Zdravko Mlakic

Der General und der Esel




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Übersetzt aus dem Kroatischen von Marko Olujić

 

Umschlagillustration:

Liz de Souza Ad Majorem Dei Gloriam.

Das Buch „Der General und der Esel“, von Zdravko Mlakić

 

Die Rezension

 

Herr Zdravko Mlakić ist im bosnischen Dorf Bucicani im Jahr 1963 geboren. Er ist ein Volksdichter und Volkserzähler, der mehrere Sammlungen von Gedichten veröffentlicht hat und uns jetzt seine erste Volkserzählung „Der General und der Esel“ vorstellt. Eigentlich ist die Erzählung ist ein autobiografisches Werk, in welchem der Autor die Geschehnisse in Krieg führenden Bosnien im Zeitraum 1992 – 1996 erzählt sowie den Epilog nach den Kriegsereignissen. Als ein Ethnoerzähler oder Volkserzähler stellt Mlakić den kleinen Menschen im bosnischen Raum dar, der sich im Kriegswirbelwind befindet und gegen das marschierende Übel kämpft.

Um die Kriegsereignisse im damaligen Bosnien besser zu verstehen, wo die Kroaten gegen bosnische Moslems und Serben kämpfen, die Serben gegen Moslems und Kroaten und natürlich die Moslems gegen alle anderen, müssen wir zuerst die Grundlinien der Geschichte kennenlernen und verstehen. Bis zu den türkischen Eroberungen auf dem Gebiet Bosnien-Herzegowina im XV. Jahrhundert war Bosnien ein Teilgebiet des Kroatischen Königreiches, das sich wegen der dynastischen Zusammenstöße in zwei Teile spaltete und mehrheitlich katholisch war. (Ferdo Šišić, „Vojvoda Hrvoje Vukčić Hrvatinić i njegovo doba (1350 –1416) – „Der Fürst Hrvoje Vukčić Hrvatinić und seine Zeit (1350-1416)“. Als die Türken (Ottomanen, Osmanen) Bosnien eroberten und unterjochten, begann die Bevölkerung, um islamische Privilegien zu bekommen, den Islam oder die Griechisch-Orthodoxe Kirche zu präferieren und zu wählen. Der alte kroatische Adel bewahrte aber die Stammerinnerung der volkskroatischen Identität und nach dem Zusammenbruch des Türkenreiches haben sich die bosnischen Moslems in Massen nach Zagreb orientiert und die gebildete Klasse hat sich als „kroatische Moslems“ deklariert. (Mirsad Bakšić, „Doprinos muslimana hrvatskoj kulturi i državi“, Ferid Karihman, „Hrvatsko-bošnjačke teme“).

Nach der serbischen Okkupation des Kroatischen Königreiches (ein Bestandteil der K.u.K., Österreich-Ungarn-Kroatien-Monarchie) im Jahr 1918 schufen die Moslems eine „jugoslawisch moslemische Organisation“ im Jahr 1925 und später stand die Organisation, zusammen mit der Kroatischen Bäuerlichen Partei zusammen, in Opposition zu der großserbischen Monarchie. Der großserbische Terror im Königreich Jugoslawien (1918 – 1941) hat die hervorragenden moslemischen Repräsentanten, zusammen mit den katholischen Kroaten, beeinflusst, um den neuen unabhängigen Staat Kroatien zu schaffen. Der großserbische Terror über die Moslems (und Katholiken) in der Periode um 1945 – ca. 1965 und auch das Angebot von Tito, eine neue moslemische Nation zu schaffen, haben die bosnischen Moslems dazu gebracht, sich neu zu formieren und für die neue Nation den Regionnamen „Bosniake“ (und ein Familienname der kroatischen Katholiken in Bosnien) zu wählen. Dieses Festhalten am Titoismus und eine neue politische Identität, was eine Zusammenarbeit mit der kommunistischen großserbischen Regierung bedeutete, brachten die Moslems dazu, vor den Kroaten zurückzuschrecken und die kroatische Nationalidentität abzulehnen. Das erzeugte bei den Moslems großen Hass, der in der Periode 1992 – 1996 in das heftige Ablehnen der Kroaten resultierte und schließlich zu dem kommenden Krieg und dem Versuch der Beschlagnahmung des kroatischen Territoriums führte. Und so wurden die Katholiken an dem Territorium von Bosnien und Herzegowina zu den einzigen Kroaten.

