Thomas Gordon
unter Mitarbeit von Noel Burch

Gute Beziehungen - Wie sie entstehen und stärker werden

Wirksame Konfliktbewältigung in Familie und Beruf

Aus dem Amerikanischen von Hainer Kober
Mit einem Vorwort für die deutsche Ausgabe
von Dr. Karlpeter Breuer

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Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Klett-Cotta

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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel "Good Relationships. What makes them, what breaks them".

© Gordon Training International, 2002

Für die deutsche Ausgabe

© 2013 by J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Printed in Germany

Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-96272-7

E-Book: ISBN 978-3-608-10483-7

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Inhalt

Vorwort Zur Deutschsprachigen Ausgabe von Dr. Breuer

Vorwort

Einführung: Das Beziehungs-Credo

1.Kapitel - Jeder Hat Beziehungen

Was ist für gute und was ist für schlechte Beziehungen verantwortlich?

Macht und Autorität

2.Kapitel - Beziehungsprobleme

Eheleute, Partner und was schieflaufen kann

Eltern Und Kinder

3.Kapitel - Vorbeugende Maßnahmen

Mein Weg zur Vorbeugung

Vorsicht ist besser . . .

4.Kapitel - Was Macht in Beziehungen anrichtet

5.Kapitel - Ein Grundriss für gute Beziehungen

Die bewegliche Linie

6.Kapitel - Intakte Beziehungen herstellen

Feedback, das nicht wirkt

Fünf Werkzeuge des Zuhörens

Die Retter-Falle vermeiden

Rückblick: Wer hat eigentlich das Problem?

7.Kapitel - Aktives Zuhören oder: So zuhören, dass sich andere verstanden fühlen

Fehler beim Zuhören

8.Kapitel - So sprechen, dass mich andere verstehen können

Konfrontation

Ein Wechsel des Personalpronomens

Bleiben Sie auf dem Laufenden

Verhalten

Ärger

Ungeeignete Botschaften

Mit Widerstand umgehen

Lob

Vorbeugende Botschaften

Erstaunliche Belohnungen

9.Kapitel - Konfliktlösungen ohne Verlierer

Probleme lösen

Die Keiner-verliert-Methode

10.Kapitel - Umgang mit unterschiedlichen Werten

Der Raucher

Beratung

Vorbildliches Verhalten

Das Werte-Fenster

11.Kapitel - Gründe für Optimismus

Lehrerausbildung

Wirtschaft

Die Ausbreitung der Demokratie

12.Kapitel - Fragen und Antworten

Nachtrag

Literatur

Ergänzende Literatur in deutscher Sprache

Informationen zum Autor

Vorwort zur deutschsprachigen Ausgabe von Dr. Breuer

Dieses Buch erscheint zum 50-jährigen Jubiläum des Gordon-Modells, 50 Jahre nach der Veröffentlichung von Thomas Gordons Buch »Parent Effectiveness Training« im Jahr 1962 in den USA. In den folgenden Jahrzehnten sind weitere Publikationen von ihm zu verschiedenen Anwendungsbereichen dieses Modells erschienen:

Die bisherigen Veröffentlichungen wandten sich ausnahmslos an eine bestimmte Zielgruppe, z. B. an Eltern, Lehrer, Pädagogen, Ärzte oder Führungskräfte.

Das vorliegende Buch ist Gordons letzte Publikation vor seinem Tod. Er betont darin die Allgemeingültigkeit des Gordon-Modells für jede Form zwischenmenschlicher Beziehung – unabhängig vom Zeitgeschehen und von der Kultur. Eine erste Version erschien auf Deutsch im Jahr 2002 unter dem Titel »Die neue Beziehungskonferenz«. Das vorliegende Buch ist eine vollständige Neuübersetzung, die auch die neuen terminologischen Entwicklungen berücksichtigt.

