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ISBN 978-3-7065-5855-6

Buchgestaltung nach Entwürfen von Kurt Höretzeder

Satz und Umschlag: Da-TeX Gerd Blumenstein, Leipzig

Coverfotos: Kay Vollert, ARGUS/Das Foto, Sylke Hlawatsch, Klaus-Jürgen Hövener/Schering AG

Bearbeitung des Manuskripts: IPN Kiel/Ulrike Gessner-Thiel

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Ulrich Gebhard/Marcus Hammann (Hrsg.)

Lehr- und Lernforschung in der Biologiedidaktik

Band 7„Bildung durch Biologieunterricht“Internationale Tagung der Fachsektion Didaktik der Biologie im VBIO, Hamburg 2015

Vorwort

Dieser Band ist der siebte in der Reihe „Lehr- und Lernforschung in der Biologiedidaktik“, in der die Fachsektion Didaktik der Biologie im VBIO (FDdB) aktuelle Forschungsarbeiten veröffentlicht. In der vorliegenden Publikation finden Sie eine Auswahl von Beiträgen der Internationalen Tagung der Fachsektion Didaktik der Biologie „Bildung durch Biologieunterricht“, die im September 2015 an der Universität Hamburg stattfand.

Das Thema der Tagung „Bildung durch Biologieunterricht“ ist in vielfacher Weise auf- und angenommen worden und damit auch der Akzent der meisten Beiträge dieses Bandes. Der Bogen der hier versammelten Aufsätze reicht von bildungstheoretischen Überlegungen bis hin zur empirischen Bildungsforschung. Die Bildungsdimension des „Verstehens“ ist ebenso repräsentiert wie der Ansatz „Nature of Science“ inklusive Beiträgen zum Experimentieren und Forschendem Lernen, außerdem Auseinandersetzungen mit der ethischen Dimension des Biologieunterrichts und fächerübergreifende Ansätze.

Für das Begutachtungsverfahren stellten sich renommierte Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktiker zur Verfügung. Es ist beabsichtigt, die Bände der Reihe weiterhin in zweijährigem Rhythmus erscheinen zu lassen.

Wir danken den folgenden Kolleginnen und Kollegen für die Begutachtung der Manuskripte:

• Prof. Dr. Claudia von Aufschnaiter (Didaktik der Physik)

• Prof. Dr. Susanne Bögeholz (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Franz X. Bogner (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Arne Dittmer (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Reinders Duit (Didaktik der Physik)

• Prof. Dr. Doris Elster (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Ulrich Gebhard (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Dittmar Graf (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Helge Gresch (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Harald Gropengießer (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Jorge Groß (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Jörg Großschedl (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Marcus Hammann (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Ute Harms (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Corinna Hößle (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Ulrich Kattmann (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Alexander Kauertz (Didaktik der Physik)

• Prof. Dr. Michael Komorek (Didaktik der Physik)

• Prof. Dr. Kerstin Krämer (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Dirk Krüger (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Jürgen Mayer (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Anke Meisert (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Andrea Möller (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Sandra Nitz (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Werner Riess (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Markus Rehm (Didaktik der Naturwissenschaften im Fach Chemie)

• Prof. Dr. Carolin Retzlaff-Fürst (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Angela Sandmann (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Steffen Schaal (Didaktik der Biologie)

• Dr. Franz-Josef Scharfenberg (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Annette Scheersoi (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Kirsten Schlüter (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Philipp Schmiemann (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Julia Schwanewedel (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Ulrike Spörhase (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Ulrike Unterbruner (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Annette Upmeier zu Belzen (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Hubert Weiglhofer (Didaktik der Biologie)

• Dr. Nicole Wellnitz (Didaktik der Biologie)

• Prof. Dr. Jörg Zabel (Didaktik der Biologie)

Die Herausgeber

Biologie und Bildung

Ulrich Gebhard

Wozu Biologieunterricht? – Biologie und Bildung

Biologie ist eine faszinierende Wissenschaft und sie berührt viele zentrale Themen des modernen menschlichen Lebens. Nicht zu Unrecht wird bisweilen von der Jahrhundertwissenschaft Biologie gesprochen und die Rolle der Biologie zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit der Rolle der Physik zu Beginn des 20. Jahrhunderts verglichen. Biologische Forschung beeinflusst und verändert ganz wesentlich unsere Welt- und Menschenbilder, von der Evolutionsbiologie über die Molekulargenetik und Neurobiologie bis zur Ökologie.

Bildung durch Biologieunterricht ist deshalb wichtig, weil die Biologie Teil menschlicher Kultur ist, zum Verständnis der Lebenswelt beiträgt und ein reflexiver Biologieunterricht gesellschaftliche Partizipation ermöglicht. Damit verbunden ist ein rational fundiertes Selbst- und Weltverständnis (vgl. Kattmann 2013, S. 25), wozu auch „Einsicht in die Grundphänomene des Lebendigen sowie die Stellung und Rolle des Menschen in der Natur“ (a. a. O.) gehört. Darin sind sich die meisten Biologiedidaktikerinnen und Biologiedidaktiker im Großen und Ganzen einig, wie ein Blick in die einschlägigen biologiedidaktischen Lehrbücher zeigt. Außerdem spiegelt sich diese Einsicht gleichermaßen in den Bildungsstandards wie in der internationalen Diskussion über Scientific Literacy. Auch in der MNU-Schrift von 2012 wird von einer diesbezüglichen „Grundbildung in den naturwissenschaftlichen Fächern“ gesprochen, ebenso in der Denkschrift der GDNÄ-Bildungskommission der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (2007): Allgemeinbildung durch Naturwissenschaften. Insofern ist die Frage „Wozu Biologieunterricht?“ in gewisser Weise schon beantwortet und hat damit – was nicht selbstverständlich ist – Eingang in die Bildungspläne genommen.