Die Orthodoxie auf dem Territorium von Bosnien-Herzegowina wurde eigentlich von den Türken unterstützt und verbreitet: Katholik zu sein bedeutete nämlich für die Türken, der Untertan des Papstes und Staatsfeind zu sein, und orthodox zu sein bedeutete, den Türken gegenüber dem untergeordneten Patriarchen von Konstantinopel zu gehorchen. Und so haben die Katholiken, wenn sie Christen bleiben wollten, lieber die privilegierte byzantinische Orthodoxie als den verfolgten Katholizismus gewählt. Auf diese Weise, mit der Umgestaltung der Nationalgruppen in der Mitte des XIX. Jh. und mit der umfangreichen großserbischen Propaganda von Ilija Garaschanin (1812 – 1874), von einem Chef des serbischen Geheimdienstes (der seine Niederlassungen für die Serbisierung der orthodoxen Gläubigen in Bosnien und auch Montenegro verbreitete) haben wir in Bosnien zum ersten Mal die heutigen Serben, eigentlich die serbisierten Ex-Kroaten, bekommen. All dies beeinflusste die späteren Geschehnisse, die in dem erwähnten Krieg in Bosnien-Herzegowina kulminierten, in welchem alle gegen alle gekämpft haben. Und ein Teil dieser Geschichte hat uns, durch seine lebendigen Erinnerungen, Herr Zdravko Mlakić erzählt.

Die Mlakić-Geschichte beginnt mit der Darstellung seiner Arbeit in der bosnischen Waffenfabrik „Bratstvo“ („Die Bruderschaft“) in welcher sich, mit dem Beginn der erneuten serbischen Aggression gegen die anderen „jugoslawischen“ Völker, eine Stimmung des gegenseitigen Misstrauens entwickelte. Zu dieser Zeit griffen die Serben die kroatische Stadt Vukovar (Wukowar) an und zerstören sie, und aus dieser Fabrik wollten die Serben den serbischen Okkupatorene Kanonen und andere Waffen liefern. Die Kroaten machten die Absicht unmöglich, weil sie die Wachen und Barrikaden gegen die möglichen Angriffe der Serbokommunistischen Jugoslawischen Volksarme organisierten. Dabei sehen wir auch zum ersten Mal die feindliche Stimmung und Einstellung der islamischen Population gegenüber den Kroaten, welche seine Neigung zum Anhang zu den Serben manifestiert. Auch für die Moslems sind von nun an an allem die Kroaten schuld.

Unter den Völkern in Jugoslawien waren die Serben eine privilegierte Minderheit und Mlakić beschreibt eine Stadt mit dem Namen Pucarevo, die nach dem Kommunisten Gjuro Pucar benannt wurde, ein Ort, wo die Serben in Reichtum und Wohlstand lebten, und die Kroaten konnten sich dieses Reichtums nicht rühmen, weil der nicht aus demselben Topf gegessen wurde. Aus diesem Grunde brannte in den Herzen der Hass: Alle waren gleichberechtigt, aber an der Gleichberechtigung hatten die Serben den größten Anteil. Darum auch die Erinnerung an das Schicksal des Ortes.

Der Titel „Der General und der Esel“ bezieht sich auf die Erinnerung an die Aussage von General Ljubo Cesic-Royce, der einmal die Ehrlichkeit der neuen Regierung und ihrer Untertanen kommentierte und sagte: „Wer stibitzt, stibitzt“, übersetzt mit „wem es gelang, ohne Strafe zu stehlen, dem gelang es“. Im kommunistischen Jugoslawien war Diebstahl ein normaler Geistes- und Lebenszustand: Bei der Arbeit stahlen Arbeiter z.B. in Arbeiterrestaurants alles, von Toilettenpapier bis Fleisch: Die Mentalität des legalisierten kommunistischen Diebstahls breitete sich bei vielen aus, und wir sehen, wie Mlakić Kriegsdiebstahl beschreibt, ungestraften Fenster-Holzdiebstahl in seinem neuen Haus, die ungestrafte Verteilung von Militärrenten an diejenigen, die sie nicht verdient haben, die Unmöglichkeit, eine Rente für diejenigen zu erhalten, die sie verdient haben usw. Ständig kämpft Mlakić auch gegen den Diebstahl anderer Leute und hinterlässt ein Zeugnis über eine Zeit und die Mentalität der Kommunisten und des kommunistischen Ostap Bender nach dem Vorbild der Sowjetunion. Wunderbar war dieses großartige Großserbien (Jugoslawien) und sein Vermächtnis: Es brachte Banden von Inkompetenten und dergleichen und ebenso Inkompetenten hervor. Die „Generäle“ und Generälen ohne Krieg wurden Ränge und Ämter ohne Verdienst, Gehälter ohne Arbeit und Mühe gegeben, und der kroatische Esel kämpfte darum, sein Gehalt gerecht zu verdienen.

