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Herausgeber
Alex Spohr

Autorinnen, Autoren & Andere
Prof. Heinz Featherly
Serina Hänichen
Lance Hard
Hexaplex
Hinz Kunzson
Rose Lipsdick
Lieschen Müller
Amelia Portlock
Alex Spohr
Axel Spor
Mháire Stritter
Nathander Weise


Alex Spohr (Hrsg.)

Fesseln der Lust

Elf erotische Das Schwarze Auge©
Kurzgeschichten

Originalausgabe

Mit Dank an Nicolas Mendrek, Eevie Demirtel, Nicolas Mendrek, Philipp Neitzel, Sebastian und Louisa Würden und Louisa Würden
(für ihre Expertise zum Thema Pornographie)

Liebe, wie es dir gefällt
-Kushiel-Trilogie von Jacqueline Carey

Impressum

Ulisses Spiele
Band US257114
Titelbild: Nadine Schäkel
Aventurien-Karte: Daniel Jödemann
Lektorat:
Frauke Forster
Korrektorat:
Julian Härtl
Umschlaggestaltung und Illustrationen: Nadine Schäkel,
Patrick Soeder

Layout und Satz: Michael Mingers


Copyright © 2018 by Ulisses Spiele GmbH, Waldems. DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN und DERE, MYRANOR, RIESLAND, THARUN und UTHURIA sind eingetragene Marken der Significant GbR. Alle Rechte von Ulisses Spiele GmbH vorbehalten.

Titel und Inhalte dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Bearbeitung, Verarbeitung, Verbreitung und Vervielfältigung des Werkes in jedweder Form, insbesondere die Vervielfältigung auf photomechanischem, elektronischem oder ähnlichem Weg, sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Ulisses Spiele GmbH, Waldems, gestattet.

Printed in the EU.

Print-ISBN 9783963310140
Ebook-ISBN 9783963310591

Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser und Andere!

Das ich jemals als Herausgeber für eine Anthologie mit dem Thema Erotik fungiere, hätte ich früher stets mit einem Lachen verneint. Mein Gebiet ist die Phantastik, da kenne ich mich aus, da bin ich Zuhause. Dennoch muss ich gestehen, dass ich zusammen mit der Idee von Wege der Vereinigungen insgeheim die Hoffnung hatte, zusätzlich eine Kurzgeschichten-Anthologie mit erotischen Inhalten herauszubringen. Meine geschätzte Kollegin Eevie hatte sich hingebungsvoll um die Kurzgeschichten aus dem Band Sternenleere gekümmert. Das war ein Projekt, was ihr sehr am Herzen lag und wofür sie alles gegeben hatte, damit es ein großartiges Buch wurde. Und so war es für mich selbstverständlich, dass ich mich auch um die erotischen Geschichten des in Fesseln der Lust kümmern würde, schließlich war ich zu Teilen auch Initiator des Bandes.

Phantastisch-erotische Geschichten waren Neuland, nicht nur für mich, sondern auch für einige der Autoren und Autorinnen. Es sind dennoch exzellente, spannende und erotische Geschichten bei den Arbeiten entstanden.

Wir hatten uns dazu entschlossen, vor allem Geschichten rund um bekannte aventurische Prominente zu verfassen. So werdet ihr beispielsweise erfahren, wie es um die Liebe zwischen Kaiserin Rohaja und ihrem Gemahl Rondrigan bestellt ist, oder was hinter einem Geschenk an die machtvolle Hochelfe Pardona, die Zunge des Namenlosen, steckt.

Wir haben uns bemüht, die ganze Vielfalt der aventurischen Erotik und Sexualität abzubilden. Deshalb werdet ihr Geschichten zu allen möglichen Spielarten der Liebe und in unterschiedlichen „Härtegraden“ wiederfinden. Bei einigen Geschichten möchte ich im Vorfeld darauf hinweisen, dass sie Themen beinhalten, die man nur lesen sollte, wenn man damit umgehen kann.

Amir und die Piraten beinhaltet einige sehr explizite und gewalttätige Beschreibungen bis hin zu sexueller Gewalt. Die Chroniken von Zirbel und Lutti sind weniger explizit, dafür spielen hier, wie in der Geschichte Fesseln der Lust, die Themen Dominanz und Unterwerfung eine größere Rolle. Der Rote Ritter und Schloss Rohajaslust sind teilweise sehr explizit in der Darstellung erotischer Inhalte. Blick in den Spiegel beschreibt einige gewalttätige Szenen. Unabhängig davon, sind die dortigen Erotikszenen ebenfalls sehr explizit.

