimmt Uta wieder meine Hände in die ihren und sagt eindringlich: »Ich kann nicht länger mit ansehen, wie du dich mühst, eine von uns zu sein, und doch keine wahre Freude damit erringst. Ich möchte, dass du dich darauf besinnst, wer du bist und was du losgelassen hast. Ich werde zu Gott beten, dass du dich in deinem auserwählten Zuhause auch geborgen fühlst und fröhlich bist. Schreib, geliebte Tante, schreib. Mit jedem Wort, das du in Wahrheit schreibst, werden diese Räume deine Heimat werden.«

Was sich meine Nichte nur dabei gedacht hat! Ich soll mich an all das erinnern, was ich doch mit dem Eintritt in mein Kloster begraben wollte! Diese Tortur, jeden Tag drei Stunden mit der Feder über den rauen Papyrus zu kratzen und niederzuschreiben, was längst vergangen ist. Mir kommen die Anweisungen meiner Nichte ausgesprochen merkwürdig vor; aber sie beschämt mich, weil sie immer wieder zu mir kommt und sagt: »Tante, ich brauche dich doch. Ich brauche dich so sehr!« Sie hätte gewiss in mir so viel mehr gehabt, wenn ich ihr keine Tante, sondern eine bessere Nonne gewesen wäre.

Ich schlafe nicht in der folgenden Nacht. Eine ohnmächtige Trauer hat sich meiner bemächtigt. Noch einmal wird mir das Liebste und Schönste entrissen. Die Luft in meinem Zimmer ist schwarz, und ich traue mich kaum, mich zu bewegen, als die Glocke zum Nachtgebet ruft, denn meine Gebeine sind aus trockenem Lehm, und meine Zunge ist kalt. Es ist Gottes Atem, der die Gebete singt und meine Beine lenkt. Gott selbst lässt mich beten und singen. Ich danke ihm dafür, und doch ist er mir so fern.

Am nächsten Tag sitze ich gleich nach der Terz an meinem Schreibpult. Obwohl meine Hände verkrampft sind, schaffe ich es, die Feder in die Tinte zu tauchen. Uta hat auf mich gewartet. Sie beobachtet mich genau. »Wenn du schreibst, bist du keine Nonne, liebe Kunigunde.« Sie legt mir zärtlich ihre Hand auf die Schulter. »Wie alt warst du damals? Warst du schon zwanzig?«

»Drei Jahre jünger«, gebe ich zur Antwort und wiederholt gedankenverloren: »Drei Jahre jünger und voller Tatendrang.«

»Ich weiß, du warst damals noch schlimmer und dickköpfiger als ich. Meine Mutter hat es mir erzählt. Das ist doch schön! Schreib, schreib auf, was war!«

So sitze ich nun vor den neu erworbenen Blättern und halte die Feder unschlüssig in meiner Hand. Wo soll ich beginnen? Die vergangene Zeit ist immer noch lebendig. Wenn ich die Augen schließe, fühle ich die Krone noch auf meinem Kopf. Und wenn ich manchmal von der Höhe des Klostergartens um mich blicke, dünkt mich, ich kann die Hand nach Corvey, Hildesheim und Goslar ausstrecken und in Gandersheim und Quedlinburg meine adligen Freundinnen, die Äbtissinnen Sophie und Adelheid, grüßen. In meinen Träumen schreite ich in Magdeburg und Merseburg immer noch die Stufen der Pfalzen hinauf, und zu meinen Seiten neigen die Herrschaften ihre Köpfe und verbeugen sich. Das Volk liegt mit gesenktem Blick auf dem Boden und schaut erst auf, wenn ich vorbeigeschritten bin. Weht der Wind aus Westen, so vernehme ich das Glockengeläut Paderborns, Mainz’ und Triers. Ich fühle den kühlen Marmor der Kölner Säulen unter meinen Händen und sehe die hohen Bögen des Aachener Domes über mir. Wenn die Sonne golden am Horizont steht, so leuchten mir die Türme Bambergs, Regensburgs, Montecassinos und Roms zum Gruß. Wie einem Adler liegt mir die Welt von den Meeren des Nordens bis zu den Wassern des Südens immer noch zu Füßen. Doch das bilde ich mir jetzt nur ein. Die Erinnerung gaukelt mir wieder die alten, ruhmreichen Zeiten vor. Die Menschen verneigen sich nun vor dem neuen Königspaar, und zu den Messen in Kaufungen sitze ich nicht mehr auf der Kaiserempore, sondern im Chor der Nonnen.

Ich werde mich nun mit allen meinen Kräften bemühen, den Anweisungen Utas zu folgen und wahrheitsgetreu aufzuschreiben, was geschah. Damals war ich weder Kaiserin noch Nonne.

Ich nehme die Feder vorsichtig in die Hand und setze an. Trier, im Jahre 997, beginne ich.

Als Tochter von Graf Siegfried hatte ich von Kindesbeinen an glücklich, wenn auch von der großen Welt unbeachtet, in unserer ehrwürdigen Stadt gelebt. Ein Tag in jenem Sommer genügte jedoch, um mein Leben in völlig andere Bahnen zu lenken.

An jenem Tag brachte mein Bruder Hezilo hohen Besuch auf das väterliche Anwesen, unter ihnen auch Herzog Heinrich von Bayern. Vater und Hezilo bestanden darauf, dass ich den edlen Herren Trier von der schönsten Seite zeige, und ich freute mich darauf.