Indes: Diese völlig zutreffenden Begründungen und die vor diesem Hintergrund angestrebten Kompetenzen, die auch kaum – schon gar nicht kontrovers – diskutiert werden, fokussieren sehr auf die Ebene der biologischen Inhalte. Bei Bildungsprozessen geht es jedoch nicht nur oder in erster Linie um die Übernahme von (biologischen) Inhalten, sondern um eine Berührung, Konfrontation und Transformation des Subjekts (Combe/Gebhard 2012). Dass und in welcher Hinsicht die Biologie hierzu Anlass geben könnte, ist die zentrale bildungstheoretische Frage für unser Fach und das war auch das Thema der Hamburger Tagung zu Biologie und Bildung.

Der Gedanke, dass es bei Bildung weniger auf Inhalte ankommt, sondern eher auf übergreifende Aspekte, wird sehr pointiert von Klafki formuliert: „Das Wesentliche der Bildung ist nicht Aufnahme und Aneignung von Inhalten, sondern Formung, Entwicklung, Reifung von körperlichen, seelischen und geistigen Kräften“ (Klafki 1970, S. 33). Damit klingt die deutsche bildungstheoretische Tradition an: „Der wahre Zweck des Menschen (…) ist die höchste und proportionirlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen“ (Humboldt 1903, S. 283).

Natürlich ist damit nicht gesagt, dass es auf inhaltsbezogene Bildung gar nicht ankommt. Und natürlich ist es eine wesentliche Aufgabe biologiedidaktischer ­Theoriebildung und -forschung, biologische Inhalte auf ihren Bildungsgehalt hin zu untersuchen, was beispielsweise in der sogenannten Strukturierungsdebatte der 70er Jahre (Isensee/Kattmann 1975) auch geschehen ist.

Allerdings ist es so, dass nur unter Beachtung der überfachlichen Aspekte von Bildung auch das Lernen von fachlichen Inhalten eine wirkliche Chance hat. Durch die Klafki’sche Zusammenführung von materialen und formalen Aspekten von Bildung zu „kategorialer Bildung“ als Inbegriff der Bezogenheit von Welt und Person wird deutlich, dass es für Bildung zwar Inhalte braucht, die aber nur bildungswirksam werden können, wenn sie subjektiv bedeutungsvoll werden.

Dem Bildungsbegriff haftet ein starkes Pathos an. Indem dieses Pathos auf die „großen Themen“ (wie Reflexivität, Persönlichkeit, Mündigkeit, Partizipation) zielt, ist der Bildungsbegriff gleichermaßen emanzipatorisch wie diffus (vgl. Ricken 2007). Vielleicht ist diese Diffusität ein Grund dafür, warum in den naturwissenschaftlichen Fachdidaktiken im Allgemeinen und der Biologiedidaktik im Besonderen auf eine bildungstheoretische Fundierung, wie sie seit Humboldt die geisteswissenschaftliche Pädagogik ausmacht und wie sie von Klafki (1994) zu einer emanzipatorischen Erziehungswissenschaft gewendet wurde, weitgehend verzichtet wird. Zudem werden die Naturwissenschaften oft gar nicht richtig als bildungsrelevant angesehen. Zu einem gebildeten Menschen gehören aus dieser Sicht eher Zugänge zur Sprache, Geschichte, Literatur, überhaupt zu den Künsten. So werden in einem populären Bestseller über „Bildung“ (Schwanitz 1999) nur die geisteswissenschaftlichen Gebiete angesprochen. Diese fachkulturelle Verengung bzw. geradezu „Unbildung“ ist seit dem „Zwei-Kulturen-Streit“ (Snow 1959) ein Dauer­brenner in der bildungspolitischen wie auch bildungstheoretischen Diskussion.

Aus meiner Sicht müssen wir uns aus Sicht der Naturwissenschaftsdidaktik gegen diese „populäre Ansicht von der grundsätzlichen Unvereinbarkeit von Naturwissenschaft und Bildung“ (Kutschmann 1999, S. 10) wehren und das kann vor allem durch zwei Argumentationsfiguren geschehen: Wir müssen angesichts des objektivierenden Anspruchs der Naturwissenschaften die Subjektperspektive stark machen und wir müssen die Naturwissenschaft als kulturelles Erzeugnis reformulieren, was beispielsweise im Nature of Science-Ansatz geschieht (Hößle u. a. 2004).

Es geht bei Bildung um die Entwicklung eines bedeutsamen Selbst- und Weltbildes in Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Realität. Bildung ist dabei sowohl der Prozess als auch das Ergebnis. Eine bildungstheoretisch fundierte Didaktik kann sowohl das Verstehen naturwissenschaftlicher Gegenstände befördern als auch den Erziehungsauftrag von Schule und emanzipatorische Bildungsprozesse im Blick behalten. Mit der Hereinnahme eines wohlverstandenen Bildungsbegriffs, der weder nur bildungsbürgerliche Verzierung ist noch auf die kanonisierten „Bildungsgüter“ der Biologie abzielt, wird sowohl ein gesellschaftlicher Bezug als auch eine glaubwürdige Orientierung am Subjekt gewährleistet. Es geht bei Bildung gewissermaßen um eine bestimmte Art, in der Welt zu sein, es geht um ein aufgeklärt-reflexives Verhältnis zur Welt und zu sich selbst und eine entsprechende Haltung. Eine bildungstheoretische Fundierung der Biologiedidaktik bzw. überhaupt der naturwissenschaftlichen Fachdidaktiken führt insofern zu einer Wiedergewinnung des Subjekts, ohne die fachliche Dimension und ohne den gesellschaftlichen Bezug von wichtigen biologischen Inhalten zu vernachlässigen.

In bildungstheoretischer Hinsicht kann man Lernprozesse als die erfolgreiche Aufnahme neuer Informationen interpretieren, während der Begriff Bildung zusätzlich auf die besagte Berührung und Transformation der Person zielt, wobei Lernen und Bildung aufs Engste zusammenhängen. Man wird durch Bildung nicht nur kompetent, sondern gewissermaßen ein anderer Mensch. „Wir haben uns angewöhnt“, so Helmut Peukert, „zwei Weisen des Lernens zu unterscheiden. Die eine Art ist eher ein additives Lernen, d. h. im Rahmen eines gegebenen Grundgerüsts von Orientierungen und Verhaltensweisen lernen wir immer mehr Einzelheiten, die aber diese Grundorientierungen und die Weisen unseres Verhaltens und unser Selbstverständnis nicht verändern, sondern eher bestätigen. Daneben gibt es auch Erfahrungen, die, wenn wir sie wirklich zulassen, unsere bisherigen Weisen des Umgangs mit der Wirklichkeit und unser Selbstverständnis sprengen, die unsere Verarbeitungskapazität überschreiten. Wollen wir solche Erfahrungen wirklich aufnehmen, so verlangt dies eine Transformation der grundlegenden Strukturen unseres Verhaltens und unseres Selbstverhältnisses“ (Peukert 2003, S. 10).

