Vorwort

1. Das vorliegende Buch vermittelt anwendungsbezogen Grundlagen und Vertiefungen der Bilanzierung nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung (GoB) und den International Financial Reporting Standards (IFRS). Leitidee des vorliegenden Buchs ist es dabei, fallbezogen („case by case“) zur selbstständigen Gewinnung von Lösungen aus gegebenen Sachverhalten anzuleiten. Der Aufbau der einzelnen Fälle ist einheitlich: Jeder Sachverhalt wird sowohl nach GoB als auch nach IFRS gelöst. Es werden zunächst die jeweils relevanten Prinzipien bzw. Kriterien für Bilanzansatz und -bewertung dargestellt und dann direkt auf den Fall angewandt. Wo Unschärfen der Normen vorliegen, wird versucht, dies aufzuzeigen, ebenso dort, wo Wertungsabhängigkeiten bestehen. Bei Letzterem handelt es sich nicht um eine akademische Form des l’art pour l’art, sondern vielmehr um die Vermittlung von Wissen, das von Fortgeschrittenen im Bilanzrecht erwartet wird und auch erwartet werden kann. Das Buch richtet sich an Studierende, die Rechnungslegung in ihrem wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor- oder Masterstudium vertiefen; es kann aber aufgrund der fallbezogenen Vermittlung von GoB und IFRS auch Praktikern von Nutzen sein.

2. Auch wenn die handelsrechtliche Bilanzierung im Handelsgesetzbuch (HGB) verankert ist, wird in diesem Lehrbuch für die Falllösungen nach Handelsrecht die Terminologie „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)“ verwandt. Hierdurch soll verdeutlicht werden, dass sich die anzuwendenden handelsrechtlichen Bilanzierungsprinzipien und -normen nicht ausschließlich aus dem geschriebenen Gesetz ergeben, sondern vor allem auch Bestandteil des ungeschriebenen Rechts sind, das im Wesentlichen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung konkretisiert wird. Ein fundiertes Urteil über Bilanzierungssachverhalte nach den GoB setzt somit neben der Kenntnis der einschlägigen Literatur ebenso eine fundierte Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, im Besonderen der des Bundesfinanzhofs, voraus – und zwar auch für Probleme der Ermittlung des handelsbilanziellen Kaufmannsvermögens. Das vorliegende Buch greift daher bei der Entwicklung von Problemlösungen neben der Literatur auch breit auf diese Rechtsprechung zurück. Denn man säße einem Irrtum auf, wollte man, nach älterem betriebswirtschaftlichen Verständnis, GoB nur reduzieren auf solche ganz allgemeinen Grundsätze, die im Grunde wenig konkretisierbar und mithin anwendbar sind. Denn wie gerade erläutert, setzen im geltenden Bilanzrecht Gesetzgeber und Rechtsprechung handelsrechtliche GoB, die als Rechtsnormen zu verstehen sind, für Handelsbilanz (§ 243 Abs. 1 HGB) und – soweit einschlägig – Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 EStG). Rechtsprechung, Wissenschaft und Praxis haben derart, in unterschiedlicher Wertigkeit, ein System von Bilanzierungsnormen geschaffen, das sowohl Lehrbarkeit als auch Erlernbarkeit ermöglicht; hierbei wurde, dem interdisziplinären Charakter der Materie entsprechend, immer eine wirtschaftliche Betrachtungsweise betont. Man sollte sich dieses Fortschritts bewusst sein: In der sechsten Auflage seiner „Bilanzrechtsprechung“ hält Adolf Moxter, der dieses Feld prägend bestellte, in der Einführung fest: „Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung kennen die Älteren noch als eine weder lehr- noch lernbare Materie, ein amorphes Gebilde von im Wesentlichen unüberprüfbaren Aussagen.“

3. In dieser zehnten Auflage wurden umfangreiche Aktualisierungen vorgenommen: Fall 1 (Rechnungslegungsgrundsätze), Fall 4 (Gewinnrealisierung/Umsatzerfassung), Fall 5 (Wirtschaftliche Vermögenszugehörigkeit) und Fall 9 (Finanzinstrumente) sind aufgrund der Übernahme der neuen Standards IFRS 9 „Finanzinstrumente“, IFRS 15 „Erlöse aus Verträgen mit Kunden“ und IFRS 16 „Leasingverhältnisse“ in EU-Recht vollständig neu gestaltet worden. Zudem fanden bei allen Fällen das neue IFRS-Rahmenkonzept (2018), das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRuG, 2015) sowie neueste Literatur und Rechtsprechung Berücksichtigung.

4. Bei der Urteils- und Literaturrecherche sowie den Korrekturen für diese zehnte Auflage wurden wir mustergültig unterstützt von Frau Dr. Annemarie Conrath-Hargreaves, Frau Elvira Fleischer, Herrn Robert Holla, Frau Annekatrin Jendreck, M.Sc., Herrn Paul Kalbe, B.Sc., Frau Jana Müller, M.Sc., Herrn Marcel Rost, M.Sc., Frau Aileen Schubert, B.Sc., Herrn Tim Schwertner, B.Sc. und Herrn Amaraa-Daniel Zogbayar, M.Sc. Auch diese Auflage kann breit auf die Erfahrungen ehemaliger Mitarbeiter des Mannheimer Treuhandseminars zurückgreifen, die damit ihre fortdauernde Verbundenheit im Geiste ausdrücken, was wir sehr zu schätzen wissen: Hierfür gilt unser persönlicher Dank Frau Dr. Sigrid Dexheimer-Elgg, Herrn Prof. Dr. Jannis Bischof, Herrn Dr. Kai Dänzer, Herrn Dipl.-Kfm. Nils Manegold, Herrn Dr. Matthias Maucher, Frau Dipl.-Kffr. Kati Rehm und Herrn Dr. Marc Weindel. Alle diese Autoren geben in den Beiträgen jeweils ihre eigenen Auffassungen wieder. Frau Dipl.-Ök. Gabriele Bourgon von der dfv Mediengruppe, Fachmedien Recht und Wirtschaft, danken wir sehr herzlich für die wie immer engagiert-freundliche, kompetente und effiziente Betreuung des Buchprojekts.

