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Für Barb (in der die Macht stark ist)

Inhaltsverzeichnis

Prolog: Außer Kontrolle März 1976

TEIL I: Hoffnung 1944–1973

1Dürrer kleiner Teufel 1944–1962

2Geeks und Nerds 1962–1966

3Das richtige Pferd 1967

4Radikale und Hippies 1967–1971

5American Graffiti 1971–1973

TEIL II: Empire 1973–1983

6Mit Blut geschrieben 1973–1976

7„Ich habe kein gutes Gefühl“ 1976–1977

8George schlägt zurück 1977–1979

9Der Himmel verdunkelt sich 1979–1983

TEIL III: Rückkehr 1983–2016

10Leeres Spektakel 1983–1994

11Ein digitales Universum 1994–1999

12Zynischer Optimismus 1999–2005

13Loslassen 2005–2016

Endnoten

Ausgewählte Bibliografie

Danksagung

Bildteil

Prolog

Außer Kontrolle

März 1976

R2-D2 streikte.

Es lag nicht an seiner Sturheit (eine Eigenschaft, für die ihn später Millionen von Star Wars-Fans weltweit lieben sollten). Am ersten Drehtag, am Morgen des 22. März 1976, in der tunesischen Wüste, konnte R2-D2 einfach nicht mehr. Seine Batterien waren leer.

Nicht nur der kleine Droide hatte Probleme. Auch einige andere Roboter funktionierten nicht. Sie wurden per Fernsteuerung von Mitgliedern des Drehteams bedient. Einige Roboter fielen vornüber, manche bewegten sich gar nicht. Wieder andere rasten völlig außer Kontrolle durch den Sand oder prallten gegeneinander. Der Wüstensand reflektierte die Radiowellen arabischer Sender und störte damit die Signale der Fernbedienungen. „Die Roboter drehten durch, knallten gegeneinander, fielen hin, zerstörten sich gegenseitig. Es dauerte Stunden, bis sie wieder einsatzbereit waren“1, erinnerte sich Mark Hamill, der sonnengebräunte vierundzwanzigjährige Darsteller des Helden Luke Skywalker.

Und Regisseur George Lucas, der grüblerische, bärtige Kalifornier, einunddreißig Jahre alt – er wartete einfach. Sobald ein Roboter wieder funktionierte, filmte er so viel Material wie irgend möglich, bevor der Droide wieder stotternd zum Stehen kam. Manchmal ließ er Roboter an einem nicht sichtbaren Draht laufen, bis der Draht riss oder sie umfielen. Es machte sowieso nichts, denn Lucas wollte alle Probleme im Schneideraum beseitigen. Dort war er am liebsten – jedenfalls lieber, als mitten in der Wüste zu sitzen und in einen Kamerasucher zu blinzeln.

Das war der erste von vierundachtzig langen, qualvollen Drehtagen – zwanzig mehr als angesetzt. Von Anfang an gestalteten sich die Dreharbeiten als Katastrophe. „Das Ganze hat mich sehr deprimiert“, sagte Lucas später.2

Lucas’ Stimmung war unter anderem deshalb so schlecht, weil er glaubte, bereits jetzt die Kontrolle über den Film verloren zu haben. Aus seiner Sicht lag das an den geizigen Managern bei 20th Century Fox, die ihn von Anfang an finanziell kurzgehalten hatten. Sie verweigertem ihm das Geld, das er für funktionsfähige Technik gebraucht hätte. Denn die Anzugträger waren skeptisch, sie beharrten darauf, dass Science Fiction ein totes Genre sei, und Ausstattung, Kostüme und Special Effects waren teuer. Aus Sicht des Studios sollte Lucas mit einem Minimalbudget auskommen und seine Roboterprobleme während der Dreharbeiten selbst lösen. „Fox hat das Geld erst reingesteckt, als es zu spät war“, schäumte Lucas vor Wut. „Wir verloren täglich etwa eine Stunde wegen dieser Roboter. Das wäre nicht passiert, wenn wir sechs Wochen mehr Vorlauf gehabt hätten, um sie zu bauen, zu testen und funktionsfähig zu machen, bevor der Dreh beginnt.“3