Thema der Bildungstheorie seit Humboldt ist die „Verknüpfung unseres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regsten und freiesten Wechselwirkung“ (1903, S. 283). Bildung ist nicht im ständigen Kreisen um sich selbst zu haben, sondern hat einen äußeren Gegenstand zur Bedingung, an dem das Subjekt sich abarbeiten kann. Wichtig ist aber auch der Nachsatz: die Verknüpfung soll nämlich „zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung“ (a. a. O.) stattfinden. Hier ist das bis heute aktuelle Motiv der Freiheit und der Notwendigkeit der Selbstbildung bereits angelegt. Humboldt hat mit seiner Bildungsutopie viel angestoßen und viele Bildungsentwürfe nehmen zu Recht immer noch Bezug auf ihn. Was den Humboldtschen Ansatz jedoch ergänzungsbedürftig macht, ist zum einen der fehlende gesellschaftliche Bezug und zum anderen die Vorstellung, Bildung komme gleichsam von innen heraus als Entfaltung eines in sich ruhenden Subjekts.

Die Kategorie der Bildung war und ist insofern eingebunden in die Diskussion um Autonomie, Selbstbestimmung und die Möglichkeit der Selbst-Bildung (vgl. z. B. Meyer-Drawe 2005). Allerdings muss heute die Geschlossenheit des Identitätsbegriffs, in der eine Synthese der verschiedenen Lebensbereiche vorausgesetzt oder zumindest angestrebt wird, in Frage gestellt werden. Identität meint ja auf der Basis zahlreicher geglückter synthetischer Konfliktlösungen des sich bildenden Bewusstseins das Sich-Selbst-Gleich-Sein und Sich-Selbst-Gleich-Bleiben durch den Fluss der äußeren Veränderungen hindurch. Aber das einst im deutschen Idealismus so glanzvoll gefeierte bürgerliche Subjekt, das sich an einer Einheit von Charakter, Berufsentwurf und Lebensform ausrichtete, ist angesichts der Kontingenz von (post-)modernen Biographiekonstruktionen so nicht mehr denkbar. Wenn also das Subjekt der Bildung nicht mehr schlicht als ein mit sich Identisches zu denken ist, rückt das Prozesshafte von Bildung in den Vordergrund.

Trotzdem geht es auch darum „als ein Selbst zu existieren, das angesichts radikaler Kontingenz und Widerspruchserfahrungen nicht in sich selbst zerfällt, sondern fähig ist, die Belastungen durch globale Probleme, die in den Alltag hineinreichen, nicht zu verdrängen, sondern auszuhalten und sogar produktiv und gemeinsam mit anderen nach Lösungen zu suchen“ (Peukert 1998). Für eine sensible Pädagogik und auch Didaktik bedeutet dies, „eine Ahnung davon zu haben, was es bedeutet, verletzbarer Mensch zu sein und in verletzbaren kommunikativen Strukturen Mensch zu werden“ (Peukert a. a. O.)

Im Zusammenhang mit diesen bildungstheoretischen Betrachtungen kann die Krise als Anlass bzw. als Herausforderung für Bildungsprozesse verstanden werden. Damit wird der potentiell konflikthafte Charakter von Bildungsprozessen etwa im Verhältnis zum Harmonisch-Ausgleichshaften bei Humboldt deutlicher in den Blick genommen (vgl. Combe/Gebhard 2012). Bildungswirksam kann die Krise insofern werden, als sie als eine Situation verstanden wird, „in die ein Mensch gerät, wenn er Erfahrungen macht, für deren Bewältigung seine bisherigen Orientierungen nicht ausreichen“ (Koller 2007, S. 56). Bildung wäre dann die Transformation „grundlegender Figuren des Welt- und Selbstverhältnisses angesichts der Konfrontation mit neuen Problemlagen“ (Koller 2012, S. 17).

Zentral wichtig für derartige Transformationen ist, dass man dafür Zeit hat. Insofern ist eine wichtige Bedingung für Bildungsprozesse die Entlastung von unmittelbarem Handlungsdruck. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass das griechische Wort für Schule „scholae“ in der wörtlichen Bedeutung „Muße“ heißt.

Dass sich derartige krisenhafte Momente lohnen, konnte mit den empirischen Arbeiten zum Ansatz der Alltagsphantasien (Gebhard 2007, 2015) gezeigt werden. Die Beschäftigung beispielsweise im Genetikunterricht mit auf den ersten Blick fachfremden Themen (wie z. B. Unsterblichkeit, Heiligkeit des Lebens oder mit dem Naturbegriff als sinnstiftender Idee) führt zwar auf Abwege oder besser Umwege und auch zu veritablen Irritationen bzw. Krisen (Oschatz 2011) – aber eben auch zu einem vertieften Verstehen biologischer Zusammenhänge, zu einem – wenn man so will – „fruchtbaren Moment im Bildungsprozess“ (Copei 1930).

Diese subjektorientierten fruchtbaren Momente müssen jedoch an einer ernsthaften Orientierung am Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe angebunden sein. Im Allgemeinbildungskonzept von Klafki werden die soeben diskutierte Subjektorientierung und kulturelle Teilhabe auf einander bezogen. Ähnlich wie beim transformatorischen Bildungskonzept braucht es für Bildung gleichsam einen Motor. Bei Klafki sind es nicht die individuellen Problemlagen – um nicht zu sagen Krisen –, sondern gesellschaftliche Problemlagen: die vielzitierten „epochaltypischen Schlüsselprobleme“.

