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H. P. Lovecraft

Hypnos

(Horrorgeschichte)

 

 

 

Copyright © 2015 Der Drehbuchverlag, Wien 

2. Auflage, 14. Februar 2016 

Alle Rechte vorbehalten 

eBook: Hypnos (Horrorgeschichte) 

ISBN: 978-3-99041-529-0 

Hypnos

 

Bezüglich des Schlafes, dieses unheimlichen Abenteuers all unserer Nächte, können wir sagen, dass die Menschen täglich mit einem Wagemut zu Bett gehen, der unverständlich wäre, wenn wir nicht wüssten, dass er das Ergebnis der Geringschätzung der Gefahr ist.

Baudelaire

 

Mögen die gnadevollen Götter, falls sie tatsächlich existieren, über jene Stunden wachen, wenn mich keine Willenskraft oder kein Arzneimittel, welches die menschliche Raffinesse erfindet, vor dem Abgrund des Schlafes bewahren kann. Der Tod ist gnädig, denn davon gibt es keine Rückkehr, doch derjenige, der aus den niedrigsten Kammern der Nacht zurückgekommen ist, ausgezehrt und wissend, findet nie wieder Frieden. Was für ein Dummkopf war ich, mich in solch unklarem Rausch in Mysterien zu stürzen, in die niemand eindringen sollte; war er ein Dummkopf oder Gott – mein einziger Freund, der mich führte und mir voranging, und der am Ende Ängste durchlebte, die bald die meinigen sein könnten!

   Wir trafen einander, so weit ich mich erinnere, in einem Bahnhof, wo er in der Mitte einer Menschenmenge von banalen Neugierigen stand. Er war ohne Bewusstsein, in eine Art Verkrampfung gefallen, die seinem schmalen, schwarz gekleideten Körper eine eigenartige Starrheit verlieh. Ich glaube, er war damals an die 40 Jahre alt, denn er hatte tiefe Falten in seinem Gesicht, das blass und hohlwangig, aber oval und eigentlich schön war; teilweise ergraut waren sein dichtes, gewelltes Haar und sein kleiner Vollbart, die einst kohlrabenschwarz gewesen waren. Seine Stirn war weiß wie Pentelischer Marmor, in Höhe und Breite fast gottgleich.