Ich muss lachen, wenn ich nun daran denke, denn ich war ein glückliches Kind gewesen, das die Kunst und den Himmel liebte. Ich zähle die Jahre an meinen Fingern zurück. Und mein Herz wird froh. Siebzehn Jahre alt sein und nur die Kinderzeit kennen. Wie leicht und unbeschwert es mich macht!

Wie ich den Bayernherzog kennenlernte, Trier und meine Familie

Nachdem die Mosel uns im Frühjahr mit ihren wilden Wassern in Atem gehalten hatte, floss sie nun friedlich und träge in einem viel zu großen Kleid über die Steine. Gräser wiegten sich in der Sonne, und allerlei buntes Kraut hatte sich im neu ausgespülten Bachbett angesiedelt. Die kleinen Teiche um St. Marien konnten jedoch noch immer nicht begangen werden, da sich die Felder nach der Flut in sumpfige Wiesen verwandelt hatten.

Die anderen waren vorangegangen, und ich gab mir keine Mühe, ihnen zügig zu folgen. Die Gäste hatten im Kloster St. Maximin eine gute Unterkunft gefunden. Wie gut, dass mein Vater Vogt des Klosters war und die Adeligen und Reisenden stets gut versorgte. Mein Bruder Hezilo, der eigentlich Heinrich hieß, war mit anderen aus des Kaisers Gefolge von Italien zurückgekommen. Sie hatten in Nimwegen Weihnachten gefeiert, und Herzog Heinrich von Bayern, der zu dieser Schar gehörte, hatte eigentlich noch einige Monate in Aachen bleiben wollen. Mein Bruder jedoch war nach Trier zurückgekommen, und Herzog Heinrich war seiner Einladung gefolgt. Es war also hoher Besuch, den ich an diesem Tag durch die Stadt führen sollte.

Am meisten freute ich mich darauf, Herzog Heinrich all das zu zeigen, was mir selber doch so gefiel und worauf ich stolz war. Er war nicht wie viele übliche Besucher, die sich nur oberflächlich für die Dinge interessierten. Was er sah, weckte in ihm ebenfalls Empfindungen, er betrachtete alles genau und fragte auch bei Kleinigkeiten nach, damit er sich einen genauen Überblick verschaffen konnte.

Seine Neugier war schon seit Kindesbeinen auch die meine gewesen. Ich schlüpfte durch jede Tür, hinter der ich Bücher und Kunstwerke vermutete, und wenn die Glocke erklang, so feierte ich die Stunde und das Gebet mit einer größeren Freude, als mein Vater sie beim Genuss seines besten Weines hatte. Meine Mutter sagte mir, dass ich schon in ihrem Bauch gehüpft sei, als die Mönche des St.-Eucharius-Klosters beim Neubau die Gebeine des Heiligen Celsius, einem der ersten Bischöfe Triers, in ihren Mauern fanden. Deshalb wunderte sie sich nicht über meine Freude, im St.-Irminen-Kloster eine gute Ausbildung zu bekommen. Ich fand jedoch, dass mir die Schwestern viel zu wenige Antworten auf meine Fragen gaben, und so schlich ich mich, sobald es ging, in die Gesellschaft von Männern.

Zum Glück hatte ich genug Brüder, und mein Vater war der mächtige Graf vom Moselgau und regierte weit darüber hinaus. Er hatte die alte, verfallene Luxemburg gekauft und sprach davon, dass seine Nachfahren noch mächtigere Grafen werden würden. Doch je älter ich wurde, umso schwieriger war es, sich in Männergespräche einzumischen. Es konnte mir jedoch niemand nehmen, in allen Gebäuden ein- und auszugehen, denn ich war die Tochter meines Vaters.

Obwohl ich mich oft für Dinge interessierte, die Damen nicht anstanden, hatten doch meine Verwandtschaft und selbst die Lehrer der Adeligen mich gefragt, ob ihre Töchter einige Zeit bei uns wohnen könnten und ich diesen gute Manieren und nötiges politisches Wissen beibringen könnte. Das war eine so große Auszeichnung für mich, dass mir nichts anderes übrig blieb, als selber vorbildlich zu handeln und die Mädchen so zu unterrichten, dass ihnen eine gute, erfolgreiche Zukunft offenstand. Ich überwachte auch den Unterricht der Mädchen und drängte darauf, dass auch sie die Kunstfertigkeiten Triers zu Gesicht bekamen.

Meine Nichte Uta war erst sieben Jahre alt, als sie zu uns ins Haus kam. Ihr Kleid war von der Brust bis zum Bauch nass vor Tränen, als sie kam. Wie dauerte mich das Kind! Deshalb nahm ich sie die ersten Nächte zu mir ins Bett, damit sie sich nicht so allein fühlte. Das war nun bereits drei Jahre her.

Inzwischen war Uta zehn Jahre alt. Noch nie war ein Mädchen so lange bei mir geblieben. Ich hatte sie alles gelehrt, was ich in der Klosterschule gelernt hatte. Es wurde Zeit, dass sie in andere Hände kam; sie war so weit, dass man ihr Aufgaben übertragen konnte.