In diesem Kontext ist Bildung notwendig „auf die politische Existenz des Menschen bezogen“ (Klafki 1970, S. 94) und soll „Modell einer demokratischen mobilen Gesellschaft der sozial Gleichwertigen werden“ (a. a. O.). Die Bezogenheit auf die politische Existenz bedeutet die Notwendigkeit der Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen und dazu muss auch im Biologieunterricht befähigt werden. Dies kann zum Beispiel geschehen bei Umweltfragen (Ökologie, Nachhaltigkeit), bei der Friedensfrage (Aggression) und auch bei der gesellschaftlich produzierten Ungleichheit (Menschen mit und ohne Behinderung, sogenannte Rassen, Gender) – um einige der „epochaltypischen Schlüsselprobleme“ anzusprechen. Hinzu kommen gerade im Biologieunterricht viele natur-, bio- und medizin­ethische Themen als Folge moderner Biotechnologien oder der Gehirnforschung.

Wesentlich für eine Befähigung zur Partizipation ist der „Zusammenhang dreier Grundfähigkeiten“: die „Fähigkeiten der Selbstbestimmung, der Mitbestimmung und zur Solidarität“ (Klafki 1994, S. 52). Angesichts des zentralen Bildungsziels der Mündigkeit ist es v.a. die Selbstbestimmung, die für Bildungsprozesse essentiell ist, sollen sich entsprechende Bildungsbemühungen nicht in ihr Gegenteil verkehren. „Allgemeinbildung bedeutet (…) ein geschichtlich vermitteltes Bewusstsein von zentralen Problemen der Gegenwart und – soweit voraussehbar – der Zukunft zu gewinnen, Einsicht in die Mitverantwortlichkeit aller angesichts solcher Probleme und Bereitschaft, an ihrer Bewältigung mitzuwirken“ (Klafki 1994, S. 56).

Um an die Subjektorientierung des Humboldtschen Bildungsbegriff anzuschließen: Es geht bei den auf die Gesellschaft bezogenen Aspekten nicht nur um Wissen, Kenntnisse bzw. kognitive Fähigkeiten. Für die Teilhabe des mündigen Bürgers an gesellschaftlichen Fragen reicht es nicht, eine informierte und logisch saubere ethische Analyse beispielsweise zu bioethischen Problemen wie Pränataldiagnostik oder Stammzellforschung hinzulegen. So wichtig, wie die damit verbundenen Kompetenzen zweifellos sind, für die bildungsbezogene Dimension des Biologieunterrichts müssen sie eingebettet sein in eine entsprechende Grundorientierung. Bildung in diesem Sinne ist also auch eine Art von moralischer Sensibilität (Ricken 2007).

Trotz vielfältiger bildungstheoretischer Präzisierungsversuche ist die bereits angedeutete Diffusität und Vieldeutigkeit des Bildungsbegriffs weiterhin ein viel beklagtes Problem, auch wenn „Bildung“ meist positiv konnotiert ist. Dazu kommt, dass der Bildungsbegriff historisch oft das Gegenteil von dem bewirkt hat, was eigentlich damit angestrebt wurde (Bildungseliten, Selektion, Kanonwissen). Die dennoch verbreitete eher positive Bewertung des Bildungsbegriffs führt dazu, dass Bildung oft als eine Art „Traditionslogo“ (Ricken 2007, S. 16) dient.

So wird die Frage „Wozu Biologieunterricht?“ – wie bereits angemerkt – in der Regel weniger bildungstheoretisch als vielmehr pragmatisch mit der besonderen Bedeutung der Biologie im 21. Jahrhundert einerseits und mit dem Ansatz der Scientific Literacy und den Bildungsstandards andererseits beantwortet, wobei Literacy gegenüber dem Bildungsbegriff eine ausgeprägtere funktionalistische Note hat, nämlich der „Bewährung von Kompetenzen in authentischen Anwendungssitua­tionen“ (Baumert et al. 2001, S. 19). Dabei geht es eher um Standards, Kompetenzen, Output oder Qualitätsmanagement. Das besagte bildungstheoretische Pathos ist im Vergleich dazu den naturwissenschaftlichen Fachdidaktiken eher fremd. Allerdings hat – wenn auch im Kontext der Allgemeinen Erziehungswissenschaften – Theodor Litts „Naturwissenschaft und Menschenbildung“ viel Beachtung gefunden.

Litt spricht von der Dualität zweier Verhaltensweisen des Menschen zur Natur und beschreibt damit eine notwendige Antinomie von (naturwissenschaftlicher) Bildung. In der Erkenntniskonstellation wird die Natur zum Objektiven, zum Abstrakten. Die Natur wird in dieser Konstellation zur Sache, die zu einem Mittel innerhalb vorweg gewählter Zwecke wird. In der Erlebniskonstellation dagegen wird Naturerfahrung zur Sinnerfahrung. „Als Bildung dürfen wir jene Verfassung des Menschen bezeichnen, die ihn in den Stand setzt, sowohl sich selbst als auch seine Beziehung zur Welt in Ordnung zu bringen“ (Litt 1959, S. 11). Weder der „Imperialismus der naturwissenschaftlichen Methode“ noch eine falsche Innerlichkeit solle überhand nehmen (a. a. O.). „Als gebildet darf danach nur gelten, wer diese Spannung sieht, anerkennt und als unaufhebbares Grundmotiv in seinen Lebensplan einbaut“ (a. a. O.).

Mit der kulturpsychologischen Unterscheidung von Subjektivierung und Objektivierung (Boesch 1980) kann diese Litt’sche Begrifflichkeit aufgenommen werden und zu einem Bildungs- und Sinnkonstituierungsmodell verdichtet werden.

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Abbildung 1. Sinn-Bildung zwischen Subjektivierung und Objektivierung (verändert nach Gebhard 2007)

Mit der Verknüpfung der Subjekt- und der Objektseite ist eine Verbindung der subjektiven Bedingungen des Sich-Bildens mit objektiven Gegenständen gemeint. Das Sich-Bilden ist nicht nur eine subjektivistische Innensicht, sondern zugleich explizit eine Bezogenheit auf die Welt und das Bedürfnis nach Verstehen der Welt (Objektivierung). Diese Doppelstruktur von Bildung, die die subjektive Haltung und auch die subjektiven Bedingungen der Weltaneignung mit den objektivierbaren Bedingungen und Strukturen der materiellen und kulturellen Welt in Beziehung hält, ist im Blick zu behalten, wenn wir Bildungsprozesse initiieren wollen.

