ErdeundEis_Cover_ebook.jpg

Hadmar von Wieser

Erde und Eis

Elementare Gewalten

2. Teil

Ein Das Schwarze Auge-Roman

Impressum

Ulisses Spiele
Band 49

Titelbild: Sebastian Watzlawek
Umschlaggestaltung: Nadine Schäkel
Überarbeitung und Lektorat: Frauke Forster
Layout: Michael Mingers

Copyright © 2018 by Ulisses Spiele GmbH, Waldems. DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN und DERE sind eingetragene Marken.
Alle Rechte von Ulisses Spiele GmbH vorbehalten.

Titel und Inhalte dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Bearbeitung, Verarbeitung, Verbreitung und Vervielfältigung des Werkes in jedweder Form, insbesondere die Vervielfältigung auf photomechanischem, elektronischem oder ähnlichem Weg, sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Ulisses Spiele GmbH, Waldems, gestattet.

ISBN-Print: 9783963310683
ISBN-Ebook:
9783963310676

Widmung

Für meine Tochter Annabell,
die daran glaubt,
dass sie zaubern kann.

Prolog: Dunkle Elemente

Den Botschafter schauderte es, seit er die Halle betreten hatte. Er wusste wohl selbst nicht, ob es die eisige Kälte war, die hier drinnen stärker schien als draußen, wo der nächste Schneesturm sich zusammenbraute, oder die Aura schierer Bösartigkeit, die die Herrin ausstrahlte. Auch die ungeheuerlichen Schatten, die sich hinter dem Thron übereinander schoben, waren nicht dazu angetan, einem Menschen Mut zu machen. Dennoch waren die Höflichkeiten, die beider Herrschaften Zeremoniell erforderten, mit kristallener Härte und Brillanz ausgetauscht worden. Dann hatte die Spiegelfechterei begonnen, mit der beide Seiten den Wissensstand des anderen ausloteten, ohne den eigenen allzu sehr zu offenbaren.

»Jedenfalls ist Seine Majestät fest davon überzeugt«, versuchte der Gesandte vorsichtig zum Kern seiner Forderungen zu kommen, »dass diese Unternehmung nur zu unser aller Schaden sein kann. Als Erbe Borbarads …« Das Lachen der Herrin war wie ein scharfer Axthieb, der die Luft ebenso teilte wie die Ausführungen des Botschafters.

»Als verwaister Hofmagier, der bestenfalls die Schlüssel zu einer Bibliothek hütet, die er nicht einmal betreten, geschweige denn benutzen kann.« Die Häme der schönen Herrin ließ keinen Zweifel, was sie von den politischen Ansprüchen Gaius Cordovan Eslam Galottas hielt. »Seine Manipulation der Elemente in den Schwarzen Landen zeigt, dass er seine künstlich verlängerte Lebensspanne noch mehrmals wird durchmessen müssen, ehe er auch nur den Sockel dessen erreicht, was ich als Herrschaft über das Eis und seine Geschwister ausübe.«

Die Faust des Gesandten krallte sich um die kostbare ­Fibel, die seinen rotschwarzen Mantel zusammenhielt. Bei aller Eleganz, mit der er sich auf höfischem Boden bewegte, war ihm bewusst, dass ihm dieses eisige Parkett zu glatt war. Zunehmend wurde ihm auch klar, dass die Herrin, die seinen Dämonenkaiser derartig gering achtete, in ihm nur ein Tier sehen konnte – und es gab hunderterlei Gerüchte, wie sie mit Tieren jeder Art verfuhr. Er hoffte, dass die Fibel, die er umklammerte, hielt, was Hofmagus Asmodeus von Andergast versprochen hatte. Aber sollte die schöne Herrin einen ihrer gefürchteten Wutanfälle bekommen, konnte ihn wohl kein Artefakt vor Beherrschung oder Verwandlung retten.

»Aber sprecht weiter, ich habe Euch … unterbrochen.« Die unangemessene Großzügigkeit der Herrin sollte ihn offensichtlich überraschen. Ein maliziöses Lächeln glitt über ihr Gesicht wie die Sonne, wenn sie für einen Augenblick über das dauernde Grau des Nordens siegt. »Überbringt mir Galottas Forderung.« Sie beugte sich vor und ihre Augen funkelten verspielt. »Bringt mich zum Lachen …«

Der Botschafter räusperte sich und begann mit rauer Stimme: »Seine Majestät schlägt vor, in die Expedition einen Agenten einzuschleusen, der ermittelt, wie viel sie bereits wissen« – seine Stimme wurde wieder sicherer, als er merkte, dass die schöne Herrin immer noch aufmerksam lauschte – »und um allenfalls einzugreifen und sie aufzuhalten, falls sie einen entscheidenden Erfolg erzielen sollten.«

Diesmal kündigte sich das Kichern mit den ersten Zuckungen eines Eisbebens an. Schließlich erzitterte der ganze schlanke Leib, der jeden Mann um den Verstand bringen konnte, der nicht um die Gefährlichkeit der Herrin wusste. Niemand, nicht einmal ihr monströses Gefolge, ahnte wohl, was die Herrin so erheiternd fand. Nicht dass irgendjemand in der Halle daran interessiert gewesen wäre, es wirklich herauszufinden … Schlagartig verstummte das mädchenhafte Kichern. Die Herrin schnellte mit dem Blick eines Raubvogels vor.

