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BWL Bachelor Basics

Herausgegeben von Horst Peters

Frank Gogoll, Martin Wenke

Unternehmensethik, Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

Instrumente zur Einführung eines Verantwortungsmanagements in Unternehmen

Verlag W. Kohlhammer

1. Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Umschlagabbildung: © Natalya Guskova – Fotolia.com

Print:

ISBN 978-3-17-029648-0

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-029649-7

epub:   ISBN 978-3-17-029650-3

mobi:   ISBN 978-3-17-029651-0

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Geleitwort des Reihenherausgebers

 

 

Das vorliegende Lehrbuch ist Teil der Lehrbuchreihe BWL Bachelor Basics. Dieses Buch sowie alle anderen Werke der Reihe folgen einem Konzept, das auf die Leserschaft – nämlich Studierende der Wirtschaftswissenschaften – passgenau zugeschnitten ist.

Ziel der Lehrbuchreihe BWL Bachelor Basics ist es, die zu erwerbenden Kompetenzen in einem wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor-Studiengang wissenschaftlich anspruchsvoll, jedoch zugleich anwendungsorientiert und kompakt abzubilden. Dies bedeutet:

•  Ein hoher wissenschaftlicher Anspruch geht einher mit einem gehobenen Qualitätsanspruch an die Werke. Präzise Begriffsbildungen, klare Definitionen, Orientierung an dem aktuellen Stand der Wissenschaft seien hier nur beispielhaft erwähnt. Die Autoren sind ausgewiesene Wissenschaftler und Experten auf ihrem Gebiet. Die Reihe will sich damit bewusst abgrenzen von einschlägigen »Praktikerhandbüchern« zweifelhafter Qualität, die dem Leser vorgaukeln, Betriebswirtschaftslehre könnte man durch Abarbeiten von Checklisten erlernen.

•  Zu einer guten Theorie gehört auch die Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, denn Wissenschaft sollte kein intellektueller Selbstzweck sein. Deshalb steht stets auch die Anwendungsorientierung im Fokus. Schließlich verfolgt der Studierende das Ziel, einen berufsqualifizierenden Abschluss zu erwerben. Die Bücher haben diese Maxime im Blick, weshalb jedes Buch neben dem Lehrtext u. a. auch Praxisbeispiele, Übungsaufgaben mit Lösungen sowie weiterführende Literaturhinweise enthält.

•  Zugleich tragen die Werke dem Wunsch des Studierenden Rechnung, die Lehr- und Lerninhalte kompakt darzustellen, Wichtiges zu betonen, weniger Wichtiges wegzulassen und sich dabei auch einer verständlichen Sprache zu bedienen. Der Seitenumfang und das Lesepensum werden dadurch überschaubar. So eignen sich die Bücher der Lehrbuchreihe Bachelor Basics auch hervorragend zum Selbststudium und werden ein wertvoller Begleiter der Lehrmodule sein.

Die Reihe umfasst die curricularen Inhalte eines wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor-Studiums. Sie enthält zum einen die traditionellen volks- und betriebswirtschaftlichen Kernfächer, darüber hinaus jedoch auch Bücher aus angrenzenden Fächern sowie zu überfachlichen Kompetenzen. Um auf neue Themen und Entwicklungen reagieren zu können, wurde die Edition bewusst als offene Reihe konzipiert und die Zahl möglicher Bände nicht nach oben begrenzt.

Die Lehrbuchreihe Bachelor Basics richtet sich im Wesentlichen an Studierende der Wirtschaftswissenschaften an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, an dualen Hochschulen, Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien und anderen Einrichtungen, die den Anspruch haben, Wirtschaftswissenschaften anwendungsorientiert und zugleich wissenschaftlich anspruchsvoll zu vermitteln. Angesprochen werden aber auch Fach- und Führungskräfte, die im Sinne der beruflichen und wissenschaftlichen Weiterbildung ihr Wissen erweitern oder auffrischen wollen. Als Herausgeber der Lehrbuchreihe möchte ich mich bei allen Autorinnen und Autoren bedanken, die sich für diese Reihe engagieren und einen Beitrag hierzu geleistet haben.

Ich würde mich sehr freuen, wenn das ambitionierte Vorhaben, wissenschaftliche Qualität mit Anwendungsorientierung und einer kompakten, lesefreundlichen und didaktisch an die Bachelor-Studierendenschaft abgestimmten Gestaltung zu kombinieren, dem Leser bei der Bewältigung des Bachelor-Lernstoffes hilfreich sein wird und es die Anerkennung und Beachtung erhält, die es meines Erachtens verdient.

Horst Peters

 

Vorwort

 

 

Unternehmensethik, Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility: im Rahmen des wirtschaftswissenschaftlichen Bachelorstudiums sind dies wohl nicht die Themen mit der größten Anziehungskraft bei Studierenden, sondern eher »schwere Kost«? Im ersten Zugang sicherlich, aber: Zum Glück gibt es Wirtschafts- und Unternehmensethik, denn diese kann einen Kompass zur Orientierung im Umgang mit ethisch moralischen Entscheidungs- und Konfliktsituationen liefern. Leider zeigen die vielfältigen Praxis-Beispiele verfehlter ethisch-moralischer Handlungen in Unternehmen – von Enron über BP, Deutsche Bank bis zu VW –, dass es offensichtlich an einem solchen Kompass in der Führung und/oder bei den Mitarbeitern oder gar von Seiten des Staates gefehlt hat. Dieser Kompass gibt Orientierung hinsichtlich der Zielsetzung und zeigt auf, welche Wege zum selbst gewählten Ziel führen und welche nicht. Für diese Zielfindung gilt es, die empirischen Rahmenbedingungen der Unternehmen in der Marktwirtschaft zu berücksichtigen sowie die weiteren zur Verfügung stehenden praktischen Instrumente zur Zielerreichung zu kennen.

Der angesprochene Kompass wird im ersten Kapitel des vorliegenden Lehrbuchs eingeführt und erläutert. Dabei geht es um die theoretischen Grundlagen der Wirtschafts- und Unternehmensethik, vom »moral point of view« und die Kompetenzen des moralischen Urteilsvermögens über die Unternehmen im marktwirtschaftlichen Koordinationsmechanismus bis zum Verhältnis von Unternehmensethik und Unternehmensverantwortung sowie Ethik-Management und -Audits. Im zweiten Kapitel wird mit dem Konzept der Nachhaltigen Entwicklung und den hiervon abgeleiteten Strategien für Gesellschaften und Unternehmen der Rahmen für die möglichen Wege zur Zielerreichung erläutert. Die grundlegenden Aspekte des Managements gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen beschreibt das dritte Kapitel und wirft dabei einen Blick auf die CSR-Konzepte und das CSR-Management in der Praxis, inklusive der Diskussion um CSR als Business Case, um dann die Verbindung des CSR mit dem Risikomanagement, insbesondere über die Reputationsrisiken sowie die operationellen Risiken herzustellen.

Wesentliche Bausteine zur praktischen Umsetzung des unternehmerischen Verantwortungsmanagements werden im vierten Kapitel vorgestellt. Zunächst sind dies die Bausteine einer konsistenten Verknüpfung von Unternehmensverantwortung und Unternehmensleitbild für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung sowie die praktischen Anforderungen des CSR an die Personalführungs- und Mitarbeiterverantwortung. Danach geht es um die praktische Umsetzung des CSR-Managements in der Wertschöpfungskette sowie der Kommunikation mit den Stakeholdern.