In der ganzen Geschichte erzählt Mlakić sowohl persönliche Ereignisse als auch persönliche Tragödien, er beschreibt ein Leben, das von tiefer Hingabe an die Heilige Mutter Gottes durchdrungen war und diese Hingabe ihm die Kraft gab zu leben, zu kämpfen und für seinen Platz unter der Sonne zu erkämpfen. Da ihn die Korruption Bosniens nie unterworfen und bestochen hat, war es für Mlakić schwierig und so ging er ins Ausland, um dort seinen Kampf fortzusetzen. In diesem Kampf lebt Mlakić weiterhin einen tiefen katholischen Glauben, und im Licht des katholischen Glaubens von Herrn Mlakić wird diese Geschichte erzählt.

 

Mag. Phil. Emil Čić

 

Der General und der Esel

 

Mein Name ist Zdravko Mlakić, ich bin einer von drei oder vier mit diesem Vor- und Nachnamen, sodass es hin und wieder zu einem Identitätstausch kommt. Ich bin jedoch der Sohn von Marko und Manda, diese Genealogie macht mich einzigartig und unnachahmlich. Zu Beginn möchte ich mir und anderen erklären, dass es nie zu spät ist, Gutes zu tun. Auch ich habe, knappe dreißig Jahre nach dem Kroatienkrieg, das Bedürfnis aufzuzeigen und zu beweisen, dass manche Ungerechtigkeiten ausgebessert werden können, sollen und müssen, auch nach all diesen Jahren. Ich habe das Bedürfnis, mir und der Welt zu zeigen und zu beweisen, dass die Auszeichnungen, welche die Kroaten erhielten, unter anderem das kroatische Dreiblatt, das kroatische Flechtwerk, der Orden der Heiligen Katarina usw. Diese Auszeichnungen wurden unmittelbar nach dem Krieg vergeben und jetzt, nach fast dreißig Jahren, könnte man sie revidieren oder gar aberkennen. Ich habe mich als Beispiel genommen. Ich bin davon überzeugt, dass es unter Ihnen, liebe Leser dieses Buches, auch solche wie mich gibt, und daher möchte ich Sie ermutigen, einander im Angesicht dieser Ungerechtigkeit zu helfen. Einige werden sich jetzt die Frage stellen, aber wie? Ich habe mir die gleiche Frage, fast dreißig Jahre lang gestellt. Es war weder weise noch klug von mir, so viel Zeit verstreichen zu lassen. Ich gebe zu, weder weise noch klug zu sein, jedoch bin ich, was ich bin, und zwar in erster Linie geduldig. Ich glaube, dass diese Eigenschaft auch Sie ziert, meine lieben Leser, daher gibt es keinen Grund, sich über mich zu wundern oder gar wütend auf mich zu sein, wegen der Jahre, die ungenutzt verstrichen sind. Was mich dazu gebracht hat, das hier zu schreiben? Eines Tages sagte einer unserer Generäle: „Wer stibitzt, hat stibitzt.“ Er sagte es und nichts geschah, der Wolf verspeiste den Esel.