Aber genug der Warnung: Viel Spaß bei der erotischen Reise durch Aventurien.

Waldems-Steinfischbach, an einem schwül-erotischen Sommertag 2018

Alex Spohr

Fesseln der Lust

von Alex Spohr und Nathander Weise

Niemand, außer uns Geweihten der Schönen Göttin, ahnt, wie wichtig Disziplin und Beharrlichkeit für eine Dienerin der Leidenschaft sind und welche exotischen Kenntnisse des Liebesspiels eine Priesterin beherrschen muss. Die meisten Menschen stellen sich vor, dass eine Rahjageweihte den lieben langen Tag dem Müßiggang, den weltlichen Genüssen und der körperlichen Liebe frönt. Gewiss, dies ist auch Teil unseres Lebens, aber wer uns darauf reduziert, hat den Willen der Göttin nicht verstanden und beurteilt unsere Ausbildung falsch. Es sind genau die gleichen Vorurteile wie die Behauptung, dass eine Rondrageweihte nur Duelle im Namen von Göttin und Ehre ausficht und eine Phexgeweihte einzig den Diebstahl begehrenswerter Kleinodien im Sinn hat. Eine Rahjageweihte ist viel mehr als eine Liebesdienerin.

Ich möchte euch deshalb eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, die euch zeigen soll, dass die Aufgabe einer Dienerin der Leidenschaft mannigfaltige Herausforderungen bereithält, gleich ob körperlicher oder seelischer Natur. Doch zunächst gehört es sich, dass ich mich kurz vorstelle: Mein Name ist Yasmina saba-es-Sulef und ich bin eine Geweihte der Rahja. Geboren wurde ich in der mondsilbernen Stadt Zorgan, der immer noch mein Herz und meine Seele gehören, doch die sich beides mit der Serenissima teilen muss. Schon länger wohne ich in Belhanka, um der Göttin in ihrem wichtigsten Tempel zu dienen. Von Zeit zu Zeit reise ich aber durch halb Aventurien, denn anders als viele meiner Glaubensbrüder und -schwestern bin in gerne unterwegs und scheue auch nicht die Strapazen einer langen Reise. Ich konnte schon die Kaiserstadt Gareth bewundern (und habe ebenso ihre Schattenseiten kennengelernt), aber auch die Region Almada (deren Wein meiner Meinung nach der beste ganz Aventuriens ist) und die Stadt Auen (wo ein guter Freund von mir herstammt, Bruder Hilbert).

Das Leben und Rahja meinten es bislang gut mit mir. Weder kann ich mich über Hunger beklagen, noch über zu wenige oder die falschen Freunde. Als Jugendliche war ich weniger verantwortungsvoll als heute und man sagte mir wohl zu Recht nach, einen Hang zu Ilmenblatt, Zithabar und anderen Rauschkräutern zu haben, und dass ich den Gläubigen nicht richtig zuhörte. Heute sind zumindest meine Ohren immer dort, wo jemand eine Bitte an die Göttin richtet. Obwohl man es nicht erwarten würde, bin ich doch schon in so manches Abenteuer gestolpert. Ob auf der Suche nach dem legendären Schwertkönig an der Seite meines Freundes Djidhe oder als Blutopfer für einen finsteren oronischen Kult – meine Erfahrungen würden manchem Avesgeweihten Ehre machen! Doch auch ich bin hin und wieder in einer verzweifelten Lage. So wie vor einer Woche, als ich einen Brief meiner guten Freundin Elyria erhielt.

Elyria ist eine der angesehensten Lyceum-Kurtisanen der ganzen Serenissima. Ihre Kundschaft reicht weit bis über die Stadtgrenzen hinaus und ihr Ruhm hat dazu geführt, dass sie sich ihre Gunst in Dukaten aufwiegen lässt. Sie ist eine ganz besondere Frau, der Rahja eine Gabe geschenkt hat, die sie nur wenigen zuteilwerden lässt. Selbst unter uns Geweihten ist sie selten. Elyria ist eine Meisterin darin, Schmerzen während des Liebesspiels in heilige Ekstase zu verwandeln.