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Wir haben die »Verdaulichkeit« der schweren Kost im vorliegenden Lehrbuch mit einer Vielzahl von der öffentlichen Diskussion oder der praktischen Umsetzung entliehenen Beispielen erhöht. Neben der Erläuterung der zunächst theoretischen Konzeptionen ethischer Zielbildung und Entscheidungsfindung dienen die Praxisbeispiele auch dazu aufzuzeigen, dass fortschrittliche Unternehmen die diskutierten Philosophien, Strategien und Instrumente bereits umsetzen.

Lernkontrollfragen sollen dazu anregen, sich intensiv mit den vorgestellten Konzepten zu beschäftigen und diese auch in Seminaren und Lerngruppen zu diskutieren. Lösungshinweise werden über die Homepage des Kohlhammer-Verlages zur Verfügung gestellt.

Die Beschäftigung mit den Themen des vorliegenden Lehrbuchs erfordert bereits verfügbare Kenntnisse zu den Inhalten der höheren Semester eines wirtschaftswissenschaftlichen Bachelorstudiums.

Inhaltsverzeichnis

  1. Geleitwort des Reihenherausgebers
  2. Vorwort
  3. 1 Unternehmensethik und Wirtschaftsethik
  4. 1.1 Zwei entgegengesetzte Sichtweisen: Zum Glück gibt es Unternehmensethik!
  5. 1.1.1 Der Praktische Syllogismus als Klammer
  6. 1.1.2 Dilemmastrukturen als Ergebnisse freier Entscheidungen
  7. 1.1.3 Regeln, Institutionen und Vertrauen als Lösung der Dilemmata
  8. 1.1.4 Das Spiel: Spielverständnis, Spielregeln und Spielzüge
  9. 1.2 Der »moral point of view« und das moralische Urteilsvermögen
  10. 1.2.1 Freiheit und Gerechtigkeit
  11. 1.2.2 Verantwortung
  12. 1.2.3 Ansatzpunkte ethischer Argumentation
  13. 1.2.3.1 Aspekte moralischer Bewertungen: Intentionen, Tugend, Institutionen und Folgen
  14. 1.2.3.2 Methoden zur Urteilsfindung
  15. 1.2.3.3 Ort der Moral
  16. 1.3 Empirische Bedingungen: Unternehmen im marktwirtschaftlichen Koordinierungsmechanismus
  17. 1.3.1 Grundtatbestände des gesellschaftlichen Wirtschaftens
  18. 1.3.2 Funktionsweise des marktwirtschaftlichen Koordinierungsmechanismus
  19. 1.3.2.1 Vorteile des marktwirtschaftlichen Koordinierungsmechanismus für das gesellschaftliche Wirtschaften
  20. 1.3.2.2 Marktversagen und Wirksamkeit staatlicher Maßnahmen
  21. 1.3.2.3 Moralische Eigenschaften des marktwirtschaftlichen Koordinierungsmechanismus
  22. 1.3.3 Was ist ein Unternehmen?
  23. 1.3.4 Kooperation und Konfliktpotentiale
  24. 1.3.5 Vertrauen als Transaktionskomponente
  25. 1.3.5.1 Das Vertrauensspiel
  26. 1.3.5.2 Vertrauensgeber und Vertrauensempfänger
  27. 1.4 Unternehmensethik und Unternehmensverantwortung
  28. 1.4.1 Unternehmen als handlungsfähige moralische Akteure
  29. 1.4.2 Gründe für eine eigenständige Unternehmensethik
  30. 1.4.3 Wie weit reicht unternehmerische Verantwortung?
  31. 1.4.3.1 Unternehmensverantwortung als Shareholder-Value oder Stakeholder-Value
  32. 1.4.3.2 Unternehmensverantwortung als Wohltätigkeit
  33. 1.5 Ethik-Management
  34. 1.5.1 Ethik-Management: Vertrauens- und Wertemanagement
  35. 1.5.2 Risikoanalyse unternehmerischer Konfliktfelder: Stakeholder-Ansatz
  36. 1.5.2.1 Relevante Stakeholder, Multistakeholder-Dialoge und NGO
  37. 1.5.2.2 Berechtigung von Stakeholderanliegen
  38. 1.5.2.3 Lösungsansätze für moralische Dilemmata
  39. 1.5.3 Strategiewahl: Compliance oder Integrity-Ansatz
  40. 1.5.4 Kodifizierung: Regelwerk und Handlungsanweisungen in Ethik-Kodizes
  41. 1.5.5 Implementierung: Organisationsstrukturen
  42. 1.5.5.1 Unmoralisches Handeln fördernde Strukturen
  43. 1.5.5.2 Ethisches Verhalten ermöglichende Strukturen
  44. 1.5.6 Implementierung: Organisationskulturen
  45. 1.5.6.1 Unmoralisches Handeln fördernde Kulturen
  46. 1.5.6.2 Ethisches Verhalten ermöglichende Kulturen
  47. 1.5.7 Externe Unternehmensstrategien für moralische Risiken
  48. 1.5.7.1 Wettbewerbsstrategie
  49. 1.5.7.2 Ordnungspolitische Strategie
  50. 1.5.7.3 Marktaustrittsstrategie
  51. 1.6 Ethik-Audits
  52. 2 Konzept der Nachhaltigkeit
  53. 2.1 Geschichtliche Hintergründe und Status der ökologischen, ökonomischen und sozialen Systeme
  54. 2.1.1 Von der »Industriellen Revolution« zur Globalisierung
  55. 2.1.2 Ressourcenausbeutung, Klimawandel, ökonomische Krisen und soziale Notstände
  56. 2.2 Grundlagen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development)
  57. 2.2.1 Ganzheitlichkeit als Generalprinzip
  58. 2.2.2 Brundtland-Report und Agenda 21
  59. 2.2.3 Drei-Säulen-Konzept: Gerechtigkeit, Management-Regeln und Sustainable Development-Strategien
  60. 2.2.3.1 Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und 3-Säulen-Konzept
  61. 2.2.3.2 Managementregeln
  62. 2.2.3.3 Nachhaltigkeitsstrategien und Nachhaltigkeitsindikatoren
  63. 2.2.3.4 Globale Nachhaltigkeitsziele der Sustainable Development Goals
  64. 2.2.3.5 Grundlegende Aspekte nachhaltiger Umweltpolitik
  65. 2.3 Rahmenordnungen für Einzelaspekte der Nachhaltigkeit auf Unternehmensebene – Beispiele
  66. 2.3.1 Einführende Bemerkungen
  67. 2.3.2 Umwelt: EMAS und ISO 14000
  68. 2.3.3 Soziale Verantwortung: SA 8000
  69. 3 Management unternehmerischer Verantwortung
  70. 3.1 CSR-Konzepte in der Praxis: Ein Überblick
  71. 3.1.1 CSR in der Praxis: Begriffe und Definitionen
  72. 3.1.1.1 Begriffe
  73. 3.1.1.2 Definitionen
  74. 3.1.2 Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit
  75. 3.2 CSR-Management in der Praxis
  76. 3.2.1 Leitfaden für ein CSR-Managementsystem: ISO 26001
  77. 3.2.1.1 Grundstruktur
  78. 3.2.1.2 Anwendungsbereich, Begriffe, Verständnis und Grundsätze
  79. 3.2.1.3 Kernthemen
  80. 3.2.1.4 Integration in die Organisation
  81. 3.2.2 Dokumentation der unternehmerischen Verantwortung und Verfahren ihrer Bewertung
  82. 3.2.2.1 Nachhaltigkeitsberichterstattung nach GRI und anderen Systematiken
  83. 3.2.2.2 Reifegradmodell nach Schneider als Einordnungshilfe für die Ausprägung gesellschaftlicher Verantwortung
  84. 3.2.2.3 Berichterstattungs-Ratings und Rankings
  85. 3.3 CSR und Risikomanagement
  86. 3.3.1 Risikomanagement als Aufgabe der Unternehmensführung
  87. 3.3.2 Rechtliche Vorgaben
  88. 3.3.3 Risikomanagementsystem
  89. 3.3.4 CSR und Risikomanagement: Synergien und Potentiale
  90. 3.4 CSR und die Business Case Diskussion
  91. 3.4.1 Abgrenzung von Geschäftsmodell, Strategie und Business Case
  92. 3.4.2 Business Case for CSR
  93. 3.4.3 Business Case for CSR und Kosten-Nutzen-Überlegungen
  94. 3.4.4 Business Case, Investition, Innovation und Change-Management
  95. 4 Bausteine der Einführung eines Verantwortungsmanagements in Unternehmen
  96. 4.1 Unternehmensführung: Unternehmensleitbild und Unternehmensverantwortung
  97. 4.2 CSR, Personalführungs- und Mitarbeiterverantwortung
  98. 4.3 CSR-Management in der Wertschöpfungskette
  99. 4.3.1 Grundlegende Aspekte – wie weit reicht die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen entlang der Lieferkette?
  100. 4.3.2 Stufen des CSR-Managements in der Wertschöpfungskette
  101. 4.3.2.1 Status quo-Analyse
  102. 4.3.2.2 Beschaffungspolitik und Richtlinien
  103. 4.3.2.3 Implementierung
  104. 4.3.2.4 Monitoring und Qualifikation
  105. 4.3.2.5 Controlling und Reporting
  106. 4.3.3 Innovationspotenziale und das Konzept der »gemeinsamen Wertschöpfungs-Kette«
  107. 4.3.3.1 Die Grundidee des „Shared Value Chain“-Konzepts
  108. 4.3.3.2 Prinzipien und Bausteine des Shared Value Chain-Konzepts
  109. 4.4 CSR und Stakeholder-Kommunikation
  110. 4.4.1 Kommunikationsstrategien und -maßnahmen im Überblick
  111. 4.4.2 CSR- und Nachhaltigkeitsberichte als wichtiges Kommunikationsinstrument
  112. 4.4.2.1 Adressaten, Themen und Leitlinien erfolgreicher Berichterstattung
  113. 4.4.2.2 Beurteilungsraster für die nicht-professionelle Nutzung von CSR-Berichten durch Kunden und die sonstige Öffentlichkeit
  114. 4.5 Abschließende Bemerkungen
  115. Literaturverzeichnis
  116. Stichwortverzeichnis