Beide Aspekte – Subjektivierung und Objektivierung – beziehen sich zwar auf dieselben „Sachen“, sie sprechen jedoch in einer je eigenen Sprache und setzen unterschiedliche Akzente. In Momenten, in denen es gelingt, beide Aspekte gleichsam auf einen Tisch zu legen, sie auf einander zu beziehen, kann die Beschäftigung mit (Lern-) Gegenständen als sinnvoll interpretiert werden (Gebhard 2003). Es geht darum, spielerisch zwischen beiden Seiten vermitteln zu können, die Spannung zwischen objektivierenden und subjektivierenden Vorstellungen nicht nur auszuhalten, sondern geradezu zu genießen. Für einen solchen Genuss ist allerdings Bedingung, dass man dieser dialektischen Spannung nicht auf irrationale Weise ausgeliefert und damit in Gefahr ist, sie zu verleugnen. Wichtig ist, dass die Spannung aufgenommen und zum Gegenstand von bewusster Reflexion gemacht wird. Das erfordert die Fähigkeit der „Zweisprachigkeit“ (Gebhard 2003).

Die demgegenüber eher als pragmatisch zu charakterisierende Position in den naturwissenschaftlichen Fachdidaktiken hat den Vorteil, dass diese bei der empirischen Überprüfung ihrer Bildungsziele schon relativ weit gekommen sind. Die damit einhergehende Kompetenzorientierung und die besagte bildungstheoretische Abstinenz haben allerdings den Nachteil, dass wichtige Bildungsanliegen wie Sinn, Bedeutung, Verstehen, Erfahrung, Persönlichkeitsentwicklung, Mündigkeit, Partizipationsfähigkeit, Horizontverschmelzung vielleicht zu wenig in den Blick geraten.

Letztlich kann auch der Anspruch von „Scientific Literacy“ in einem weiten Sinn als kulturelle und politische Bildung interpretiert werden, die zudem als Erziehungsauftrag allgemeinbildender Schulen anzusehen ist. Denn nach Klieme beschreiben auch die Bildungsstandards „nichts anderes, also solche Fähigkeiten der Subjekte, die auch der Bildungsbegriff gemeint und unterstellt hatte (…). Man erkennt damit unschwer, dass auch Kompetenzmodelle, theoretische Beschreibungen der Struktur dieser spezifischen Fähigkeiten und der Stufen ihres Erwerbs, als Antwort auf typisch moderne Problemlagen konzipiert sind“ (Klieme et al. 2003, S. 65).

Mit der Bildungstheorie ist insofern auf den Bildungsauftrag von Schule zu insistieren und damit in naturwissenschaftsdidaktischer Perspektive zugleich auf die pädagogische Dimension des naturwissenschaftlichen Unterrichts (vgl. Wagenschein 1996). Hier gibt es durchaus eine Reihe von zweifelnden und skeptischen Stimmen, ob Schule damit nicht in einen Überforderungsdruck gerät. Wir dürfen jedoch auf die Vision von Bildung nicht von vornherein verzichten. Bildung als „Transformation der grundlegenden Strukturen unseres Verhaltens und unseres Selbstverhältnisses“ (Peukert 2003, 10) kann natürlich kein alltägliches Geschehen sein. Auch wenn Bildungsprozesse in diesem Sinne nicht gleichsam in jeder Unterrichtstunde möglich sein wird, sind sie doch gleichsam als „Inseln der Intensität im Meer der Routine“ (Ziehe 1996, S. 940) denkbar. Und damit diese Inseln möglich werden oder bleiben, bedarf es eben einer bildungstheoretischen Fundierung und zwar sowohl für die fachdidaktische Theoriebildung als auch zur Anbahnung einer entsprechenden Haltung bei Lehrerinnen und Lehrern (Dittmer 2010).

„Bildung ist das, was übrigbleibt, wenn man alles wieder vergessen hat“, sagt der Philosoph Hans Blumenberg (1998, S. 24). Eine bildungstheoretische Fundierung des Biologieunterrichts kann die Chancen erhöhen, dass vom Biologieunterricht auch etwas übrigbleibt. Auf unserer Hamburger Tagung wurde eine Diskussion darüber angestoßen, was das sein könnte.

Literatur

Boesch, E. E. (1980). Kultur und Handlung. Bern, Stuttgart, Wien: Huber.

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Britta Lübke/Ulrich Gebhard

Nachdenklichkeit im Biologieunterricht. Irritation als Bildungsanlass?

Zusammenfassung

Im Anschluss an die bisherige empirische Forschung zum Ansatz der Alltagsphantasien wird in der hier vorgestellten Studie erstmals die Prozessebene in den Blick genommen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Auftreten und Bearbeiten von Irritationsmomenten bei der Reflexion von Alltagsphantasien. Einen theoretischen Bezugsrahmen bieten die bildungstheoretischen Überlegungen von Combe und Gebhard (2012) sowie die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse (vgl. Koller 2012). Bei beiden Positionen wird von einer Krisenerfahrung als Ausgangspunkt für Bildungsprozesse ausgegangen. Der Vergleich zweier besonders kontrastreicher Fälle zeigt deutliche Unterschiede im Zugang der Schülerinnen und Schüler zum Unterrichtsgegenstand sowie in den Fragen, die sie mit diesem verbinden. Während im ersten Fall Irritationsmomente potentiell ständig (am Anfang, im Verlauf und auch als Endpunkt von Nachdenkprozessen) auftreten und Anlass für weiteres Nachdenken sein können, bilden sie im zweiten Fall meist den Endpunkt eines Nachdenkprozesses. In beiden Fällen wird die besondere Bedeutung der Lehrkraft für die Förderung von Nachdenklichkeit deutlich.

