Cornelia Löhmer | Rüdiger Standhardt

Timeout statt Burnout

Einübung in die Lebenskunst der Achtsamkeit

Buch & Hör-CD

Mit einem Vorwort von Ulrich Ott

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Klett-Cotta

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© 2012 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Roland Sazinger, Stuttgart

Zeichnungen: © bergerdesign.de/lantapix/fotolia.com/Bearbeitung durch Roland Sazinger/Klett-Cotta

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-94729-8

E-Book: ISBN 978-3-608-10326-7

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20159-8

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Für unsere zauberhaften Söhne

Thilo und Henning,

die wir von ganzem Herzen lieben.

Vergessen Sie nie,

das Leben ist eine Herrlichkeit.

Rainer Maria Rilke

Inhalt

Vorwort von Dr. Ulrich Ott

Einleitung

1. Den alltäglichen Wahnsinn erkennen
Timeout-Übung 1: Achtsames Innehalten

2. Die Perspektive wechseln
Timeout-Übung 2: Achtsames Entspannen

3. Die Magie der Dankbarkeit entdecken
Timeout-Übung 3: Achtsame Körperwahrnehmung

4. Das Leben selbst in die Hand nehmen
Timeout-Übung 4: Achtsame Bewegungen

5. Die Kraft der Achtsamkeit erleben
Timeout-Übung 5: Achtsames Sitzen

6. Liebe in den beruflichen Alltag bringen
Timeout-Übung 6: Achtsames Gehen

7. Sich selbst lieben – mit Herz, Hingabe und Humor
Timeout-Übung 7: Achtsames Teetrinken

Nachwort

Anhang

Anmerkungen

Übungen auf der CD

Track 1: Achtsames Innehalten

Track 2: Achtsames Entspannen

Track 3: Achtsame Körperwahrnehmung

Track 4: Achtsame Körperbewegungen

Track 5: Achtsames Sitzen

Track 6: Achtsames Gehen

Literatur

CDs

Adressen

Informationen zu den Autoren

Vorwort

Sich eine Auszeit zu nehmen, wenn einem alles zu viel wird – ist das nicht die natürlichste Sache der Welt? Muss es erst so weit kommen, dass der Körper eine Krankheit entwickelt, damit einem klar wird, dass es so nicht mehr weiter gehen kann? In vielen Fällen ist es offenbar leider so und die Zahlen der Krankenkassen über Fehlzeiten und die Zunahme psychischer Störungen deuten darauf hin, dass sich die Lage weiter verschlimmert. Was also ist zu tun, um ein Ausbrennen zu verhindern und rechtzeitig Phasen des Rückzugs und der Besinnung zu nutzen, um sich zu erholen und neu auszurichten? Eine Antwort lautet: Üben Sie sich in der Lebenskunst der Achtsamkeit.

Auf sich selbst zu achten, ist eine grundlegende Fähigkeit des Menschen. Doch die heutigen Anforderungen der Arbeitswelt, der enorme Zeit- und Leistungsdruck, führen nur allzu oft dazu, dass die Bedürfnisse und Warnsignale des Körpers ignoriert werden, mit den bekannten negativen Folgen für die Gesundheit, Lebensqualität – und schließlich auch für die Arbeit selbst. Sich in der Lebenskunst der Achtsamkeit zu üben, heißt also, diese grundlegende Fähigkeit wieder zu entdecken und zu lernen, sich wieder zuzuhören.

Was so einfach klingt, bereitet jedoch häufig bei der konkreten Umsetzung Probleme. Sich eine Auszeit zu nehmen bedeutet mehr als eine kurze Unterbrechung der Arbeit. Achtsamkeit beinhaltet zugleich ein Loslassen, ein Aussteigen aus dem »Hamsterrad« der Geschäftigkeit, und eine aktive Hinwendung auf die Gegenwart, die Wahrnehmung des momentanen Befindens, getragen von einer Haltung des Wohlwollens sich selbst gegenüber.

Die klinische Forschung hat in vielen Studien gezeigt, dass ein Training dieser achtsamen Haltung bei zahlreichen körperlichen Erkrankungen und psychischen Störungen heilsame Wirkungen erzielt. Vor allem bei stressbedingten Erkrankungen, chronischen Schmerzen, Ängsten und Depressionen haben achtsamkeitsbasierte Verfahren ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt.