Frankfurt am Main, im Mai 2018

Prof. Dr. Jens Wüstemann und Prof. Dr. Sonja Wüstemann

Bearbeiterverzeichnis

Fall 1:

Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 2:

Jana Müller, M.Sc., Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 3:

Dipl.-Kfm. Nils Manegold, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Mainz, Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 4:

Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 5:

Christine Längle, WP, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Mannheim, Christoph Schober, WP/CFA, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Mannheim, Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 6:

Annekatrin Jendreck, M.Sc., Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 7:

Dipl.-Kffr. Kati Rehm, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Stuttgart, Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 8:

Dr. Marc Weindel, Heidelberger Druckmaschinen AG, Heidelberg, Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 9:

Matthias Backes, M.Sc., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Mannheim, Prof. Dr. Jannis Bischof, Universität Mannheim, Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 10:

Dr. Sigrid Dexheimer-Elgg, M.B.A., M.Sc., Novartis Pharma AG, Basel, Dr. Matthias Maucher, M.B.A. (ESSEC), Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart, Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 11:

Dipl.-Kfm. Nils Manegold, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Mainz, Dr. Marc Weindel, Heidelberger Druckmaschinen AG, Heidelberg, Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 12:

Dr. Kai Dänzer, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Berlin, Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 13:

Dr. Sigrid Dexheimer-Elgg, M.B.A., M.Sc., Novartis Pharma AG, Basel, Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Fall 14:

Dr. Marc Weindel, Heidelberger Druckmaschinen AG, Heidelberg, Prof. Dr. Jens Wüstemann, Universität Mannheim, und Prof. Dr. Sonja Wüstemann, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Verzeichnis der Prüfungsschemata

Prüfungsschema 1:

Bestimmung eines Vermögensgegenstands nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung

70

Prüfungsschema 2:

Bestimmung eines immateriellen Vermögenswerts nach IFRS

71

Prüfungsschema 3:

Umsatzerfassung nach IFRS 15

113

Prüfungsschema 4:

Konkretisierung des Prinzips der wirtschaftlichen Vermögenszurechnung

135

Prüfungsschema 5:

Bilanzierung von Leasinggeschäften nach IFRS 16

136

Prüfungsschema 6:

Bestimmung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung

158

Prüfungsschema 7:

Bestimmung und Bewertung eines finanziellen Vermögenswerts nach IFRS

159

Prüfungsschema 8:

Bestimmung des Verbindlichkeitsbegriffs und des Passivierungszeitpunkts nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung

204

Prüfungsschema 9:

Bestimmung des Rückstellungsbegriffs und des Passivierungszeitpunkts nach IFRS

205

Prüfungsschema 10:

Klassifizierung von finanziellen Vermögenswerten

237

Prüfungsschema 11:

Bestimmung von außerplanmäßigen Abschreibungen bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung

350

Prüfungsschema 12:

Bestimmung von außerplanmäßigen Abschreibungen bei Sachanlagen, immateriellen Vermögenswerten, Goodwill und bestimmten Anlageimmobilien nach IFRS

351

Abkürzungsverzeichnis

a.A.

anderer Ansicht

a.F.

alte Fassung

a.M.

am Main

Abs.

Absatz

Abschn.

Abschnitt

Abt.

Abteilung

AfA

Absetzung(en) für Abnutzung

AG

Aktiengesellschaft, Application Guidance

Art.

Artikel

ASC

Accounting Standards Codification

AtG

Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz), zuletzt geändert am 20.7.2017

Aufl.

Auflage

Aug.

August

Bad.-Württ.

Baden-Württemberg

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BC

Basis for Conclusions

Bd.

Band

Begr.

Begründer

Beil.

Beilage

betr.

betreffend

BewG

Bewertungsgesetz, zuletzt geändert am 4.11.2016

BFH

Bundesfinanzhof

BFHE

Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs

BFH/NV

Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs

BFuP

Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift)

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch, zuletzt geändert am 20.7.2017

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BilMoG

Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v. 25.5.2009

BilRuG

Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 22.7.2015

BiRiliG

Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordination des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz) v. 19.12.1985

BMF

Bundesministerium der Finanzen

bspw.

beispielsweise

BStBl.

Bundessteuerblatt

BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

Buchst.

Buchstabe

bzw.

beziehungsweise

c.p.

ceteris paribus

CD

Compact Disk

ch.

chapter

d.h.

das heißt

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

ders.

derselbe

Dez.

Dezember

dies.

dieselbe(n)

Dipl.-Kffr.

Diplom-Kauffrau

Dipl.-Kfm.

Diplom-Kaufmann

Diss.

Dissertation

DK

Der Konzern (Zeitschrift)

Dr.

Doktor

DRS

Deutscher Rechnungslegungs Standard

DRSC

Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V.

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung

ED

Exposure Draft

EFG

Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift)

EMBA

Executive Master of Business Administration

ERS

Entwurf der Stellungnahme zur Rechnungslegung

ESSEC

École Supérieure des Sciences Économiques et Commerciales

EStG

Einkommensteuergesetz, zuletzt geändert am 14.8.2017

EStR 2012

Einkommensteuer-Richtlinien 2012 in der Fassung der Bekanntmachung der Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 v. 25.3.2013

ET

Energiewirtschaftliche Tagesfragen (Zeitschrift)

etc.

et cetera

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

f.

(und) folgende

FASB

Financial Accounting Standards Board

FB

Finanz Betrieb (Zeitschrift)

Febr.

Februar

ff.

fortfolgende

FG

Finanzgericht

FLF

Finanzierung, Leasing, Factoring (Zeitschrift)

FR

Finanzrundschau (Zeitschrift)

FS

Festschrift

GAAP

Generally Accepted Accounting Principles

GE

Geldeinheit

ggf.

gegebenenfalls

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHR

GmbH Rundschau (Zeitschrift)

GoB

Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung

GrS

Großer Senat

h.M.

herrschende(r) Meinung

HdJ

Handbuch des Jahresabschlusses

HFA

Hauptfachausschuss (des IDW)

HGB

Handelsgesetzbuch, zuletzt geändert am 18.7.2017

Hrsg.