Was uns der General damit sagen wollte? Ich denke, dass es aus diesen wenigen Wörtern ganz klar ist. Er wollte uns, die nie etwas „stibitzt“ haben, sagen, dass wir, ratet mal, was sind. Er wollte uns vermitteln, dass wir Esel sind, genau das. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich das Wort Esel in Druckbuchstaben schreiben soll oder nicht. Druckbuchstaben oder nicht, das macht keinen Unterschied, denn ein Esel ist ein Esel, sage ich zu mir selbst. All diese Jahre zu warten und für sich zu kämpfen, mittlerweile komme ich mir selber vor wie ein Esel, besser gesagt ein riesiger Esel. In erster Linie, wende ich mich an euch, meine lieben Gleichgesinnten, die die ihr auch nichts „stibitzt“ habt. Wenn euch die Feststellung, dass ihr Esel seid, etwas bedeutet, dann lasst uns weitermachen, um zu sehen, worauf ich hinaus will, wenn ich sage, dass gerade ich einer bin. Wir reden also über dieses „wer stibitzt, stibitzt“. Es vergehen also über zwanzig Jahre seit dem sogenannten Kroatienkrieg in Zentralbosnien. Ich spule den Film zurück, und zwar zwei Jahre vor diesen Ereignissen und das ist es, was ich über mich selbst sehe. Ich arbeite in der Waffenfabrik MMK „Bruderschaft“ in Novi Travnik und sonst nichts besonderes. Ich beobachte und beaufsichtige die Arbeiter, während sie den Waffen den letzten Schliff verpassen. Diese Waffen werden unermüdlich gefertigt, um sie dann in den Irak und den Iran zu exportieren. Eine Arbeit wie jede andere, aber ich hatte dennoch Glück, dass ich die Ausbildung zum Maschinenbauer abgeschlossen hatte, so konnte ich ein Bestandteil der Arbeiter M1 sein. So hieß unsere tolle Fabrik zur Zerstörung von Eigentum und Menschenleben. Wir hatten nichts damit zu tun, wir haben nur hergestellt und verkauft. Auf viele wirkte das, vollkommen normal, aber für mich, ein Soldat und Katholik, sah das eher nicht aus wie im Märchen. Wie dem auch sei, die anderen lebten wie im Märchen. Bis zum Hals in Arbeit versunken, wenn man mehr verdienen wollte, machte man Überstunden. So lebten wir alle glücklich und zufrieden bis an das Ende unserer Tage. Dort endet dieses Märchen. Aber wie begann das Ende? Richten wir den Blick nach Belgrad, wir lesen und hören vom Oberbefehlshaber, General Kukanjac. Wir hören und schauen die Nachrichten auf dem staatlichen Sender JRT. Wir schauen, aber können es nicht glauben! Die jugoslawische Volksarmee greift Vukovar an.

Wie gesagt, ich sehe es, glaube es jedoch nicht. Und damit war ich nicht allein. Wir konnten nicht einmal die Kraft aufbringen, darüber zu reden, so sehr hatten uns die Ereignisse schockiert. Wir sahen mit eigenen Augen, wie die Serben Travnik verließen. Am Arbeitsplatz sehe ich, wie meine ehemaligen Arbeitskollegen täglich gingen. Das betraf die einfachen Serben, die sich halt dazu entschlossen hatten zu gehen. Die Waffenfabrik erwachte jedoch zusehends zum Leben. Nicht zu vergleichen mit dem Bild, das sich in der Stadt abzeichnete, durch das Auswandern der Serben. Ganz im Gegenteil, aus unseren Fertigungshallen fuhren lasterweise Panzer mit großer Reichweite, sogenannte NOR- und Kapel-Panzer. Alle Lastwagenfahrer waren Serben, deren Windschutzscheiben das Bild von Slobodan Milośević zierte. Wir wussten, dass sie bis jetzt alle Bestände an den Iran verkauften. In meinem Dorf, das seit dem Zweiten Weltkrieg als Nest der Ustaša bekannt war, was ich allerdings nicht verstand, wurde es unruhig. Kein Wunder, waren wir doch das größte Dorf in der Umgebung und dann auch noch ein Dorf der Ustaśa, natürlich kochte die Stimmung auf. Wir fingen an uns zu versammeln, es wurde sogar ein Krisenstab eingerichtet. Dieser Stab bestand aus siebzehn Mitgliedern und so begannen wir, ob verdeckt oder öffentlich, je nachdem, was damals möglich war, mit der Patrouille innerhalb des Dorfes. Diese Patrouille war geheim, denn wenn man weiß, das die UDBA, der Kroatische Geheimdienst, damals aktiv war, weiß man, was man im Jahr 1991 durfte. Ich war also Mitglied diese Krisenstabs, arbeitete jedoch weiterhin in der Waffenfabrik. Ende des Jahres 1991 erhielten wir keinen Lohn, und so begannen wir das Jahr 1992 auch ohne Lohn. Im Zuge der Führung des Krisenstabs, fingen wir an, auf der Hauptstraße Barrikaden zu errichten.