Doch nicht nur Patienten profitieren von Achtsamkeitsübungen, auch Gesunde können Stress bedeutsam reduzieren, ihr Wohlbefinden erhöhen und somit der Gefahr des Ausbrennens wirksam vorbeugen. Allerdings ist wiederholtes Üben erforderlich, um diese Früchte der Achtsamkeit zu ernten. Dazu bedarf es der Bereitschaft, die Aufmerksamkeit dem Atem, den Empfindungen, Gefühlen und Gedanken unvoreingenommen zuzuwenden, das innere Geschehen aus der Distanz zu beobachten, bis es allmählich von selbst zur Ruhe kommt.

Eine Haltung der Achtsamkeit zu erlernen und dauerhaft im Alltags- und Arbeitsleben zu realisieren, erfordert neben etwas Zeit und Offenheit vor allem auch eine Anleitung von kompetenter Seite. Cornelia Löhmer und Rüdiger Standhardt kommen aus der Praxis und haben in diesem Buch das Wissen zusammengetragen, das sie über viele Jahre in ihrer Arbeit erworben haben. So ist ein Buch aus der Praxis für die Praxis mit vielfältigen Übungen entstanden, die sich bewährt haben.

Das Buch bietet jedoch noch weitaus mehr als einen Werkzeugkasten für den gestressten einzelnen Arbeitnehmer: Es geht den Autoren um einen Bewusstseinswandel in der Arbeitswelt. Sie zeigen auf, wie durch gezielte Maßnahmen die Kultivierung von Achtsamkeit am Arbeitsplatz zum Nutzen aller Beteiligten aktiv gefördert werden kann.

Es ist zu erwarten, dass die strukturelle Verankerung derartiger Angebote in absehbarer Zeit zum Regelfall werden wird. Zum einen, weil sie die Attraktivität eines Unternehmens für qualifizierte Arbeitskräfte erhöhen, zum anderen, weil die breite gesellschaftliche Diskussion des Phänomens »Burnout« die negativen Folgen einer dauerhaften Überforderung so deutlich gemacht hat, dass sie nicht länger ignoriert werden können.

Es besteht also Handlungsbedarf für den Einzelnen wie auch für die Personalverantwortlichen in den Unternehmen. Dieses Buch bietet das erforderliche Know-how, damit man auf individueller und unternehmerischer Ebene aktiv werden kann. Wer sich darauf einlässt und sich den Fragen zur Selbstreflexion stellt, dem eröffnen sich neue Perspektiven auf sein Handeln und Wege zu einem heilsameren Umgang mit sich selbst und anderen.

Achtsamkeit ist ein Schlüssel zu mehr Selbstbestimmung und einer bewussten Lebensgestaltung. Dieses Buch bietet einen Spiegel, um das eigene Tun zu reflektieren, und es motiviert dazu, eingefahrene Verhaltensweisen zu verändern. Ich beglückwünsche die Autoren zu ihrem wichtigen Beitrag zur Förderung einer neuen Bewusstseins- und Arbeitskultur und wünsche den Lesern neue Einsichten und viel Lebensfreude beim Praktizieren der Übungen.

Wiesbaden, Juli 2012

Ulrich Ott

Einleitung

Die Lebenskunst der Achtsamkeit

ist die beste Burnout-Prophylaxe.

Britta Hölzel

Wir wissen nicht, was Sie dazu bewogen hat, das Buch über Timeout statt Burnout – Einübung in die Lebenskunst der Achtsamkeit in die Hand zu nehmen. Vielleicht sind Sie einfach neugierig, weil Sie in der letzten Zeit immer wieder auf den Begriff »Achtsamkeit«1 gestoßen sind, und wollen wissen, wie er in Verbindung mit Burnout stehen kann. Vielleicht suchen Sie einen Zugang zur heilenden Kraft der Achtsamkeit, weil Sie eine tiefe Sehnsucht nach einem Leben im Einklang mit sich selbst spüren. Vielleicht gehören Sie zu der immer größer werdenden Gruppe von gestressten, erschöpften und ausgebrannten Menschen und wollen wieder zu mehr Besinnung kommen. Vielleicht interessieren Sie sich für einen praktikablen Weg, um das Leben nach einem Burnout wieder neu auszurichten. Vielleicht arbeiten Sie als Personalentwickler und suchen nach Wegen, wie Achtsamkeit strukturell in die Arbeitszusammenhänge Ihres Unternehmens integriert werden kann.