Wo Elyria darin eine Meisterschaft entwickelt hatte und auf ihre göttergewollten Gaben vertrauen konnte, war ich eine blutige Anfängerin auf dem Gebiet der al’anfanischen Spielarten der Liebe. Meine Stärken waren andere. Meine Lehrmeisterin meinte einst zu mir, dass ich sehr einfühlend sei und zärtlich zu jedem und jeder. Ich verstehe mich darauf, jedem durch die Berührung meiner Hände und meiner Zunge Freude zu bereiten. Die Kunst mit Peitsche und Fessel zu arbeiten war mir nur beiläufig beigebracht worden.

Dennoch traf ich mich mit meiner Freundin, schließlich wäre ich eine schlechte Ratgeberin, wenn ich mir bei jemandem, der mir so nahe steht wie sie, erlauben würde fernzubleiben. Als Dienerin der Leidenschaft ist es meine Pflicht und Berufung zu helfen.

So empfing mich Elyria im Lyceum Tulipan, einem der Höfe der Abendröte, der berühmtesten Kurtisanenschulen des ganzes Horasreiches. Obwohl sie sich eine eigene Villa leisten konnte, arbeitete Elyria von Zeit zu Zeit im Lyceum, da sie innerhalb der Stadt das republikanische Gesetz achtete, welches die Kombination von rahjanischen mit phexgefälligen Geschäften verbot. Sie liebte das meridianische Ambiente des Hauses und nirgendwo sonst konnte sie ihrer Berufung besser nachkommen, als hier.

Als ich sie in einem der Zimmer traf, bemerkte ich sofort, dass es ihr nicht gut ging. Elyrias sonst so strahlendes Gesicht war aschfahl. Sie lag auf dem Himmelbett und sah mich mit glasigen Augen an. Ich näherte mich ihr zwar, doch hielt Anstand, falls sie ansteckend war.

»Meine Liebe, danke, dass du gekommen bist«, sagte sie mühevoll und fing an zu husten. »Wie du siehst, hat es mich erwischt. Der Medicus sagt, dass ich einige Tage lang noch das Bett hüten muss.«

»Was hast du denn? Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes!«, wollte ich wissen, denn ich machte mir ernsthafte Sorgen.

»Efferdsbrennen.«

Eine unangenehme Krankheit, sehr schmerzhaft, aber nicht gefährlich. Nur ihrer Berufung durfte Elyria einige Zeit nicht nachkommen. Es war zu gefährlich, dass sie einen ihrer Kunden anstecken würde.

Sie erklärte mir, dass sie selbstverständlich vorsichtig gewesen war, aber einer ihrer Freier, dem man die Krankheit nicht angesehen hatte, hatte sie offenbar angesteckt. Das war für Elyria aus mehreren Gründen unangenehm. Sie war krank und hatte Schmerzen, würde den Heiler bezahlen müssen und hatte Verdienstausfall für eine gute Woche. Am schlimmsten war aber der Grund, warum sie mich hergebeten hatte.

»Morgen sollte ich einen besonderen Gast im Lyceum empfangen. Den Sohn eines mhanadischen Emirs. Ein echter Prinz.«

»Du machst Scherze, Elyria.«

»Nein, meine Liebe. Es ist die Wahrheit. Sein Vater hat das Treffen arrangiert. Du wirst dich sicherlich fragen, warum er diese weite Reise auf sich genommen hat. Vor allem wegen einiger Geschäfte, aber eben auch, um mir einen Besuch abzustatten. Jadir, so heißt der Prinz, ist wohl sehr begeisterungsfähig für meine Kunst.«

Ich hätte nicht fragen sollen, aber so etwas weiß man vorher nie. »Und was gedenkst du nun zu tun? Kann kein Perainegeweihter dir schnell helfen?«

»Da ich krank bin, wird das Treffen nicht stattfinden können. Ich darf nicht riskieren, ihn anzustecken. Das würde schreckliche Konsequenzen für uns beide haben. Ich brauche aber seinen Vater als zuverlässigen Geschäftspartner. Ich brauche seine Stoffe für meine Kollektion. Und deswegen dachte ich mir, du könntest mir helfen und für mich einspringen. An die Perainegeweihten ist nicht zu denken. Ich hatte letztens mit Bruder Zintaro einen Streit. Du weißt doch, wegen seines Sohnes …«