Gordon führt dazu aus: »Die Allgemeingültigkeit ist ein Umstand, den ich nicht beabsichtigt hatte. Jetzt wissen wir, dass unsere Trainingsprogramme, so wie auch meine Bücher, in über 50 Ländern mit jeweils einer anderen Kultur erfolgreich sind. Unsere Kursleiter in diesen Ländern fanden es nicht nötig, Veränderungen in dem allgemeinen Modell oder in spezifischen Fertigkeiten und Konzepten vorzunehmen. Das gab mir die Zuversicht, dass Werte wie gleiche Rechte, Respekt für die Bedürfnissen anderer, Zusammenarbeit in Partnerschaften und friedvolle Lösung von Konflikten eines Tages vielleicht allgemein gültig werden.«

Bei der Realisierung des Gordon Modells durch entsprechende Trainingsprogramme geht es vor allem um die folgenden vier Eigenschaften der Menschen, die ihre Beziehungen effektiv gestalten und die es ihnen ermöglichen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen und ihre Rechte als Individuum wahrzunehmen:

  • die Person hat ein angemessenes Selbstverständnis sie kennt ihre Wertvorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse und ist sich ihrer Stärken und Grenzen bewusst,
  • sie handelt assertiv und verantwortlich – übernimmt selbst die Verantwortung für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse und Wünsche und setzt sich mit Beharrlichkeit und Rücksicht dafür ein,
  • sie pflegt Beziehungen zu ihren Mitmenschen – sie begegnet ihnen mit Achtung und Einfühlung und versucht, zwischen der Sorge um sich selber und anderen ein Gleichgewicht herzustellen,
  • sie plant und handelt selbstbestimmt – sie übernimmt die Verantwortung für ihr Leben selbst und setzt sich wichtige Lebensziele, nach denen sie ihr Planen und Handeln ausrichtet.

Diese Verhaltensweisen, die zum persönlichen Erfolg und zu konstruktiven Beziehungen führen, werden mit Hilfe von besonderen Kommunikations- und Problemlösungstechniken bewusst gemacht. Es sind Fertigkeiten, die im täglichen Leben angewendet werden können und zu einer erfolgreichen Lebensgestaltung beitragen. Sie umfassen Fertigkeiten

  • zum Erkennen von Wertvorstellungen, Bedürfnissen und Wünschen,
  • der Selbstdarstellung (Meinung äußern, Ideen aussprechen usw.),
  • zum »Nein« sagen, wenn eine unannehmbare Forderung gestellt wird,
  • der Selbstbehauptung, um Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen,
  • um mögliche Konflikte mit anderen zu vermeiden,
  • der Konfrontation bei unannehmbarem Verhalten anderer,
  • der Problemlösung, bei der beide Beteiligten zufrieden sind und es keinen Sieger und Verlierer gibt,
  • des Zuhörens, um einer anderen Person zu helfen, für ihre Probleme Lösungen zu finden,
  • um persönliche Zielsetzungen zu planen und zu erreichen.

Das Gordon Modell ist nicht nur ein Ratgeber zur Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen jeder Art, sondern stellt auch einen grundlegenden Beitrag der humanistischen Psychologie dar zur Förderung der psychischen Gesundheit in der Gesellschaft.

Weltweit sind circa zwei Millionen Menschen in Fertigkeiten dieses Konzeptes geschult worden: Manager, Teams aus Firmen und Organisationen, Professionelle aus Medizin, Psychologie und Pädagogik, Eltern, Lehrer und Jugendliche. Sie wurden von circa 50 000 nach dem originalen Konzept geschulten Kursleitern weitergebildet. Zurzeit gibt es circa 200 aktive Kursleiter und Kursleiterinnen im deutschsprachigen Bereich, die regelmäßig Gordon-Kurse durchführen. Die Kurse werden geleitet von speziell im Gordon-Modell ausgebildeten Personen, deren Fortbildung durch Ausbildungsinstitutionen durchgeführt wird, die von Dr. Gordon bzw. seiner Institution Gordon Training International legitimiert wurden. Im deutschsprachigen Raum ist dies unter anderem Gordon Training Deutschland Österreich Schweiz in der Akademie für personzentrierte Psychologie.

Thomas Gordon ist es gelungen, ein weltweites Netzwerk von Ausbildungsinstitutionen, Kursleiterinnen und Kursleitern, aufzubauen, die sich selbst dem Modell in hohem Maße verpflichtet fühlen und Menschen in den verschiedenen Kulturen helfen »demokratische Umwelten« zu schaffen.