Drei Mädchen hatte ich zurzeit in Obhut. Uta war jetzt die Älteste, und als sie mich eindringlich bat, ob sie mitkommen dürfe, wenn ich die Herren führen würde, da begriff ich, dass ich mich von ihr trennen musste. Sie brauchte eine neue Herausforderung. Ich wusste auch, was ich zu tun hatte: Herzog Heinrich hatte verschiedene Ziehväter gehabt und war in Hildesheim und Bayern zur Klosterschule gegangen. Ihn würde ich fragen.

Ich war unglaublich stolz auf meine Heimatstadt. Obwohl ich noch nicht viel gereist war, konnte ich an den Blicken und Fragen der Gäste erkennen, dass Trier anderen Städten nicht nachstand. Wo sollte ich zu erzählen beginnen? In meinem Kopf fingen die Geschichten der Adeligen, der Baumeister und Heiligen an zu leben. Gleich einem Bienenstock summte es in mir und suchte sich einen Weg nach draußen. »Es gibt hier Altes, wie die Brücke, und Neues«, begann ich stockend. »Wobei das Neue mit Erzbischof Egbert begann, der den Auftrag Kaiser Ottos II. erfüllte und Trier zu neuer Macht verhalf. Mein Vater erzählt oft von dem prachtvollen Tag, als er in Rom der Hochzeit Ottos II. beiwohnte, der die wunderschöne byzantinische Prinzessin Theophanu heiratete …«

»Otto II. ist der Vetter meines Vaters. Auch er war bei der Vermählung dabei«, ergänzte mich Herzog Heinrich. Ich sah nun den Herzog zum ersten Mal richtig an.

Alle Besucher wollten das mächtige Nordtor, die Porta Nigra, sehen und staunten über die Kunst der Römer, die vor Hunderten von Jahren Bauwerke schufen, die unzerstörbar blieben. Der Palast des Kaisers Konstantin streckte immer noch seine Mauern wie Türme in den Himmel, und selbst die mächtigsten Bäume reichten nicht an den unteren Fensterrand. Alle wunderten sich darüber, dass die Mauern des Palastes nicht wie üblich aus dicken Sandsteinblöcken gehauen waren, sondern mit Steinen aus gebackener Erde erbaut worden waren. Im Innern waren einige wundersame alte Gemälde zu erkennen. Der Fußboden war teilweise noch mit bunten Marmorplatten belegt und die Wände waren mit Marmor verkleidet. Inmitten des Raumes standen Säulen aus grauweißem Marmor. »Auf den frei stehenden Säulen, oben auf den Kapitellen, ruhte einst eine Zwischendecke«, erklärte ich. »Aber daran kann sich niemand mehr erinnern, der heute noch lebt.«

Wie eine Schar entdeckungsfreudiger Kinder liefen wir in der großen, hellen Halle herum und erzählten uns begeistert, was wir entdeckten. An den Stellen, an denen der Fußboden zerbrochen war, konnte man sogar Luftkanäle sehen. Diese stiegen auch in Hohlräumen der Ziegel bis unter die Fenstersimse. Hezilo ließ es sich nicht nehmen, allen ganz genau zu erklären, wie diese Luftheizung funktioniert hatte. Ich musste mich dazu sogar als sinnbildlicher Ofen an die Wand stellen. »In Wirklichkeit müsste ich jetzt draußen an der Mauer stehen«, ergänzte ich Hezilos Erklärungsversuche, »denn geheizt wurden die großen Öfen immer von außen.« Die segensreichen Öfen waren jedoch schon längst zerstört, und in den Wintermonaten war der Palast so kalt wie das Wasser der Mosel. Und doch hatte in der erhöhten Apsis einst der Thron des Kaisers gestanden, das wusste ich, und während der Audienzen musste niemand frieren.

Die Trierer Bischöfe hatten immer im Kloster St. Marien gewohnt, aber nun bauten sie den verfallenen Kaiserpalast Konstantins zu ihrem neuen wehrhaften Wohnsitz um. Die obere Außenmauer der Apsis hatten sie bereits zu einem begehbaren Turm mit Zinnen gemacht, und in die großen Keller dort schleppten sie Unmengen von Waffen, Schätzen und Lebensmitteln. Stolz zeigte ich alles, was bereits gelagert war. Hezilo, der lange nicht mehr in Trier gewesen war, nickte anerkennend zur neuen Wohnstätte der Bischöfe. Wenn Gott es fügt, so wird mein Bruder Adalbero hier einmal die Nachfolge des Bischofs antreten, sinnierte ich beim Anblick der Mauern.

Neben den Goldschmieden Triers liebte ich die treuen, schweren Steine. Steine, die Wind und Wasser trotzten und selbst für den schlimmsten Feind unzerstörbar blieben. Die Hochwasser der Mosel konnten der großen Brücke nichts anhaben, die von den Römern gebaut worden war. »Noch nie habe ich eine derart mächtige Brücke gesehen«, rief Herzog Heinrich aus und riss mich damit aus meinen Gedanken. Er war stehen geblieben und schaute voller Bewunderung zur Brücke hinüber. Auf ihr konnten die schwer beladenen Pferdegespanne aneinander vorbeifahren, ohne das Tempo zu verlangsamen oder sich ausweichen zu müssen. »Ich sah viele Brücken, die ebenfalls von den Römern gebaut worden sind, aber diese scheint mir ein wahres Meisterwerk zu sein.«