Die Verführung von Zintaros Sohn war das Thema einer ganzen Woche in den Kneipen und Tavernen Belhankas gewesen. Elyria hatte den jungen Mann kostenlos in die Geheimnisse der Liebe eingewiesen, da sie ihn mochte. Der Junge hatte sich Hals über Kopf in sie verliebt und sein Vater kochte vor Zorn – nicht, weil er die Lyceum-Kurtisanen für unschicklich hielt, sondern weil Elyria den Geweihten selbst vor einigen Wochen abgewiesen hatte.

»Ich soll dir helfen? Aber es verlangt ihm nach dir? Das wäre eine Täuschung!«

»Das wäre es, aber eine in Rahjas und Phexens Sinne. Jadir wäre nicht enttäuscht, ich kann mit seinem Vater über weitere Geschäfte korrespondieren und würde dir einen Gefallen schulden. Für alle ein Gewinn.«

Ich hätte ablehnen können. Weder hätte Elyria etwas dagegen tun können, noch hätte ich meine kirchlichen Pflichten verletzt. Aber ich sagte aus einem mir unerfindlichen Grund zu. Vielleicht war es meine Neugier auf den Prinzen, vielleicht auch das Gefühl, dass ich meiner Freundin helfen sollte. Möglicherweise auch die Herausforderung, mich einer Spielart der Liebe zu stellen, von der ich noch weniger Ahnung als von der Pferdezucht hatte (ja, ich gestehe, Pferde und ich kommen nicht gut miteinander aus; mir waren Ponys schon immer lieber als große Shadifhengste). Zwar machte ich mir Sorgen, dass der Schwindel aufflog, aber Elyria hatte keine Bedenken. Meine Tätowierung am Knöchel wies mich nicht zwangsläufig als Rahjageweihte aus. Ich hatte damals bei der Weihe auf ein Rosenmotiv verzichtet und stattdessen das Symbol der Göttin gewählt. Insofern war meine Wahl durch Elyria eine gute. Fast jede andere Geweihte hätte der Prinz wohl durch die Rosentätowierung durchschaut. Und es ehrte mich, dass Elyria mich und keine andere Lyceum-Kurtisane ausgewählt hatte. Auch meine Zweifel, ob ich Jadir bei einem nächsten Treffen wieder zur Verfügung stehen müsste, zerschlug Elyria. Der Prinz hatte nur einen Termin mit ihr vereinbart und würde dann wieder nach Hause zurückkehren. Elyria würde die nächsten Jahre keinem weitere Treffen zustimmen und Jadir war wohl fast nie im Horasreich unterwegs, sondern für seinen Vater üblicherweise in Aranien, Maraskan und Meridiana. Es bestand also kein großes Risiko.

Am gleichen Tag traf ich mich mit Amaziella Bosvani im Weinlokal ‚Aves Netz‘. Man kann wohl behaupten, dass Amaziella und ich ebenfalls Freunde sind. Gelegentlich würde ich aber das Gegenteil behaupten. Wir waren wie eine Münze, nur jeweils die andere Seite. Wir waren das Gegenteil in Körper und Geist. Während ich klein war und schwarze Haare hatte, war sie über eins achtzig Schritt und ihr Haar leuchtete so hell wie die Strahlen der Praiosscheibe. Ich war eine gute Tänzerin, sie eine schlechte. Sie mochte Pferde, ich nicht. Meine Brüste waren von angenehmer Größe, ihre gigantisch (und wohl eine dauerhafte Modifikation durch einen Verwandlungszauber – so erzählte man es sich im Tempel). Aber wir liebten beide die Menschen und die Göttin. Und unser gemeinsames Vergnügen erfüllte uns beide trotz unserer Unterschiede mit freudiger Erinnerung.

Ich glaubte, dass sich Amaziella mit al’anfanischen Praktiken besser auskannte als ich, also wollte ich mir bei ihr Rat einholen. Trotz aller Unterschiede schätzen wir uns gegenseitig und Amaziella würde helfen, schließlich würde ich dafür in ihrer Schuld stehen. Vermutlich würde sie den nächsten Besuch bei ihrer Lieblingschneiderin Ninara oder bei der Konfiserieabteilung der Schokoladenmanufaktur auf meine Rechnung setzen. Das war es mir wert.