Herausgeber

Hs.

Halbsatz

i. Br.

im Breisgau

i.d.F.

in der Fassung

i.H.v.

in Höhe von

i.O.

im Original

i.S.

im Sinne

i.S.d.

im Sinne des (der)

i.S.v.

im Sinne von

i.V.m.

in Verbindung mit

IAS

International Accounting Standards

IASC

International Accounting Standards Committee

IASB

International Accounting Standards Board

IDW

Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

IE

Illustrative Examples

IFRIC

International Financial Reporting Interpretations Committee

IFRS

International Financial Reporting Standards

IRZ

Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung

Jan.

Januar

JbDStJG

Jahrbuch der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V.

Jg.

Jahrgang

KoR

Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung

KrWG

Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz), zuletzt geändert am 20.7.2017

LG

Landgericht

M.B.A.

Master of Business Administration

M.Sc.

Master of Science

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

Mio.

Million

Nov.

November

Nr.

Nummer

OB

The Objective of General Purpose Financial Reporting

OFG

Oberfinanzgericht

Okt.

Oktober

p.a.

per annum (pro Jahr)

PiR

Praxis der internationalen Rechnungslegung (Zeitschrift)

Prof.

Professor

PwC

PricewaterhouseCoopers

QC

Qualitative Characteristics of useful Financial Information

qm

Quadratmeter

rd.

rund

RdA

Recht der Arbeit (Zeitschrift)

RegE

Regierungsentwurf

rev.

revised

RFH

Reichsfinanzhof

RFHE

Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)

RK

Rahmenkonzept

Rn.

Randnummer

RStBl.

Reichssteuerblatt

s.

siehe

S.

Satz, Seite(n)

s.u.

siehe unten

Sept.

September

SFAS

Statements of Financial Accounting Standards

SI

Special Issue

SIC

Standards Interpretations Committee

sog.

so genannte(r)

Sp.

Spalte

StbJb

Steuerberater-Jahrbuch

StEntlG 1999/

Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.3.1999 (BGBl. I

2000/2002

1999, S. 402)

StuB

Steuern und Bilanzen (Zeitschrift)

StuW

Steuern und Wirtschaft (Zeitschrift)

Teilbd.

Teilband

u.a.

und andere, unter anderem, unter anderen

u.U.

unter Umständen

US-GAAP

United States Generally Accepted Accounting Principles

v.

vom, von

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

Vol.

Volume

WiB

Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift)

WM

Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht

WP

Wirtschaftsprüfer

WPg

Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)

z.B.

zum Beispiel

z.T.

zum Teil

ZfB

Zeitschrift für Betriebswirtschaft

zfbf

Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung

zfhf

Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung

ZfgK

Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

ZVglRWiss.

Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

zzt.

zurzeit

Fall 3: Bilanzierung von Geschäfts- oder Firmenwerten – Beispiel Unternehmenskauf

Sachverhalt:

Die A-AG erwirbt am 1. 1. des Jahres 01 sämtliche Vermögenswerte und Schulden der B-GmbH, deren Gesellschafter als Ausgleich Zahlungsmittel in Höhe von 0,8 Mio. GE erhalten. Die B-GmbH ist entsprechend ihren zwei unterschiedlich großen Geschäftsbereichen organisiert.

Der Wert der neubewerteten Aktiva der B-GmbH, einschließlich selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, beträgt 2 Mio. GE, der Zeitwert der Schulden 1,5 Mio. GE. Des Weiteren hat die B-GmbH Eventualverbindlichkeiten in Höhe von 0,1 Mio. GE.

Aufgabenstellung:

I. Lösung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung

1. Bilanzierung von Geschäfts- oder Firmenwerten gemäß den handelsrechtlichen GoB

Unter einem Geschäfts- oder Firmenwert wird der Unterschiedsbetrag zwischen dem Ertragswert eines Unternehmens und seinem Substanzwert verstanden;256 er repräsentiert mithin alle nicht einzeln bilanzierungsfähigen rein wirtschaftlichen Vor- und Nachteile, aufgrund des Einzelbewertungsprinzips nicht erfassbare Verbundeffekte sowie sonstige strategische oder finanzielle Vorteile.257 „Er ist Ausdruck für die Gewinnchancen, soweit sie […] durch den Betrieb des eingeführten und fortlebenden Unternehmens im Ganzen aufgrund besonderer dem Unternehmen eigener Vorteile höher oder gesicherter erscheinen als bei einem anderen vergleichbaren Unternehmen.“258 Bilanziell ist zwischen einem derivativen und einem originären Geschäfts- oder Firmenwert zu unterscheiden. Trotz der Aufhebung des Aktivierungsverbots für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens in § 248 HGB259 stellen Gesetzgeber und Rechtsprechung ausdrücklich klar, dass ein selbst geschaffener Geschäfts- oder Firmenwert weiterhin nicht anzusetzen ist.260 Wird hingegen ein Unternehmen261 als Ganzes (entgeltlich) übernommen, bezeichnet man die (positive) Differenz aus der bewirkten Gegenleistung und den im Zugangszeitpunkt beizulegenden Zeitwerten der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden als entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB). Der Streit im deutschen Schrifttum bezüglich der Frage, ob ein solcher Geschäfts- oder Firmenwert einen Vermögensgegenstand darstellt,262 wurde durch das BilMoG beendet: Der Gesetzgeber stellt klar, dass ein derivativer Geschäfts- oder Firmenwert „als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand“ gilt (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB).

2. Aktivierungsvoraussetzungen für einen Geschäfts- oder Firmenwert im Jahresabschluss

a) Übernahme eines Unternehmens im Zuge eines Asset Deal als erste Aktivierungsvoraussetzung
aa) Bedeutung der Ansatzvoraussetzung der Unternehmensübernahme

Gemäß dem Vollständigkeitsgebot besteht eine Ansatzpflicht für einen im Rahmen einer Unternehmensübernahme erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB). Der Begriff des Unternehmens bezieht sich „nicht auf ein rechtlich selbständiges Gebilde, sondern auf eine Sachgesamtheit, die alle betriebsnotwendigen Grundlagen besitzt, um selbständig am Wirtschaftsverkehr teilnehmen zu können“263. Demzufolge können nicht nur Personen- und Kapitalgesellschaften als Unternehmen gelten, sondern auch ein Teilbetrieb kann ein Unternehmen i.S.d. § 246 Abs. 1 S. 4 HGB sein.264 Der Teilbetrieb muss jedoch (zum Zeitpunkt der Übernahme) als selbstständige Einheit am Wirtschaftsverkehr teilnehmen können,265 die Abwicklung der Außenbeziehungen über das Gesamtunternehmen steht dem oft entgegen.266

Bei einem sog. Share Deal vollzieht sich die Übernahme durch den Erwerb von Anteilen, welche im Jahresabschluss direkt auf der Aktivseite des übernehmenden Unternehmens als Beteiligung auszuweisen sind.267 Übernimmt hingegen das erwerbende Unternehmen die Vermögensgegenstände und Schulden einzeln, muss es diese direkt in der eigenen Bilanz (neubewertet) ansetzen, es handelt sich mithin um einen Asset Deal. Der Unterschiedsbetrag zum Kaufpreis ist der derivative Geschäfts- oder Firmenwert.268

bb) Anwendung auf den Fall: Überprüfung der Transaktion zwischen der A-AG und B-GmbH auf Vorliegen eines Asset Deal

Die B-GmbH ist eine Kapitalgesellschaft. Als solche ist sie eine rechtlich selbstständige Einheit mit der Fähigkeit, am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Die A-AG hat daher ein Unternehmen i.S.d. § 246 Abs. 1 S. 3 HGB erworben. Sie hat dabei direkt sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden der B-GmbH übernommen, folglich handelt es sich bei diesem Unternehmenszusammenschluss um einen Asset Deal, und die erste Ansatzvoraussetzung ist erfüllt.

b) Positiver Unterschiedsbetrag als zweite Aktivierungsvoraussetzung für einen Geschäfts- oder Firmenwert nach handelsrechtlichen GoB
aa) Wert der bewirkten Gegenleistung
(1) Bestimmung des Werts der bewirkten Gegenleistung

Da der derivative Geschäfts- oder Firmenwert als Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis eines Unternehmens und dessen neubewerteten Vermögensgegenständen und Schulden auftritt, ist für dessen Ermittlung die Bestimmung des Werts der hingegebenen Sache notwendig. Die Ermittlung richtet sich grundsätzlich nach § 255 Abs. 1 HGB. Demnach bestimmt sich die Gegenleistung anhand des Kaufpreises unter Beachtung von eventuellen Anschaffungskosten bzw. Anschaffungspreisminderungen. Handelt es sich um einen Tausch, besteht die Gegenleistung also in der Hingabe von eigenen Vermögensgegenständen, wird der Wert mittels der für den Tausch geltenden Grundsätze bestimmt.269 Wird die Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht (bspw. in Form einer Rente oder gegen eine Umsatz- bzw. Gewinnbeteiligung), bestimmt sich ihr Wert anhand des versicherungsmathematischen Barwerts; maßgeblich für dessen Berechnung sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Übernahme.270

(2) Anwendung auf den Fall: Bewertung der Leistung an die ursprünglichen Gesellschafter der B-GmbH

Im vorliegenden Fall erfolgt die Gegenleistung an die ursprünglichen Gesellschafter der B-GmbH in Form von Zahlungsmitteln der A-AG, (annahmegemäß) werden sie zum Zeitpunkt der Unternehmensübernahme gezahlt. Folglich beträgt der Wert der bewirkten Gegenleistung 0,8 Mio. GE.

bb) Berücksichtigung der Vermögensgegenstände und Schulden des übernommenen Unternehmens
(1) Bestimmung der zu aktivierenden Vermögensgegenstände und der zu passivierenden Schulden

In der Bilanz des übernehmenden Unternehmens sind alle greifbaren und selbstständig bewertbaren Vermögensgegenstände des erworbenen Unternehmens anzusetzen.271 Der anzuwendenden Neubewertungsmethode liegt grundsätzlich die Fiktion zugrunde, dass das erwerbende Unternehmen die Vermögenswerte und Schulden des übernommenen Unternehmens (einzeln) erwirbt,272 folglich erfolgen deren Ansatz und Bewertung losgelöst vom Jahresabschluss der B-GmbH.

So kann die Aktivierung eines vermögenswerten Vorteils als Vermögensgegenstand im Jahresabschluss der A-AG geboten sein, obwohl er bezüglich des Jahresabschlusses der B-GmbH dem Verbot des § 248 Abs. 2 S. 2 HGB unterliegt. Der eigentliche Schutzzweck der Norm kommt bei einem Unternehmenserwerb nicht zum Tragen, da eine Aktivierungsrestriktion nicht die Ausschüttung höchst unsicherer Gewinne verhindert, sondern nur zu einer Erhöhung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts führen würde. Dies aber liefe dem Einzelbewertungsgrundsatz entgegen, nach dem sich die planmäßigen Abschreibungen zu richten haben: Für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände werden sich regelmäßig andere Wertverläufe ergeben als für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert, des Weiteren sind vollständig abgeschriebene (jedoch weiterhin genutzte) Vermögensgegenstände in der Bilanz des erwerbenden Unternehmens zu aktivieren.273 Schulden des übernommenen Unternehmens sind nur zu bilanzieren, soweit sie eine Verpflichtung gegenüber Dritten darstellen. Rechnungsabgrenzungsposten müssen als Vermögensgegenstände und Schulden besonderer Art berücksichtigt werden, wenn sie einen originären Anspruch bzw. eine originäre Verpflichtung für das übernehmende Unternehmen darstellen. Ein durch einen Abgrenzungsposten berücksichtigtes Disagio ist hingegen nicht anzusetzen.274