Ich versicherte: »Ihr werdet in den nächsten Tagen noch mehr prächtige Bauwerke kennenlernen. Heute werde ich euch jedoch zu den Goldschmiedewerkstätten Triers führen.«

Meine Brüder und Herzog Heinrich unterhielten sich angeregt. So konnte auch ich langsam gehen. Obwohl es sich nicht schickte: Ich trat an die Uferböschung und betrachtete, wie sich das Treibgut aufgetürmt hatte. Gerne hätte ich es berührt und von einer Seite auf die andere geworfen, wie es die Bauern taten, um zu sehen, was sich davon gebrauchen ließe. Aber meine Hände steckten in feinen Spitzenhandschuhen, um sie vor der Sonne zu schützen. Wie schade, meine Kinderzeit ist leider vorbei, seufzte ich innerlich.

Eine alte Magd hatte mir als Kind gesagt, dass jeder Mensch einer Pflanze oder einem Tier ähnelte und dies ein Leben lang so bleiben würde. Ich glaubte ihr, denn ich wusste, dass ich wie das Gras war. Zart war ich von Wuchs, aber meine Gedanken strebten zur Sonne, und in meinen Haaren sammelte ich gleich den Samenständen das Licht. So Gott sich erbarmte, fiel der Sonnenschein auf mich, und die Wiesen und Hänge waren überzogen vom schimmernden Goldglanz, der sich in den Rispen spiegelte. Daher kam auch meine Vorliebe für die Heiligen, die Goldschmieden und Schreibstuben. All dies war Licht aus der Ewigkeit, das unsere einfältigen Werke emporhob und unvergänglich machte. Meine Brüder und vor allem mein Vater hatten Herzog Heinrich und dem Kanzler des Kaisers, Meinwerk, gesagt, sie könnten keinen kundigeren Führer zu den Goldschmieden empfehlen als mich, denn ich hätte mich schon als Kind in den Werkstätten herumgetrieben, obwohl es sich für ein Mädchen nicht ziemt. »Überall steckt sie ihre kleine Nase hinein«, hatte mein Vater früher gesagt und ergänzt: »Aber sie hat auch das Köpfchen dazu.« Deshalb durfte ich als junge Frau die Gäste unseres Hauses durch Trier führen und ihnen in Echternach die vorzügliche Goldwerkstatt zeigen.

Ich würde heute den hohen Herren die Kunstschmieden zeigen und sie ins Kloster zu den Schreibstuben führen. Dort lagen die Arbeiten, die Kaiser Otto III. in Auftrag gegeben hatte. Ich hatte schon Tage zuvor den Meistern gesagt, sie sollten die prächtigsten Teile glänzend machen, selbst wenn sie noch mitten in der Arbeit seien.

Vielleicht waren dies die letzten ruhigen Tage im Leben meiner Brüder und meines Vaters. Wer wusste schon, ob ich sie wiedersehen würde? Es blieb niemandem verborgen, dass wieder aufgerüstet wurde. Meine Brüder, Herzog Heinrich … alle rüsteten sich für den Italienfeldzug, um den Kaiser wieder im Kampf zu unterstützen. Mir blieb zu hoffen, dass mein werter Vater wenigstens dies eine Mal nicht mit in den Kampf zog, denn er war schon alt, und er wurde hier doch gebraucht. Sollten die Kirchen wieder ihren Bischof entbehren und die Klöster ihren Abt und Vogt? Selbst wenn die Kämpfer siegreich waren, wenn die Heerzüge aus dem Süden über die Alpen zurückkehrten, waren sie meist ein Schatten ihrer selbst. Tückische Krankheiten lauerten in den Sümpfen Italiens, und wehe dem, der im Winter über die Alpen zog! Ich war mir sicher, dass mein Vater einen neuen Feldzug nicht überleben würde. Aber mich fragt ja niemand, dachte ich, als mich mein Bruder Hezilo aus meinen Gedanken riss und fragte: »Wohin wollen wir zuerst gehen?«

»Zum Marktplatz, damit Herzog Heinrich das Marktkreuz sieht, das Bischof Heinrich von Babenberg 958 am Markt aufstellen ließ. Dann sieht er, wie vorzüglich sich die Marktgeschäfte und das heilige Lamm in Verbindung bringen lassen. Danach gehen wir in die Elfenbeinschnitzerei der deutschen Meister. Ihr geht mir einfach immer hurtig hinterher und lasst mich alles erklären«, antwortete ich Hezilo fröhlich.

Da mischte sich Herzog Heinrich ein und sagte zu Hezilo: »Du sagtest mir, dass deine kluge Schwester Kunigunde voller Tugenden sei, aber mir scheint, sie träumt gerne, und wenn sie spricht, so höre ich daraus keine Bescheidenheit.«

»Sie ist mit allen Tugenden begabt, aber nicht mit Bescheidenheit oder einem zaghaften Herzen. Mich dünkt sogar, ein anderer Bruder hätte ihr deswegen schon die Zunge herausgeschnitten.«

Hezilo redete in meinem Beisein so dermaßen launig über mich daher, dass mich der Hafer stach und ich keck erwiderte: »So schneide mir doch die Zunge heraus! Die wenigen Schritte bis zum Ofen des Schmieds könnte ich dann wohl noch gehen, um dir mit meinen beiden gesunden Händen dafür noch ein glühendes Eisen in den Leib zu rammen.«

Er war schließlich mein Bruder, egal, mit wem er seine Reden führte, und egal, ob er großen Ländereien befahl.