»Ein tulamidischer Prinz, der auf al’anfanische Spielchen steht? Bei Rahja, du meinst aber nicht Jadir ibn Khorim?«, fragte Amaziella wenig begeistert und nippte an ihrem Raschtulswaller Wein.

»Das ist sein Name.«

»Meine Liebste, ich muss dir gestehen, ich würde mich von ihm fernhalten.« Amaziella, die ich nur selten nicht lächeln sah, machte ein besorgtes Gesicht.

»Gibt es etwas, das ich über ihn wissen sollte? «

Sie machte eine längere Pause, kippte den restlichen Wein hinunter und fing an mit ihren Fingern einige ihrer Haarsträhnen zu zwirbeln.

»Mir ist zu Ohren gekommen, dass er während des Liebesspiels die Grenze zwischen Rahjas Freude und finsteren Gesinnungen nicht allzu ernst nimmt. Zahlreiche Frauen sollen nach einer Nacht mit ihm die Hilfe eines Medicus benötigt haben.«

»Rahja bewahre! Hat er sie körperlich schwer verletzt?«

»Keine körperlichen Wunden, die ein wenig Wirselkrautsalbe nicht heilen könnte. Der Schaden an der Seele war schwerwiegender.«

Amaziella wirkte bedrückt, ein Zustand, den ich so von ihr nicht kannte.

»Wie viel Erfahrung hast mit der al’anfanischen Praxis?«, wollte Amaziella wissen.

»Nicht viel. Sieht man von sanften Hieben mit der Hand auf den Po ab. Und die Sache mit dem Levthansband …«

»Ah, die Sache mit dem Levthansband. Und dem Zwerg, richtig? Dem Zwerg!« Plötzlich war sie wieder zu Scherzen aufgelegt und wirkte fröhlich.

»Vielleicht wird dir das helfen. Du kennst das Gefühl, wenn etwas Göttliches über dich hereinbricht, und du dich nicht wehren kannst. Aber sei gewarnt: Jadir wird dich fordern, so wie noch nie jemand dich gefordert hat. Es wird dir alles abverlangen.«

Mit einem mulmigen Gefühl traf ich meine Vorbereitungen. Ich übte im Tempel mit Amaziellas Hilfe noch einmal den Umgang mit der Lustpeitsche, dem Paddel und dem Brabaker Rohr. Im Rahjasutra ging ich noch einmal alle Positionen durch, die sich näher mit den levthanischen Praktiken beschäftigten. Und ich betete inbrünstig zu Rahja.

Jadir ibn Khorim hatte ein Treffen nach Sonnenuntergang im Lyceum Tulipan vereinbart. Ich hatte mich deshalb am Morgen noch einmal intensiv meiner körperlichen Ertüchtigung und Reinigung gewidmet. Nach den morgendlichen Rahjasutra-Übungen ging ich in das Tulamidische Bad, das mich bei jedem Besuch an meine alte Heimat erinnerte. Ich schwamm, ließ mich massieren und hatte einen besonderen Spezialisten unter den Frisören der Stadt bezahlt, um mich von jedem lästigen Haar unterhalb meines Kopfes zu befreien. Mit meiner neuen aranischen Frisur fühlte ich mich bereit, dem Schicksal entgegenzugehen, dass Rahja für diese Nacht für mich vorgesehen hatte.

Jadir sollte mich nicht als Rahjageweihte erkennen, also trug ich einen schwarzen Mantel aus Elyrias Garderobe und darunter aufregende schwarze Seidenstrümpfe und einen Halter. Die Unterkleidung war angeblich von dem Schneider Tuti dy Linera hergestellt worden und man sagte dem Stoff eine legendäre Beständigkeit nach (nur Fingernägel konnten ihm schaden, wo sogar Flammen versagten). Der Raum, in dem wir uns trafen, war ein luxuriöses Schlafzimmer, allerdings mit einem Arsenal von Liebesspielzeug der exotischeren Art. Neben erotischen Motiven der Künstlerin Ravene di Sarto und dem einen oder anderen Roman der Schriftstellerin Lutisana da Marazin hingen dort Lederfesseln, Haken und eine Neunschwänzige. Meine ganze Aufmerksamkeit galt aber dem purpurnen Band aus Seide.