 

1          Unternehmensethik und Wirtschaftsethik

Nach der Bearbeitung dieses Kapitels sind Sie in die Lage,

•  Grundbegriffe der Unternehmens- und Wirtschaftsethik zu erläutern und in Zusammenhang zueinander zu setzen (Fachkompetenz),

•  die für die unternehmensethischen Fragestellungen relevanten Grundtatbestände des gesellschaftlichen Wirtschaftens, insbesondere die Bedeutung der Unternehmen und des marktwirtschaftlichen Koordinierungsmechanismus, zu erläutern und einer moralischen Bewertung zu unterziehen (Fach- und Argumentationskompetenz),

•  Kooperation, Vertrauen und Nachhaltigkeit als integrale Bestandteile eines funktionsfähigen marktwirtschaftlichen Systems zu erkennen und ihre Bedeutung für die Lösung unternehmensethischer Fragestellungen zu erläutern (Fach- und Argumentationskompetenz),

•  die Bedeutung einer eigenständigen Unternehmensethik sowie den Umfang und die Grenzen der Unternehmensverantwortung zu erkennen und kritisch zu diskutieren (Fach- und Argumentationskompetenz),

•  Unternehmens- und wirtschaftsethische Fragestellungen zu identifizieren, zu analysieren und zu strukturieren und ethische Instrumente zur Problemlösung anzuwenden (Argumentations- und Gestaltungskompetenz),

•  grundlegende moralische Probleme einer wertebasierten Unternehmensführung zu erkennen, zu analysieren und zu bewerten und wichtige Managementinstrumente zur Problemlösung zu erläutern (Argumentations- und Gestaltungskompetenz).

1.1       Zwei entgegengesetzte Sichtweisen: Zum Glück gibt es Unternehmensethik!

Unternehmen müssen sich in einem rasch verändernden Umfeld bewähren, das durch die sich dynamisch entwickelnde Globalisierung und einen sich verstärkenden internationalen Wettbewerb gekennzeichnet ist. Die zunehmende internationale Arbeitsteilung entlang der Wertschöpfungskette mit erhöhtem Koordinierungsaufwand durch Anforderungen an das Global Supply Chain Management stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Unterschiedliche, zum Teil national geprägte Wertesysteme in der Arbeitswelt aber auch im Management, die sich insbesondere bei Verlagerungen von Produktionsstätten ins Ausland zeigen, müssen bei Entscheidungen berücksichtigt werden.

Vor diesem Hintergrund erwarten Kunden von einem Unternehmen mehr als preiswerte und qualitativ hochwertige und innovative Produkte. Mitarbeiter erwarten von ihren Führungskräften mehr als steigende Löhne. Die Politik erwartet die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Die Gesellschaft erwartet innovative, umweltfreundliche Produkte und Produktionsprozesse. Wie diese Erwartungen angesichts der Zwänge im internationalen Wettbewerb erfüllt werden können, interessiert die Anspruchsgruppen häufig nicht. Die Unternehmen stecken oftmals in einer Dilemmasituation, in der sie sich zwischen Markt und Moral, Gewinn und Gewissen entscheiden müssen. Vielfach wird dabei ein Orientierungsverlust bei den wirtschaftlichen Akteuren festgestellt, das Fehlen eines ethischen Kompasses. Hier ist der Raum für die Unternehmens- und Wirtschaftsethik.