Slobodan Milošević wollte, dass alle weitläufigen Waffen, die in der Waffenfabrik hergestellt wurden, exportiert werden, in den Iran oder den Irak. Da jedoch die Eroberung Kroatiens durch die Serben begann und die Helden aus Vukovar verteidigten, was ihnen gehörte, entschied die serbische Regierung, dass keine Panzer mehr in den Irak exportiert werden, und schickten diese geradewegs nach Vukovar. Wir Dorfbewohner, mittlerweile in allen Sphären der Verteidigung bewandert, fassten den Entschluss, den Export zu stoppen, indem wir ihnen den Weg versperren, das Errichten der Barrikaden begann. An meinem Arbeitsplatz richteten sich alle Blicke auf, und Anschuldigungen gegen mich. Ich weise darauf hin, dass ich in der Zeit der Barrikaden die Verbindung war, da ich auf beiden Seiten fungierte. Ich musste die Arbeit derer, die sich auf den Barrikaden befanden, zusätzlich verrichten. Der Kampf, der darum geführt wurde, war schwerer als jeder Kampf auf dem Schlachtfeld. Zu der Zeit wurden schon Verteidigungslinien gegen die Serben errichtet, sodass die Bewohner meines Dorfes im Handumdrehen dort hingeschickt wurden. Der Wind, der um die Barrikaden pfiff, verfälschte die Nachrichten, die sogenannte „Befreiung“ usw.

So wurden wir auch von dieser Seite zur Zielscheibe. Die MIGs der jugoslawischen Volksarmee fingen an, über uns hinweg zu fliegen und mit jedem Durchbruch der Schallmauer schürten sie Panik und Angst unter den Dorfbewohnern. Und die Muslime, alles andere als wohlgesonnen, gaben den Kroaten an allem die Schuld. Wem sollten sie die Schuld geben, wenn nicht mir, schließlich war ich ja bei ihnen. Ja, ich war bei ihnen, jedoch war die eigentliche Frage, warum ich dort war. Diese Frage stellte ich mir oft selbst. Waren nicht so gut wie alle Dorfbewohner an der Front? Natürlich, ich sah sie, einige von ihnen waren so tapfer, dass sie bewaffnet zu uns in den Bus stiegen und uns als Verräter und Angsthasen betitelten. Es kann gut sein, dass es in ihren Augen damals so ausgesehen hat. Jedoch war die Arbeit in der Waffenfabrik in diesen Tagen und Monaten alles andere als ängstlich.

Während der Versuche, die Situation zu beruhigen, reiste aus Sarajevo Minister Čengić, ein Muslim, und ein Serbe, Minister Krstičević, an und erklärten bei der Arbeiterversammlung, bei welcher ungefähr tausend von uns anwesend waren, dass kein Geld vorhanden sei, die Waffenproduktion aber weiterlaufen müsse. Manch einer könnte meinen, dass das ok ist, schließlich kamen sie ja aus Sarajevo. So manch einer, genauer gesagt einige, nahmen es auch so hin, vorwiegend Muslime.

Da hob ich die Hand, trat vor und wandte mich an die Herrschaften aus Sarajevo, mit den Worten: „Kein Geld, keine Waffen und Punkt.“ Das war der Beschluss der Arbeiterversammlung. Natürlich wäre es einfach gewesen, so etwas zu sagen, ein Gewehr in die Hand nehmen, und an die Front zu ziehen, wie es die meisten Kroaten getan hatten, aber ich blieb in der Waffenfabrik. Ich glaube, ich wäre auch nicht geblieben, hätte mich der Manager des Flächenschutzes nicht erschrocken angesehen und mich mit den Worten „wir werden die Waffenfabrik doch nicht den Muslimen überlassen?“ gebeten zu bleiben.

So blieb ich Arbeiter des Flächenschutzes, einer von drei Kroaten, mit mir waren noch, Božo Lozančić und Pero Ribić dort. Da die beiden eher einfache Vollzeitbeschäftigte waovinz lebten. Früher war es nur eine Stadt, heute wusste man genau, welcher Teil für Muslime frei zugänglich war und welcher für Kroaten.