Überhaupt hatten die mächtigen Herren die Angewohnheit, einmal in völligem Ernst die Sachlagen zu erörtern und dann wieder wie halbwüchsige Knaben sich mit Streichen zu necken. Die Freunde Meinwerk und Herzog Heinrich hatten sich bereits als Knaben in der Klosterschule in Hildesheim getroffen, und mir schien, als ob sie sich ihrer gemeinsamen Kinderzeit immer wieder versichern müssten. Mein Bruder Hezilo stand ihnen in diesen dummen Späßen nicht nach. – Aber wehe, er machte sie mit mir. Das ließ ich mir nicht gefallen. Es war seine Idee gewesen, dass ich sie begleiten sollte, nun brauchte er nicht so dumm daherzureden.

Doch nach den nächsten Schritten hatte ich meinen Ärger vergessen. Wir waren im Kloster angekommen und wurden in die geheimen Stuben geführt. Hier wirkten die Meister, hier war jeder Pinselstrich, jeder Hammerschlag ein heiliges Gebet. Mir waren die Werke so vertraut wie Kindern ihr Spielzeug.

Herzog Heinrich verspürte die gleiche Freude an den meisterlichen Werken wie ich. »Kaiser müsste man sein!«, rief mein Bruder Adalbero begeistert aus. »Dann könnte ich auch solch schöne Arbeiten in Auftrag geben – oder noch besser, die Hohen der Welt und des Klerus würden sie mir freiwillig zu Füßen legen.«

»Mit solchen Sätzen ist nicht zu scherzen«, ermahnte Meinwerk.

Und Herzog Heinrich ergänzte: »Meinem Vater brachte das Bestreben, selbst König und Kaiser zu werden, die Gefangenschaft ein. Er hat, um sich Vorteile zu verschaffen, sogar den König entführt.«

Wie ehrlich Herzog Heinrich über seinen Vater sprach. Alle nannten seinen Vater »Heinrich den Zänker«, da er mit allen im Streit gelegen und keine Schandtat ausgelassen hatte, um die Krone an sich zu bringen. Meine Familie hatte nie gut über den Zänker geredet. Wir waren stets den gewählten Königen treu.

Hätte der junge Bayernherzog auch seinen Anspruch auf den Thron mit Waffengewalt unterstrichen, würden wir hier nicht so friedlich miteinander reden. Die Treue zum jungen Kaiser hatte uns in dieser Stunde zusammengeführt.

Wir sahen und redeten viel an dem Tag, und meine Wangen glühten, weil ich endlich preisgeben konnte, was mich begeisterte. So hätten alle meine weiteren Tage sein können, und ich wäre zufrieden gewesen. Die adeligen Frauen an den Höfen hörten und wussten so viel und waren viel zu selten an der Seite der Männer!

Nach der Führung kehrten wir nach Hause zurück. Die Männer zogen sich zurück. Ich nutzte die Gunst der Stunde und schlüpfte in den Saal, in dem ich meinen Vater vermutete. Wusste ich’s doch, schmunzelte ich, als ich ihn wieder über seinen Papieren antraf. Als ich grüßte, hob er den Kopf. »Was gibt es, mein Kind?«, fragte er wohlwollend.

»Mir kam eben eine Idee, Vater. Aber ich brauche deine Hilfe dafür. Kannst du Herzog Heinrich und Kanzler Meinwerk um eine Stunde ihrer Zeit bitten? Ihrem Gastgeber werden sie das nicht abschlagen. Ich möchte ihnen so gern Uta vorstellen. Das Kind braucht mehr als das wenige Wissen, das ich ihm geben kann. Vielleicht kann der Herzog helfen.«

»Warum fragst du ihn nicht selbst?«, fragte er mich zurück.

»Ich denke, Uta wird besser versorgt sein, wenn du, werter Vater, für sie bittest. Alles Weitere werde ich dir abnehmen.«

Mein Vater nickte und hieß mich am Abend wiederkommen.

Eilig suchte ich Uta. Lange musste ich nicht rufen, da kam sie schon. Die wachen blauen Augen des Mädchens faszinierten mich jedes Mal. Nicht nur der Schalk blitzte daraus, auch eine Klugheit, die ihren jungen Jahren weit voraus war.

»Uta, mach dich rasch zurecht. Du darfst den Bayernherzog kennenlernen. Dafür musst du dich von deiner besten Seite zeigen«, wies ich sie an.

Uta strahlte, und beeilte sich, meiner Forderung nachzukommen. »Wie ist der Herzog, Kunigunde?«, wollte sie wissen.

»Das wirst du später mit eigenen Augen sehen. Sieh zu, dass du das Lied übst, das wir zuletzt gelernt haben.«

Als wir am Abend gemeinsam vor die Augen der beiden erfahrenen und mächtigen Männer traten, prüfte ich zunächst Utas Wissen. Danach spielte ich ein Lied auf der Harfe, und Uta sang dazu.