Was auch immer Ihre persönliche Motivation ist, wir laden Sie ganz herzlich ein, mit unserem Buch auf eine innere Reise zu gehen. Gönnen Sie sich Auszeiten vom Alltag und wenden Sie sich bewusst sich selbst zu. Schon allein die Tatsache, dass Sie diese Zeilen lesen, ist Ihr erster Timeout-Schritt. Auf den nächsten Seiten leiten wir Sie Schritt für Schritt darin an, mehr Bewusstheit in Ihr Leben zu bringen – so sind Sie in der Lage, alltäglicher Hektik, Stress, Unzufriedenheit oder einem möglichen Burnout2 etwas Wirksames entgegenzusetzen.

Die Intensität Ihrer Innenreise bestimmen Sie selbst. Je mehr Sie sich ein langsames Tempo erlauben, immer wieder Pausen für Selbstreflexionen einlegen und das bewusste Wahrnehmen praktizieren, desto tiefer werden Sie sich selbst begegnen und damit dem auf die Spur kommen, was in Ihrem Leben wesentlich ist. Immer wieder regen wir an, Pausen einzulegen und innezuhalten. Das Herzstück unserer Arbeit sind die praxiserprobten Timeout-Übungen, die auf der beiliegenden CD zusammengestellt sind. Sie ermöglichen Ihnen, die Kunst der Achtsamkeit ganz konkret einzuüben. Die regelmäßige Praxis des Innehaltens ist die wirkungsvollste Burnout-Prophylaxe. Im Sport gibt es ein Handzeichen für »Time-out«. Wir laden in unseren Seminaren die Teilnehmenden mit diesem Handzeichen zu den Timeout-Übungen ein. Das Zeichen ist in diesem Buch den Übungen vorangestellt. Vielleicht findet das Timeout-Zeichen auch Eingang in Ihren Alltag und erinnert Sie daran, regelmäßig innezuhalten.

Das klassische Bild in der Burnout-Forschung ist die Kerze, die an beiden Enden brennt – als Sinnbild für einen übergroßen Energieeinsatz.

Gabriele Kypta

In diesem Buch geht es um Burnout-Prophylaxe durch Timeout. Wir bieten Ihnen keine Patentrezepte oder Instant-Lösungen an, sondern eine innere Grundhaltung, die Lebenskunst der Achtsamkeit. Sie sind eingeladen, die unterschiedlichsten Impulse und Anregungen auszuprobieren und dabei für sich selbst herauszufinden, was Sie in Ihrem Leben unterstützt und weiterbringt. Unsere Denkanstöße, die Fragen zur Selbstreflexion und die Timeout-Übungen sind vergleichbar mit einem großen Büfett, an dem Sie sich das aussuchen, was zu Ihnen passt.

Mit unseren Handys und elektronischen Organizern sind wir inzwischen in der Lage, mit allem und jedem jederzeit in Kontakt zu treten. In diesem Prozess laufen wir Gefahr, niemals in Kontakt mit uns selbst zu sein.

Jon Kabat-Zinn

Viele Menschen sind ständig auf der Suche nach Neuem und Außergewöhnlichem und übersehen dabei oft das Einfache und Naheliegende. Wenn Sie unser Buch lesen, dann werden Sie wahrscheinlich das eine oder andere bereits kennen. Unser Anliegen ist es, Ihnen nicht das Neue zu präsentieren, sondern das, was sich im Alltag bewährt. Wir erinnern an wesentliche Aspekte des menschlichen Daseins und ermutigen Sie, jetzt in der Umsetzung entschlossener zu werden, damit Sie zu Ihrer individuellen Lebensbalance finden.