Bonn, im November 2012

Dr. Karlpeter Breuer
Geschäftsführer
Gordon Training Deutschland Österreich Schweiz in der Akademie für personzentrierte Psychologie gGmbH

Vorwort

Seit vielen Jahren schreibe ich Bücher über menschliche Beziehungen, meist über besondere Beziehungen: Eltern – Kind, Lehrer – Schüler, Vorgesetzter – Untergebener, Arzt – Patient und so fort. Diese thematische Einengung war notwendig, weil die Bücher in unseren Kursen für Eltern, Lehrer, Manager usw. als Grundlage dienen sollten.

Allerdings stellte ich fest, dass es keine großen Unterschiede bei den benötigten Beziehungsfertigkeiten in den Gruppen gab, egal in welcher Beziehung sie zueinander standen, wo sie lebten oder arbeiteten. Das wurde mir auch von Teilnehmern bestätigt, die häufig auf den Lerntransfer von einem Kontext zu einem anderen hinwiesen, sie berichteten etwa: »Am Arbeitsplatz habe ich noch niemanden konfrontieren müssen, aber, mein lieber Mann, was habe ich diese Fertigkeiten bei meinen Kindern gebraucht!«

Aufgrund eines solchen Feedbacks beschloss ich, ein Buch zu schreiben, das sich nicht an Menschen in bestimmten Kontexten wendet, sondern an alle, die sich fragen, wie sie ihre Beziehungen grundsätzlich verbessern könnten – zu Hause, am Arbeitsplatz, in der Freizeit. Das war mein Ausgangspunkt.

Das Buch, das Sie in Händen halten, ist das Ergebnis. Vielleicht nicht das beste Buch, das ich je geschrieben habe, aber sicherlich auch nicht das schlechteste. Letztlich müssen Sie das beurteilen.

Einführung: Das Beziehungs-Credo

Was fällt Ihnen bei dem Wort »Beziehung« ein?

Meist denken wir an Lebensgefährten, Ehepartner, Kinder und andere Familienmitglieder, denen wir uns eng verbunden fühlen. Vollkommen richtig. Vergessen wir aber nicht, dass es neben diesen primären Bezugspersonen noch viele andere gibt, die großen Einfluss auf unser Leben haben – positiv wie negativ, und manchmal einfach wundervoll. Doch ob gut oder schlecht, wir haben zwangsläufig eine Beziehung zu ihnen – ganz gleich, wie sie auf uns wirken.

Mit diesem Buch möchte ich Ihnen vermitteln, was ich über meine vielen Beziehungen gelernt und was ich getan habe, um sie zu verbessern. Wie ich meinen Einfluss verstärkt, Missverständnisse beseitigt und sogar gescheiterte Beziehungen wiederhergestellt habe. Auf der folgenden Seite finden Sie eine Zeichnung, mit deren Hilfe Sie  sich vergegenwärtigen können, wer die Menschen in Ihrem Leben sind, wie viele es sind, und vielleicht auch, in welchem Maße sie Ihr Leben und Ihre Arbeit beeinflussen.

Tragen Sie Ihren Namen in den mittleren Kreis ein und dann die Namen von Menschen, zu denen Sie Beziehungen haben, in die umliegenden Felder. Beachten Sie, dass es sich um Pfeile handelt, die in beide Richtungen weisen, das heißt, nicht nur Sie verhalten sich in irgendeiner Weise den anderen gegenüber, sondern die anderen auch Ihnen gegenüber.

Sie können die Namen notieren oder auch Kategorien wie Freunde, Kollegen oder Kinder verwenden, wenn Ihnen das lieber ist. Sie dürfen auch noch mehr Kreise hinzufügen.

Wenn Sie nicht in das Buch schreiben wollen, können Sie die Abbildung auch auf ein leeres Blatt übertragen, bevor Sie damit arbeiten.