Das beeindruckte die beiden Männer sehr. Sie schauten Uta verwundert an. »Das Kind ist gescheit und lernt schnell, das ist klar. Welche Ausbildung kann man ihm noch angedeihen lassen?«, beriet sich Heinrich mit Meinwerk. Während des folgenden Gespräches rutschte Uta immer näher an mich heran und legte ihren Kopf auf meinen Arm.

»Du magst deine Tante wohl sehr«, sagte Herzog Heinrich zu Uta.

»Ja, am liebsten würde ich nur dahin gehen, wo sie auch hingeht.«

Da lachten die Männer, und ich stimmte ein, obwohl mir eine Trennung von Uta selbst sehr schwerfiel.

»Es muss ein gutes Frauenkloster sein, in dem Wissenschaften betrieben werden … In Gandersheim wirkt Roswitha, die zu schreiben versteht, in Quedlinburg entsteht eine neue Schreibstube. Wo die Schwestern des Kaisers wirken, wird die Bildung und die klösterliche Reformation am besten vorangetrieben …«, dachte Heinrich laut.

Uta wurde immer kleiner und kleiner an meiner Seite, und ich tröstete sie: »Was dir nun angeboten wird, liebe Uta, danach habe ich mich als Kind gesehnt. Und selbst, wenn wir uns trennen müssen, so ist der derbe Schlag so segensreich wie der Schwertschlag für den Ritter. Du sollst nun von einer Schülerin zur Meisterin werden. Und ich werde immer an dich denken und dich lieben.«

Herzog Heinrich sah mich über diesen Worten erstaunt an: »Werte Kunigunde, den Ziehvätern, die an mir so handelten, wie du es nun tust, denen habe ich meine ganze Kraft zu verdanken. Welches Kind könnte ohne strenge Liebe gedeihen?«

Ich freute mich über die Worte des Herzogs, auch wenn mir mein Herz schwer war. Ich wusste, dass mit den freundlichen Worten Heinrichs und dem Wohlwollen des Kanzlers Meinwerk Uta nun eine gute Ausbildung bekommen würde. Ich konnte Uta entlassen, und mein Vater gesellte sich zu uns.

Mehr als die Kaisertreue verband meinen Vater und Herzog Heinrich der Wille zur Reform der Klöster. Schnell kamen die Herren auf dieses Thema zu sprechen. Mein Vater sprach laut aus, was er dachte: »Dem wilden Treiben und Machtstreben der Adeligen sollte Einhalt geboten werden. Die Güter sollten im bischöflichen und klösterlichen Besitz bleiben und von keinen adeligen Herren angetastet werden.«

Herzog Heinrich nickte, und auch Meinwerk bekräftigte, dass die kirchliche Macht nicht geschmälert werden solle, indem Adelige sich privat bereicherten. Heinrich sprach geradeheraus zu meinem Vater: »Graf Siegfried, du bist einer der wenigen, der so vorbildlich gehandelt hat und seine eigenen Ansprüche nicht geltend machte. Du hast als einer der ersten Adeligen freiwillig auf ein neues Amt als Laienabt im Kloster Echternach verzichtet, damit dort ein geistlicher Abt aus St. Maximin eingesetzt werden konnte, der eine Klosterreform durchführte. Das hat sich herumgesprochen und bei den Geistlichen Eindruck gemacht. Ich glaube aber, dass freiwillig kaum ein anderer Adeliger ein Amt ausschlagen wird.«

»Das fürchte ich auch«, gab ihm mein Vater recht. »Es darf nicht jedem freigestellt werden, wie die Güter verteilt werden. Die Gesetze dazu müssen von oben her erlassen werden. Den Adeligen, was den Adeligen gehört. Aber auch die Klöster sollen alles behalten können, was ihnen einmal geschenkt wurde. Das Gut der Kirche und der Klöster soll kein Adeliger mehr in seinen Besitz nehmen können.«

Heinrich bekräftigte den Willen meines Vaters, indem er mit der Faust auf den Tisch schlug und rief: »Das Kloster Cluny mit den strengen Regeln sollte allen ein Vorbild sein. Das Kloster will auch, dass die Frauen und Kinder der Geistlichen nach deren Tod nicht mehr von den Klöstern versorgt werden sollen, sondern dass die Herkunftsfamilien der Kleriker wirtschaftlich für sie verantwortlich sind. Noch besser wäre es, wenn die Geistlichen ein Keuschheitsgelübde ablegen würden, wie es schon bei den Nonnen und Mönchen üblich ist. Aber das hat in der Regel dazu geführt, dass sich die Mönche aller Frauen bemächtigten, derer sie habhaft werden konnten. Teilweise bezahlten sie die Frauen auch für ihre Dienste. Wie die Aasgeier sich um kranke Viecher scharen, so siedelten sich die Frauen in ihren bunten Gewändern bereits dicht bei den Klöstern an, um von den Mönchen wegen ihrer Liebesdienste versorgt zu werden.«

Mein Vater erwiderte: »Ein Mann, der für Frau und Kinder zu sorgen hat, ist ein besserer Mensch, und allein die Männer sind zu loben, die aus freien Stücken enthaltsam sind, so, wie es schon der Apostel Paulus empfahl.«

Ich hatte schon viele Gespräche zu diesem Thema mit angehört und verließ leise den Raum, um noch einmal nach Uta zu schauen.