Aber nicht nur die ferngesteuerten Roboter sorgten für Probleme. Anthony Daniels, klassisch ausgebildet, „very british“, spielte den Protokolldroiden C-3PO. Es ging ihm miserabel in seinem schlecht sitzenden goldenen Plastikanzug. Er sah und hörte so gut wie nichts. Bei jeder Bewegung piekste oder schnitt das Kostüm ihm ins Fleisch: „Ich war von blauen Flecken und Kratzern übersät“, erzählte er seufzend. Und wenn er wie so oft vornüberfiel, musste er warten, bis jemand aus der Crew es bemerkte und ihm wieder auf die Füße half.4 Nach der ersten Woche fürchtete Daniels, die Dreharbeiten nicht lebend zu überstehen. „Es war sehr, sehr schwierig, die Dinge ans Laufen zu bringen“, erzählte Lucas später. „Die Roboter funktionierten überhaupt nicht. Die Arbeit mit C-3PO war sehr mühsam. R2-D2 konnte kaum mehr als einen Meter gehen, ohne irgendwo anzuecken … Wir hatten nur Prototypen … Frei nach dem Motto: ‚Wir bauen das jetzt einfach mal. Wir haben zwar kein Geld, versuchen aber, es irgendwie so hinzukriegen, dass es funktioniert.‘ Aber nichts funktionierte richtig.“5 Lucas schwor sich, dass er nie wieder die Kontrolle über seine Filme an die Manager einer Filmproduktion abgeben würde. Was wussten die schon vom Filmemachen? „Sie geben völlig sinnlose Anweisungen“, beschwerte sich Lucas. „Irgendwann haben sie beschlossen, dass sie mehr Ahnung vom Filmemachen haben als die Regisseure. Produzententypen. Und du kommst nicht gegen sie an, weil sie das Geld haben.“6

Falls er mit Star Wars Erfolg hätte, würde sich danach eine Sache ändern: Er würde die Kontrolle über das Geld übernehmen.

Natürlich gab es auch Dinge, die man niemals kontrollieren konnte, so sehr man es sich auch wünschte. Das vollkommen unvorhersagbare tunesische Wetter zum Beispiel machte die Dreharbeiten nicht gerade einfacher. In der ersten Drehwoche im Nefta-Tal regnete es, zum ersten Mal seit sieben Jahren, und zwar vier Tage lang. Equipment und Fahrzeuge blieben im Schlamm stecken; die tunesische Armee musste anrücken und beim Herausziehen helfen. Morgens war es kalt, am Nachmittag glühend heiß. Lucas trug in der Frühe meistens einen braunen Mantel und hatte die Hände tief in die Taschen vergraben, wenn er durch den Sucher schaute. Sobald die Sonne höher stieg, legte er den Mantel ab, setzte eine Sonnenbrille auf und gab den Schauspielern seine Anweisungen im Holzfällerhemd, die Basecap tief in die Stirn gezogen. Wenn es nicht regnete, machte starker Wind dem Set zu schaffen. Der Sandkriecher wurde zerstört und eine Kulisse, so drückte es ein Crewmitglied aus, „bis fast nach Algerien“7 geblasen.

Der Sand, so schien es, drang überall ein. Brannte in den Augen, scheuerte auf der Haut, kroch in jede Ritze und Spalte. Lucas ließ die Panavisions in Plastikfolie hüllen, und trotzdem wurde das Objektiv einer Kamera fast ruiniert. Zu den Problemen mit der Technik gesellte sich manchmal aber auch schieres Pech. Ein LKW fing Feuer und beschädigte mehrere Roboter, einige Trucks blieben liegen; am Ende ließ Lucas das Equipment von Eseln tragen.

Nach zwei Wochen war der Regisseur völlig fertig. Wegen der ständigen Rückschläge durch schlechtes Wetter, defekte Droiden und schlecht sitzende Kostüme hatte er nur zwei Drittel des geplanten Materials filmen können. Und das Material selbst stellte ihn durchaus nicht zufrieden. „Durch die ganzen Katastrophen war es immer weniger geworden“, beklagte sich Lucas, „und ich fand das Ergebnis nicht besonders gut.“ Er war so niedergeschlagen, dass er seiner eigenen Dreh-Abschlussparty in Tunesien fernblieb. Stattdessen schloss er sich im Hotelzimmer ein und übte sich in Selbstmitleid. „Ich war sehr, sehr deprimiert, weil nichts richtig geklappt hatte“, seufzte er rückblickend. „Alles war schiefgelaufen. Ich war verzweifelt.“8

Ein gutes Jahr bevor Star Wars ins Kino kommen sollte, war das Projekt ein einziges Chaos. Der Film konnte nur ein Reinfall werden.

Davon war Lucas überzeugt.

TEIL I

HOFFNUNG

1944–1973