Als ich mein Beziehungsnetz zum ersten Mal zu Papier brachte, war ich von seinem Umfang und seiner Vielschichtigkeit überrascht. Da war alles vertreten: die Mitarbeiter von Gordon Training International, meine Familienangehörigen, Kollegen, Berater, Ärzte, Rechtsanwälte, Freunde, Nachbarn und, hätte ich lange genug nachgeforscht, vermutlich sogar Indianerhäuptlinge. Nach dieser Übung sind viele Menschen ebenfalls verblüfft über die Anzahl und Komplexität ihrer Beziehungen. Genau darin liegt der Zweck dieser Aufgabe – Beziehungen einschätzen, sich bewusst machen, wie viele es sind, wie unterschiedlich sie sind und, wenn möglich, wie Sie sich darin fühlen.

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Also, fangen Sie an. Füllen Sie die Felder aus und vergessen Sie niemanden – noch nicht einmal Tante Gretel, auch wenn sie Ihnen immer Socken zu Weihnachten schenkt.

Wenn Sie die Felder im Beziehungsnetz ausgefüllt haben, dann schauen Sie sich das Diagramm noch einmal an und kennzeichnen Sie alle Kreise, die Ihnen Probleme bereiten, die schwierig sind, die Ihrer Meinung nach am dringendsten einer Verbesserung bedürfen. Möglicherweise ergeht es Ihnen wie mir und Sie stellen fest, dass die schwierigsten die wichtigsten sind, was vermutlich daran liegt, dass wir wirklich schwierige Beziehungen aufgeben, wenn sie nicht wichtig sind.

Im Gegensatz zu vielen anderen ist das vorliegende Buch kein »Kochbuch« mit Rezepten, die Lösungen für bestimmte Probleme liefern. Ich weiß nicht, wie die besten Lösungen für Ihre Probleme aussehen, und ich glaube auch nicht, dass es irgendjemand anders weiß. Allerdings kann ich Ihnen eine Reihe von Fertigkeiten und Prozesse anbieten, mit deren Hilfe Sie Ihre eigenen Lösungen entwickeln können.

Vor vielen Jahren baten mich einige Teilnehmer am Effektivitätstraining für Eltern um eine kurze Zusammenfassung meiner Beziehungstheorie. Ich kam ihrem Wunsch nach und nannte das Ergebnis Beziehungs-Credo. Seither händigen wir jedem Absolventen unserer Kurse ein Exemplar des Credos aus. Es erfüllt mich mit großem Stolz, dass viele Kursteilnehmer das Credo für wichtige Ereignisse in ihrem Leben nutzen, vor allem für Hochzeiten – wie meine Tochter Judy –, und dass viele Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Erziehungswesen und sogar Politik es rahmen lassen und in ihren Büros aufhängen.

Im Credo kommen die Kernthesen des vorliegenden Buchs zum Ausdruck. Nach meiner Überzeugung trägt es dazu bei, dass Menschen, die sich danach verhalten, glücklicher, gesünder und länger leben.

Es ist hier ganz abgedruckt, dann in Teilen jeweils am Anfang der entsprechenden Kapitel und am Ende des Buchs noch einmal in voller Länge. Zu viel des Guten? Vielleicht, aber lesen Sie es und entscheiden Sie dann.

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1. KAPITEL
Jeder hat Beziehungen

Ich habe es so oft und in so vielen Abwandlungen gehört, dass es wohl stimmt. Die Menschen sehen das so. Sie sagen: »Ich habe eine neue Beziehung«, »Die Beziehung habe ich hinter mir«, »Das ist das Ende dieser Beziehung« oder »Alle meine Beziehungen beginnen schön und enden schlecht«. Und jeder, denke ich, weiß, was damit gemeint ist. Man hat das Gefühl, den Eindruck, dass Beziehungen – vor allem Liebesbeziehungen – eindeutige Anfänge und Enden haben.