Ich verabscheute abgrundtief die körperlichen Handlungen von Frau und Mann. Obwohl ich später verstand, was uns als Kindern angetragen wurde und welch verkehrte Lehren manche Leute uns unterbreitet hatten, verspürte ich keine Lust, wie meine Schwestern Kinder in die Welt zu setzen und einem untreuen Mann treu zu sein. Mit dem grausamen Tod meiner Spielgefährtin Adela war auch in mir alles gestorben, was mit meinem Geschlecht zu tun hatte.

Damals erzählte uns Kindern ein Mönch, er wolle uns zeigen, was er unter seiner Kutte trage. »Ich nehme euch Mädchen gern mit in meine kleine Hütte im Wald. Dort sage ich euch alles, was den Kindern von ihren Eltern verschwiegen wird.« Wie froh bin ich, dass ich meiner Mutter davon erzählte! Sie verbot mir, je wieder die Gärten der Mönche zu betreten. Damit hat sie mich vor einem Ende wie dem Adelas bewahrt.

Zwei Jahre danach suchte man Adela, weil sie verschwunden war. Es war der Tag, als in der Kloake wieder ein toter Säugling gefunden wurde. Aber erst viele Wochen später fand man Adela im nahen Teich. Sie hatte große Steine in Tücher genäht und diese mit Schnüren um ihren Leib gebunden. So musste sie immer tiefer in den See gegangen sein und war nicht umgekehrt, obwohl sie schon lange keine Luft mehr bekam. Freiwillig ist sie ertrunken. Obwohl sie schwimmen konnte! Das konnten wir beide. Aber sie wollte weder schwimmen noch überhaupt leben. Wie man die schlimmsten Hexen und Mörder ersäuft, so hat sie sich selbst ersäuft. Mir hat es nie viel ausgemacht, wenn auf dem Markt oder in der Mosel jemand seiner gerechten Strafe zugeführt wurde und dabei zu Tode kam. – Aber ich hatte die Geschichte Adelas begriffen. Meine Mutter hatte mir, als ich 12 Jahre alt war, gesagt, wie die Kinder zur Welt kommen. Hätte ich nur mit Adela darüber geredet! Sie glaubte wohl, aus ihrem Bauch sei der Leibhaftige gekrochen, dabei war es doch nur ein Kindlein gewesen. Gewiss hatte sie das gedacht, denn wie sonst konnte man sich selbst ertränken?

Ich habe Adelas Körper gesehen, als sie ihn aus dem Teich, der nah bei St. Marien lag, zogen. Sie war bereits von Fischen angefressen, und ihre Lippen waren so dick wie Rettiche. Als ich sie so ansah, schnürten mir die Stricke um ihren Leib meinen Hals und meinen Oberkörper immer enger. Dann pressten sie mir den Bauch ein, und ich erbrach mich in die Wiese.

Ich konnte mich später nicht mehr daran erinnern, wie ich nach Hause gekommen war. Drei Wochen lang konnte ich nicht sprechen, und mein Bauch und die Beine waren wie tot. Meine Mutter weinte, weil ich nicht aufstehen konnte und wie ein kleines Kind das Bett nass machte. Während meine Mutter um mich weinte, hörte ich aus dem Gesindehaus die wilden Schreie unserer Magd, die den Tod Adelas nicht verwinden konnte. Ich musste einen Sud aus bitteren Wurzeln trinken und soll danach zwei Tage lang geschlafen haben. Als ich davon erwachte, konnte ich wieder sprechen und gehen.

Mein Vater jagte die Magd nicht vom Hof, wie es alle anderen getan hätten. Er versorgte die Familie mit Decken und Hausrat, und sie konnten auf dem neu erworbenen Berg wohnen, auf dem er die Saarburg erbaute. Er brauchte Leute, die seine Festungsburg bewohnten. Dort ließ er auch ein Grab ausheben, in das Adela gelegt wurde. Niemand wusste, dass Adela eine Mörderin war, deshalb durfte sie dort liegen, und ihre Mutter konnte für sie beten.

Das war nun schon so lange her. Meine Mutter war selbst schon bei den Toten, und ich betete dreimal täglich für sie. Als Mutter starb, beschenkte mein Vater das Kloster Echternach überreich, denn für ihn und seine unverheiratete Tochter war sonst niemand da, der durch Gebete ihre Seelen in den Himmel tragen konnte. Mein Vater war schon fast siebzig und hatte alles erreicht, was er sich vorgenommen hatte. Besonders gefallen hatte es ihm, die verfallene Lützelburg zu kaufen und auszubauen.

Ich seufzte tief, denn ich spürte nur zu gut, dass nun alle darauf warteten, dass ich mich endlich wie meine Schwestern mit einem Grafen vermählen würde oder mein Vater mich in einem Kloster als Äbtissin einsetzen würde. Letzteres wäre mir am liebsten gewesen, denn ich hatte genug Wissen angehäuft, um den Aufgaben gerecht zu werden. Doch wie ich nun darüber nachdachte, erkannte ich schlagartig, was Hezilo und Meinwerk wohl mit meinem Vater besprochen haben könnten, bevor Herzog Heinrich zu Besuch kam. Herzog Heinrich hatte keine Frau, und ich war im heiratsfähigen Alter … Ob der Besuch des Herzogs nicht nur wegen der Aufrüstung und des Sakramentars Kaiser Ottos III. stattfand? Hatte mein machttrunkener ältester Bruder etwa daran gedacht, eine Ehe für den Herzog anzubahnen, und sollte ich die Braut sein?