Des Weiteren ist – nicht zuletzt ausgelöst durch die Finanzkrise – das Vertrauen in die unternehmerischen Entscheidungen und Handlungen stark geschwunden. Zinsmanipulationen der Banken, Korruptionsskandale, Mitarbeiterobservierung durch versteckte Kameras, Bilanzmanipulationen, mangelnde Kontrolle der Supply Chain in der internationalen Bekleidungsindustrie mit dem Einsatz von Kinderarbeit oder der Nichtbeachtung von Sicherheitsvorschriften in der Produktion – die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Fragen einer verantwortungsvollen Unternehmensführung gewinnen mithin zunehmend an Bedeutung. Wirtschaftliches Handeln kann nicht auf die enge, rein ökonomische Dimension beschränkt werden, denn die unternehmerischen Entscheidungen nehmen Einfluss auf ökologische und soziale Aspekte. Die Nachhaltigkeit, also das verantwortungsvolle, in die Zukunft gerichtete Handeln und seine mittel- und langfristigen Folgen sind integraler Bestandteil einer verantwortungsvollen, wertebasierten Unternehmensführung. An welchen Werten sollen sich die Unternehmen orientieren? Und nicht nur die Unternehmen, auch die Mitarbeiter und Führungskräfte als Individuen benötigen diese Orientierung. Orientierung benötigen schließlich auch die Regierungen, um die geeigneten Rahmenbedingungen für ein in einem umfassenden Sinne effizientes Wirtschaften zu gewährleisten. Gerade die Regierungen haben durch die Globalisierung mit ihren nationalstaatlichen Regulierungen an Einfluss verloren. Hieraus ergibt sich ein Handlungsspielraum für Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen, da eine überstaatliche Regulierung nur sehr aufwändig – wenn überhaupt – entsteht und die Einhaltung der Regeln staatlicherseits kaum überwacht werden kann.

Der Begriff der Unternehmens- bzw. Wirtschaftsethik als »Bindestrich-Ethik« in der Form der Zusammensetzung von Unternehmen und Wirtschaft einerseits und Ethik andererseits zeigt schon ein mögliches Spannungsverhältnis auf, welche Sichtweise, die wirtschaftliche, unternehmerische oder die moralphilosophische (ethische) dominierend sein könnte. Daher lassen sich in der öffentlichen Diskussion zwei entgegengesetzte Sichtweisen unterscheiden: Die eine Perspektive geht von einer grundlegenden Bedeutung der Ethik aus, betrachtet die wirtschaftlichen Aspekte als eher nachgeordnet und blendet dabei nicht selten die empirischen Bedingungen des unternehmerischen Handelns aus. Die andere Perspektive sieht die Unternehmensethik als wenig nützlich an, häufig sogar als hinderlich für die Lösung wirtschaftlicher Probleme und wirft der Ethik vor, inhaltslos oder gar ein »Luxus« für gute Zeiten zu sein. Zum Glück gibt es Unternehmensethik, die beide Perspektiven zusammenführt und eine integrierte Sichtweise anbietet.

1.1.1     Der Praktische Syllogismus als Klammer

Für eine, beide Sichtweisen umgreifende Betrachtung moralischer Probleme kann man das Instrument des sog. praktischen Syllogismus anwenden. Dieser erlaubt es, Werte mit der wirtschaftlichen Realität – allgemeiner formuliert: das Wollen mit dem Können – zu verknüpfen. Er wird in der praktischen Philosophie der Handlungstheorie als Modell des menschlichen Handelns verwendet. Wir nutzen dieses Instrument, um mögliche Konflikte bei der Beurteilung moralischer Probleme zu identifizieren, Lösungsvorschläge zu erarbeiten und die Implementierung von Lösungen zu evaluieren. Die hiermit verbundene Handlungsorientierung ist gerade für die Lösung unternehmensethischer Fragen hilfreich.

Das Wollen im praktischen Syllogismus erfasst die Werte, Ziele und Interessen. Was will ich? Welchen Werten, Interessen und Zielen folge ich in meinen Entscheidungen und Handlungen? Welche Werte soll die Gesellschaft als Ganzes verfolgen?

Grundsätzlich können diese Fragen nur von einzelnen Individuen beantwortet werden, allerdings wird der Einzelne als Teil der Gesellschaft in der Festlegung der Werte durch seine Mitmenschen beeinflusst. Die Lebenserfahrung zeigt, dass sich Menschen rasch auf einige Werte einigen können, wie z. B.:

•  Wertschätzung des Individuums,

•  Freiheit,

•  Gerechtigkeit und Fairness,

•  Sicherheit,

•  Solidarität,

•  Wohlstand.

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Abb. 1.1: Der praktische Syllogismus

Diese Werte werden allerdings vielfach nicht reflektiert. Der praktische Syllogismus erfordert stets, die Frage nach den Werten immer wieder explizit zu stellen und vor allem die Werte zu präzisieren, damit sie für eine Handlungsempfehlung verwendet werden können. Außerdem kann es notwendig sein, die Werte zu priorisieren, wenn sie nicht gleichzeitig erreicht werden können.

Das Können erfasst die empirischen Bedingungen für menschliches Handeln. Die damit verbundenen Fragen sind: Was kann ich mit den mir zur Verfügung stehenden Ressourcen, Fähigkeiten und Fertigkeiten tun? Welche Aspekte fördern, welche hindern mich bei der Umsetzung dessen, was ich will?

Hinsichtlich der Ressourcen spielt z. B. der Mangel an Zeit und eventuell an finanziellen Mitteln eine wesentliche Rolle. Fähigkeiten und Fertigkeiten der Individuen werden durch unzureichende Ausbildung aber auch durch fehlende technische Hilfsmittel eingeschränkt. Des Weiteren wird das Können wesentlich durch das Wissen und Wahrnehmen beeinflusst. Das Fehlen relevanter Informationen und die eingeschränkte Fähigkeit zur Informationsverarbeitung schränken das Können ein. Individuen haben regelmäßig das Problem, komplexe Situationen zu durchschauen. Weitere Beschränkungen des Könnens ergeben sich dann, wenn menschliche Schwächen hinzukommen, wie etwa die Willensschwäche, Angst vor Veränderungen oder schlicht Bequemlichkeit.

Individuen, aber auch Unternehmen können das Instrument des praktischen Syllogismus nicht nur für die begründbare Herleitung ihrer eigenen Handlungen einsetzen. Es kann auch dazu dienen, Erwartungen über das Handeln anderer Individuen oder Unternehmen zu bilden. Wenn ein Kunde einen PKW von einem Automobilhersteller kauft, dann erwartet er in der Regel hinsichtlich der empirischen Bedingungen (das Können/Wissen/Wahrnehmen), dass der Hersteller sich an die Gesetze und Bestimmungen bzgl. der Fahrzeugqualität und -sicherheit hält, dass die beschäftigten Ingenieure und Fachkräfte in der Lage und bereit sind, ein solches Fahrzeug herzustellen. Außerdem signalisiert ihm die Tatsache, dass andere Kunden ebenfalls bei diesem Hersteller einkaufen und das Unternehmen schon länger am Markt tätig ist, eine gewisse Qualität des Produkts. Hinsicht der Ziele des Verkäufers (das Wollen) wird man erwarten, dass dieser das Unternehmensziel der (langfristigen) Gewinnerzielung verfolgt, und zum einen deswegen einen Preis verlangen wird, der dieses Ziel erfüllt, zum anderen den Kunden nicht betrügen oder übervorteilen will, da ein solches Verhalten sich wahrscheinlich langfristig nicht auszahlen wird.