(2) Anwendung auf den Fall: Identifizierung der in der Bilanz der A-AG anzusetzenden (übernommenen) Vermögensgegenstände und Schulden der B-GmbH

In der Bilanz der A-AG sind alle wirtschaftlichen Vorteile der B-GmbH anzusetzen, die die Vermögensgegenstandskriterien (aus Sicht der A-AG) erfüllen. Ebenso werden alle wirtschaftlichen Nachteile der B-GmbH auf ihren Verbindlichkeitscharakter überprüft, welche von den Eventualverbindlichkeiten nicht erfüllt werden. Folglich sind diese nicht im Jahresabschluss der A-AG anzusetzen.

cc) Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden des übernommenen Unternehmens
(1) Bewertung der erworbenen Bilanzpositionen zum Zeitwert

Gemäß § 246 Abs. 1 S. 4 HGB erfolgt die Bewertung der übernommenen Schulden und Vermögensgegenstände in Höhe der beizulegenden Zeitwerte zum Übernahmezeitpunkt unter Berücksichtigung des § 252 Abs. 1 Nr. 4 1. Hs. HGB. Mithin ist die ursprüngliche Bilanzierung für die Bewertung ebenfalls nicht von Belang.275 Die Bestimmung der Zeitwerte erfolgt anhand objektiver Wertverhältnisse und kann damit von vereinbarten Preisen zwischen den Unternehmen abweichen.

Übersteigen die ermittelten Zeitwerte in der Summe die bewirkte Gegenleistung, sind diese (Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks selbstverständlich ausgenommen) zu reduzieren. Ein anschließend verbleibender, negativer Unterschiedsbetrag ist ggf. zu passivieren, denn andernfalls wäre ein Gewinn aus dem Unternehmenskauf auszuweisen, der noch nicht realisiert ist, sondern lediglich erwartet wird.276

(2) Anwendung auf den Fall: Identifizierung des in der Bilanz der A-AG anzusetzenden Unterschiedsbetrags

Laut Sachverhalt sind sowohl die Aktiva als auch die Passiva neu bewertet worden: Der Zeitwert der Vermögensgegenstände beträgt 2 Mio. GE, der der Schulden 1,5 Mio. GE.

Die bewirkte Gegenleistung der A-AG belief sich auf 0,8 Mio. GE. Da das (nach den handelsrechtlichen GoB) neubewertete Reinvermögen der B-GmbH nur 0,5 Mio. GE beträgt, ergibt sich eine Differenz in Höhe von 0,3 Mio. GE. Somit sind alle Ansatzkriterien erfüllt und die A-AG hat den gesamten277 Unterschiedsbetrag als derivativen Geschäfts- oder Firmenwert zu aktivieren.

3. Folgebewertung eines aktivierten Geschäfts- oder Firmenwerts gemäß den handelsrechtlichen GoB

a) Planmäßige Abschreibung eines immateriellen, zeitlich begrenzt nutzbaren Vermögensgegenstands

Die zweckadäquate Folgebewertung eines Geschäfts- oder Firmenwerts ist in der Theorie umstritten.278 Die Möglichkeit einer erfolgsneutralen Verrechnung mit dem Eigenkapital, die bisher im Konzernabschluss nach GoB gestattet war, lehnt der Gesetzgeber ab.279 Des Weiteren weist er trotz des Ziels einer Annäherung an die IFRS die dortige Charakterisierung als einen Vermögenswert mit unbestimmter Nutzungsdauer, mit der Folge der ausschließlichen Zugänglichkeit zur außerplanmäßigen Abschreibung (sog. Impairment Only Approach), zurück:280 Der „entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert […] gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand“ (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB). Durch die Streichung der bisherigen Normen bezüglich der Folgebewertung soll „[g]esetzestechnisch [erreicht werden], dass der entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert aktivierungspflichtig ist und den allgemeinen handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften unterliegt.“281 „Der entgeltlich erworbene zeitlich begrenzt nutzbare Geschäfts- oder Firmenwert ist nach Maßgabe des § 253 HGB planmäßig, oder, bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen, außerplanmäßig abzuschreiben.“282 Gemäß § 253 Abs. 3 HGB ist die Nutzungsdauer zu schätzen und ein entsprechender Abschreibungsplan zu erstellen.

Fehlt es ausnahmsweise an der verlässlichen Schätzbarkeit der voraussichtlichen Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts, so ist gemäß § 253 Abs. 3 S. 3 und 4 HGB eine pauschale Abschreibung über zehn Jahre vorzunehmen. Angesichts der Tatsache, dass eine objektivierte Schätzung der Nutzungsdauer eines Geschäfts- oder Firmenwerts nur in den wenigsten Fällen problemlos möglich sein sollte,283 bezweifelt Lüdenbach den unterstellten „Ausnahmecharakter“ der Vorschrift und geht davon aus, dass „die Zehnjahresabschreibung […] zum Standard wird“.284

Eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Vermögensgegenständen ergibt sich bezüglich der Wertaufholung: Ein niedriger Wertansatz ist unabhängig vom Weiterbestehen der Gründe zwingend beizubehalten (§ 253 Abs. 5 S. 2 HGB).

b) Anwendung auf den Fall: Bestimmung der Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts seitens der A-AG

Empirische Untersuchungen ergaben, dass die branchenübliche Nutzungsdauer eines Geschäfts- oder Firmenwerts zwischen 15 und 20 Jahren liegt.285 Im vorliegenden Fall legt die A-AG die Nutzungsdauer des erworbenen Geschäfts- oder Firmenwertes mangels verlässlicher Schätzbarkeit auf zehn Jahre fest.

4. Ergebnis nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung

Die oben dargestellte Transaktion erfüllt die Voraussetzungen eines Unternehmenszusammenschlusses. Da die A-AG die B-GmbH im Rahmen eines Asset Deal erwirbt und sich ein positiver Unterschiedsbetrag ergibt, kann sie den vollen Unterschiedsbetrag in Höhe von 0,3 Mio. GE aktivieren. Die A-AG schreibt den Geschäfts- oder Firmenwert aufgrund der fehlenden verlässlichen Schätzbarkeit der Nutzungsdauer pauschal über zehn Jahre ab.

II. Lösung nach IFRS

1. Bilanzierung von Geschäfts- oder Firmenwerten und Unternehmenszusammenschlüssen gemäß den IFRS

Aufgrund der Klassifizierung als Vermögenswert (IFRS 3 „Unternehmenszusammenschlüsse“, Anhang A) und dem nicht vorhandenen physischen Charakter liegt es nahe, einen Geschäfts- oder Firmenwert als immateriellen Vermögenswert nach IAS 38 „Immaterielle Vermögenswerte“ zu bilanzieren. Jedoch werden Geschäfts- oder Firmenwerte, die im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworben werden, explizit als Ausnahme benannt (IAS 38.3(f)). Ihre Bilanzierung richtet sich stattdessen nach den spezielleren Regelungen des IFRS 3. Ein selbst geschaffener Geschäfts- oder Firmenwert fällt hingegen in den Anwendungsbereich des IAS 38; für ihn gilt ein ausdrückliches Ansatzverbot (IAS 38.48).286

2. Aktivierungsvoraussetzungen für einen Geschäfts- oder Firmenwert im Einzelabschluss

a) Unternehmenszusammenschluss als Anwendungsvoraussetzung des IFRS 3
aa) Konkretisierung des Unternehmenszusammenschlusses: Identifizierung des Erwerbers und des Transaktionszeitpunkts
(1) Bestimmung des Erwerbers

Unter einem Erwerber wird das Unternehmen, welches im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses die Beherrschung über das übernommene Unternehmen erlangt, verstanden (IFRS 3, Anhang A); folglich ist das Vorhandensein eines Erwerbers zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines Unternehmenszusammenschlusses. Die Bestimmung folgt ebenfalls einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die Beurteilung kann von der rechtlichen Gestaltung abweichen.287

Die Bestimmung des Erwerbers erfolgt anhand der Leitlinien des IFRS 10 „Konzernabschlüsse“ (IFRS 3.7).288 Die übergeordnete Definition wird durch das Control-Konzept konkretisiert. Demnach wird ein beherrschender Einfluss unterstellt, wenn ein Investor „aufgrund seines Engagements bei dem Unternehmen variablen wirtschaftlichen Erfolgen ausgesetzt ist oder Rechte daran hat und die Möglichkeit besitzt, diese wirtschaftlichen Erfolge durch seine Bestimmungsmacht über das Beteiligungsunternehmen zu beeinflussen“ (IFRS 10.6).289

Die Erfassung eines Geschäfts- oder Firmenwerts im Einzelabschluss setzt einen Unternehmenszusammenschluss in Form eines Asset Deal voraus, da andernfalls die Beteiligung analog den GoB direkt zu aktivieren ist.290

(2) Bestimmung des Transaktionszeitpunkts: Erlangung der Beherrschung

Die einzig zulässige Bilanzierungsmethode ist nach IFRS 3.4 die Erwerbsmethode.

Folglich bestimmt der genaue Zeitpunkt die Höhe eines möglichen Geschäfts- oder Firmenwerts bzw. nach IFRS insbesondere die Aufteilung zwischen planmäßig und ausschließlich außerplanmäßig abzuschreibenden Vermögenswerten. Der Zeitpunkt des Unternehmenserwerbs fällt dabei mit dem Zeitpunkt der Erlangung der Beherrschung zusammen (IFRS 3.8). Es gilt die Vermutung, dass dieser mit dem rechtsgültigen Transfer der Rechte bzw. Vermögenswerte, die die Beherrschung begründen, zusammenfällt. Einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise folgend kann der Erwerbszeitpunkt indes der rechtlichen Übertragung vor- sowie nachgelagert sein (IFRS 3.9).291 Durch das Trennungsprinzip im deutschen Rechtskreis übernimmt der dingliche Vollzug (Verfügungsgeschäft), die Übertragung der Vermögenswerte und Schulden bzw. die Abtretung der Anteile, eine Indikatorfunktion; indes kann der Erwerbszeitpunkt durch noch ausstehende Genehmigungen dahinter liegen.292 Wenn durch ein Memo of Understanding oder eine öffentliche Bekanntmachung ein faktischer Zwang entsteht, kann der Erwerbszeitpunkt sogar noch vor der Unterzeichnung des Vertrags liegen; folglich ist in der Regel eine Einzelfallwürdigung vonnöten.293 Darüber hinaus ist der Beginn des Erwerbs zu bestimmen, da vorherige Geschäftsbeziehungen dem Unternehmenszusammenschluss nicht zuzurechnen sind (IFRS 3.51).

bb) Anwendung auf den Fall: Überprüfung der Transaktion auf die Anwendbarkeit des IFRS 3

Da die B-GmbH bisher eigenständig am Wirtschaftsverkehr teilnahm, ist die Definition eines Geschäftsbetriebs erfüllt. Aufgrund der Übernahme sämtlicher Vermögenswerte und Schulden seitens der A-AG erlangt sie einen beherrschenden Einfluss über das Nettovermögen der B-GmbH, sie ist somit der Erwerber. Da kein Hinweis auf eine Ausnahme im Sinne des IFRS 3.2 vorliegt, sind die Anwendungsvoraussetzungen des IFRS 3 erfüllt. Infolge des Zusammenschlusses in Form eines Asset Deal ist, vorbehaltlich eines positiven Unterschiedsbetrags, im Einzelabschluss der A-AG ein Geschäfts- oder Firmenwert zu aktivieren. Der 1. 1. des Jahres 01 ist der Erwerbszeitpunkt.

b) Positiver Unterschiedsbetrag als zweite Ansatzvoraussetzung: Anschaffungskosten eines derivativ erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts – Residuum aus Kaufpreis und neubewertetem Nettovermögen
aa) Ermittlung des Kaufpreises
(1) Ermittlung der Anschaffungskosten des Unternehmenserwerbs

Die Konzeption des Geschäfts- oder Firmenwerts als Residuum erfordert im ersten Schritt die Bestimmung der Anschaffungskosten des erworbenen Unternehmens, mithin zunächst des Werts der hingegebenen Leistung. Wurden nur Zahlungsmittel bzw. -äquivalente geleistet, gestaltet sich dies einfacher als bei der Ausgabe von Eigenkapitalinstrumenten oder der Übertragung von nicht monetären Vermögenswerten und Schulden. Der Wert der hingegebenen Gegenleistung wird mit dem Fair Value zum Erwerbszeitpunkt bewertet (IFRS 3.37), später fällige oder erbrachte Leistungen sind dementsprechend zu diskontieren.294

Im Zuge der Änderung des IFRS 3 sind Anschaffungsnebenkosten nun sofort aufwandswirksam im Jahr des Unternehmenszusammenschlusses zu erfassen (IFRS 3.53); anschaffungsbedingte Emissionskosten sind gemäß IFRS 9 „Finanzinstrumente“ zu berücksichtigen.

Die Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts ist in IFRS 3.33 für den Fall der Hingabe von Eigenkapitalinstrumenten näher konkretisiert. Für diese stellt ein öffentlicher Börsenkurs den besten Anhaltspunkt dar, jedoch können sich Probleme insbesondere durch eine Beeinflussung des Kurses aufgrund der Ankündigung des Unternehmenszusammenschlusses ergeben.295 Ansonsten ist ihr Wert IAS 39296 entsprechend zu schätzen. Liegt ein sukzessiver Unternehmenserwerb vor, ist für zuvor gehaltene Titel der beizulegende Zeitwert zum Erwerbszeitpunkt zu bestimmen, und Differenzen zum Buchwert sind erfolgswirksam zu erfassen (IFRS 3.42).

(2) Anwendung auf den Fall: Bewertung der Leistung an die ursprünglichen Gesellschafter der B-GmbH

Der Wert der hingegebenen Leistungen der A-AG im Rahmen des Unternehmenszusammenschlusses zwischen A-AG und B-GmbH entspricht den an die Gesellschafter der B-GmbH gelieferten Zahlungsmitteln; der Betrag ist nicht zu diskontieren, weshalb die Zahlungsmittel einen Wert von 0,8 Mio. GE haben.

bb) Allokation des Kaufpreises auf die einzelnen Vermögenswerte, Schulden und Eventualverbindlichkeiten des erworbenen Unternehmens
(1) Bedeutung des Unternehmenszusammenschlusses für den Ansatz und die Bewertung von Vermögenswerten und Schulden

Der Erwerbsmethode liegt grundsätzlich die Fiktion zugrunde, dass das erwerbende Unternehmen die Vermögenswerte und Schulden des erworbenen Unternehmens einzeln erwirbt.297 Demgemäß werden in einem nächsten Schritt die anzusetzenden Vermögenswerte und Schulden des erworbenen Unternehmens vollständig neu ermittelt, d.h. weder Ansatz noch Bewertung der Bilanzposten im Einzelabschluss des übernommenen Unternehmens sind relevant.298 „Um im Rahmen der Anwendung der Erwerbsmethode die Ansatzkriterien zu erfüllen, müssen die erworbenen identifizierbaren Vermögenswerte und die übernommenen Schulden den im Rahmenkonzept für die Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen dargestellten Definitionen von Vermögenswerten und Schulden zum Erwerbszeitpunkt entsprechen“ (IFRS 3.11).299 Ansatzerleichterungen gegenüber den Einzelstandards ergeben sich insbesondere für immaterielle Vermögenswerte und Eventualschulden. So enthält IFRS 3 nicht die Ansatzverbote des IAS 38.63.300 Eventualverbindlichkeiten sind trotz des Nichterfüllens des Wahrscheinlichkeitskriteriums anzusetzen, die Wahrscheinlichkeit wird im Rahmen der Bewertung berücksichtigt (IFRS 3.23). Der Ansatz und die Bewertung eines latenten Steueranspruchs bzw. einer latenten Steuerschuld erfolgt gemäß IAS 12 „Ertragsteuern“ (IFRS 3.24). Ebenso sind Verbindlichkeiten oder Vermögenswerte, die aus Leistungen an Arbeitnehmer resultieren, gemäß IAS 19 „Leistungen an Arbeitnehmer“ zu bilanzieren (IFRS 3.26).

Alle anzusetzenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten werden – bis auf die bereits genannten Ausnahmen – mit dem beizulegenden Zeitwert bewertet (IFRS 3.18). Dieser ist als Betrag definiert, „zu dem zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern unter marktüblichen Bedingungen ein Vermögenswert getauscht oder eine Schuld beglichen werden könnte“ (IFRS 3, Anhang A). Außerdem sind von der Fair-Value-Bewertung anteilsbasierte Vergütungssysteme und zur Veräußerung gehaltene Vermögenswerte ausgenommen. Deren Bewertung richtet sich nach den entsprechenden Bestimmungen der relevanten Einzelstandards (IFRS 3.29–3.31).