Jadir war ein gutaussehender Mann. Zumindest in meinen Augen. Er war für einen Tulamiden groß, zumindest größer als ich, (wobei ich in dieser Kategorie eher als durchschnittlich zählen muss). Er hatte sein Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und an einigen Stellen kürzer geschnitten als den Rest des Haupthaars. Er erinnerte mich an einen Rosenritter, den ich vor einiger Zeit im Rahjatempel von Elburum kennengelernt hatte und der so manches Geheimnis hütete. Sein Lächeln zeigte deutlich, dass er für mich Ähnliches empfand. Das würde es leichter machen. Zumindest dachte ich das zu diesem Zeitpunkt.

Bei den meisten Männern und Frauen gelingt es mir schnell, sie zu erregen. Bei Jadir war das anders. Ich musste mein ganzes Können abrufen und einsetzen. Zu Beginn unseres Spiels entledigte ich mich des Mantels, sodass er bewundern konnte, wonach er begehrte. Er wirkte ungerührt. Ich drückte ihn sanft und lächelnd auf das Bett, setzte mich kniend neben ihn und fing an, seine Lust mit jenen Techniken zu erwecken, die man in meiner Heimat den Biss der Schlange nennt. Nicht, dass ich mich rühmen will, aber jene, die schon in den Genuss meiner Kunstfertigkeit im horasischen Liebesspiel gekommen sind, behaupten, dass selbst Rahja es nicht besser machen würden. In mancher Hinsicht eine ketzerische Behauptung, aber ich nehme dieses Kompliment gerne entgegen. Nur beim Verschlingen des Python muss ich noch ein wenig üben und die Reflexe meines Körpers beherrschen lernen.

Von all dem zeigte sich Jadir aber unbeeindruckt. Ich war keineswegs verzagt, sondern vielmehr angespornt, dem Prinzen zu seinem Glück zu verhelfen. Ich strich mit meinen Haaren über seinen Körper, verwöhnte ihn mit meinen Händen, meinen Lippen, meinen Brüsten und meiner Zunge, doch seine Männlichkeit ließ sich nicht überzeugen. Erst dachte ich, dass er vielleicht keinen Reiz an einem Frauenkörper empfand, aber nach allem, was ich über ihn wusste, konnte dies nicht der Grund sein. Ich fühlte mich schon halb wie eine Versagerin, wie ein Magier, der nicht mehr zaubern konnte, oder eine Kriegerin ohne ihr Schwert.

Doch aufgeben wollte ich nicht. Vielleicht hatte Jadir einfachere Bedürfnisse, also wendete ich eine Handtechnik an, die wenig ausgeklügelt, dafür aber effektiv war. Im Tempel wird sie zwar besprochen und sie ist in einigen Ausgaben des Rahjasutras illustriert, aber da sie vor allem von Huren und Lustknaben angewandt wird, wird sie nur selten von Rahjageweihten benutzt, da sie nicht als kunstfertig gilt. Zwischendurch wählte ich noch das Aussaugen der Mango als zusätzliche Technik an, um Abwechslung zu bieten.

Es gelang mir endlich, sein Glied soweit zu erregen, dass ich nun anders weitermachen konnte. Hastig setzte ich mich auf ihn und wollte meinen ersten Erfolg durch die rhythmischen Bewegungen meines Körpers weiter wachsen sehen – oder spüren –, doch offenbar beging ich einen Fehler. Sein Glied erschlaffte und schlüpfte aus mir heraus. Ich war aufgelöst und verzweifelt. Noch nie hatte ich derart versagt. Schwierigkeiten treten gelegentlich auf, aber diese Herausforderungen gilt es zu überwinden. Bei Jadir jedoch fühlte ich mich wie eine Jugendliche, die die schlimmsten Fehler bei ihrem ersten Mal erlebte.

»Ich bin ein wenig überrascht. Wollten wir beide uns so vergnügen? Auf die herkömmliche Art? Ich dachte, du bietest mir mehr das, wonach mir der Sinn steht«, sagte er ein wenig enttäuscht.