Ganz anders die Auffassung, dass wir alle und immer irgendwie in Beziehung zueinander stehen. Wenn wir das einsehen, können wir die Form unserer Beziehungen verändern. Für mich steht außer Frage, dass ich mein Leben lang Beziehungen zu Menschen habe, einige enger, etwa zu Angehörigen und Freunden, andere lockerer, beispielsweise zu Mitarbeitern, Lehrern, Geistlichen und Trainern, und schließlich zu denen, mit denen ich zwar zusammenkomme, mich unterhalte, aber die ich nie wirklich kennen lerne. Egal, ob ich Menschen nahe komme oder Abstand halte, ich habe eine Beziehung zu ihnen. Besser als ich haben Dichter, Philosophen und Theologen zum Ausdruck gebracht, in welcher Weise wir mit anderen Menschen verbunden sind und was sich daraus für Chancen und Verpflichtungen ergeben. Wenn ich meinem Leben wirklich eine Wende zum Besseren geben möchte, wenn ich wirklich gesünder und glücklicher leben möchte, kann ich bei meinen Beziehungen ansetzen – das hängt nur von mir ab. Ich bin der einzige, der es kann. Es liegt in meiner Verantwortung. Falls sich »Verantwortung« für Sie zu gewichtig und moralisch anhört, ist das nicht meine Absicht. Ich meine vielmehr, dass für jeden von uns eine Chance besteht, seine Beziehungen zu verbessern und wichtige Aspekte des Miteinanders zu verändern.

Was ist für gute und was ist für schlechte Beziehungen verantwortlich?

Vor einigen Jahren legte Rob Koegel, Professor an der State University of New York in Famingdale, Studenten einen Fragebogen vor, in dem sie über ihre besten und schlechtesten Beziehungen Auskunft geben sollten. Einige der Fragen betrafen die Beziehungen der Studenten zu Menschen von mehr oder weniger gleichem Status – Freunden, Partnern, Geschwistern etc. In anderen Fragen ging es um das Verhältnis zu Menschen mit höherem Status, um Vorgesetzte, Lehrer, Professoren, Eltern und so weiter. Die Studenten sollten diese Beziehungen beschreiben und bewerten. Die Ergebnisse waren aufschlussreich. Gegenseitige Achtung, Fürsorglichkeit, Vertrauen, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit seien, so die Befragten, charakteristisch für ihre besten Beziehungen gewesen. Unter diesen Bedingungen hätten sich Empathie, Mitgefühl, Verständnis und Toleranz für Unterschiede entwickelt. Wenn der andere diese Eigenschaften gezeigt habe, sei die Beziehung unabhängig von allen Statusunterschieden gut gewesen.

Ihre besten Beziehungen, so die Studenten, schenkten ihnen Zufriedenheit, Auftrieb und das Gefühl, glücklicher, stärker und vollkommener zu sein. Koegels Fazit lautete: »Unsere besten Beziehungen vermitteln uns das Empfinden, anerkannt und geschätzt zu werden. Wir fühlen uns mit anderen verbunden und fassen Vertrauen zu ihnen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Beziehungen stärkt, stützt und beflügelt diese gegenseitige Verbundenheit beide Seiten.«

Dagegen bezeichneten die Studenten die Beziehungen, die sie »am schlechtesten« nannten, als manipulativ, dominant, ungerecht und ungleich. Nach diesen Aussagen beschreiben manipulative, dominante Menschen Unterschiede immer in den Kategorien Entweder/Oder: gut oder schlecht, richtig oder falsch, besser oder schlechter, wobei ihre eigene Position jeweils die richtige ist. Die selbstgerechte Haltung der »Dominatoren« führte bei den Befragten oft zu einem Gefühl von Inkompetenz und Unzulänglichkeit. Wer seinen Status benutzt, um zu gewinnen und auf Kosten anderer zu bekommen, wonach ihn verlangt, der ruft bei den Verlierern das Empfinden von Unsicherheit und Scham hervor, der zerstört das Vertrauen, das sie in sich und andere haben. Die von den Studenten verwendeten Formulierungen wie »einseitig«, »ausgenutzt« oder »unterdrückt« beschreiben, wie sie diese entwürdigenden Beziehungen erlebten.

Die Befragten waren sich einig, dass ungleiche Beziehungen immer ungerecht sind. Sie charakterisierten die Dynamik durch das Gegensatzpaar »gewinnen/verlieren« und sagten, Dominatoren würden dadurch gewinnen, dass sie ihre persönliche und institutionelle Macht nutzten, die sie als Eltern, Lehrer, Vorgesetzte oder in ähnlichen Funktionen hätten. Die Menschen auf der Verliererseite seien gezwungen, einseitige Beziehungen wie diese zu akzeptieren, weil sie weniger Status besäßen, das heißt, weil sie unterlegen, abhängig und auf andere angewiesen seien.