Abstract

Following previous empirical research on the everyday myths approach, the present study emphasizes the focus on the process level. Special attention is placed on the occurrence and processing of moments of irritation while reflecting everyday myths. This study refers to the theoretical approach to Bildung by Combe and Gebhard (2012) as well as the theory of transformatory Bildungs-processes (cf. Koller 2012). Both share the perspective that the experience of a crisis is the starting point of Bildungs-processes. The comparison of two highly contrasting cases shows significant differences between firstly, in which way high-school students approach the subject matter of the class and secondly, the questions they raise. While in the first case, moments of irritation serve as an opportunity for further reflection and can occur at every moment within its process, in the second case, these moments mostly form the end of a reflection. It can be derived from the data that in both cases, the teacher plays a key role in supporting and enhancing reflectiveness.

Nachdenklichkeit als Bildungsziel

Dass Alltagsvorstellungen in den Biologieunterricht einbezogen werden sollten, kann in der Biologiedidaktik als Konsens bezeichnet werden (vgl. Gropengießer & Kattmann 2013). Es existieren dabei zahlreiche Studien, die Schülervorstellungen im Kontext des Kompetenzbereichs Fachwissen sowie, wenn auch in kleinerer Anzahl, bezogen auf den Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung untersuchen (vgl. Hammann & Asshoff 2014). Der Einfluss von Vorstellungen auf Bewertungsprozesse ist hingegen bisher kaum untersucht. Eine Ausnahme bildet hier die Untersuchung von Menthe (2012) aus der Chemiedidaktik, bei der versucht wird, Bewertungsprozesse im Lichte der Conceptual-Change-Forschung zu betrachten. Die hier vorgestellte Studie nimmt mit den Alltagsphantasien (Gebhard 2007) einen speziellen Bereich der Vorstellungsforschung in den Blick. Dieser zielt jedoch nicht ausschließlich auf den Erwerb von Fachwissen, sondern nimmt verstärkt auch überfachliche Bildungsziele in den Blick (vgl. Combe & Gebhard 2012, Birkmeyer et al. 2015). Lern- und Bildungsprozesse können, so eine der theoretischen Annahmen Gebhards (2003), nur in einem Wechselspiel von objektivierenden und subjektivierenden Zugängen zur Welt sinnkonstituierend und nachhaltig sein. Das Ziel von Unterricht ist in diesem Sinne u. a. die sogenannte „Zweisprachigkeit“ (Gebhard 2007, S. 120), die dazu befähigt, „die Spannung zwischen objektivierendem und subjektivierendem Weltbild aus[zu]halten, bewusst auf[zu]nehmen und zum Gegenstand von bewusster Reflexion [zu] machen“ (Birkmeyer et al. 2015, S. 12). Nur auf Sinn und Verständnis ausgerichtete Nachdenklichkeit könne der Fülle an Wissen angemessen begegnen und sei „essentieller Teil eines Lesens der Welt durch die Brille der Naturwissenschaft“ (Gebhard 2005, S. 51).

Der Ansatz der Alltagsphantasien

„Alltagsphantasien bezeichnen in der Sozialisation erworbene, kulturell verankerte Vorstellungen zu Phänomenen, die als intuitiv wirksame Welt- und Menschenbilder in Lernprozessen das Einordnen, Verstehen und Bewerten neuer Informationen beeinflussen.“ (Oschatz, Gebhard & Mielke 2009, S. 9 f.) Diese Alltagsphantasien gehen im Unterschied zu Schülervorstellungen in ihrer Reichweite weit über den Fachkontext hinaus, können jedoch auch in diesem aktualisiert werden (vgl. Gebhard 2007). Für den Bereich der Gentechnik sind bisher 13 Alltagsphantasien rekonstruiert worden (vgl. Gebhard & Mielke 2003, Gebhard 2009). Die für diese Untersuchung besonders relevanten sind dabei die folgenden:

1. Natur als sinnstiftende Idee: Diese Alltagsphantasie beinhaltet die normative Zuschreibung, dass Natur gut sei. Die Natur zeige dem Menschen somit in ­orientierungslosen Zeiten, was zu tun und zu lassen sei. Damit zusammenhängend solle der Mensch auch nicht in die Natur eingreifen. Natur wird also im Sinne dieser Alltagsphantasie als etwas Statisches verstanden, was zudem vom Menschen getrennt ist, und außerdem auch als eine positive Norm gesetzt.

2. Heilsvorstellungen von (andauernder) Gesundheit, welche zur Akzeptanz der roten Gentechnik und zugleich zur Ablehnung der grünen Gentechnik führen.

3. Der Mensch als Schöpfer: Dabei ist besonders die Frage, ob der Mensch mit der Gentechnik Gott spiele, ein zentrales Element der Phantasie (vgl. Gebhard & Mielke 2003).

Das Thema Gentechnik berührt somit Fragen nach grundlegenden Selbst-, Welt- und Menschenbildern und aktiviert verschiedenste Vorstellungen und Emotionen, die implizit auch auf Bewertungsprozesse wirken (vgl. Gebhard 2007). Aus der Moralpsychologie ist das Phänomen bekannt, dass moralische Urteile intuitiv getroffen und erst post hoc rational gerechtfertigt werden (vgl. Haidt 2001). Das ist auch bei der Bewertung von bioethischen Themen wie der Gentechnik anzunehmen (vgl. Dittmer & Gebhard 2012). Zentrale Elemente des didaktischen Ansatzes der Alltagsphantasien sind daher neben einem „Willkommenheißen“ (Gebhard 2015, S. 103) und Wertschätzen der Alltagsphantasien deren explizite Reflexion (vgl. ebd.).

In schulischen Interventionsstudien zum Einbezug von Alltagsphantasien in den Biologieunterricht konnte bereits gezeigt werden, dass deren explizite Reflexion durch die Lernenden zum einen langfristig zu einem größeren Lernerfolg führt und zum anderen positive Auswirkungen auf deren Motivation hat (vgl. Born 2007, Monetha 2009). Allerdings profitierten nicht alle gleichermaßen von der Reflexion ihrer Alltagsphantasien. Besonders bei Lernenden mit hohem Need for Cognition, die sich also durch eine große Bereitschaft und Freude am Lösen komplexer Denkaufgaben auszeichnen (vgl. Cacioppo & Petty 1982), zeigte die Laborstudie von Oschatz (2011) positive Auswirkungen auf den Lernerfolg sowie einen verstärkten Rückgriff auf elaborierte epistemische Überzeugungen. Ihre Ergebnisse weisen zudem auf das Erfahren eines Irritationsmomentes hin, welches von den Lernenden mit hohem Need for Cognition jedoch überwunden und in einen nachhaltigeren Lernprozess transformiert wird, wenn dazu ausreichend Zeit und Raum für Dialoge eingeräumt wird (vgl. ebd.).