»Bitte, sag mir, wonach dir verlangt.« Ich war verzweifelt ob meiner Unfähigkeit, also überlies ich ihm die Wahl unseres weiteren Vorgehens. Jadir sah sich um und ergriff die purpurnen Seidenfesseln auf dem Nachttisch. Er band meine Hände und Füße an die Bettpfosten, geschickt wie jemand, der dies schon hundertfach getan hatte. Ich hatte Angst. Ich wusste nicht, was auf mich zukam und Amaziellas Worte kamen mir wieder in den Sinn.

Anfangs begnügte sich Jadir mit der Lustpeitsche. Ich sah, wie seine Männlichkeit ganz ohne meine Berührungen wieder wuchs, prachtvoller als bei all meinen halbgelungenen Versuchen. Die Schläge wurden immer fester und ich musste mehrfach aufstöhnen. Zum einen war es der ziehende Schmerz jener Stellen, an denen er mich traf, zum anderen eine überraschende Wonne der Lust, die meinen Körper durchfuhr. Als er mich knebelte, wollte ich für einen kurzen Moment rebellieren, aber als er mich nach dem Lösungssignal fragte, sagte ich ihm, dass ich ihm vertraute und keines brauchte. Dieses Vertrauen erregte ihn noch mehr und so wie die Steifheit seines Gliedes zunahm, nahmen auch Pein und Qualen zu, die ich erlitt. Er wechselte während der Tortur seine Instrumente wie ein Ingerimmgeweihter seine Werkzeuge. Das Brabaker Rohr war schrecklich, die Neunschwänzige noch furchtbarer, aber als er kleine Klemmen fand und damit meine Rahjasknopsen einklemmte, durchfuhr mich ein nie gekannter Schmerz. Und doch verstand ich nun ein wenig besser, welche Lust Elyria empfand.

Jadirs Gesichtsausdruck wechselte zwischen Anspannung, Zorn und Freude. Körperlich berührte er mich nie, nur seine Spielzeuge machten sich an meinem Körper zu schaffen. Ich hatte das Gefühl, dass er mich mindestens eine Stunde bearbeitet hatte, als er aufhörte.

»Du bist dein Geld wert. Würdest du nun das gleiche für mich tun, was ich für dich getan habe?«, fragte er voller ausgelassener Freude.

Ich verstand erst nicht, aber als ich begriff, was Jadir wollte, nickte ich. Er entfesselte mich, nahm mir den Knebel ab und sah mich erwartungsvoll an. Ich war nicht schwer verletzt, aber durch die al’anfanischen Spielchen so mitgenommen, dass ich kaum Kraft hatte, seinem Wunsch Folge zu leisten. Ich betete kurz und leise vor mich hin, flehte Peraine und Rahja an, und spürte, wie meine Lebensgeister zurückkehrten.

Derart gestärkt ergriff ich die Fessel und band Jadir die Hände auf den Rücken. Obwohl sich dies grausam anhört, ich freute mich darauf, ihn zu bearbeiten. Von nun an war er der Ausgelieferte meiner Phantasien. Zwar muss ich zugeben, dass die al’anfanischen Spielarten der Liebe nie zu meinen Favoriten gehört haben, doch in dieser Nacht empfand ich dabei großes Vergnügen. Jeder Schlag mit der Neunschwänzigen war mir eine Freude und das heiße Wachs der Kerze, dass ich über seine Brust bis hinab zu seinem Glied vergoss und das ihn aufzucken ließ, waren mir ein Hochgenuss. Wir verbrachten drei gemeinsame Stunden, bis weder er noch ich mehr konnten.

»War dein Besuch zu deiner Zufriedenheit?«, fragte ich ihn, erschöpft neben ihm auf dem Bett liegend.

»Er war besser als ich es erwartet habe.« Sein Lächeln verriet allerdings seine Zufriedenheit.

Es gibt Menschen wie Jadir, deren Liebesleben auf eine einzige Spielart fixiert ist. Ich wusste, dass er darunter litt, aber ich wusste zugleich auch, dass ich nicht nur Elyria einen Gefallen getan hatte, sondern Rahjas Willen erfüllt hatte. Er wirkte glücklich und ich hatte einen Rausch erlebt, den ich noch nicht kannte. Jeden Tag würde ich dies nicht durchstehen, aber es konnte nichts schaden, seine Grenzen besser zu kennen.