Koegels Befragung hat gezeigt, was wir meines Erachtens alle aus eigener Erfahrung kennen: Das größte Hindernis für eine intakte, glückliche Beziehung ist ein Machtgefälle zwischen Partnern oder Gruppen. Wenn eine Person (oder Gruppe) eine andere zwingen kann, etwas gegen ihren Willen zu tun, ist die Beziehung problematisch. Derart ungerechte Beziehungen haben die Befragten »Gewinn-Verlust-Situation« genannt und übereinstimmend erklärt, wenn sie verlören, fühlten sie sich ohnmächtig, ausgenutzt und unterdrückt.

Da die Begriffe »Macht« und »Autorität« für das Verständnis zwischenmenschlicher Beziehungen unerlässlich sind, wollen wir untersuchen, was sie bedeuten und wie sie erworben werden.

Macht und Autorität

Zunächst einmal gibt es mehrere Arten von Autorität. Die eine Art geht mit Wissen und Kenntnissen einher und erfreut sich großer Wertschätzung. Wenn Sie zum Beispiel Probleme mit Ihrem Auto haben, möchten Sie sicherlich, dass es von einem kundigen Automechaniker, einer Autorität auf diesem Gebiet, repariert wird. Von Ihrem Arzt erwarten Sie, dass er eine Autorität für Krankheiten und Heilkunde ist. Bei den Lehrern und Trainern Ihres Kindes setzen Sie voraus, dass sie Autoritäten in Sachen Erziehung und Sport sind. Wir sagen Sätze wie »Er ist eine Autorität in Wirtschaftsfragen« oder »Sie äußert sich mit großer Autorität«. Menschen mit dieser Art von Autorität, die aus Kenntnissen, Erfahrung, Ausbildung, Klugheit und Lernen erwächst, sind gefragt und werden oft hoch bezahlt. Solche Autorität ruft fast nie Beziehungsprobleme hervor.

Eine andere Art von Autorität ist mit der Stellung eines Menschen und/oder einer allgemein anerkannten Arbeitsplatzbeschreibung verknüpft. Beispielsweise sind Polizisten autorisiert, Strafzettel auszustellen, Ausschussvorsitzende, Sitzungen zu eröffnen und zu beenden, Richter, in Rechtsfragen zu entscheiden, Chefredakteure, Aufgaben zu erteilen und so fort. Eine solche berufsbezogene Autorität führt selten zu Schwierigkeiten in Beziehungen, sofern die beruflichen Funktionen als legitim anerkannt werden und nicht strittig sind.

Eine dritte Art von Autorität hat mit Verträgen und Vereinbarungen zu tun, die von der Unterzeichnung offizieller internationaler Verträge bis zum einfachen Handschlag reichen. Manche Anwälte spezialisieren sich auf Vertragsrecht und besitzen eine besondere Fertigkeit darin, Dokumente so aufzusetzen, dass alle Klauseln und Bedingungen klar und eindeutig sind. Doch die meisten Vereinbarungen benötigen keine formellen Verträge. Beispielsweise lösen Kinder ihre Konflikte häufig mit Vereinbarungen wie: »Ich helfe dir jetzt bei deinen Hausaufgaben, wenn du nachher mit mir Basketball spielst. Einverstanden? Schlag ein!« Lehrer treffen Vereinbarungen mit Schülern. Manager mit Mitarbeitern. Ehemänner mit ihren Frauen. Eltern mit Kindern. Freunde mit Freunden. Diese Verträge und Vereinbarungen dienen dem Zweck, dass nicht immer wieder die gleichen Probleme gelöst oder diskutiert werden müssen.

Verantwortlich für Beziehungsprobleme ist die machtbasierte Autorität, die ihre Träger in die Lage versetzt, andere zu kontrollieren, zu dominieren, zu nötigen und zu zwingen, Dinge zu tun, die sie nicht tun möchten. Ich war bei der Luftwaffe und habe diese machtbasierte Autorität hautnah erlebt, wie Millionen anderer. Selbst wenn Sie nicht beim Militär gedient haben, dürften Sie – genau wie Dr. Koegels Studenten – viele Machtspiele erlebt haben, die andere auf Ihre Kosten gewonnen haben.