(2) Anwendung auf den Fall: Identifizierung und Bewertung der in der Bilanz der A-AG anzusetzenden (übernommenen) Vermögenswerte und Schulden

Im Rahmen des Unternehmenszusammenschlusses zwischen der A-AG und der B-GmbH, in dem die A-AG als Erwerber identifiziert wurde, müssen alle Vermögens- und Verbindlichkeitspositionen der B-GmbH neu geprüft werden, bevor sie im Einzelabschluss der A-AG angesetzt werden können. Die Summe der Fair Values der anzusetzenden Aktiva beträgt 2 Mio. GE. Daneben muss die A-AG Verbindlichkeiten in Höhe von 1,6 Mio. GE passivieren, da nach IFRS 3 auch Eventualverbindlichkeiten zu berücksichtigen sind.

cc) Geschäfts- oder Firmenwert als beteiligungsproportionaler positiver Unterschiedsbetrag
(1) Bestimmung des Geschäfts- oder Firmenwerts nach IFRS 3

Das Wahlrecht bezüglich der Berücksichtigung von Minderheitenanteilen (IFRS 3.19) ist für den Einzelabschluss nicht relevant, da lediglich Asset Deals erfasst werden.301 Folglich entspricht der Geschäfts- oder Firmenwert grundsätzlich der Differenz zwischen den Anschaffungskosten des erworbenen Unternehmens und den dabei anteilig übernommenen, neubewerteten Vermögenswerten sowie Schulden; es handelt sich mithin um eine Residualgröße. Tritt ein negativer Unterschiedsbetrag auf, ist eine erneute Beurteilung der einzeln ermittelten Fair Values zwingend (IFRS 3.36). Wird dabei das negative Vorzeichen bestätigt, ist der Unterschiedsbetrag sofort erfolgswirksam zu vereinnahmen (IFRS 3.34).

(2) Anwendung auf den Fall: Identifizierung des anzusetzenden Unterschiedsbetrags in der Bilanz der A-AG

Das Nettovermögen der B-GmbH ergibt sich durch Abzug der Schulden (1,6 Mio. GE) von den Vermögenswerten (2 Mio. GE) i.H.v. 0,4 Mio. GE. Da der Kaufpreis 0,8 Mio. GE beträgt, muss die A-AG den sich ergebenden Unterschiedsbetrag von 0,4 Mio. GE als Geschäfts- oder Firmenwert aktivieren.

3. Folgebewertung eines aktivierten Geschäfts- oder Firmenwerts gemäß den IFRS

a) Umsetzung der Einheitstheorie seitens des IASB: Impairment Only Approach

Ein im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbener Geschäfts- oder Firmenwert ist nicht planmäßig abzuschreiben, sondern (mindestens) einmal jährlich gemäß IAS 36 „Wertminderung von Vermögenswerten“ auf eine Wertminderung zu prüfen (sog. Werthaltigkeits- oder Impairmenttest)302 und gegebenenfalls außerplanmäßig abzuschreiben. Im Unterschied zu den handelsrechtlichen GoB folgen die IFRS damit der Einheitstheorie, nach der eine Trennung von derivativem und originärem Geschäfts- oder Firmenwert als unmöglich erachtet wird.

Gemäß den IFRS ist der Geschäfts- oder Firmenwert ein Vermögenswert (IFRS 3, Anhang A), der jedoch keine Zahlungsströme unabhängig von anderen Vermögenswerten generieren kann. Aus diesem Grund ist er in einem Impairmenttest sog. zahlungsmittelgenerierenden Einheiten zuzuordnen.303 Eine zahlungsmittelgenerierende Einheit ist „die kleinste identifizierbare Gruppe von Vermögenswerten, die Mittelzuflüsse erzeugen, die weitestgehend unabhängig von den Mittelzuflüssen anderer Vermögenswerte oder anderer Gruppen von Vermögenswerten sind“ (IAS 36.6).

Ein Wertminderungsaufwand ergibt sich für den Fall, dass der Buchwert der zahlungsmittelgenerierenden Einheit (also einschließlich des zugewiesenen Geschäfts- oder Firmenwerts) den erzielbaren Betrag, der sich als Maximum aus Nutzungswert und beizulegendem Zeitwert abzüglich der Verkaufskosten ergibt, übersteigt (IAS 36.6 und 36.58).304 Ein identifizierter Wertminderungsaufwand ist zuerst mit dem Geschäfts- oder Firmenwert zu verrechnen. Erst nachdem dieser vollständig abgeschrieben ist, wird der Aufwand anteilig als Abschreibung auf die Buchwerte der Vermögenswerte der zahlungsmittelgenerierenden Einheit verteilt (IAS 36.114). Ein wertgeminderter Geschäfts- oder Firmenwert bleibt von einer späteren Wertaufholung ausgeschlossen (IAS 36.122 und 36.124).

b) Anwendung auf den Fall: Aufteilung des Geschäfts- oder Firmenwerts auf zahlungsmittelgenerierende Einheiten und Prüfung des Vorliegens einer Wertminderung

Das Ziel einer einheitlichen Bilanzierung des Geschäfts- oder Firmenwerts ist aufgrund der Unterschiede zwischen den Vorschriften des Handelsrechts und der IFRS schon im Erwerbszeitpunkt nicht möglich; die Folgebewertung unterscheidet sich grundlegend.

In einem ersten Schritt ordnet die A-AG den derivativ erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert den zahlungsmittelgenerierenden Einheiten zu. Vierzig Prozent des Geschäfts- oder Firmenwerts ordnet sie dem größeren der zwei Geschäftsbereiche der (ehemaligen) B-GmbH zu. Der etwas kleinere der zwei Geschäftsbereiche wird mit einem Teil des bestehenden Geschäfts zu einer neuen Organisationseinheit zusammengelegt und der restliche Geschäfts- oder Firmenwert zugerechnet.

Im Laufe des Geschäftsjahrs lagen keine Anhaltspunkte vor, dass eine der zwei Einheiten wertgemindert sein könnte; eine Überprüfung am Jahresende ergab, dass der erzielbare Betrag den Buchwert jeweils übersteigt; folglich übernimmt die A-AG die Werte unverändert in die folgende Eröffnungsbilanz.

4. Ergebnis nach IFRS

Die Transaktion zwischen der A-AG und der B-GmbH stellt einen Unternehmenszusammenschluss im Sinne von IFRS 3 dar und fällt damit in dessen Anwendungsbereich. Der Kauf der B-GmbH geschieht im Zuge eines Asset Deal. Der sich nach der vollständigen Neubewertung ergebende positive Unterschiedsbetrag von 0,4 Mio. GE ist deswegen im Einzelabschluss der A-AG für das Geschäftsjahr 01 als Geschäfts- oder Firmenwert zu erfassen.