In unserem Buch geht es sowohl um das individuelle Verhalten als auch um die gesellschaftlichen Verhältnisse. Beides spielt beim Phänomen »Burnout« eine Rolle und beides lässt sich durch Achtsamkeit beeinflussen. Der Ausgangspunkt für eine nachhaltige Veränderung – sowohl individuell als auch institutionell – ist ein Prozess der Entschleunigung mit regelmäßigen Zeiten des Innehaltens, der Stille, der Reflexion und der Muße.

Zwischen Wissen und Anwenden klafft im Leben häufig eine tiefe Kluft. Und aus Wissen entsteht nicht zwangsläufig Veränderung. Das geschieht sogar sehr selten.

Miriam Meckel

Inhalt des ersten Kapitels ist der alltägliche Wahnsinn. Doch keine Angst: Wir analysieren nicht, warum alles so ist, wie es ist. Wir rufen die gravierenden Lebensveränderungen in Erinnerung, indem wir einzelne Beobachtungen aus unserem alltäglichen Umfeld beschreiben und aufzeigen, welchen Preis wir für diesen individuellen und gesellschaftlichen Lebensstil zahlen. Um einen Perspektivwechsel von Außen nach Innen geht es im zweiten Kapitel. Innehalten, Entschleunigung, Achtsamkeit, Stille und Muße sind die Gegenpole, mit denen wir den wachsenden Herausforderungen unseres privaten und beruflichen Alltags begegnen können. Das dritte Kapitel sensibilisiert für die Fülle des gegenwärtigen Augenblicks. Es geht um Dankbarkeit für all das, was in unserem Leben in Ordnung ist. Das Prinzip der Selbstverantwortung erläutern wir im vierten Kapitel – wir zeigen praktikable Wege auf, die aus der alltäglichen Unzufriedenheit führen. Im fünften Kapitel geht es um das Leben im Jetzt. Glücklichsein hat nichts mit unserer Vergangenheit oder Zukunft zu tun – es ereignet sich im gegenwärtigen Augenblick, wenn wir einverstanden sind mit dem was geschieht. Nach den individuellen Veränderungsmöglichkeiten beschreiben wir im sechsten Kapitel, wie sich Achtsamkeit auch im beruflichen Alltag, persönlich und strukturell, entfalten kann. An zwei Beispielen – der innerbetrieblichen Expertenausbildung für Progressive Muskelentspannung in der öffentlichen Verwaltung und dem achtsamen Generationswechsel in einem mittelständischen Familienunternehmen – schildern wir die Etablierung von Achtsamkeit im Berufsleben. Thema des siebten Kapitels ist die Selbstliebe. Wer aus ganzem Herzen »Jasagen« kann zu sich selbst mit einem Lächeln im Gesicht über die eigene Unvollkommenheit, der kann auch andere annehmen, wie sie sind und ganz nebenbei breitet sich die Achtsamkeit als Lebenskunst weiter aus.

Muße müssen wir wieder lernen, damit die Zeit der Muße ebenso lustvoll wird wie die Zeit der Herausforderung.

Manfred Nelting

Cornelia Löhmer & Rüdiger Standhardt

Anidri, im Mai 2012

1. Den alltäglichen Wahnsinn erkennen

Bist du gestresst?

Bist du so damit beschäftigt, in die Zukunft zu gelangen,

dass die Gegenwart zum reinen Mittel geworden ist,

dort anzukommen?

Stress wird verursacht, wenn du »hier« bist,

aber »dort« sein willst,

wenn du in der Gegenwart bist, aber in der Zukunft sein willst.

Das ist eine Spaltung, die dich innerlich zerreißt.

Eine solche innere Spaltung zu schaffen

und mit ihr zu leben ist verrückt.

Die Tatsache, dass jeder es tut,

lässt es nicht weniger verrückt sein.