»Sehr gut«, sagte sie lauernd, »ich wusste, dass ich lachen würde. Sagt Seiner Majestät« – sie sprach das Wort aus, als ob eine Made aus ihrem wunderschönen Mund kröche – »er soll seinen Agenten selbst entsenden. Ob menschlich, künstlich oder niederhöllisch, er wird einige mittelmäßige Erkenntnisse ermitteln – ehe ihn die Sechs enttarnen. Sie haben immerhin die Dämonenzitadelle überlebt.« Den letzten Satz sagte die Herrin mit einer Zärtlichkeit, die wohl nirgendwo weniger angemessen schien als an diesem grausigsten Ort Aventuriens. »Die Enttarnung seines Agenten wird endgültig sichern, dass sie keinen Verdacht über die tatsächliche Beschattung hegen. Denn mein Agent, das könnt Ihr Galotta bestellen, befindet sich inmitten dieses erlauchten elementaren Kreises, in einer Gestalt, die unverdächtiger und schwerer zu entlarven nicht sein könnte. Und mein Agent braucht keine regelmäßigen Anweisungen und Rückfragen. Er versteht selbst genug von der Macht der Elemente, um ihre Entschlüsselung vorauszuahnen und verhindern zu können.«

Ohne jede Vorwarnung sprang sie auf und ihre Augen sprühten vor Zorn. »Sag deinem lächerlichen, rotschädeligen, ehemaligen Hexenvertrauten eines Halbgottes, er soll sich um seine krämerhaften Reichsintrigen kümmern, um seinen Dämonenkrieg gegen die anderen Erben Borbarads, meinetwegen um die Entdeckung der Unsterblichkeit und die Eroberung Aventuriens – aber er möge mich fortan verschonen mit seinen kindischen Beiträgen zu den Belangen wahrer Macht und Göttlichkeit.«

Der Diplomat stand erstarrt – wie in Vorahnung des Schicksals, das ihm dräute. Sein starrer Blick nahm wahr, wie sich hinter dem Thron der Herrin eine gewaltige Gestalt zur Größe eines kleinen Schiffes erhob. So entsetzlich dieser Anblick war, noch viel erschreckender war der Gehorsam, mit dem der Eisdrache einem Befehl folgte, der noch nicht einmal ausgesprochen worden war. Und schließlich wurde dem Botschafter klar, dass die folgende Worte nur für ihn gesprochen wurden: »Trage dieses Nagetier aus der Halle und bringe es zurück. Wirf es irgendwo über Bjaldorn ab – aber so, dass es noch nach Yol-Ghurmak zurückkriechen kann.«

DIE KHOMWÜSTE

Novadis!

Rondriga Conchobair:

Das schrille Kriegsgeheul gellte uns über die ganze Breite entgegen. Die Novadis hoben die Krummsäbel und gaben den feurigen Pferden die Sporen. Mit eingelegten Lanzen kamen sie die Düne hinunter, fünfzehn, zwanzig, fünfundzwanzig.

Ich legte die Hände nervös um die zwei Schwerter auf meinem Rücken, aber ich sagte mir, dass wir diesem Angriff kaum lange widerstehen konnten. Die Wüstenreiter schwärmten an den Flanken aus. Erschreckend, wie schnell ihre Shadifs durch den feinen Sand stampften!

»Standhaft, ihr Kinder der Fremde«, sagte Ruban der Rieslandfahrer neben mir. Er schien wohl ebenfalls noch keine Waffe gezogen zu haben, aber bei einem Mann, der ein unsichtbares Schwert führt, kann man so etwas nie sicher sagen. Hinter uns schnaubten die Kamele. Hilfe suchend ließ ich meinen Blick über die restliche Karawane gleiten. Alle standen in gebannter Abwehrhaltung, aber keiner schien handeln zu wollen.

Plötzlich war ich mir sicher, dass mein Vater so etwas schon erlebt hatte. Er hatte mir ebensolche Begegnungen geschildert: mit Orks, mit Nivesen, mit Ferkinas. Trotzdem war es etwas anderes, den Schwertkönig davon erzählen zu hören als selbst in dieser Situation zu sein. Umso mehr, als der Schwertkönig in seinen Erzählungen immer besonders unerschütterlich gewirkt hatte.

Ich hingegen fühlte mich alles andere als unerschütterlich. Ich trug seine Zwillingsschwerter und seinen Namen – aber sonst hatte ich wenig von ihm bekommen. Ich befand mich auf einer Queste, die er begonnen hatte – aber ich wusste noch weniger darüber als über ihn. Mein edler Vater, was für ein ärmliches Erbe hast du mir hinterlassen! Und warum bin ich nicht Magierin geworden, wie es sich mein Großvater gewünscht hätte?

Mit wirbelnden Klingen und eingelegten Lanzen kamen die Novadis heran. Die Vordersten erreichten den Rand der Piste, wo Generationen von Karawanen den Sand festgestampft hatten, und wurden noch schneller. Die Versuchung, die Schwerter zu ziehen, wurde fast unwiderstehlich. Dann waren sie da. Ein glutäugiger Reiter schleuderte seine Lanze, die sich zwei fußbreit vor mir in den Sand wühlte. Ich sah den Schaft vibrieren, der schlanke Shadif stieg wiehernd auf. Auf der ganzen Breite rissen die Novadis ihre feurigen Rösser zurück und heulten noch einmal auf, während ihre Khunchomer blitzend über den Häuptern kreisten. Dann lag schlagartig Stille über der Wüste.

»Charisma, Persönlichkeit, Hochgeachtet weit und breit.« Pyriander Di’Ariarchos legte feierlich seine Hand auf Rubans Gesicht.

»Rastullah Al Eikum«, rief der Rieslandfahrer und trat mit der uralten tulamidischen Geste des Gastes vor – soweit das die Dschadra vor seinen Füßen zuließ. Der Wüstenprinz vor ihm war kaum halb so alt wie er. Er ritt einen echten Shadif aus der gleichnamigen Provinz um Unau, erkennbar an der reinweißen Farbe. Die meisten seiner Verwandten saßen auf Goldfelsern, deren Fell zuweilen ins Rötliche schlug.

Schlagartig hatte ich keine Zweifel mehr, dass der alte Tulamide die Lage im Griff hatte – und die Novadis ebenso. Wie überzeugend und selbstsicher schien mir nun seine vorherige Ankündigung, wie die Novadis Fremde zu begrüßen pflegten. Kehlige Höflichkeiten wurden ausgetauscht. Mein bisschen Magiertulamidya reichte allenfalls aus, um zu hoffen, dass sie einander in Schmeicheleien über die Schönheit ihrer Reit- und Tragtiere und das Ausmaß ihrer Freude übertreffen würden. Dann wurden meine Gefährten, die Kameltreiber und die Kamele beidseitig eskortiert. Wir zogen auf der Piste weiter, die ohnehin zur Oase führte. Es bestand kein Grund mehr, sich ringsum durch die Dünen zu schlagen, wie es die Beni Ankhrui getan hatten.

Ruban ibn Dhachmani:

Oh, du Blume der Wüste, du Tautropfen auf dem vertrockneten Antlitz der alten Mutter!

»El’Ankhra!«, rief ich erfreut und pries den Gott der Novadis, wie es die Sitte verlangt, wenn man einer Wasserstelle ansichtig wird. Die große Oase lag an der bedeutendsten Handelsroute in Nordsüdrichtung. Im Frühling würde sie wieder täglich mindestens einer Karawane unserer Größe Quartier bieten. Die Beni Ankhrui wussten längst, dass Handel und Zoll weit einträglicher waren als Raubüberfälle. Nur die Reisezeit, die wir Söhne der Eile gewählt hatten, ließ etwas Vorsicht klug erscheinen. Wie es die Tradition gebot, brachen Karawanen und Kriegszüge erst nach dem Zweiten Rastullahellah im folgenden Perainemond auf. Vor diesem Datum konnte man nie ganz ausschließen, dass sich ein junger Shejk darauf be­sann, dass ein ehrenhafter Novadi Fremde auszurauben hatte.

So entstand ungewöhnliches Aufsehen, als wir zwischen den stolzen Palmen und den einfachen Lehmbauten einritten. ­Verschleierte Frauen und lehmverschmierte Kinder säumten den Weg zur Wasserstelle. Dass die einen die Zelte verlassen durften und die anderen mit Lehm spielten, zeigte, wie weltoffen diese Novadis waren. Dennoch war es auch der Anblick von uns Söhnen der Wunderlichkeit, der sie staunen ließ.

Krallerwatsch schien bei den Söhnen Novads einen geradezu urtümlichen Respekt auszulösen. Alte Stammeslieder wurden angestimmt, in denen zottige Riesen den ersten Menschen beistanden. Auch ich hatte mich noch nicht daran gewöhnt, in Begleitung eines Sohnes der Rakshazas zu reisen, der mich selbst auf meinem Kamel noch um anderthalb Schritt überragte. Der Rote Pfeil hingegen wurde argwöhnisch beäugt. Mehrfach wurde das Wort »Dschinni« gezischelt. Wohl schmunzelte ich und dünkte mich als Vater der Weitgereistheit überlegen, doch muss ich eingestehen, dass auch mir der Anblick des Elfen noch immer nicht vertraut war.

Wir wurden in den Funduq geführt, jenen Bau im Herzen der Oase, der anderen Stämmen nur als Lagerraum diente. Doch hier, wie bei allen reicheren Oasen, war er zugleich Empfangsraum, wenn nicht sogar Residenz des Stammes­obersten. Die kurze Wartezeit verriet, welche Bedeutung man unserem Besuch zumaß. Gemessenen Schrittes, aber dennoch beflissen, erschien ein weißbärtiger Novadi mit stolzem Blick. Blumig stellte er sich als Sultan Suleyman ben Rayall, Herr des großmächtigen El’Ankhra, des fruchtbaren Virinlassih und des weithin berühmten Alam-Terekh vor.

Großmeister Di’Ariarchos erneuerte seinen Zauber, sodass man mir mit dem Respekt begegnete, der unserer Gesandtschaft angemessen war. Ohne Geheimnisse preiszugeben, beschrieb ich, was uns Diener des Konziles in das Herz der Großen Khom führte. Die Erwähnung des Raschtulswalles löste Ehrfurcht aus.

»Rastullah!«, riefen sie ihren Stammesgott an. Erst nun, da sie uns als Beschwörer auf dem Wege zu den Dschinnim und ihren Sultanen erkannten, wies ich die golddurchwirkte Seidenfahne des Kalifen vor. Jene Söhne der Habgier mochten nur erkennen, dass es ihrem Sultan der Sultane gefiel, uns Geleit zu verheißen – und dass wir solcher Gnade nicht bedurften. Beeindruckt grüßte der Sultan das Zeichen des obersten Herren aller Novadis – des Zweitobersten nach Rastullah –, um Ehre zu erweisen, wem Ehre gebührt.

So verging keine halbe Stunde, ehe wir an beiden Seiten des Sultans auf Seidenkissen aus Al’Anfa saßen und man uns auftrug, was die Novadis der Wüste abgerungen hatten – und den Karawanen wie jenen des Handelshauses ibn Dhachmani, die stets Zoll zu bezahlen hatten, der noch immer den Namen Raubüberfall verdiente.

Der alten Sitte folgend, führte der Hausherr seinen ­Gästen den ersten Bissen mit der Hand in den Mund. Huldvoll nahm ich das geschabte rohe Ziegenfleisch entgegen, während der Großmeister auf der anderen Seite sein Erstaunen nicht verhehlen konnte. Den Weibern, Morena und Rondriga, hatte man auf Kissen hinter uns Platz gewiesen. Mehr Freiheit war einem Sohn Novads, der sein Weib vor jedem Fremdling, selbst dem Sonnengott, verbirgt, nicht abzuringen. Morena, jene Tochter des Stolzes, konnte ihren Zorn kaum verbergen und ich brauchte eine Zunge aus Honig, damit sie keinem der Gastgeber einen Hexenfluch entgegenschleuderte. Die beiden Zauberwesen schließlich hatten selbst ihren Platz gewählt; selbst in den ältesten Märchen, wo die Helden bisweilen von einem Dschinni oder Rakshaza begleitet werden, berichtet der Haimamud nicht, wie man solch ein Wesen empfängt. Während ich Hirsefladen und Dickmilch speiste und Tee und Dattelwein trank, drängte mich Sultan Suleyman, von unserer weltumspannenden Reise zu berichten. Doch die Geheimnisse der Magie, denen ich mich verpflichtet hatte, erforderten, dass die meisten Erinnerungen nur hinter meiner Stirn vorüberzogen.

Die Karawane

Pyriander Di’Ariarchos:

Ruban der Rieslandfahrer hatte darauf bestanden, die Organisation der Reise zu übernehmen. Sein Handelshaus entsandte zumindest im Frühling und im Herbst etwa alle zwei Wochen Karawanen, die die große Khomwüste durchquerten. Als Tulamide verstand er zudem die Denkweise der Novadis noch am besten, jener Stämme der Ureinwohner, die aus kaum verständlichen Gründen den Überlebenskampf in der Wüste dem Leben in den fruchtbaren Flussniederungen des Landes der Ersten Sonne vorzogen. Dort waren die Tulamiden zur ersten menschlichen Hochkultur aufgestiegen, deren Inbegriff für mich Ruban ibn Dhachmani war. Keiner, nicht einmal er selbst, wusste, wie reich er war. Von seinen vergeblichen Entdeckungsfahrten ins Riesland hatte er anscheinend derart viele Schätze mitgebracht, dass er mit seinen Söhnen heute Schiffe und Karawanen über und um den Kontinent bewegte, wie ich Adepten zu den Selbstverständlichkeiten des Magierlebens aussandte. So kam es, dass der dickliche, graubärtige Mann, den ich im Raschtulswall, in Warunk und in der Dämonenzitadelle als mutigen, jedoch abergläubischen Abenteurer kennengelernt hatte, nun als einer der reichsten Magnaten Aventuriens die zweite Expedition des Konzils der Elementaren Gewalten finanzierte, ausstattete und plante – oder zumindest jenen ersten Schritt, der uns bis ins Herz der größten Wüste Aventuriens führen sollte. »An einen Ort, wo sich im Umkreis von sechs Tagesreisen nur Wüste erstreckt«, wie er selbst gesagt hatte.

In Punin, dem alten Schmelztiegel der Völker westlich des Raschtulswalles, hatte ich erstmals Kamele gesehen. In der Khomwüste und den angrenzenden Gebieten galten sie als die unverzichtbaren Begleiter der Wüstennomaden, Händler und Krieger. Wieder einmal wurde mir schmerzhaft bewusst, dass ich ein weltfremder Gelehrter war, der den Großteil seines Lebens zwischen den Mauern eines verschollen geglaubten Bergklosters verbracht hatte. Selbst die junge Rondriga hatte in den wenigen Jahren ihrer Abenteuer bereits solch eine Bidenhocker geritten und auch Morena, die Hexe, die gewiss noch nie so weit in den Süden vorgedrungen war, fütterte die eigentümlichen Kreaturen mit der Sicherheit einer Frau, die alle Tiere des Waldes kennt. Wie absurd, dass gerade ich eine Queste begonnen hatte, die viel weiter führen sollte als über diesen Kontinent, den jeder meiner Begleiter zehnmal besser kannte als ich.

Vierzig der großen, seltsamen hellgelben Tiere mit dem blasierten Gesichtsausdruck standen am Basar bereit. Vierzig Kamele. Diese Zahl schien traditionell, wenn nicht sogar rituell vorgegeben: Tulamiden widmen sich der Kababyloth, der Zahlenmagie, mit einer Inbrunst, die eines echten Magiers würdig wäre. Die Treiber nannten ein Kamel Qai’Chelar, das »bedeutende Tragtier«. Es waren einfache Leute mit derben Gesichtern, darunter einige wenige Frauen. Mir war nicht bewusst gewesen, welchen Reichtum und Aufwand eine Karawane darstellte und wie viel Wissen vonnöten war, um die Tiere zu bepacken, zu füttern und durch die Wüste zu treiben. Wir hatten Proviant für vierzig Tage dabei, dazu Werkzeug und Geschenke für Stammesfürsten und Eingeborene. Zudem hatte Ruban ibn Dhachmani die Kamele hoch mit Handelswaren bepacken lassen: almadanischer Wein, Eisenwaren, Silber und Kupfer von den Zwergen, garethischer Samt und Baumwolltuch aus dem Yaquirtal türmten sich auf den Rücken der Tiere.

»Je mehr unser Zug einer gemeinen Karawane gleicht«, hatte er gesagt, »desto weniger werden unsere Feinde ahnen, was wir wirklich treiben.« Ich hatte ihn im Verdacht, dass es ihm vor allem darum ging, die Kosten für die Expedition wieder einzubringen, aber ich sah nichts Verwerfliches darin. Es musste wochenlange Arbeit gewesen sein, allein die Treiber und Tiere auszuwählen.

Anführer der Karawane war ein Mittfünfziger mit südländischen, aber durchaus eigentümlichen Gesichtszügen. Abidallu Spinalis war der Sohn eines Hylailers und einer Novadi. Nach dem Gesetz der Wüstenstämme, die sich hier von Erkenntnissen aus der Maultierzucht leiten ließen, war der Nachkomme einer novadischen Frau stets Novadi, unabhängig von seinem Vater. So war der Mann mit dem kurzen Vollbart der ideale Führer, der in Punin und Khunchom als Mittelländer, in der Wüste aber als Angehöriger der Beni Tarasch galt, der treuesten Gefolgsleute des Kalifen.

Da ich nicht reiten konnte, bestieg ich eine Kamelsänfte, die einen Sonnenschutz aus weißem Leinen hatte. Ich war erstaunt, wie hoch das Kamel war und spürte ein Gefühl der Beklemmung, als ich über unser Reiseziel nachdachte. Die Tatsache, dass die anderen überzeugt waren, ich wüsste, wohin wir reisten, verstärkte dieses Gefühl noch. Gleichzeitig kam eine gewisse Begeisterung hinzu. Die Jagd nach dem Ei des Lichtvogels hatte meinen Leib und meine Seele in Gefahren gebracht, die mir heute unvorstellbar erschienen – aber dennoch hatte ich mich während dieser wenigen Tage so lebendig gefühlt wie nie in den vierzig Jahren zuvor.

Im Morgengrauen verließen wir Punin und folgten dem Lauf des Yaquir. Die fruchtbaren Weinberge lagen noch in der Winterbrache und die leeren Weinstöcke waren von Reif überzogen.

Ruban ibn Dhachmani:

Oh Yaquir, du Vater des Überflusses, der du die Eroberer aus dem Güldenland zum reichsten und mächtigsten Volk gemacht hast!

Am dritten Tag übernachteten wir in Omlad. Die Leute besserten Fischerboote, kleine Frachter und Netze aus und bereiteten die Weinberge für den Frühling vor. Selbst um diese Jahreszeit blies uns der Beleman, vom Meere kommend, sanft entgegen.

»Wieso folgen wir nicht diesem Wegweiser?«, fragte Rondriga, als wir am Morgen weiter flussabwärts zogen.

»Weil der gerade Weg oft ein Trugbild ist. Dieses ist die Route am Khoram-Gebirge entlang«, ließ ich ihr Aufklärung zuteilwerden. »Ein Tag durch die Eibenwälder und drei durch die Amhallassih-Kuppen, wo sie am höchsten sind. Söhne der Umsicht wenden sich erst in den Weinbergen gen Süden und sehen schon nach zwei Tagen die Große Khom.«

So setzten wir erst am folgenden Morgen über den Yaquir. Vier Stunden lang fuhren die Fähren von einem Ufer zum anderen, bis all unsere Tiere, Fracht und Knechte übergesetzt hatten. Vor uns lag das nördlichste Emirat des Kalifats, zwischen Yaquir und den Amhallassih-Kuppen gelegen. Jener Gebirgszug war es auch, der den lieblichen Landstrich von der Unwirtlichkeit der Wüste abschirmte. Ich Sohn nachtragender Vergeltung fühlte Stolz: Die Novadis, meine tulamidischen Brüder aus der Großen Khom, mochten Eiferer sein, die einem grimmigen, einzelnen Gott folgten, und rückständige Wüstenräuber dazu. Aber ihr Kalif Malkillah II. war es gewesen, der nach einem Jahrtausend der Schmach und des Zurückweichens erstmals wieder Land von den Güldenländern zurückerobert hatte. Seit hundert Jahren wurde das einstige Süd-Almada – und selbst dies war ein tulamidischer Name – von dem Emir von Amhallah aus regiert.

Gegen Nachmittag erreichten wir die dichten Pinienwälder und machten uns an den Aufstieg zu jenem Bergzug, der die gemäßigten Breiten Almadas vor den Unbilden der Khom­wüste schützte. Im Westen grenzte er an die Goldfelsen, im Osten zog er sich bis hinüber zum Raschtulswall. Den Märchen der Haimamudim zufolge entstanden die ­Amhallassih-Kuppen, als ein riesiger Heuschreckenschwarm sich anschickte, auch den Norden zu verheeren und ein von den Zauberern von Punin gerufener Dschinn das Ungeziefer mittels eines einzigen Wortes zu Stein erstarren ließ.

Rondriga Conchobair:

»Du bist überrascht.« Di’Ariarchos‘ Bemerkung war eher eine Feststellung als eine Frage.

Ich nickte. »Ich habe mir die Wüste immer als einen Ort von Sand und Sonne vorgestellt, nicht als eine Hügellandschaft aus Stein voll blühender Büsche.«

»Warte nur ab«, sagte er und schien selbst neugierig, »nach dem, was Ruban ibn Dhachmani uns erzählt hat, werden wir noch mehr Sand sehen als wir es uns wünschen. Und was die Hitze angeht, ist das ja der Grund, warum wir um diese ­Jahreszeit aufgebrochen sind. Am Ende unseres mittelländischen Winters, in den Monden Tsa und Phex, finden die Niederschläge selbst in die Wüste, und das Wasser lässt verborgene Keime selbst an solchen Stellen gedeihen, wo niemand Leben vermuten würde. So haben es mir ­unsere Elementaristen des Humus, des Steins und des Wassers geschildert.«

Zwei Tage, nachdem wir den Yaquir verlassen hatten, erreichten wir am frühen Abend eine kleine Bergoase zwischen den Ausläufern des Bergrückens. Die Bauern hatten bis zur letzten Woche mit der Aussaat von Hirse und Melonensamen gewartet, »bis der Boden die ganze Kraft des Himmels in sich hat«. Auch diese hageren, gebräunten Menschen ­ähnelten kaum den Novadis aus den Berichten, die ich gehört hatte. Doch wiederum versicherte mir Ruban, dass ich bald echte Novadis sehen würde.

Abends durchquerten wir einen reißenden Bergfluss, der aus den Amhallassih-Kuppen in die Steinwüste drängte. Die Führer vollzogen einige Rituale, bei denen sie das Wasser geradezu verschwenderisch versprengten.

»Erkennet das Wunder Efferds«, schwärmte Ruban. »Was hier vor uns liegt, ist ein Wadi. Elf von zwölf Monden liegt es dürr und trocken. Nur die Regenzeit lässt so viel Wasser auf den harten Boden niedergehen, dass es sich stromgleich in die Wüste stürzt, um sie zu tränken.«

Wir machten uns an die Durchquerung des Flusses, der etwa zehn Schritt breit und kaum bis zur Hüfte reichte. Es schien mir, dass die Südländer sich unsicher, wenn nicht unnötig ängstlich benahmen, als sie Taue spannten. Allerdings waren die Kamele ungleich unruhiger als die wenigen Pferde.

»Das Ertrinken raubt in der Wüste ebenso vielen Menschen das Leben wie der Durst«, meinte Ruban ernsthaft. Bald ­gingen Pyriander und ich, die wir es beide gewohnt waren Gebirgsbäche zu überqueren, den Kameltreibern zur Hand. Ich versuchte, meine Enttäuschung über ihre Unsicherheit nicht in Hochmut umschlagen zu lassen. Hoffentlich wussten sie besseren Rat, wo es kein Wasser gab. An einem Wasserloch, einer schlammigen Hochwasserpfütze, schlugen wir unser Nachtlager auf.

Am Morgen folgten wir dem Wasserlauf. Der Weg war beschwerlich, denn die über Jahrhunderte genutzte Route stand im Wadi unter Wasser. So mussten wir uns durch Geröll schlagen, wo man sich bei jedem Schritt den Knöchel verstauchen konnte. Kurz nach Mittag brach sich ein Kamel den Knöchel. Unter Heulen, Wehklagen und Selbstverwünschungen zogen die Treiber ihre Dolche und gingen auf das Tier zu, das schnaubend und zitternd abseits stand.

»Was tut ihr?«, rief Morena und lief zu ihnen. Sie kniete nieder und umfasste den Huf mit beiden Händen. Einige Treiber wollten sie zurückhalten und murmelten Warnungen vor der Tücke des verletzten Tieres. Doch das Kamel war duldsam wie ich keines bislang gesehen hatte. Immer wieder traten die Almadaner und Tulamiden ungläubig hinzu und überprüften das Bein des Tieres, das wieder quicklebendig schien. Eine halbe Stunde lang diskutierten sie, ob den alten Bräuchen nachzugeben sei und ob die Heilung ein schlechtes oder ein gutes Omen sei. Eine eigentümliche Unruhe lag über den Leuten, als wir schließlich weiterzogen.

Am frühen Nachmittag versiegte der Fluss neben uns.

»Die Geröllwüste trinkt das Wasser wie ein verdurstender Gigant«, sagte Di’Ariarchos. Binnen einer halben Stunde war von einem Schritt hohem Wasser nur ein zwei Meilen durchmessender dunkler Fleck im Lehmboden geblieben. Azaleen, Beifuß und Feuerdorn standen in voller Blüte, Disteln und wilde Rosen hatten sich einen Weg aus dem feuchten Boden gebahnt. Ebenso zusehends blieben die letzten Geröll­brocken und Kiesel hinter uns. Beiderseits unseres Weges rückten die schier endlos erscheinenden Dünenfelder aus feinstem Sand heran.

Ruban ibn Dhachmani:

Oh, du Vater aller Gastlichkeit! Das Festmahl des Sultans zog sich den ganzen Abend dahin. Die Speisen waren salzig, süß und sehr scharf, wie es der novadischen Vorstellung von Reichtum entspricht: Spießbraten vom Schaf, in Milch gekochte Hirse, Quark von Ziege, Schaf und Kamel, getrocknete Datteln und Feigen, Pfefferminztee und Wein.

Der hochgelehrte Zauberer Di’Ariarchos wurde genötigt, von Dschinnim und Rakshazachim zu erzählen. Bald kamen wir zu dem alten Märchen vom Riesen Adawati, von dem es hieß, dass er die ersten Menschen Zulhamid und Zulhamin erschaffen habe. Ehrfürchtige Blicke streiften den ­Rakshazach Krallerwatsch, der uns begleitete. Alle waren sich einig, dass er ein Sohn Adawatis sein musste.

»Ja, die Magier vom Konzil der Elementaren Gewalten haben Adawati wiederholt aufgesucht. Nur einmal während meiner Lebenszeit – und ich gehörte nicht zu denen, die ihn aufsuchen durften.« Noch nie habe ich eine Sippe dieser glutäugigen Wüstenräuber so gebannt lauschen gehört. Selbst die Frauen hinter den Sitzenden hatten innegehalten, Krüge und Schalen heranzutragen und Essensreste zu entfernen. Adawati, so hieß es in den Märchen, hatte die Menschen aus Lehm und seinem Blut geschaffen. Dann hatte er sie ermutigt, in die Täler hinabzusteigen, wo damals noch die Drachen und Schlangen herrschten. Auch ich Sohn des Staunens lauschte gespannt und musste mir mehrmals in Erinnerung rufen, dass ich selbst schon dem Alten Drachen Fuldigor gegenübergestanden hatte, der wohl noch älter war als jene Zeit. Auch über das Volk des Roten Pfeils schien es alte Lieder zu geben, doch die Wüstenelfen erschienen als ungreifbare Geistergestalten, die den Menschen Verstand und Erinnerung raubten, wenn sie sie nicht töteten. Das vertrug sich wenig mit dem friedfertigen Wesen des Elfen, den ich kannte. ­Wiederholt blickte ich über die Tafel hinweg zu dem Roten Pfeil, doch in seinem fremden Gesicht konnte ich nicht lesen, was er empfand.

Ich erwachte auf Seidenkissen, die ein Handelshaus, vielleicht sogar mein eigenes, aus Al’Anfa in die Wüste geschafft hatte. Die Novadis ließen sich für das Trinkwasser von den vorbeiziehenden Karawanen fürstlich entlohnen, aber sie bezahlten auch mit vollen Händen für Waren aus anderer Herren Länder. Herzhaft gähnend gürtete ich mich mit dem Unsichtbaren Schwert und trat hinaus ins Sonnenlicht.

Die große Oase El’Ankhra war ein blühender Garten. Zwischen den Dattelpalmen verborgen sah ich einzelne Krieger der Novadis, die den Tag mit dem alten Schattentanz mit dem Krummsäbel begrüßten. Auch den großen Zauberer Di’Ariarchos erspähte ich, der Glieder und Geist mit dem Tanz der Mada ertüchtigte. Er stand am Rande der Oase und ich ahnte, warum er jenen Ort gewählt hatte. Selbst draußen im Sand, viele Schritt von der Palmengrenze entfernt, waren nach den Regenfällen Blüten von seltener Pracht erschienen. Auch ich war wieder überrascht, wie verschwenderisch Peraine die Wüste segnete: die Blüten von Hibiskus und Pfirsich, Mandelbaum und Wildem Wein wetteiferten mit Teerose und Purpurfarn.

Ja, die Ordnung der Elemente war ein tägliches Wunder. Wir hatten es viel zu lange als selbstverständlich angesehen. Erst die Schrecknisse der letzten Jahre hatten uns gezeigt, dass es würdig und nötig war, für diese Ordnung zu kämpfen.

»Oh Wunder des Schicksals«, rief ich dem Zauberer entgegen, der von seiner Meditation zurückkehrte und mir grüßend zugewunken hatte. »Wer hätte gedacht, dass Ruban der Rieslandfahrer dereinst das Güldenland suchen wird? Und wer hätte gedacht, dass er sich dazu nicht dem Meer, sondern der Wüste anvertrauen würde?« Ein Lächeln spielte verständnisvoll um den Mund des Zauberers. Wir hatten im Konzil der Elemente leidenschaftlich Zwiesprache gehalten, als wir erkannten, welche Reise wir zu planen hatten.

Der Seeweg war mir nicht nur selbstverständlich erschienen, sondern geradezu sprichwörtlich. Seit Jahrhunderten trachteten die hellhäutigen Siedler danach, jenen Kontinent zu erreichen, von dem sie dereinst gekommen waren. Doch das Meer der Sieben Winde – der Äußere Ozean im tulamidischen Weltbild, das Aventurien und Riesland nahe dem Zentrum der Weltenscheibe sieht – war so launisch und weit wie Efferd selbst. Keiner wusste, wie jene Söhne des Übermutes es einst vollbracht hatten, vom Güldenland nach Aventurien zu gelangen. Erst vor dreihundert Jahren erfand man das dreieckige Havena-Segel, das es erlaubte, auch vor ungünstigem Wind zu kreuzen. Von den Zyklopeninseln aus hatte eine dreimastige Pailische Karavelle als erstes Schiff nach den Dunklen Zeiten wieder das Güldenland erreicht. Danach war Havena durch den Güldenlandhandel zu rascher Blüte aufgestiegen und wieder versunken, als Efferds Zornflut es traf. Ja, es schien tatsächlich, dass der Zorn des Meeresgottes all jene verfolgte und strafte, die über dieses Meer fuhren. Sogar die Thorwaler, die wohl noch vor den anderen Güldenländern in Aventurien eingefallen waren, behaupteten, dass nur ihr Walgott Swafnir sie vor der Heimsuchung Seines Vaters bewahrt habe, der die meisten ihrer Schiffe zerschlagen hatte. Die Handelsherren, die heute in den Werften Grangors und Kusliks Hochseeschiffe bauen ließen und ausrüsteten, wussten, dass sie kaum eines dieser Schiffe wiedersehen würden. Ja, es geschah sogar, dass ein untreuer Kapitän seinem Herren einen Schiffsuntergang vortäuschte und Schiff und Ware in Brabak verramschte, um sich dort eine Plantage zu kaufen. Kehrte aber eines der Schiffe aus dem sagenumwobenen Güldenland zurück, waren seine Besitzer und sogar sein Kapitän und die Mannschaft von Phex gesegnet. Reichtümer wie meiner waren aus den Schätzen gewachsen, die ich von meinen vergeblichen Reisen ins Riesland im Osten mitgebracht hatte. Wieviel mehr mussten erst jene Waren einbringen, die tatsächlich von jenseits des Meeres im Westen kamen?

Als wir nun erkannten, dass unser Weg uns ins Güldenland führte, glaubte ich mich beinahe gewappnet. Schon vor Jahren hatte ich mit den Zauberern von Khunchom begonnen, an einem Schiff zu bauen, das sich nur durch Zaubermacht bewegte. Die »Sulman al-Nassori« würde, so hofften wir, von den Winden unabhängig sein. Doch noch war sie nicht bereit. Nach ihrem Stapellauf hatten die Matrosen, Zauberer und Handwerker an Bord alle Hände voll zu tun, um das Zauberschiff auf einer Fahrt von Khunchom nach Olport, rings um den Kontinent, zu erkunden.

Bald hatte ich einsehen müssen, dass die Reise ins Güldenland nicht aufzuschieben war. Die Frevel der Diener des Dämonenmeisters nahmen Überhand, die Schwarzen Lande wuchsen täglich. Und die Rettung, auf die wir hofften, schien an Orten verborgen, von denen das Güldenland noch das nächste war!