Ich malte mir aus, was mein Bruder zu Herzog Heinrich gesagt haben könnte: »Ich habe eine überaus gescheite, furchtlose Schwester, die zu Recht auf den Namen ihrer Großmutter Kunigunde getauft wurde, weil auch in ihr das Blut Karls des Großen fließt. Sie ist dazu geboren, zu herrschen und zu regieren. Wenn du sie siehst, wirst du es an ihrer aufrechten Haltung und ihren klaren Worten erkennen. Zudem ist sie so schön wie die aufgehende Sonne.« Ehrlicherweise hätte er auch noch sagen sollen: »Aber sie macht sich nicht viel aus einem schneidigen Mann.«

Ob es so war? Ich musste dringend zu meinem Vater gehen und wissen, was hier gespielt wurde. Ich wartete, bis die Gäste zu Bett gegangen waren, um meinen Vater allein vorzufinden. Mein Herz pochte vor Wut bei dem Gedanken an das, was ich ihn fragen wollte, und ich zögerte, bevor ich klopfte.

Mein Vater hatte es mir immer leicht gemacht, mit all meinen Fragen zu ihm zu kommen, und nach dem Tod der Mutter zeigte er auch seine Freude darüber, wenn ich um ihn war. Auch jetzt schaute er mich beim Eintreten wohlwollend an.

Ich schluckte und fragte dann geradeheraus: »Vater, gibt es einen bestimmten Grund, warum Herzog Heinrich hier ist und ich ihn durch die Stadt führen soll? Hat Hezilo etwa die Absicht, ihn zu einer Heirat mit mir zu bewegen?«

Mein Vater hörte die Entrüstung aus meinen Worten und meinte ganz schlicht: »Weder lässt sich mit Herzog Heinrich über eine Ehe reden, noch kann jemand mit dir über einen möglichen Partner plaudern. Beide habt ihr nicht den Willen, aus eurem guten Stand eine erfolgreiche Ehe zu planen. Bei Herzog Heinrich mag es wohl an seinem Jagdunfall liegen. Seit ihm ein Keiler mit seinen Hauern den Unterleib traktierte, hinkt er und hält sich von Gelagen mit Weibern fern. Und dabei ist er doch einer der stattlichsten Kämpfer, hat den Kopf eines Gelehrten und das Herz eines Bischofs.« Dann lachte mein Vater lauthals: »Ja, dein Bruder Hezilo, und noch mehr Meinwerk, will euch gerne als Paar sehen. Und mich dünkt, meine Liebe, dass ihr beide in die Kirche, die Kunst und die Wissenschaften mehr vernarrt seid, als es andere sind. Vielleicht passt ein Mann, der keine Frau möchte, zu einer Frau, die am liebsten auf einen Mann in ihrem Leben verzichten würde?« Und mein Vater lachte weiter, weil er sich so einen schönen Reim auf uns gemacht hatte.

Aber ich war wütend! Hätten Hezilo und Vater mit mir darüber gesprochen, hätte ich ihnen eigenhändig das nächstbeste Geschirr an den Kopf geworfen! Aber noch mehr hätte ich mich in meine schönsten Kleider geworfen. Nicht, weil ich damit Herzog Heinrich bezwingen wollte, sondern, weil mir viel daran lag, nicht abgewiesen zu werden. Einen Sieg, den es zu erringen gab, wollte ich stets für mich verbuchen. Erst recht, wenn es darum ging, als Tochter eines Grafen einen Herzog zu gewinnen!

Es machte mir auch am nächsten Tag Freude, die Gäste zu führen, und auch meinen Brüdern konnte ich Neues zeigen. »Mehr als alles liebe ich die Goldschmiedewerkstätten«, verkündigte ich laut, als wir wieder durch die Straßen gingen.

»Somit sind wir schon zu zweit«, meinte Herzog Heinrich, der mir dann erzählte, dass auch er stundenlang in der Schmiede sitzen könne und jedes Mal eine Gänsehaut bekomme, wenn das flüssige Gold in Formen gegossen wurde.

»Ich zeige dir auch, wie die Mönche Blattgold herstellen und auf den Papyrus bringen«, versprach ich ihm.

Wahrlich, Herzog Heinrich und ich hatten die größte Freude an den neuen Schriftstücken und Goldschmiedearbeiten. Während die anderen flüchtig und gierig ihre Augen schweifen ließen, verspürte Heinrich dieselbe Hingabe an die Kostbarkeiten wie ich. Ich wollte das grobe, unbearbeitete Gold anfassen und mit meinen Fingern über die glatt gearbeiteten Goldflächen streichen. Ich wollte die Edelsteine in den Händen und gegen das Licht halten und in den reich verzierten Schriften lesen. So hatten wir unsere Freude miteinander, denn Herzog Heinrich erbat die Kleinodien, um sie in den Händen zu halten, und reichte sie dann an mich weiter, damit ich sie glückselig wieder zurücklegen konnte.

Die aufklärenden Worte meines Vaters, dass mein Bruder und Meinwerk mich gerne als Braut Heinrichs sehen wollten, machten, dass ich Heinrich auch immer wieder heimlich musterte. Ich musste mir eingestehen: Herzog Heinrich ist größer als meine Brüder und schön anzuschauen.