Irritationsmomente als Bildungsanlass

Die Untersuchung von Oschatz (2011) liefert erste empirische Hinweise auf die lernförderliche Wirkung einer primären Irritationserfahrung in einem die Alltagsphantasien reflektierenden Unterricht. Auch Combe und Gebhard betonen in ihren theoretischen Überlegungen zur Bedeutung von Irritationserfahrungen in Lern- und Bildungsprozessen unter Rückgriff auf Dewey, Gadamer, Benner und Buck, die „irritierende, krisenhafte, ja negative Seite von Erfahrungsprozessen“ (Combe & Gebhard 2012, S. 20). Solche Irritationsmomente werden bildungstheoretisch als fruchtbare Krisenerfahrung interpretiert, die die Lernenden nicht überwältigt, sondern zum Erschließen neuer Erfahrungsräume anregt.

Zur weiteren theoretischen Ausdifferenzierung des Ansatzes der Alltagsphantasien wird in dieser Arbeit die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse herangezogen: Bildung versteht Koller (unter Rückgriff auf die Arbeiten von Kokemohr und Marotzki) als einen Transformationsprozess. In diesem Verständnis kann Bildung als „Veränderung der Figuren des Welt- und Selbstverhältnisses von Menschen, die sich potentiell immer dann vollziehen, wenn Menschen mit neuen Problemlagen konfrontiert werden, für deren Bewältigung die Figuren ihres bisherigen Welt- und Selbstverhältnisses nicht mehr ausreichen“ (Koller 2012, S. 15 f., Hervorhebung i. Org.) beschrieben werden. In dieser Formulierung wird deutlich, dass ein so gedachter Bildungsprozess als Ausgangspunkt immer eine Situation benötigt, in welcher die bisherigen Handlungsroutinen versagen. Als notwendige Voraussetzung für die Transformation des Welt- und Selbstverhältnisses betont Koller die Wichtigkeit von gedanklichen Freiräumen, die weder strenger Rationalität noch dem Kriterium der Effizienz unterliegen dürften: „Bildung im hier vorgestellten Verständnis […] braucht Spielräume des Experimentierens jenseits ökonomischer Rationalitätsstandards, die mehr und mehr unseren Alltag bestimmen“ (Koller 2010, S. 299). Diese Folgerung Kollers ist damit direkt anschlussfähig an die Forderung Gebhards nach mehr Zeit für persönliche Erfahrungen und Phantasieräume im Unterricht (vgl. Gebhard 2015, Combe & Gebhard 2009).

Neben der Schaffung von Freiräumen, in denen Bildungsprozesse möglich werden können, kann die Voraussetzung einer negativen Erfahrung als Ausgangspunkt eines Bildungsprozesses als zentrales Element beider theoretischer Bezugspunkte beschrieben werden. Biologieunterricht in diesem Verständnis zielt dabei neben der Vermittlung von Fachwissen besonders auf die Bereiche Bewertungskompetenz, Reflexionsfähigkeit und Persönlichkeitsbildung in dem Sinne, dass die Schülerinnen und Schüler zur Reflexion eigener Vorstellungen befähigt und für deren Bedeutung in ethischen Bewertungssituationen sensibilisiert werden (vgl. Dittmer & Gebhard 2012). Das negative Moment, das Combe und Gebhard als Irritation und Koller als Krise beschreiben, muss dabei nicht so welterschütternd sein, wie es die alltagsprachliche Verwendung der Begriffe nahelegt. Sowohl Combe und Gebhard als auch Koller verweisen zur näheren Fassung des Konzeptes auf die Überlegungen von Waldenfels (2013), welcher drei Reaktionsmöglichkeiten auf das Fremde, welches einem widerfährt (und Auslöser von Irritationen oder Krisen sein kann), beschreibt. Eine erste mögliche Reaktion sei die Abwehr des Fremden, eine zweite Reaktionsweise die Unterordnung des Fremden unter die Norm des Eigenen, wobei der vom Fremden ausgehende Anspruch negiert werde. Die dritte Reaktionsweise bezeichnet Waldenfels als Antwort auf den Anspruch des Fremden. In dieser Antwort entstehe in einem wechselseitigen Prozess mit dem Fremden etwas Neues in Form einer „kreativen Antwort, in der wir geben, was wir [noch] nicht haben“ (Waldenfels 2012, S. 53, Hervorhebung i. Org.). Es geht also zunächst nur um etwas, was sich dem selbstverständlichen, gewohnten Umgang entzieht oder diesen in Frage stellt und mit dem Begriff „Entselbstverständlichung“ gefasst werden könnte (Combe & Gebhard 2012, S. 116).

Forschungsfrage

Während die bisherigen empirischen Arbeiten zum Ansatz der Alltagsphantasien ausschließlich als Interventionsstudien im Vortest-Nachtest-Design angelegt waren, steht in diesem Projekt erstmals die Rekonstruktion von Prozessen im Mittelpunkt. Dazu bieten sich besonders Einzelfallstudien an, da es nur so möglich wird, die zugrunde liegenden Strukturen der Prozesse auf Subjektebene und zudem in realen Situationen mit allen Einflussfaktoren und in voller Breite darzustellen (vgl. Yin 2014).

Folgende Forschungsfrage liegt der Studie zugrunde:

Welche Umgangsweisen mit durch den Lerngegenstand ausgelösten Irritationen lassen sich bei Schülerinnen und Schülern rekonstruieren?