Eckhart Tolle

Unser alltägliches Leben hat sich in den letzten fünfundzwanzig Jahren auf allen Ebenen – privat, beruflich und kollektiv – nachhaltig verändert. Für uns persönlich ist es immer wieder eindrucksvoll, wenn wir uns daran erinnern, wie unsere jeweiligen Büros noch Ende der 80er Jahre aussahen. Damals arbeiteten wir an unseren wissenschaftlichen Abschlussarbeiten. Cornelias Büro an der Universität war nicht anders ausgestattet als der Schreibtischarbeitsplatz von Rüdiger zu Hause. Wir hatten ein Festnetztelefon, eine elektrische Schreibmaschine, einen Stapel Papier, Schere, Klebstoff und jede Menge Tipp-Ex. Um uns herum lagen die Bücher – viele davon über die universitäre Fernleihe bestellt. Mit manchen Autoren traten wir in brieflichen Kontakt – Antworten dauerten Tage, manchmal Wochen. Das wichtigste Gebäude außerhalb war ein Kopiercenter. Hier entstanden die zusammengeklebten Vorlagen unserer wissenschaftlichen Arbeiten, hier entstanden auch die Ausschreibungsflyer für Seminare, unsere Programmübersichten und Rundbriefe. Das einzige Faxgerät, zu dem wir Zugang hatten, befand sich in der Universitätsbibliothek – es war jedes Mal aufregend zu sehen, wie schnell die Daten den Adressaten erreichten. Dies war jedoch die Ausnahme – alles andere brauchte seine Zeit. Pausen waren vorprogrammiert – nicht zuletzt durch die Öffnungszeiten von Bibliotheken und Kopiercenter.

Das Ganze ist aus aktueller Perspektive kaum mehr vorstellbar. Schon auf der Außenebene sind unsere Büros heute gänzlich anders bestückt. Allein die Anzahl der Steckdosen für die Kommunikationsmedien ist beeindruckend. In jedem Büro gibt es einen PC und einen Laptop, einen Festnetzanschluss mit Anrufbeantworter und ein Handy. Gemeinsam nutzen wir ein Faxgerät, einen Scanner, einen weiteren PC und einen Kopierer. Wir kommunizieren per E-Mail, per Brief und per Telefon. Außerdem unterhalten wir Homepages, auf denen sich Interessenten jederzeit über unsere Arbeit informieren können. Technisch ist es nicht nur möglich, rund um die Uhr erreichbar zu sein, wir sind auch in der Lage, dank Laptop, Rufumleitung vom Festnetztelefon und Handy von nahezu jedem Ort auf der Welt unsere Bürogeschäfte weiterzuführen.

Wir schätzen die kommunikativen Möglichkeiten sehr und sind uns gleichzeitig bewusst, welche Schattenseiten sie bergen. Die Informationsweitergabe per Handy und E-Mail hat das Arbeitstempo deutlich erhöht und entpuppt sich als enormer Zeitfresser.

Wir laden Sie ein, beim Lesen dieses Textes immer wieder innezuhalten und die entsprechenden Fragen zu beantworten. Vielleicht legen Sie ein spezielles Heft, einen Block oder eine Datei in Ihrem PC an, die Sie ausschließlich für Ihr ganz persönliches »Timeout-Tagebuch« reservieren.

Timeout-Tagebuch

Aus unserer Seminararbeit wissen wir, wie »normal« der berufliche Wahnsinn für die meisten Menschen heute ist. Nicht selten berichten Teilnehmende unserer Veranstaltungen stolz von ihrer »Multitaskingfähigkeit« – die Mittagspause verbringen sie essend vor dem PC, checken ihre Mails und verschicken schnell noch die eine und andere SMS. Beruflicher Leistungs- und Zeitdruck, Konflikte am Arbeitsplatz, Überforderung durch zusätzliche Aufgabengebiete, Informationsüberlastung, unklare bzw. widersprüchliche Arbeitsanweisungen, der Einsatz immer neuer Technologien, ständige Veränderungen der Arbeitsprozesse, Arbeitsverdichtung, Überstunden, Arbeit am Wochenende, Angst um den eigenen Arbeitsplatz, Konkurrenzverhalten unter den Mitarbeitern – dies alles gehört für viele Menschen ganz selbstverständlich zum beruflichen Alltag.3

Wer als Führungskraft Karriere machen will, dem bleibt also kaum noch Zeit zum Atemholen, zum Auftanken, zur Weiterentwicklung seiner persönlichen Interessen, Kompetenzen und Hobbys.