Als kurzes Fazit lässt sich feststellen, dass der praktische Syllogismus als ein Schlüsselinstrument für die Behandlung unternehmensethischer Fragestellungen angewendet werden kann, da er die Werte, Ziele und Interessen einerseits (Wollen) und die empirischen Bedingungen ihrer Realisierung (Können) zusammenbringt. Innerhalb eines Unternehmen kommt es dabei aus ethischer Sicht darauf an, inwieweit es gelingt, nicht nur die individuellen Ziele und Werte zu realisieren, sondern auch moralische Werte, also die berechtigten Ziele, Interessen und Werte der anderen Mitglieder des Unternehmens im eigenen Verhalten zu berücksichtigen. Außerhalb des Unternehmens gilt analog, dass das Unternehmen die berechtigten Interessen seiner Ansprechpartner wie Kunden, Lieferanten, Wettbewerber und Kooperationsunternehmen sowie staatliche Institutionen und die Gesellschaft als Ganzes in die Realisierung der Unternehmensziele einbezieht.

1.1.2     Dilemmastrukturen als Ergebnisse freier Entscheidungen

Nachdem mit dem praktischen Syllogismus ein Instrument zur ganzheitlichen Betrachtung unternehmensethischer Fragestellungen dargestellt worden ist, wenden wir uns der Frage zu, wie es zu moralischen, unternehmensethischen Problemen kommen kann.

Individuen sind grundsätzlich frei, ihre eigenen Ziele, Interessen und Wertvorstellungen zu verfolgen und dementsprechend zu handeln. In einer modernen Gesellschaft mit einer arbeitsteiligen, durch Spezialisierung geprägten Wirtschaft sind die Individuen aufeinander angewiesen, voneinander abhängig in Interaktionen gebunden, sei es im Rahmen der Zusammenarbeit in einem Unternehmen, sei es als Käufer und Verkäufer, als Schuldner und Gläubiger usw. Wenn es darum geht, die berechtigten Ziele, Interessen und Wertvorstellungen der anderen in seinem Verhalten zu berücksichtigen, kann es zu Konflikten kommen. Insbesondere dann, wenn Anreize existieren, die Abhängigkeit des Anderen auszunutzen, ohne die negativen Konsequenzen für diesen zu berücksichtigen.

Um ethische Konflikte im Rahmen von Kooperationen zu behandeln, wird in der Wissenschaft aus der Spieltheorie die Denkfigur des sog. Gefangenendilemmas verwendet, das z. B. folgende Situation beschreibt: Zwei Vertragspartner können frei entscheiden, ob sie die Wertvorstellung »Verträge sind einzuhalten«, die man auch als Regel bezeichnen kann, befolgen oder nicht – anders ausgedrückt: Ob sie kooperieren oder nicht. Beide Vertragspartner haben die Möglichkeit, den Vertrag einzuhalten (ve) oder den Vertrag zu brechen (vb). Abbildung 1.2 zeigt für die beiden Wirtschaftsakteure die den Nutzen des jeweiligen Wirtschaftsakteurs widerspiegelnde Auszahlungen in diesem Spiel: Unten links in jeder Zelle wird die Auszahlung des Wirtschaftsakteurs A ausgewiesen, oben rechts die des Wirtschaftsakteurs B, in der Mitte der Zelle die Summe der Auszahlungen für beide Wirtschaftsakteure. Für jeden Vertragspartner ist es am vorteilhaftesten, wenn er selbst gegen die Regel bzw. die Wertvorstellung verstößt (A bzw. B wählt vb), während der andere sie einhält (B bzw. A wählt ve); denn derjenige, der den Vertrag bricht, erhält eine Auszahlung von 10, während der andere eine von 1 erhält.

Wenn beide Vertragspartner die Verträge einhalten, erhält jeder eine Auszahlung von 7. Im Falle, dass beide den Vertrag brechen, erhalten sie jeweils eine Auszahlung von 3. Geht man davon aus, dass sich beide Wirtschaftsakteure – ihr Eigeninteresse verfolgend – rational verhalten, dann finden beide Wirtschaftsakteure im Regelverstoß eine sog. dominante Strategie: Unabhängig davon, welche Strategie der Vertragspartner wählt, führt die

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Abb. 1.2: Gefangenendilemma und externe Sanktionen

Strategie des Vertragsbruchs immer zu einer höheren Auszahlung, 10 > 7, falls der andere den Vertrag einhält, und 3 > 1, falls der andere auch vertragsbrüchig wird. Die Strategie, in der beide Wirtschaftsakteure den Vertrag einhalten, führt also mit einer Auszahlung von 14 zum – gesellschaftlich betrachtet – besten Ergebnis. Allerdings ist diese Strategie nicht stabil, denn beide besitzen einen Anreiz zum Regelverstoß und erzielen dadurch mit der Auszahlung von 6 ein schlechteres gesamtgesellschaftliches Ergebnis als im Falle der Einhaltung der Regel. Die Wirtschaftsakteure befinden sich in einem sog. Gefangenendilemma, in dem die individuelle und die kollektive Rationalität nicht übereinstimmen. In diesem Fall schadet individuelles rationales Verhalten dem individuellen wie auch dem kollektiven Nutzen.

Dilemmasituationen können die Kooperation erschweren und ein gesellschaftlich positives Ergebnis verhindern. Wir werden später verschiedene unternehmensethische Dilemmasituationen behandeln, wenn wir die empirischen Bedingungen des Wirtschaftens genauer betrachten. Und wir werden in diesem Zusammenhang auch Situationen kennen lernen, in denen eine Kooperation unerwünscht ist, wie im Fall von Unternehmenskartellen, oder eine Nicht-Kooperation erwünscht ist, wenn es um die Sicherung des Wettbewerbs geht, der für Chancen- und Leistungsgerechtigkeit sorgt (image Kap. 1.2.1).

1.1.3     Regeln, Institutionen und Vertrauen als Lösung der Dilemmata

Wie kann man Dilemmasituationen begegnen? Das Dilemma ließe sich im Zwei-Personen-Fall dann auflösen, wenn die beiden Vertragspartner in wiederholten Spielen häufiger Transaktionen miteinander durchführen. Dann könnten sie sich auf eine Verpflichtung zur Einhaltung der Verträge einigen, indem z. B. einer der beiden im Sinne einer Vorleistung Regeltreue signalisiert und darauf vertraut, dass der andere sich ebenfalls vertragstreu verhält. Ein Vertragsbruch könnte dann bei der nächsten Transaktion sanktioniert werden. Wir werden später sehen, dass das Vertrauen als Produktionsfaktor bzw. als Vermögenswert eine bedeutende Rolle im Wirtschaftsgeschehen spielt (image Kap. 1.3.5).

In einer modernen Gesellschaft mit einer großen Teilnehmerzahl wird sich das Zwei-Personen-Dilemma allein durch die Vielzahl von bilateralen Übereinkünften mit verschiedenen Transaktionspartnern zu einem komplexen gesellschaftlichen Dilemma ausweiten. Die Wirtschaftsakteure stehen vor der schwierigen Aufgabe, ihre Vertragspartner und deren Strategien wiederzuerkennen. Zum anderen muss gewährleistet sein, dass die Möglichkeit zur internen – also einer durch den Vertragspartner erfolgenden – Bestrafung von Regelverstößen (interne Sanktion) durch noch folgende Transaktionen in der Zukunft gegeben ist, um zu verhindern, dass vertragsbrüchige Wirtschaftsakteure nicht in der Anonymität verschwinden (OSTROM et al. 1994).

Die Auflösung des Dilemmas ist nur dadurch möglich, dass die Wirtschaftsakteure auf die Einhaltung der Regel verpflichtet und Regelverstöße sanktioniert werden. Denn mit dem Übergang zu einer modernen, arbeitsteiligen Wirtschaft verringert sich das interne Sanktionspotential, weil die Wahrscheinlichkeit abnimmt, Regelverstöße bei der Vielzahl von bilateralen Verträgen mit verschiedenen Transaktionspartnern aufzudecken. Hinzu kommt erschwerend das Trittbrettfahrer-Problem, denn durchgeführte Sanktionen nutzen auch denen, die sich nicht daran beteiligen und dementsprechend keine Kosten für die Kontrolle von potentiellen Regelverstößen und die Durchführung von Sanktionen tragen müssen. Folglich sollte die Kontrolle und Sanktionierung durch eine externe Instanz erfolgen. Der Staat kann durch ein System geltender rechtlicher Regeln die Grundlage für die Regelbindung bei gesellschaftlichem Wirtschaften schaffen. Ziel ist es dabei, die individuellen Handlungsentscheidungen auf eine kooperative Lösung hin auszurichten, indem individuell vorteilhaftes, aber gesellschaftlich schädliches Handeln verhindert wird. In unserem Fallbeispiel könnte der Staat – eine effiziente Überwachung der Regelverstöße vorausgesetzt – die nicht regelgerecht agierenden Wirtschaftsakteure mit einer Strafe (externe Sanktion) belegen. In Abbildung 1.2 ist dieser Fall, soweit für die einzelnen Auszahlungen relevant, durch die in Klammern angegebenen Zahlen dargestellt. Die Strafe für die nicht regelgerecht agierenden Wirtschaftsakteure führt in diesem Beispiel zu einer Nutzeneinbuße in Höhe von 8. Für den Fall, dass ein Wirtschaftssubjekt vertragsbrüchig ist, erhält es eine Auszahlung von 2 (= 10-8), wenn der andere vertragstreu ist, und von -5 (= 3-8), wenn der andere auch vertragsbrüchig ist. Für beide Wirtschaftsakteure ergibt sich jetzt durch ein vertragstreues Verhalten eine dominante Strategie, so dass sich das gesellschaftlich gewünschte Ergebnis einstellt.

Möglich wäre auch die Vereinbarung einer Selbstverpflichtung von Unternehmen zur Einhaltung bestimmter selbst auferlegter Regeln statt eines Systems staatlicher Regeln, wie wir sie später noch als Ergebnis eines sog. Multi-Stakeholder-Dialogs kennenlernen werden. Die Problematik der Sanktionierung von Regelverstößen ist hier von besonderer Bedeutung, da keine staatliche Instanz über Eingriffsrechte verfügt.

Als Ergebnis kann man festhalten, dass Dilemmasituationen zum einen durch die Einführung von Regeln und Institutionen, die Regelverstöße effizient sanktionieren, und zum anderen durch Vertrauen im Sinne einer Vorleistung bzw. Investition in die Regeltreue des Gegenübers überwunden werden können.

1.1.4     Das Spiel: Spielverständnis, Spielregeln und Spielzüge

Im Rahmen des Gefangenendilemmas als Anwendungsfall der Spieltheorie haben wir bereits Spielregeln (z. B. »Verträge sind einzuhalten«) und Spielzüge (z. B. Verträge einhalten bzw. brechen) kennengelernt. Wir erweitern nun die Perspektive, indem wir zusätzlich das Spielverständnis betrachten.

Man kann von der Unternehmensethik oder auch der Ethik im Allgemeinen keine konkreten Handlungsempfehlungen im Einzelfall (also für Spielzüge) verlangen, allenfalls eine Orientierung für ethisches Handeln, indem sie die Voraussetzungen und die Konsequenzen des Handels in den Blick nehmen. Deswegen ist es wichtig, neben den Spielregeln – also den Institutionen, Normen und Standards –, die einen Rahmen und eine Struktur für das Handeln vorgeben, auch das Spielverständnis der Beteiligten zu berücksichtigen, das sich in den individuellen Einstellungen und gesellschaftlichen Vorstellungen zur Auslegung, Anwendung und Einhaltung der Spielregeln äußert. Mit der Denkfigur des Spiels mit den drei Ebenen Spielverständnis, Spielregeln und Spielzüge lassen sich wichtige Zusammenhänge für die Unternehmensethik aufzeigen (image Abb. 1.3). Die leitenden Fragen sind dabei: Welches Spiel wollen wir spielen und welches spielen wir tatsächlich? Anders ausgedrückt: In welchem Wirtschaftssystem, in welcher Gesellschaft wollen wir leben? In welchem Wirtschaftssystem, in welcher Gesellschaft leben wir tatsächlich? Die Unterscheidung zwischen Werten und Wirklichkeit, zwischen Sollen und Sein, spielt hier eine bedeutende Rolle.

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Abb. 1.3: Das Spiel: Spielverständnis, Spielregeln, Spielzüge

Verdeutlichen wir die Zusammenhänge an einem Beispiel. Ein Unternehmen der Pharmaziebranche produziert Medikamente zur Behandlung lebensbedrohender Krankheiten und liefert damit einen Beitrag im Rahmen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit. Das Unternehmen steht im Markt im Wettbewerb mit anderen Unternehmen. Die geltenden Spielregeln für das Unternehmen sind mithin durch den Wettbewerb in der Branche charakterisiert: Der Wettbewerb soll zum einen seine Anreizwirkungen hinsichtlich permanenter Produkt- und Prozessinnovationen entfalten und die Versorgung der Gesellschaft mit immer besseren Medikamenten sichern. Zum anderen soll der Wettbewerbsdruck das Eigeninteresse, nämlich die Gewinnerzielung, beschränken. Das Unternehmen ist darauf angewiesen, Gewinne zu erzielen, um am Markt bestehen zu können und seine Anspruchsgruppen, wie z. B. Mitarbeiter, Lieferanten und Kapitalgeber für ihre Produktivleistungen bezahlen zu können. Zu diesem Zweck muss es – und hier sind wir bei den Spielzügen – die Entwicklung von neuen Medikamenten sowie die Produktion an den Kunden ausrichten, und zwar in erster Linie an deren Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft und weniger an deren Bedürfnissen.

Da das Unternehmen durch die Versorgung mit lebensrettenden Medikamenten einen positiven Beitrag für die Gesellschaft leistet, könnte man schließen, dass das Unternehmen eine hohe gesellschaftliche Reputation genießt. Dagegen steht die häufig anzutreffende Ansicht, dass das Unternehmen mit der Not der Kranken ein Geschäft macht und es an Solidarität vermissen lässt. Die Unternehmen sollten sich, dieser Ansicht folgend, an den Bedürfnissen der hilfsbedürftigen Kranken, nicht an der Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft orientieren. Hierdurch wären die Unternehmen allerdings überfordert, denn ohne ausreichende Erträge – in diesem Fall übersteigen die Kosten die Erträge – wäre eine nachhaltige Produktion kaum möglich, da dann die Anspruchsgruppen wie Mitarbeiter, Lieferanten und Kapitalgeber zumindest teilweise auf die Vergütung ihrer Produktivleistungen verzichten müssten, was man nur schwerlich erwarten kann, da sie gegen ihr Eigeninteresse verstoßen würden.

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Abb. 1.4: Stilisierte Argumente und Kommunikationswelten

Das unterschiedliche Spielverständnis wird hier deutlich, nicht zuletzt auch an den stilisierten Argumenten für die unterschiedliche Betonung der zwei Seiten der Wirtschaftsethik und der Unternehmensethik, die in Abbildung 1.4 zusammengestellt sind. Das unterschiedliche Spielverständnis spiegelt zudem die zu Beginn des Kapitels aufgezeigten entgegengesetzten Sichtweisen wider.

Das einseitige Einfordern von Solidarität und Unterstützung der Hilfsbedürftigen führt bei mangelnder Berücksichtigung der grundlegenden wirtschaftlichen Bedingungen wie der Verfolgung berechtigter Eigeninteressen (Einkommenserzielung) und Budgetbeschränkungen (Erträge müssen Kosten langfristig übersteigen) zu einem sog. normativistischen Fehlschluss. Umgekehrt führt die einseitige Betonung von ökonomischen Sachzwängen des herrschenden Wettbewerbs und der damit verbundenen Anreizsysteme bei mangelnder Berücksichtigung der moralischen Werte zu einem sog. empiristischen Fehlschluss.

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Abb. 1.5: Normativistischer und empiristischer Fehlschluss

Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass ein gemeinsames Spielverständnis für eine funktionierende Gesellschaft und Wirtschaft ist. Dies setzt voraus, dass moralische Werte und Vorstellungen einerseits und wirtschaftliche Realität andererseits gleichermaßen in die unternehmensethischen Überlegungen einfließen.

Es kann hier festgehalten werden, dass die gesamtheitliche Betrachtung der Spielzüge, Spielregeln und des Spielverständnisses den Blick auf die besondere Bedeutung vernünftiger moralischer Urteile richtet, die moralische Vorstellungen sowie wirtschaftliche Gegebenheiten gleichberechtigt nebeneinander stellen. In diesem Spannungsfeld von Ethik und Wirtschaft untersuchen wir in der Folge zunächst das moralische Urteilsvermögen und den sog. »moral point of view«. Danach widmen wir uns den ökonomischen Bedingungen des Handelns.

1.2       Der »moral point of view« und das moralische Urteilsvermögen

Zur Beurteilung unternehmensethischer Probleme ist ein moralisches Urteilsvermögen unerlässlich. Dabei nehmen Individuen bewusst oder unbewusst stets einen moralischen Standpunkt ein, den sog. »moral point of view« (HABERMAS 1991, S.13). Ethische Überlegungen zielen darauf ab, wie Individuen zu einer vernünftigen, fundierten und für andere nachvollziehbaren Beurteilung moralischer Probleme gelangen können. Wir können das Schema des praktischen Syllogismus heranziehen, um das Ziel der ethischen Überlegungen zu verdeutlichen. Ausgehend von konkreten Handlungssituationen kann man festhalten, dass Individuen bzw. Unternehmen ihre eigenen faktischen Interessen, Ziele und Werte verfolgen, über ein eigenes Spielverständnis verfügen und unter den von ihnen wahrgenommenen konkreten Bedingungen heraus eine tatsächliche Handlung vornehmen. Die Ethik sucht nun nach einem Referenzsystem für ethisches Handeln: Also stellt sich die Frage nach dem vernunftgeleiteten Wollen, nach dem vernunftgeleiteten Wahrnehmen eigenen Könnens, das sowohl die individuellen Fähigkeiten als auch die institutionellen Bedingungen eines möglichen Handelns umfasst.

Die Grundfrage der Ethik lautet mithin: Wie soll ich handeln? Mit dieser Frage sind mehrere Aspekte verbunden: Freiheit, Verpflichtung, Gerechtigkeit und Verantwortung.

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Abb. 1.6: Der »moral point of view«

1.2.1     Freiheit und Gerechtigkeit

Ausgangspunkt ethischer Betrachtungen ist die Freiheit: Menschen sind frei, Entscheidungen zu treffen. Sie sind nicht durch Instinkte auf ein bestimmtes Verhalten programmiert, sondern können bewusst und gewollt handeln. Als Kulturmensch gelingt es dem Individuum, durch geplante und arbeitsteilige Aktivitäten, die wiederum bestimmte Sozialtechniken wie Organisationsformen gemeinsamer Aktivitäten erfordern, sich auf unterschiedliche exogene Naturbedingungen einzustellen. Menschliches Handeln ist somit offen und selbstbestimmt; zwischen der Situationswahrnehmung einerseits und der vorgenommenen Handlung andererseits liegen die urteilende Reflexion und die Willensentscheidung.

Diese Entscheidungs- und Handlungsoffenheit verursacht Unsicherheiten. Der Mensch lebt also nicht nur mit der Unsicherheit gegenüber seinem natürlichen Umfeld, sondern auch gegenüber dem Verhalten anderer Menschen, die ebenfalls frei entscheiden und handeln. Da Handlungen immer zukunftsorientiert sind, bildet der Mensch folglich Erwartungen über das Verhalten anderer. Regeln und Handlungsnormen stabilisieren diese Verhaltenserwartungen, wenn man darauf vertrauen kann, dass die Anderen sich auch an die Regeln und Handlungsnormen halten. Vertrauen senkt also die Transaktionskosten.

Die Freiheit des Menschen findet neben den »natürlichen Grenzen« in physiologischer und technischer Hinsicht auch »normative Grenzen«, denn die Freiheit des Menschen findet dort ihre Grenzen, wo die legitimen Interessen anderer Menschen betroffen sind. Aus der Freiheit des Menschen und der daraus erwachsenden Unsicherheit folgt die Notwendigkeit zur Reglementierung, zur Beschränkung des Handelns und zur Schaffung einer Ordnung. Der Begriff des »Sollens« (Wie soll ich handeln?) bringt die gebotene Einschränkung dieser Freiheit durch eine Verpflichtung zum Ausdruck.

Ein wesentliches ethisches Handlungsprinzip im Umgang mit anderen Menschen ist die Gerechtigkeit. Sie ist zudem auch eine individuelle moralische Haltung gegenüber den Mitmenschen, die auf jede Art von Übervorteilung verzichtet (HÖFFE 1997); empirische Studien zeigen, dass Menschen einen ausgeprägten Sinn für Fairness und Gerechtigkeit haben.

Der Begriff der Gerechtigkeit ist facettenreich. In der Marktwirtschaft spricht man von Tauschgerechtigkeit, wenn Individuen freiwillig Leistungen austauschen und Leistungen und Gegenleistungen nach Auffassung der Tauschpartner äquivalent sind. Leistungsgerechtigkeit wiederum besagt, dass jedes Individuum in dem Maße vom gesellschaftlichen Wohlstand profitieren soll, in dem es dazu beigetragen hat. Die Chancengerechtigkeit hebt dagegen nicht auf das Ergebnis des Wirtschaftens ab, nämlich auf die Erfüllung der Bedürfnisse oder das erzielte Einkommen, sondern darauf ab, dass jeder Mensch gerechte Chancen z. B. auf Bildung und Arbeit hat.

Mitte des 19. Jahrhunderts tauchte der Begriff der sozialen Gerechtigkeit auf. Nicht einzelne Handlungen, sondern Regeln bzw. Regelsysteme, die als Grundlage für die Handlungen im Wirtschaftsgeschehen sind, werden danach bewertet, ob sie gerecht sind. Man versucht also, die Gerechtigkeit eines Systems wie der Marktwirtschaft (oder z. B. der ehemaligen Zentralverwaltungswirtschaft der DDR) an gesamtwirtschaftlichen Verteilungsergebnissen festzumachen. Hier spricht man von Bedarfs-, Einkommens- oder auch von Verteilungsgerechtigkeit. Als ethischer Maßstab wird häufig eine Gleichverteilung der Einkommen und Vermögen formuliert. Die Einkommens- und Sozialpolitik dient der Verfolgung des Ziels der sozialen Gerechtigkeit. Gerechtigkeit wird hier als Ergebnisgerechtigkeit gesehen, die kritisch betrachtet werden muss. Geht man davon aus, dass die Anfangsausstattung der Menschen (Fähigkeiten und Fertigkeiten, Motivation, Risikobereitschaft, etc.) unterschiedlich ist, kann die Schaffung annähernd gleicher Verteilungsergebnisse nur durch Ungleichbehandlung der Menschen erzielt werden, was gegen den Grundsatz der Gerechtigkeit verstößt. Zudem ist der Einsatz von Produktionsfaktoren (wie z. B. Arbeit) und die Erzielung des Einkommens systematisch miteinander verbunden, d. h., wenn das erzielte Einkommen durch Umverteilung (z. B. durch Steuerbelastung) zu stark belastet wird, besteht die Gefahr abnehmender Motivation. Eine Annäherung an die Gleichverteilung würde dann zu Wachstumsschwäche und einem geringeren Wohlstand für alle führen. Ferner ist das Verteilungsergebnis eines marktwirtschaftlichen Prozesses stets ein nichtintendiertes, also nicht bewusst von jemandem herbeigeführtes Ergebnis zahlloser Handlungen einzelner, ihre eigenen Ziele verfolgenden Menschen. Gemessen am Kriterium der Ergebnisgerechtigkeit werden der Markt und die Marktwirtschaft versagen, während sie gemessen am Kriterium der Verfahrens- oder Regelgerechtigkeit, die eine gleiche und unparteiische Anwendung von Verfahren und Regeln auf alle Menschen gewährleistet, eigentlich recht gut abschneiden. Da weder ein einzelner Mensch noch eine Gruppe einzelner Menschen das gesamtwirtschaftliche Einkommen verteilt, müsste man dem Marktprozess die Fähigkeit zuteilender Gerechtigkeit zuschreiben; das erscheint wenig sinnvoll. Schließlich können einzelne Gesellschaftsgruppen ihre Partikularinteressen durch den Verweis auf die soziale Gerechtigkeit rechtfertigen und sich im politischen Machtkampf Vorteile verschaffen.

An die Stelle der Ergebnisgerechtigkeit stellt RAWLS (1979) die Verfahrens- oder Regelgerechtigkeit. Er bezeichnet Gerechtigkeit als die erste Tugend sozialer Institutionen. Die Gleichheit aller Menschen besteht nach John Rawls in der Tatsache, dass sie alle moralische Individuen sind. Aufbauend auf dem gedanklichen Ausgangspunkt einer Gleichverteilung der Grundgüter wie Freiheit, Chancen, Einkommen und Vermögen ist aber eine Ungleichverteilung der Grundgüter Chancen, Einkommen und Vermögen – die Freiheit bleibt davon unbenommen – dann als gerecht anzusehen, wenn die Benachteiligten dadurch größere Vorteile erzielen als durch eine stärkere Gleichverteilung. Ungleiche Anfangsausstattungen in den Fähigkeiten und Fertigkeiten, der Motivation und der Risikobereitschaft der einzelnen Menschen werden folglich nicht mehr aufgehoben, sondern als ein sozialer Wert angesehen, in dem man sie zum Nutzen der Allgemeinheit fördert.

Noch stärker wird die Bedeutung der Regelgerechtigkeit von BUCHANAN und BRENNAN (2000) betont. Handlungen sind dann als gerecht zu beurteilen, wenn sie höheren Regeln, sog. Metaregeln, folgen. So gelangt man über die Vorstellung einer Regelhierarchie letztlich zur Verfassung, in der berechtigte Erwartungen der Mitglieder einer Gesellschaft per Konsens festgelegt sind. Die letzten Maßstäbe für Gerechtigkeit finden sich weder in der Ethik noch in vorgegebenen Verteilungsergebnissen, sondern allein im Verfahren der Verfassungsgebung und -entwicklung.

Im Kontext der Diskussion um die Nachhaltigkeit wird das Konzept der intergenerationalen (in Abgrenzung von den bisher behandelten intragenerationalen, also die Mitglieder derselben Generation betreffenden, Gerechtigkeitsbegriffen) oder Generationengerechtigkeit diskutiert. Unter Generationengerechtigkeit versteht man, dass die Befriedigung der Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation nicht zulasten der Bedürfnisbefriedigung zukünftiger Generation erfolgen darf (imageKap. 2.2.3.1).

Die meisten Begriffe der Gerechtigkeit entstammen der Vorstellungswelt kleiner Gruppen, die dann auch auf große Gruppen wie Nationen, die EU oder die Menschheit, also vom Lokalen zum Globalen ausgedehnt wurden. Nachhaltigkeit hingegen setzt bei der globalen Betrachtung an und sucht nach lokalen Handlungsempfehlungen. Sie stellt die Frage nach der Stabilität sozialer Prozesse in einem überschaubaren Zeithorizont. Somit spricht Nachhaltigkeit die Selbsterhaltungsfähigkeit moderner Gesellschaften und ihrer Funktionssysteme an und berücksichtigt dabei eine langfristige Perspektive. Fachübergreifend werden ökologische, ökonomische und soziale Aspekte in einer Gesamtschau betrachtet. Eine wichtige Rolle spielt die Frage, ob es institutionelle Fehlanreize (z. B. staatliche Höchstpreise für Benzin, mangelnde Regelungen zur Beschränkung der Staatsschulden) gibt, die reformiert werden müssen, um ein System dauerhaft funktionsfähig zu halten.

Der Mensch ist nach Immanuel Kant ein zur Freiheit befähigtes Wesen. Sein freier Wille ermöglicht es ihm, moralisch zu handeln und verleiht ihm seine spezifische Würde. Da der Mensch als vernunftbegabtes, moralfähiges Wesen in die Freiheit entlassen worden ist, muss man ihm auch sein Handeln zurechnen, ihn dafür verantwortlich machen. Mithin ist Freiheit untrennbar mit Verantwortung verbunden. Ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen ist für einen Sachverhalt gegenübernormatives Kriterium