Auf die Ergebnisse der für das Gesamtprojekt ebenfalls zentralen Frage nach Art und Charakteristika von Irritationsmomenten bei der Reflexion von Alltagsphantasien im Kontext bioethischer Themen wird in diesem Artikel nicht näher eingegangen. Auch der theoriebildenden Frage nach dem Bildungspotential des fachdidaktischen Ansatzes der Alltagsphantasien im Sinne der Theorie transformatorischer Bildungsprozesse kann im Rahmen dieses Artikels nicht ausführlich nachgegangen werden (siehe ausführlicher Combe & Gebhard 2012; Bähr et al.).

Die Fragestellungen folgen direkt Ergebnissen von Oschatz sowie den bereits angeführten bildungstheoretischen Konzepten, die ebenfalls einen Irritations- bzw. Krisenmoment als Auslöser für Lern- und Bildungsprozesse herausarbeiten.

Untersuchungsdesign und Auswertung

Fallstudien zeichnen sich zumeist durch eine Methodentriangulation aus (vgl. Petri 2014). Um dem Forschungsgegenstand angemessen zu begegnen, war auch in dieser Untersuchung ein mehrperspektivischer Zugang unerlässlich: Neben der teilnehmenden Beobachtung einer sechswöchigen Einheit zum Thema Gentechnik in zwei 11. Klassen einer Hamburger Stadtteilschule liegen Audio- und Videoaufzeichnungen der Stunden sowie die schriftlich bearbeiteten Unterrichtsmaterialien der Lernenden vor. Zudem wurden mit zehn Schülerinnen und Schülern wöchentliche Leitfadeninterviews geführt. Nach Abschluss der Datenerhebung steht für sieben Lernende Datenmaterial zur Verfügung.

Die Auswertung erfolgt mithilfe der Grounded Theory (vgl. Strauss & Corbin 1996), wobei jedoch in einem ersten Schritt fallimmanent ausgewertet wird, um der Prozesshaftigkeit und Eigenlogik des Untersuchungsgegenstandes Rechnung zu tragen (vgl. Mey & Mruck 2009). In einem zweiten Schritt wird im Sinne der Methode des ständigen Vergleichens (vgl. Strübing 2014) auch fallübergreifend vorgegangen. Da das Kodierparadigma von Strauss und Corbin (ebd., S. 75) mit seinen W-Fragen auf die Erklärung von beobachtbarem Verhalten ausgerichtet ist, stößt es bei vielen Fragestellungen, die auf interne Prozesse abzielen, an seine Grenzen (vgl. Tiefel 2005). Daher wird hier in Anlehnung an das von Tiefel (2005) lern- und bildungstheoretisch modifizierte Kodierparadigma im axialen Kodieren auf ein aus den theoretischen Vorannahmen und bisherigen empirischen Erkenntnissen angepasstes Kodierparadigma zurückgegriffen.1 Dies besteht aus einem Set an Fragen, die den folgenden drei Bereichen zugeordnet werden können: (1) Der Irritationsperspektive zur Identifikation von Rahmen und Bedingungen, unter welchen etwas – wie beispielsweise die fremde Sichtweise eines Anderen – als Irritation von etwas – wie beispielsweise meiner bisherigen Sicht auf die Welt – wahrgenommen wird, (2) der Perspektive der Alltagsphantasien, wobei Aspekte des Selbst- und Weltbildes der Schülerinnen und Schüler rekonstruiert werden sollen und (3) den Umgangsweisen mit Irritationen.

Die Interviews bilden dabei den Hauptfokus der Auswertung. Besonders bedeutsame Passagen sollen in einem noch folgenden Schritt in Beziehung zu den schriftlichen Dokumenten des Unterrichtes sowie zu ausgewählten transkribierten Unterrichtsmitschnitten gesetzt werden. Hierbei sollen v.a. die expliziten Dialogphasen zu Beginn jeder Doppelstunde in den Blick genommen werden. In diesen Unterrichtsphasen waren die Schülerinnen und Schüler im Besonderen aufgefordert2, ihre Alltagsphantasien zum Thema Gentechnik einzubringen, zu diskutieren und zu reflektieren.

Ergebnisse: Nachdenklichkeit im Biologieunterricht

Im Folgenden werden Ausschnitte aus zwei Fällen vorgestellt, welche unterschiedlich mit der Aufforderung, ihre Alltagsphantasien zu reflektieren, umgehen. Es handelt sich hierbei um L. und S., zwei Schüler aus verschiedenen 11. Klassen einer Hamburger Stadtteilschule. Die vergleichende Gegenüberstellung dieser beiden Fälle wird sich dabei in diesem Aufsatz auf zwei Aspekte konzentrieren:

• Die Bereitschaft zur und die Art der Reflexion. Im Anschluss an die Überlegungen von Gebhard & Dittmer (2012) sowie Oschatz (2011) kann an dieser Stelle auch von Nachdenklichkeit gesprochen werden.

• Die Rekonstruktion des Umgangs mit Irritation.

Beide Schüler bearbeiten neben Fragen, die im Unterrichtsmaterial bereits angelegt waren, auch immer wieder verschiedene Fragen, die sie sich im Verlauf der Unterrichtseinheit selbst gestellt haben. Sie unterscheiden sich diesbezüglich auf zwei Ebenen: Erstens im Hinblick auf die Bearbeitung dieser Fragen und zweitens hinsichtlich der Art der aufgeworfenen Fragen.

Der Fall L.: Irritation als Anfangs-, Mittel- und Endpunkt von Nachdenkprozessen

L. zeichnet sich über die gesamte Unterrichtseinheit hinweg durch eine hohe Nachdenklichkeit aus. So greift er mehrfach von sich aus weiterführende Fragen, die mit dem Unterrichtsmaterial zusammenhängen, auf. Diese Fragen führen bei L. zudem immer wieder zu weiteren (ähnlichen) Fragen. So fragt er sich beispielsweise, ob allen Lebewesen der gleiche Wert innewohne, ob sich der Mensch über andere Lebewesen stellen dürfe und – darauf aufbauend – wie Veganer rechtfertigen könnten, dass sie Pflanzen essen. Nachdem er sowohl allein als auch gemeinsam mit anderen (Freunde, Schwester und Interviewerin) darüber nachgedacht hat, formuliert er im Interview folgende neue Einsichten:

wirklichnach