Klaus Linneweh

Neben dem beruflichen Wahnsinn hat auch der private Wahnsinn Einzug in unser Leben gehalten. Immer mehr Menschen hetzen auch in ihrer freien Zeit von Termin zu Termin. Jede Minute ist verplant, an den Abenden, den Wochenenden und sogar im Urlaub. Die meisten von uns haben immer etwas zu tun – wer »in« sein will, ist »aktiv«.

Hand aufs Herz: Wann hatten Sie zuletzt einen Tag, an dem Sie absolut nichts vorhatten und den Sie in mußevoller Beschäftigung verbracht haben? Einen Tag oder doch wenigstens ein paar Stunden, in denen nichts im Außen passiert ist – kein Fitnessprogramm, keine Telefonate, keine Informationen über Zeitung, Fernsehen oder PC, kein Einkaufen, keine Freizeitveranstaltung, kein Lesen, kein Hobby, keine Garten- oder Hausarbeit, keine Kontakte – nicht mal über Facebook?

Erinnern Sie sich daran, wann Sie zum letzten Mal »Stille« erlebt haben. Mit welchen Geräuschen umgeben Sie sich normalerweise im Alltag? Wie selbstverständlich lassen Sie sich vom Radiowecker aus dem Schlaf holen, schalten beim Autofahren das Radio an und sorgen für Begleitmusik bei Ihren sportlichen Aktivitäten und für Hintergrundmusik, sobald Sie nach Hause kommen?

Timeout-Tagebuch

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und lassen Sie den gestrigen Tag noch einmal vor Ihrem inneren Auge ablaufen. Beantworten Sie folgende Fragen:

Aus Umfragen wissen wir, dass jeder Bundesbürger im Schnitt täglich drei Stunden fernsieht – wie selbstverständlich schalten Sie den Fernseher ein, um sich zu informieren, berieseln zu lassen oder ihn einfach nur »nebenbei« laufen zu haben?

Jederzeit können wir uns über Tageszeitungen, das Fernsehen und im Internet über den kollektiven Wahnsinn informieren: Finanzkrisen, politische Unruhen, Gewalt, Terror und Kriege existieren überall auf der Welt, dazu kommt die systematische Zerstörung unserer Erde auf allen Ebenen – in der Luft, im Wasser und im Boden. Wir sind konfrontiert mit den Folgen unseres Fortschritts: Klimaerwärmung, Treibhauseffekt, saurer Regen, Ozonloch, Waldsterben, Verseuchung des Wassers, explodierende Bohrinseln und undichte Atomkraftwerke, um nur einige Stichworte zu nennen. Gewaltige Naturkatastrophen tun ihr Übriges – in ungewohnt kurzen Abständen erschüttern heftige Erdbeben, extreme Überschwemmungen, schwere Hurrikans, sintflutartige Regenfälle und lange Dürreperioden unsere Welt. Täglich sterben Pflanzen- und Tierarten aus und zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ist unser eigenes Überleben als Spezies Mensch ernsthaft in Frage gestellt.4

Wer stellt sich in normalen Zeiten schon Fragen wie: Wie finde ich Zeit, um meinem Inneren zu lauschen? Wie finde ich Zeit, mit mir selbst zu sein? Aber genau um diese Fragen geht es, wenn Sie wirklich etwas Neues wollen.

Eva-Maria Zurhorst

Bislang lebten die Generationen vor uns in der übergeordneten Gewissheit, dass es eine Zukunft für ihre Kinder und Kindeskinder gibt. Diese Sicherheit haben wir nicht mehr – im Gegenteil: Wir leben mit einer ungewissen Zukunft für uns selbst und für alle, die nach uns kommen, und wir leben mit dem Wissen, dass wir Menschen in der Lage sind, allein durch unsere atomaren Waffen uns selbst und die gesamte Schöpfung jederzeit komplett vernichten zu können.

Wir sind mit dem zweifelhaften Privileg ausgestattet, die erste Spezies in der Geschichte des Planeten zu sein, die das Potential für einen kollektiven Selbstmord entwickelt hat.

Stanislav und Christina Grof

Timeout-Tagebuch

Lassen Sie die unterschiedlichen Ausprägungen des kollektiven Wahnsinns vor Ihrem inneren Auge auftauchen und beantworten Sie folgende Fragen: