Handbuch
Ius Publicum Europaeum

Band V
Verwaltungsrecht in Europa: Grundzüge

 

Herausgegeben von

Armin von Bogdandy

Sabino Cassese

Peter M. Huber

 

Unter Mitwirkung von

Sebastian Unger

 

Mit Beiträgen von

Stanislaw Biernat • Paul Craig • Dorota Dąbek • Pavlos-Michael Efstratiou

Pascale Gonod • Christoph Grabenwarter • Michael Holoubek • Peter M. Huber

Tobias Jaag • Wolfgang Kahl • Martin Kayser • Gérard Marcou • Lena Marcusson

Guido Melis • Antonella Meniconi • Oriol Mir • Christoph Möllers

GiulioNapolitano • Vasco Pereira da Silva • Daria de Petris • Matthias Ruffert

André Salgado de Matos • Karl-Peter Sommermann • Zoltán Szente

Jacques Ziller

 

 

kein Alternativtext verfügbar

Impressum

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

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ISBN 978-3-8114-8905-9

 

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Vorwort

Der vorliegende Band V des Handbuchs Ius Publicum Europaeum ist den Grundzügen des Verwaltungsrechts in Europa gewidmet und versammelt Länder- und Querschnittsberichte, die sich den Prinzipien des Verwaltungsrechts, Organisation und Handlungsformen der Verwaltung, ihrer demokratischen Steuerung sowie ihrer gerichtlichen Kontrolle aus einer gemeineuropäischen Perspektive widmen. Am geltenden Recht ausgerichtet und dogmatisch orientiert komplettiert er damit nach dem den Grundlagen des Verwaltungsrechts in Europa gewidmeten Band III und dem die Verwaltungsrechtswissenschaft in Europa behandelnden Band IV das Bild des Verwaltungsrechts im europäischen Rechtsraum.

Internationalisierung, Ökonomisierung und Privatisierung sowie die europäische Integration haben seit der Zeitenwende der Jahre 1989/1990 zu unübersehbaren Konvergenzen in den nationalen Verwaltungsrechtsordnungen Europas geführt. Sie rechtfertigen es, bei allen verbleibenden und teilweise neu akzentuierten Differenzen (wieder) von der Existenz eines gemeineuropäischen Verwaltungsrechts zu sprechen. Dieses gemeineuropäische Verwaltungsrecht kann als ein allen Staaten des europäischen Rechtsraums gemeinsamer Bestand an Prinzipien verstanden werden, der die Grundlagen der Verwaltung ebenso prägt wie ihre Instrumente und Verfahren und der seine maßgeblichen Bezugspunkte in der demokratischen Legitimation und Kontrolle des Verwaltungshandelns sowie in der rechtsstaatlich geforderten Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Verwaltung findet. Das sind zugleich die Orientierungspunkte für eine an den Belangen der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtete „gute Verwaltung“. Vor diesem Hintergrund sieht sich das Verwaltungsrecht drei zentralen Herausforderungen gegenüber: der Notwendigkeit, eine effektive Erfüllung der Verwaltungsaufgaben sicherzustellen, der Gewährleistung einer hinreichenden Rückbindung der Verwaltungstätigkeit an den Willen des Wählers bzw. der politischen Mehrheit sowie der Sicherung eines wirkungsvollen Schutzes des Bürgers gegenüber dem Verwaltungshandeln.

Das Projekt ist der Fritz Thyssen Stiftung zutiefst verpflichtet. Sie hat die aufwändige und kostenträchtige Zusammenarbeit zwischen den Herausgebern, der Redaktion und den Autoren durch die Finanzierung eines Workshops, von Übersetzungen und Mitarbeitern nachdrücklich gefördert. Ohne ihre ebenso unbürokratische wie substantielle Hilfe hätte dieser Band nicht fertig gestellt werden können. Unser Dank gilt weiterhin dem C. F. Müller Verlag für die Fortsetzung der Reihe und die konstruktive Zusammenarbeit. Dankend zu erwähnen sind ferner Sebastian Benz, Christopher Davis, Florian Feistle, Konstantin Franke, Clara Freißmuth, Julia Mair, Florian Pregler, Christian Schwepcke, Stefan Schwerin, Hannah Thornton, Wienke Werner und Andreas Wilhelm für ihren weitaus überobligationsmäßigen Einsatz bei der redaktionellen und sprachlichen Überarbeitung der Beiträge, Literaturrecherchen sowie der Durchsicht der Druckfahnen. Hilfreich bei der Bewältigung der mit der Übersetzung verbundenen Herausforderungen waren Bettina Beck, Carolin Damm, Katrin Habel, Dr. Dr. Ulrike Haider Quercia, Fanny Hegedüs-Weinhardt, Bernadette Kell, Petra Láncos, Dr. Karin Oellers-Frahm, Dr. Ewa Schwierskott-Matheson und Alexandra Walgenbach.

Ganz besonders haben die Herausgeber Herrn Dr. Sebastian Unger zu danken, in dessen Händen die Gesamtredaktion lag und der dabei von Alexander Betz und Michael Guttner unterstützt wurde. Die Erstellung dieses Bandes hat einmal mehr gezeigt, dass die Verwaltungsrechtsordnungen der europäischen Staaten vor allem konzeptionell nach wie vor mitunter erheblich auseinander liegen, und dass es nicht unerheblicher Transferleistungen bedarf, um an die rechtswissenschaftlichen Diskurse des deutschen Sprachraums anknüpfen zu können. Das bewerkstelligt zu haben, ist nicht nur eine große redaktionelle, sondern auch eine herausragende wissenschaftliche Leistung im Dienste des entstehenden ius publicum europaeum.

Heidelberg, Rom und München, im Herbst 2013

Armin von Bogdandy/Sabino Cassese/Peter M. Huber

Inhaltsverzeichnis

 Vorwort

 Verfasser

 Einführung

 § 73Grundzüge des Verwaltungsrechts in Europa – Problemaufriss und Synthese

Erster TeilLandesspezifische Ausprägungen

 § 74Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Deutschland

 § 75Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Frankreich

 § 76Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Griechenland

 § 77Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Großbritannien

 § 78Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Italien

 § 79Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Österreich

 § 80Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Polen

 § 81Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Portugal

 § 82Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Schweden

 § 83Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Schweiz

 § 84Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Spanien

 § 85Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Ungarn

Zweiter TeilRechtsvergleichender Zugriff

 § 86Prinzipien des Verwaltungsrechts

 § 87Verwaltungsorganisation

 § 88Autonomie und Selbstverwaltung als gemeineuropäisches Konzept

 § 89Handlungsformen

 § 90Ermessenslehren

 § 91Rechtsschutz und Kontrolle

 § 92Die Verwaltung und das demokratische Prinzip

 § 93Verwaltungsrecht und Politik

 § 94Europäisierung des Verwaltungsrechts

 Personenregister

 Sachregister

Verfasser

 

Stanisław Biernat, Dr. iur., Professor, Uniwersytet Jagielloński Kraków, Vizepräsident des Polnischen Verfassungsgerichtshofes;

 

Paul Craig, M.A., Professor in Law, University of Oxford, Fellow of St John’s College;

 

Dorota Dąbek, Dr. iur. habil., Uniwersytet Jagielloñski Kraków, Richterin am Verwaltungsgericht Kraków;

 

Pavlos-Michael Efstratiou, Dr. iur., Ass. Professor, Juristische Fakultät, Lehrbereich für Öffentliches Recht, Nationale und Kapodistrian’sche Universität Athen;

 

Pascale Gonod, Dr. iur., Professeur à l’Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne, membre de l’Institut universitaire de France;

 

Christoph Grabenwarter, Dr. iur., Dr. rer. soc. oec., Professor, stellvertretender Vorstand des Instituts für Europarecht und Internationales Recht, Wirtschaftsuniversität Wien, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes;

 

Michael Holoubek, Dr. iur., Professor, Institut für Österreichisches und Europäisches Öffentliches Recht, Wirtschaftsuniversität Wien, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes;

 

Peter M. Huber, Dr. iur., Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Staatsphilosophie und Forschungsstelle für das Recht der Europäischen Integration, Juristische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München, Minister a.D., Richter des Bundesverfassungsgerichts;

 

Tobias Jaag, Dr. iur., LL.M., Professor, vormals Lehrstuhl für Staats-, Verwaltungs- und Europarecht, Universität Zürich;

 

Martin Kayser, Dr. iur., LL.M., Richter am Verwaltungsgericht des Kantons Zürich;

 

Wolfgang Kahl, Dr. iur., M.A., Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere deutsches und europäisches Verwaltungsrecht, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg;

 

Gérard Marcou, Dr. iur., Professeur à l’Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne, École de Droit de la Sorbonne, Unité Mixte de Recherche de Droit comparé, Directeur du Groupement de Recherche sur l’Administration Locale en Europe (GRALE);

 

Lena Marcusson, Dr. iur., Professor, vormals Lehrstuhl für Verwaltungsrecht, Universität Uppsala;

 

André Salgado de Matos, LL.M., Assistente da Escola de Lisboa da Faculdade de Direito da Universidade Católica Portuguesa;

 

Guido Melis, Professore ordinario, Storia delle istituzioni politiche, Università di Roma La Sapienza;

 

Antonella Meniconi, Professore associato, Storia delle istituzioni politiche, Università di Roma La Sapienza;

 

Oriol Mir, Dr. iur., Profesor Titular de Derecho Administrativo (acreditado como catedrático), Departamento de Derecho Administrativo y Derecho Procesal, Facultad de Derecho, Universidad de Barcelona;

 

Christoph Möllers, Dr. iur., LL.M., Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie, Juristische Fakultät, Humboldt-Universität zu Berlin, Permanent Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin;

 

Giulio Napolitano, Professore ordinario di diritto amministrativo, Dipartimento di Giurisprudenza, Università di Roma Tre;

 

Vasco Pereira da Silva, Dr. iur., Dr. h.c., Professor Catedrático, Faculdade de Direito, Universidade de Lisboa;

 

Daria de Pretis, Professore ordinario di Diritto amministrativo, Facoltà di Giurisprudenza, Università degli Studi di Trento;

 

Matthias Ruffert, Dr. iur., Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht, Jean Monnet-Lehrstuhl für Europäische Integration, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Friedrich-Schiller-Universität Jena;

 

Karl-Peter Sommermann, Dr. iur. Dr. h.c., Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staatslehre und Rechtsvergleichung, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer;

 

Zoltán Szente, Dr. iur., Professor, Közjogi Intézet, Nemzeti Közszolgálati Egyetem, Budapest, tudományos tanácsadó, MTA TK Jogtudományi Intézet, Budapest;

 

Jacques Ziller, Dr. iur., Professore ordinario, Dipartimento di Scienze Politiche e Sociali, Università di Pavia.

Einführung

Einführung › § 73 Grundzüge des Verwaltungsrechts in Europa – Problemaufriss und Synthese

Peter M. Huber

§ 73 Grundzüge des Verwaltungsrechts in Europa – Problemaufriss und Synthese

 Allgemeine Hinweise 

I.Zur Bedeutung der Rechtsvergleichung für Verständnis und Anwendung des Verwaltungsrechts in Europa1 – 4

II.Divergenzen und Konvergenztendenzen zwischen den Verwaltungsrechtsordnungen5 – 32

 1.Pfadabhängigkeit der Verwaltungsrechtsordnungen5, 6

 2.Gegenstand und Funktion des Verwaltungsrechts7 – 15

  a)Rechtsschutz- und Steuerungsfunktion8, 9

  b)Verwaltungsrecht als Richterrecht10, 11

  c)Verwaltungsrecht zwischen Systemdenken und Einzelfallentscheidung12 – 15

   aa)Grundlagen des Systemdenkens12, 13

   bb)Erosionen14, 15

 3.Konvergenztendenzen und ihre Ursachen16 – 30

  a)Konstitutionalisierung17, 18

  b)Subjektivierung und Demokratisierung des Verwaltungsrechts19 – 24

   aa)Allgemeines19

   bb)Dogmatische Einkleidung20, 21

   cc)Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten22 – 24

  c)Europäisierung und Internationalisierung25 – 30

   aa)Europäisierung26 – 29

   bb)Internationalisierung30

 4.Ein gemeineuropäisches Verwaltungsrecht im Werden31, 32

III.Prinzipien des Verwaltungsrechts im europäischen Rechtsraum33 – 43

 1.Legalitätsprinzip35 – 37

  a)Grundlagen35, 36

  b)Haftung37

 2.Rechtssicherheit und Vertrauensschutz38

 3.Verhältnismäßigkeit39, 40

 4.Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität41

 5.Kontrolle der Verwaltung42

 6.Sonstige Prinzipien und Grundsätze43

IV.Grundlagen der Verwaltung44 – 100

 1.Eigenständigkeit der Verwaltung44 – 54

  a)Die Verwaltung zwischen Gesetzesvollziehung und Gestaltung45 – 49

   aa)Typus der gesetzesvollziehenden Verwaltung46

   bb)Typus der autonom gestaltenden Verwaltung47

   cc)Konvergenztendenzen48, 49

  b)Rechtsetzung50 – 54

   aa)Mitwirkung der Verwaltung an der parlamentarischen Rechtsetzung51

   bb)Rechtsetzung durch die Verwaltung52 – 54

 2.Organisation der Verwaltung55 – 83

  a)Grundlagen55, 56

  b)Staatliche Verwaltung57 – 65

   aa)Unmittelbare Staatsverwaltung60 – 63

   bb)Agenturen und andere unabhängige Behörden64, 65

  c)Verwaltungsträger mit Autonomie66 – 73

   aa)Gebietskörperschaften67 – 71

   bb)Funktionale Selbstverwaltung72, 73

  d)Öffentliche Unternehmen74

  e)Einbeziehung Privater75

  f)Europäisierung der Verwaltungsorganisation und Europäischer Verwaltungsverbund76 – 81

   aa)Europäisierung der Verwaltungsorganisation77, 78

   bb)Verwaltungsverbund79 – 81

  g)Privatisierung82, 83

 3.Personal84 – 91

  a)Berufsbeamtentum85 – 88

  b)Arbeitsrechtliche Rechtsverhältnisse89

  c)Reformüberlegungen90, 91

 4.Aufgaben der Verwaltung92 – 99

  a)Typologie93 – 96

  b)Ausdehnung der Verwaltungsaufgaben und des Verwaltungsrechts97 – 99

 5.Elektronische Verwaltung100

V.Handlungsformen und Verfahren101 – 132

 1.Verwaltungsakt105 – 109

 2.Verwaltungsverträge110 – 116

  a)Öffentlich-rechtliche Verträge113

  b)Privatrechtliche Verträge114

  c)Vergaberecht115, 116

 3.Pläne117, 118

 4.Informales Verwaltungshandeln119

 5.Verfahren120 – 127

  a)Allgemeines120 – 122

  b)Rechte der Verfahrensbeteiligten123 – 126

  c)Typen des Verwaltungsverfahrens127

 6.Europäisierung und Anpassungsbedarf128 – 132

VI.Verwaltungsrecht und Demokratieprinzip133 – 160

 1.Gesetz135 – 140

  a)Zentrales Steuerungsinstrument der parlamentarischen Demokratie135 – 138

  b)Erosionstendenzen139, 140

 2.Budget141, 142

 3.Bürokratische Steuerung der Verwaltung143 – 148

  a)Weisungsabhängigkeit der Verwaltung143 – 145

  b)Staatsaufsicht146

  c)Erosionstendenzen147, 148

 4.Sonstige Instrumente der Verwaltungssteuerung149 – 157

  a)Selbstverwaltung150

  b)Direkte Demokratie151 – 153

  c)Transparenz154

  d)Öffentlichkeits- und Interessentenbeteiligung155

  e)New Public Management156, 157

 5.Einflussknicks und Kompensationen158 – 160

VII.Verwaltungsrecht und Rechtsschutz161 – 211

 1.Allgemeine Gerichtsbarkeit oder spezialisierte Verwaltungsgerichtsbarkeit162 – 176

  a)Allgemeine Gerichtsbarkeit164

  b)Gemischtes Modell165 – 170

   aa)Deutschland166 – 168

   bb)Italien169, 170

  c)Umfassende Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte171 – 174

  d)Probleme und Entwicklungen175, 176

 2.Grundzüge des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes177 – 192

  a)Primärrechtsschutz178 – 180

   aa)Individualrechtsschutz178, 179

   bb)Objektive Rechtmäßigkeitskontrolle180

  b)Vorläufiger Rechtsschutz181, 182

  c)Sekundärrechtsschutz183, 184

  d)Kontrolldichte185 – 192

   aa)Allgemeines185

   bb)Regierungsakte und besondere Gewaltverhältnisse186, 187

   cc)Ermessen und andere Spielräume188 – 192

 3.Klagearten und -gründe193 – 196

 4.Sonstige Formen rechtsschutzorientierter Verwaltungskontrolle197 – 202

  a)Verwaltungsinterne Kontrollen198, 199

  b)Ombudsmann und Beauftragte200, 201

  c)Schiedsverfahren, Schlichtung und Mediation202

 5.Vollstreckung203

 6.Anpassungsstrategien und -probleme204 – 211

  a)Art. 47 GRCh und Art. 6 und 13 EMRK204 – 209

   aa)Effektiver Rechtsschutz205 – 207

   bb)Defizite des unionalen Verwaltungsrechtsschutzes208, 209

  b)Entmaterialisierung und Prozeduralisierung210, 211

VIII.Verwaltung und Politik212 – 226

 1.Die Dichotomie von Effektivität und Bindung212 – 214

  a)Schwächung der politischen Steuerung212, 213

  b)Bedeutungsgewinn der Gerichte214

 2.Der Einzelne als Bezugspunkt des Verwaltungshandelns215 – 220

  a)Die traditionelle Selbstreferentialität der Verwaltung215

  b)Der Einzelne als Rechtsträger, Staats- und Unionsbürger216 – 220

 3.Das Recht auf gute Verwaltung – Art. 41 GRCh als benchmark221 – 224

 4.Konvergenz und Subsidiarität225, 226

IX.Herausforderungen für das Verwaltungsrecht227, 228

 Bibliographie 

 Anhang: Der Fragebogen 

Einführung › § 73 Grundzüge des Verwaltungsrechts in Europa – Problemaufriss und Synthese › Allgemeine Hinweise

Allgemeine Hinweise

Abgekürzt zitierte Rechtsquellen

AGVwGO

Bayerisches Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.6.1992, GVBl. S. 162

BauGB

(Deutsches) Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.9.2004, BGBl. I S. 2414

BayVerf.

Bayerische Verfassung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1998, GVBl. S. 991

BV

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.4.1999, SR 101

B-VG

(Österreichisches) Bundes-Verfassungsgesetz vom 2.1.1930, BGBl. 1/1930

CE

Constitución española de 27 de diciembre de 1978

CF

Constitution française

CJA

(Französischer) Code de justice administrative

Cost.

Costituzione della Repubblica italiana

CPA

(Portugiesischer) Código do Procedimento Administrativo (aprovado pelo Decreto-Lei n.° 442/91, de 15 de Novembro, com alterações)

GG

(Deutsches) Grundgesetz vom 23.5.1949, BGBl. S. 1

GWB

(Deutsches) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.6.2013, BGBl. I S. 1750

RV

Verfassung des Deutschen Reichs vom 28.3.1849, RGBl. 1849 S. 101 (sogenannte Paulskirchenverfassung)

VwGO

(Deutsche) Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.3.1991, BGBl. I S. 686

VwVfG

(Deutsches) Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.1.2003, BGBl. I S. 102

WRV

Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.8.1919, RGBl. S. 1383 (sogenannte Weimarer Reichsverfassung)

Weitere Abkürzungen

BGBl.

Bundesgesetzblatt

GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt

Verf.

Verfassung

Einführung › § 73 Grundzüge des Verwaltungsrechts in Europa – Problemaufriss und Synthese › I. Zur Bedeutung der Rechtsvergleichung für Verständnis und Anwendung des Verwaltungsrechts in Europa

I. Zur Bedeutung der Rechtsvergleichung für Verständnis und Anwendung des Verwaltungsrechts in Europa

1

Rechtsvergleichung im Verwaltungsrecht hat eine lange Tradition und reicht bis in seine Entstehung zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurück.[1] Zwar verblasste ihre Bedeutung mit dem Aufkommen des staatsrechtlichen Positivismus für ein ganzes Jahrhundert;[2] zum Erliegen gekommen ist sie jedoch nie. Sie hat dazu beigetragen, in der deutschen Verwaltungsrechtsordnung entwickelte Institute wie den Vorbehalt des Gesetzes, das subjektive öffentliche Recht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ebenso europaweit zu verbreiten wie die französisch geprägten Figuren des acte administratif oder des service public.[3] Dabei haben – wie die (eigenwillige) Interpretation des englischen local government durch Rudolf von Gneist zeigt – auch Missverständnisse die weitere Ausprägung bestimmter verwaltungsrechtlicher Institute wie etwa der Selbstverwaltung erst ermöglicht.[4] Seit der Zeitenwende der Jahre 1989/1990 haben Globalisierung und europäische Integration der Rechtsvergleichung im Verwaltungsrecht einen neuen Schub verliehen und sie (wieder) zu einem integralen Bestandteil verwaltungsrechtlicher Analyse und Systembildung gemacht. Als solche hat sie eine rechtsdogmatische und -politische Bedeutung für die Verwaltungsrechtsordnung der Europäischen Union, aber auch für die nationalen Verwaltungsrechtsordnungen im europäischen Rechtsraum.

2

So ist das Unionsrecht zwar eine allen Mitgliedstaaten gemeinsame, eigenständige Teilrechtsordnung. Diese beruht jedoch nicht nur auf den Verfassungen der Mitgliedstaaten, deren grundlegende Wertungen sie zu berücksichtigen hat (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV) und von denen sie zahlreiche Impulse empfängt (z.B. Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 340 Abs. 2 AEUV);[5] sie ist in weiten Bereichen auch so fragmentarisch, dass interessengerechte Lösungen nur unter Rückgriff auf rechtsvergleichende Einsichten gefunden werden können. Dem trägt die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und in Teilen des europarechtlichen Schrifttums bestehende Neigung, das Unionsrecht als selbstreferentielles Handlungsregime der EU-Organe verstehen zu wollen,[6] nicht ausreichend Rechnung, ja sie erscheint wie ein Versuch, den im nationalen Bereich gerade erst überwundenen Positivismus auf europäischer Ebene wiederauferstehen zu lassen.

3

Unmittelbare Rechtserheblichkeit besitzt die Rechtsvergleichung zudem dort, wo das Unionsrecht Einfluss auf die Tätigkeit der nationalen Verwaltungen besitzt, d.h. im Bereich des mittelbaren Vollzugs. Da das Verwaltungsrecht überwiegend Recht ist, „das seine Steuerungswirkung erst über die Aktivitäten von Bürokratien, europäischen wie mitgliedsstaatlichen, entfaltet“, Recht also, „das Verwaltungen arbeiten lässt“,[7] lassen sich Grundsätze, Regeln und Institute, die das nationale Verwaltungsrecht im Zuge seiner Europäisierung und seiner Einbindung in den europäischen Verwaltungsverbund überlagern, modifizieren oder verdrängen, nur erfassen, wenn man auch den Kontext kennt, dem sie entstammen.

4

Schließlich ist auch die rechtspolitische Bedeutung der Verwaltungsrechtsvergleichung nicht zu unterschätzen. Der europäische Rechtsraum im Allgemeinen und die Rechtsordnung der Europäischen Union im Besonderen zeichnen sich jenseits der harmonisierten Bereiche – wie andere Mehr-Ebenen-Systeme auch – durch einen Wettbewerb der Rechtsordnungen aus, in dem es immer auch um die beste Lösung oder – in der Sprache der Organisationswissenschaften – die „best practice“ geht.[8] Das setzt voraus, dass man Aufbau und Funktionsweise der anderen Verwaltungsrechtsordnungen versteht.

Einführung › § 73 Grundzüge des Verwaltungsrechts in Europa – Problemaufriss und Synthese › II. Divergenzen und Konvergenztendenzen zwischen den Verwaltungsrechtsordnungen

II. Divergenzen und Konvergenztendenzen zwischen den Verwaltungsrechtsordnungen

1. Pfadabhängigkeit der Verwaltungsrechtsordnungen

5

Stärker als das Verfassungsrecht ist das Verwaltungsrecht Ausdruck unterschiedlicher nationalstaatlicher Traditionen der europäischen Staaten und insoweit „pfadabhängig“.[9] Ungeachtet der Ausstrahlungswirkung, die vor allem das französische – zu Recht ist bis ins 20. Jahrhundert hinein von Frankreich als dem „Rom“ des Verwaltungsrechts die Rede[10] –, aber auch das deutsche, britische, italienische und österreichische Verwaltungsrecht als Vor- und Gegenbild auf die Entwicklung des Verwaltungsrechts in anderen Staaten gehabt haben, haben letztlich doch fast alle Staaten Europas ein auf ihre politische Entwicklung und Topographie zugeschnittenes Verwaltungsrecht hervorgebracht oder, umgekehrt, die Verwaltung entsprechende Staaten.[11] Insoweit gilt unverändert das Diktum Otto Mayers: „Die Lehre vom Verwaltungsrecht findet ihren Gegenstand am Staate“.[12]

6

Die historisch kontingente Entwicklung der einzelnen Staaten hat vor diesem Hintergrund ganz unterschiedliche Typen von Verwaltung hervorgebracht. In Deutschland und Österreich hat sie im Schatten des Rechtsstaates und dem ihm zugrunde liegenden Kompromiss zwischen Bürgertum und Monarchie zu einer tendenziell unpolitischen Verwaltung geführt, die sich in erster Linie als Vollzugsorgan begreift. Das hat Konsequenzen – für ihr Verhältnis zum Gesetzgeber und zur Regierung ebenso wie für Art und Ausmaß ihrer gerichtlichen Kontrolle. In Frankreich hingegen konnte sich die Verwaltung, etatistische Entwicklungslinien aus dem Ancien régime und dem Bonapartismus aufgreifend, schon im 19. Jahrhundert zu einer eigenständigen, mit einem pouvoir administratif ausgestatteten Kraft neben Parlament und Regierung entwickeln, die politische und soziale Gestaltung als eigene Aufgabe begreift und dem – nicht von ungefähr als administré bezeichneten – Bürger mit einem entsprechenden Herrschaftsgestus gegenübertritt.[13]

2. Gegenstand und Funktion des Verwaltungsrechts

7

Die Rechtswissenschaft tut sich schwer mit einer Definition der Verwaltung und auch mit der Abgrenzung des Verwaltungsrechts. Zwar kann das Verwaltungsrecht als das dem Gemeinwohl bzw. dem öffentlichen Interesse dienende, an die öffentliche Verwaltung adressierte und durch sie gesetzte Recht angesehen werden;[14] viel gewonnen ist damit allerdings nicht.

a) Rechtsschutz- und Steuerungsfunktion

8

Seiner Funktion und seinen Entstehungsbedingungen nach dient das Verwaltungsrecht dazu, die Tätigkeit der Verwaltung rechtlich zu binden und den Bürger dadurch vor der als übermächtig empfundenen, weil zu einseitigem Handeln befugten und mit zahlreichen Vorrechten ausgestatteten Verwaltung zu schützen.[15] In diesem Sinne hat Otto Mayer dem Verwaltungsrecht die noch immer aktuelle Aufgabe zugewiesen, „die flutende Masse der Verwaltungstätigkeit“ einzudämmen.[16] In vergleichbarer Weise unternimmt es der Conseil d’État in Frankreich seit Beginn des 19. Jahrhunderts, vor allem aber seit der Verleihung des Gerichtsstatus (1872), die Verwaltung auf die Beschwerde (recours) von Bürgern hin den Regeln des Rechts zu unterwerfen.[17]

9

Ungeachtet dieser historisch vorgegebenen Ausrichtung des Verwaltungsrechts auf den Rechtsschutz des Bürgers gegenüber der Verwaltung gehört es, wie vor allem in der jüngeren deutschen Diskussion hervorgehoben worden ist,[18] daneben auch zu den Funktionen des Verwaltungsrechts, die effektive Erfüllung der Verwaltungsaufgaben und die politisch-demokratische Steuerung der Verwaltung sicherzustellen. In Verwaltungsrechtsordnungen, die wie die französische mit dem pouvoir administratif einen eigenständigen Gestaltungsauftrag der Verwaltung kennen und in denen sich Rechtsschutz und Gesetzmäßigkeitskontrolle weitgehend decken, muss dies freilich nicht eigens thematisiert werden.

b) Verwaltungsrecht als Richterrecht

10

Verwaltungsrecht ist in nahezu allen Rechtsordnungen historisch und funktional zunächst einmal Richterrecht. Das lässt sich für Deutschland an der Rolle des Preußischen Oberverwaltungsgerichts ebenso festmachen wie an jener des Bundesverwaltungsgerichts, für Frankreich an der herausragenden Rolle des Conseil d’État,[19] für Griechenland an der Rolle des Staatsrats[20] und für die Europäische Union an der nicht minder prägenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Soweit es an normativen Vorgaben fehlte, waren bzw. sind die Gerichte jeweils dazu gezwungen, unter Rückgriff auf das Zivilrecht, das nationale Verfassungsrecht oder die Rechtsvergleichung allgemeine Rechtsgrundsätze zu entwickeln und weiter zu verfeinern.

11

In den meisten Verwaltungsrechtsordnungen Europas konnte der Gesetzgeber, an die richterrechtliche Entfaltung des Verwaltungsrechts anknüpfend, grundlegende Bereiche oder allgemeine Teile des Verwaltungsrechts kodifizieren.[21] Er ging dabei äußert behutsam zu Werke und beschränkte sich – aus nachvollziehbarem Respekt vor der Vielfältigkeit und Unüberschaubarkeit der Materie – in der Regel auf die Nachzeichnung der in der Praxis entwickelten und einigermaßen etablierten Institute. In ähnlicher Weise wird bei Novellierungen des Allgemeinen Verwaltungs- bzw. Verwaltungsverfahrensrechts verfahren. In Frankreich ist der Respekt vor dem Richterrecht so groß, dass von einer Kodifizierung sogar eine Bedrohung der historisch gewachsenen und allgemein akzeptierten Rolle des Conseil d’État befürchtet wird.[22]

c) Verwaltungsrecht zwischen Systemdenken und Einzelfallentscheidung

aa) Grundlagen des Systemdenkens

12

Die Vorstellung von der Verwaltung als einer besonderen Staatsfunktion und des Verwaltungsrechts als ihrer Handlungsgrundlage sowie der Verfassung als dem rechtlich bestimmenden Bezugsrahmen auch für das Verwaltungsrecht erlauben es, das Verwaltungsrecht als eine einheitliche Materie zu verstehen, der gemeinsame Grundsätze und Prinzipien zu eigen sind und die sich von anderen Rechtsgebieten unterscheidet. Dies hat zugleich ein Ordnungs- und Systemdenken ermöglicht, das sich auch in den oben genannten Kodifikationen niedergeschlagen hat.[23]

13

Ein wesentlicher Aspekt dieses Systems besteht in der Unterscheidung des Verwaltungsrechts (als Teil des öffentlichen Rechts) vom Zivilrecht. Diese für die kontinentaleuropäischen Verwaltungsrechtsordnungen kategoriale Unterscheidung reicht in ihren Wurzeln bis in das römische Recht zurück[24] und ist nach wie vor nicht nur von grundlegender, sondern auch von erheblicher praktischer Bedeutung. Das gilt etwa für die Zuständigkeitsabgrenzung der Verwaltungsgerichte (z.B. § 40 VwGO) oder für die Zuordnung der Handlungsformen.

bb) Erosionen

14

Die Privatisierungen der letzten Jahrzehnte und der Rückzug des Staates aus seiner Erfüllungsverantwortung haben das verwaltungsrechtliche Ordnungs- und Systemdenken allerdings zunehmend unter Druck gesetzt, weil sich die Einheit von Staat und Verwaltung vor diesem Hintergrund immer häufiger als – wenn auch verfassungsrechtlich vorgegebenes – kontrafaktisches Postulat erweist. Das hat zur Folge, dass die prätorische Konkretisierung der Rechtslage im Einzelfall Steuerungskraft und Wirkmächtigkeit verwaltungsrechtlicher Systeme zunehmend in den Hintergrund drängt.

15

Ferner hat der mit der Privatisierung zusammenhängende Einsatz von Verträgen und anderen Formen konsensualen Verwaltungshandelns die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht ein Stück weit eingeebnet und damit letztlich auch eine Relativierung verwaltungsrechtlicher Vorgaben bewirkt.[25]

3. Konvergenztendenzen und ihre Ursachen

16

Ungeachtet aller Pfadabhängigkeit lassen sich zwischen den Verwaltungsrechtsordnungen im europäischen Rechtsraum doch unübersehbare Konvergenztendenzen ausmachen, ohne dass damit einer undifferenzierten „Konvergenzeuphorie“[26] das Wort geredet werden soll. Sabino Cassese spricht insoweit von einer „Osmose“ zwischen den unterschiedlichen Typen des Verwaltungsrechts.[27] Ausdruck dieser Konvergenz sind neben einer kontinuierlichen Konstitutionalisierung des Verwaltungsrechts (dazu unter a) seine schrittweise Subjektivierung und Demokratisierung (dazu unter b), Europäisierung und Internationalisierung (dazu unter c).

a) Konstitutionalisierung

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Nahezu alle Verwaltungsrechtsordnungen Europas haben nach dem Zweiten Weltkrieg – wenn auch mit zeitlichen und inhaltlichen Unterschieden – eine Konstitutionalisierung ihres Verwaltungsrechts erlebt, die dieses zwar vielleicht nicht seines Selbststands beraubt, jedoch den (jeweiligen) verfassungsrechtlichen Anforderungen nachhaltig untergeordnet hat.[28]

18

In Deutschland hat diese Konstitutionalisierung nach 1949 geradezu zu einer Neukonzeption des Verwaltungsrechts geführt und das berühmt-berüchtigte Diktum Otto Mayers von 1924, wonach „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht“,[29] unter Rückgriff auf Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG überwunden und durch die Doktrin vom Verwaltungsrecht als konkretisiertem Verfassungsrecht[30] ersetzt.[31] Das dürfte – mutatis mutandis – heute für die Mehrzahl der europäischen Verwaltungsrechtsordnungen gelten.[32]

b) Subjektivierung und Demokratisierung des Verwaltungsrechts

aa) Allgemeines

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Zur Konvergenz der Verwaltungsrechtsordnungen trägt auch eine veränderte Stellung des Einzelnen mit Blick auf die öffentliche Verwaltung bei. In Frankreich taucht sie, wenn auch noch in einer eher diffusen Weise, bereits in der in den 1920er-Jahren entwickelten Konzeption des service public auf. Ihr liegt ein Paradigmenwechsel im Verwaltungsrecht zugrunde, das den Einzelnen fortan nicht mehr als Untertanen, sondern als mit Rechten versehenen Empfänger einer Dienstleistung begreift.[33] In Deutschland vollzieht sich nach 1949 eine vergleichbare Entwicklung auf der Grundlage der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG, die nach und nach auch in der kleinen Münze des Verwaltungsrechts im Einzelfall erfahrbare Bedeutung erlangt.[34]

bb) Dogmatische Einkleidung

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Praktisch greifbar wird die Subjektivierung des Verwaltungsrechts vor allem in dem von der Konstitutionalisierung getriebenen Ausbau subjektiver öffentlicher Rechte, der Stärkung der Position des Einzelnen im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsgerichtsverfahren sowie bei der Etablierung von Verwaltungsverträgen. In Deutschland geschieht dies vor allem auf der Basis der in Art. 1 bis 19 GG verbrieften Grundrechte, [35] in Italien nach Maßgabe der schon im 19. Jahrhundert angelegten und für den Rechtsschutz prägenden Dialektik zwischen subjektiven Rechten (diritti soggetivi) und rechtlich geschützten Interessen (interessi leggitimi).[36]

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Zu den jüngeren, durch das Unionsrecht zusätzlich verstärkten[37] Erträgen dieser Entwicklung gehört auch die Rekonstruktion des Staatshaftungsrechts aus der Perspektive der (Grund-)Rechte und rechtlich geschützten Interessen. In vielen europäischen Verwaltungsrechtsordnungen war bzw. ist es ein langer und dorniger Weg von der Annahme, dass es im politischen Ermessen der öffentlichen Hand stehe, Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche gegenüber der öffentlichen Hand zu gewähren, bis zu der Einsicht, dass derartige Kompensationsansprüche eigentlich nur ein „Minus“ zur Gewährleistung eines effektiven Primärrechtsschutzes sind und insoweit unmittelbar aus den (Grund-)Rechten und rechtlich geschützten Interessen fließen.[38] In Deutschland steht dieser Erkenntnisprozess noch am Anfang.[39]

cc) Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten

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Verstärkt werden die Konvergenztendenzen durch soziologische Veränderungen in den europäischen Gesellschaften, die der Neujustierung des Verhältnisses zwischen Bürger und Verwaltung zusätzlichen Nachdruck verleihen. So sind etwa das erheblich gestiegene Bildungsniveau der Bürger, die Vervielfachung der Kommunikationsmöglichkeiten über das Netz und die damit einhergehenden Vergleichsmöglichkeiten im Begriff, autoritären Verwaltungstraditionen, soweit sie in einzelnen Verwaltungsrechtsordnungen noch nicht (vollständig) überwunden sind, endgültig den Boden zu entziehen.

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So hat sich – aus den USA kommend und über die unionale Rechtsetzung vermittelt – etwa die skandinavische Konzeption einer transparenten Verwaltung Bahn gebrochen und das alte Verwaltungsparadigma, dass die Nichtöffentlichkeit der Verwaltung die Regel und ihre Öffentlichkeit die Ausnahme ist, ins Gegenteil verkehrt. Dies wiederum öffnet nicht nur der Mitwirkung von Nichtregierungsorganisationen und sonstigen interessierten Dritten neue Partizipationsmöglichkeiten, sondern zwingt die Verwaltung auch zu einer grundlegenden Veränderung ihres Kommunikationsverhaltens.

24

Gleichwohl erstaunt es, dass mit der Konstitutionalisierung des Verwaltungsrechts nicht auch seine „Demokratisierung“ einhergegangen ist. Obwohl das Demokratieprinzip in praktisch allen europäischen Verfassungen als grundlegender Verfassungsgrundsatz verankert ist, verläuft die „Demokratisierung“ des Verwaltungsrechts nicht parallel zu seiner Konstitutionalisierung, sondern im Detail eher zufällig und zeitlich versetzt. Auch auf die Herausforderungen des demokratischen Prinzips durch die Globalisierung und die Informationsgesellschaft reagiert das Verwaltungsrecht bislang eher abwehrend und retardierend.

c) Europäisierung und Internationalisierung

25

Europäisierung und Internationalisierung haben dazu beigetragen, die zentrale Rolle des Staates für die öffentliche Verwaltung zu relativieren und ein Verwaltungsrecht jenseits des Staates hervorgebracht,[40] das die Teilnehmer am Rechtsverkehr naturgemäß unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Verwaltungsrechtsordnung trifft.

aa) Europäisierung

26

Die Europäisierung[41] hat vor allem seit Ende der 1980er-Jahre teilweise erhebliche Überformungen, Modifikationen und Verdrängungen des nationalen Verwaltungsrechts mit sich gebracht. Da das Gemeinschafts- bzw. Unionsrecht eine Querschnittsmaterie ist, ist die Europäisierung des Verwaltungsrechts – dem Prozess der Konstitutionalisierung nicht unähnlich – mit einer so großen „Tiefenwirkung“ verbunden, dass man in Deutschland von einer „zweiten Phase des Öffentlichen Rechts unter dem Grundgesetz“ spricht.[42]

27

Technisch erfolgt die Europäisierung durch die Rechtsetzung der Europäischen Union und ihre Implementation in die Verwaltungsrechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die auf den Vorrang des Unionsrechts und seine einheitliche Geltung fixierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, ferner durch spill-over-Effekte, d.h. die faktische Präjudizierung des nationalen Gesetzgebers und die Prägung von Verwaltungsbeamten und Richtern, die mit der Anwendung des Unionsrechts gesammelte Erfahrungen unwillkürlich auch auf die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts übertragen.[43] Kollisionen zwischen Unionsrecht und nationalem Recht gehen daher praktisch immer zugunsten des Unionsrechts aus.[44] In Italien, Kroatien oder Österreich trägt die verfassungsrechtliche „Veredelung“ von Unionsrecht und EMRK zu einer noch weiter gehenden Durchdringung des nationalen Rechts durch europäische Vorgaben bei.

28

Von der (Neu-)Austarierung von Legalitätsprinzip und Vertrauensschutz bei der Rücknahme von Verwaltungsakten über die Entmaterialisierung und Prozeduralisierung des Verwaltungsrechts, die Rekonstruktion der Daseinsvorsorge (service public) und des Staatshaftungsrechts bis zu teilweise erheblichen Modifikationen der nationalen Verwaltungsorganisation und des Verwaltungsprozessrechts – die Europäisierung hat substantiell zu einer Homogenisierung der Verwaltungsrechtsordnungen in Europa beigetragen. Diese Entwicklung dauert an.

29

Obwohl die Europäisierung das nationale Verwaltungsrecht zu Anpassungen und Veränderungen zwingt und deshalb zunächst meist Abwehrreflexe in den betroffenen Verwaltungsrechtsordnungen auslöst, wird ihr Innovationspotential mit einem gewissen Abstand doch überwiegend anerkannt.[45] Ein wenig überraschend wirkt dabei, dass die der Europäisierung geschuldeten Anpassungen und Veränderungen kaum als grundlegende Systemverschiebung empfunden, sondern Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Rezeptionsoffenheit des eigenen Verwaltungsrechts betont werden.[46]

bb) Internationalisierung

30

Die Internationalisierung und die mit ihr verbundenen Trends der Ökonomisierung und Privatisierung verstärken angesichts der fortgeschrittenen Liberalisierung des Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs den Wettbewerb der (Verwaltungs-)Rechtsordnungen; sie erfordern eine intensivierte globale Kommunikation und zwingen die einzelnen Verwaltungsrechtsordnungen über die Idee der „best practice“ jedenfalls faktisch zu Anpassungen. Pars pro toto sei insoweit das im Gefolge der Privatisierungen nach 1989/1990 entstandene Regulierungsverwaltungsrecht genannt, das typischerweise durch mehr oder weniger unabhängige Agenturen vollzogen wird, die (vorübergehende) Konjunktur Öffentlich Privater Partnerschaften u.a.m.

4. Ein gemeineuropäisches Verwaltungsrecht im Werden

31

Internationalisierung, Ökonomisierung und Privatisierung sowie vor allem die europäische Integration haben so vor allem seit der Zeitenwende der Jahre 1989/1990 zu unübersehbaren Konvergenzen in den Verwaltungsrechtsordnungen des europäischen Rechtsraums geführt. Diese rechtfertigen es, bei allen verbleibenden und teilweise neu akzentuierten Differenzen, von der Existenz eines gemeineuropäischen Verwaltungsrechts zu sprechen, das sich insbesondere drei Herausforderungen gegenüber sieht: der Notwendigkeit, eine möglichst gute Erfüllung der Verwaltungsaufgaben sicherzustellen, der Gewährleistung einer hinreichenden Rückbindung der Verwaltungstätigkeit an den Willen des Wählers, d.h. der politischen Mehrheit, sowie der Sicherung eines wirkungsvollen Schutzes des Bürgers gegenüber dem Verwaltungshandeln.

32

Dieses gemeineuropäische Verwaltungsrecht kann als ein allen Staaten des europäischen Rechtsraums gemeinsamer Bestand an Prinzipien verstanden werden (dazu unter III.), der die Grundlagen der Verwaltung (dazu unter IV.) ebenso prägt wie ihre Instrumente und Verfahren (dazu unter V.) und der seine maßgeblichen Bezugspunkte in der demokratischen Legitimation und Kontrolle des Verwaltungshandelns (dazu unter VI.) sowie in der rechtsstaatlich geforderten Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Verwaltung (dazu unter VII.) findet. Dies sind zugleich die Orientierungspunkte für eine an den Belangen der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtete „gute Verwaltung“ (dazu unter VIII.).

Einführung › § 73 Grundzüge des Verwaltungsrechts in Europa – Problemaufriss und Synthese › III. Prinzipien des Verwaltungsrechts im europäischen Rechtsraum

III. Prinzipien des Verwaltungsrechts im europäischen Rechtsraum

33

Betrachtet man die Prinzipien und Grundsätze, die die europäischen Verwaltungsrechtsordnungen prägen, so variiert ihre Konkretisierung im Detail zwar durchaus. Umfang und Bestand dieser Prinzipien weisen – nach über 60 Jahren europäischer Integration und einer umfangreichen Spruchtätigkeit von Europäischem Gerichtshof und Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte nicht ganz überraschend – jedoch ein hohes Maß an Homogenität auf. Insofern lassen sich die nationalen Prinzipien des Verwaltungsrechts weitgehend bruchlos mit den Vorgaben aus Art. 4 und 6 EUV sowie Art. 6 und 13 EMRK vereinbaren.

34

In einem konkreteren Sinne sind es vor allem das Legalitätsprinzip (dazu unter 1.), die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (dazu unter 2.), der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu unter 3.) und der Gleichheitssatz (dazu unter 4.), die als allgemein anerkannt gelten können. Alle nationalen Verwaltungsrechtsordnungen sichern die Kontrolle der Verwaltung darüber hinaus nicht nur, aber vor allem durch die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (dazu unter 5.).[47] Weiter gehende Prinzipien und Grundsätze haben sich bislang jedenfalls nicht europaweit etablieren können (dazu unter 6.).

1. Legalitätsprinzip

a) Grundlagen

35

Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, insbesondere ihre Ausprägung im Vorrang des Gesetzes,[48] dem Legalitätsprinzip (principe de légalité ou juridicité), ist der überragende Grundsatz des Verwaltungsrechts in allen europäischen Verwaltungsrechtsordnungen. Sie ist – je nach Akzent – eine Konkretisierung des Rechtsstaats- wie des Demokratieprinzips, die den Primat des Parlaments gegenüber der Verwaltung absichert, oder die Kompensation für die besonderen Befugnisse und Vorrechte der Verwaltung.[49]

36

Weil die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht nur die demokratische Mehrheitsherrschaft absichert, sondern auch die Gleichheit aller vor dem Gesetz garantiert, ist es problematisch, der Verwaltung eine Disposition über das Legalitätsprinzip zu gestatten. Das schließt Kollisionen des Legalitätsprinzips mit anderen Prinzipien vergleichbaren Ranges nicht aus. Alle Verwaltungsrechtsordnungen – die unionale eingeschlossen – gestatten etwa im Interesse des Vertrauensschutzes eine begrenzte Relativierung des Legalitätsprinzips. Eine Regelung wie der deutsche § 48 Abs. 1 VwVfG, die es der Verwaltung ermöglicht, Verstöße gegen das Legali- tätsprinzip auch aus bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen aufrecht zu erhalten, ist im europäischen Vergleich hingegen ein problematischer Sonderfall.

b) Haftung

37

Dem Legalitätsprinzip wird – soweit ein solcher nicht, spezifischer, aus den betroffenen (Grund-)Rechten abgeleitet wird[50] – seit geraumer Zeit auch der Grundsatz entnommen, dass die öffentliche Verwaltung durch sie verursachte Schäden zu ersetzen hat. Die (Weiter-)Entwicklung des Legalitätsprinzips geht insoweit „einher mit der zunehmenden Anerkennung des Grundsatzes der Staatshaftung“.[51]

2. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz

38

Die Verlässlichkeit des Rechts ist Grundbedingung einer rechtsstaatlichen Ordnung.[52] Ob das Prinzip der Rechtssicherheit und der aus ihm resultierende Grundsatz des Vertrauensschutzes vor diesem Hintergrund aus dem Rechtsstaatsprinzip oder einzelnen Grundrechten abgeleitet werden, ob sie kodifiziert sind oder auf Richterrecht beruhen – sie sind allen Verwaltungsrechtsordnungen Europas gemeinsam,[53] das Verwaltungsrecht der Europäischen Union selbst eingeschlossen.[54]

3. Verhältnismäßigkeit

39

Klassisch rechtsstaatlicher Provenienz ist das von Peter Lerche aus dem Polizeirecht destillierte Übermaßverbot[55] bzw. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er zielt mit den Kriterien der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit bzw. Zumutbarkeit auf die Gewährleistung von Einzelfallgerechtigkeit[56] und gilt längst nicht mehr nur beim Vollzug von Gesetzen, sondern hat – zunächst in Deutschland – das gesamte öffentliche Recht durchdrungen. Im Laufe der Zeit ist er sowohl vom Recht der Europäischen Union[57] als auch von vielen nationalen Verwaltungsrechtsordnungen rezipiert worden, wenn auch zumeist in einer weniger ausdifferenzierten Form.[58]

40

Die Verankerung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – als eigenständiges Prinzip, als Teil des Rechtsstaatsprinzips oder Ausfluss der jeweils betroffenen Grundrechtsverbürgung – changiert zwischen den einzelnen Verwaltungsrechtsordnungen. Das kann für seine Entfaltung im Einzelfall erhebliche Konsequenzen haben. Denn nur in der Relation zu einem konkret betroffenen Schutzgut lassen sich insbesondere die Kriterien der Erforderlichkeit und der Angemessenheit mit einem eigenständigen rationalen Gewicht versehen.[59]

4. Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität

41

Eine verwaltungsrechtliche Konsequenz des vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entfalteten Sozialstaats sind die Prinzipien der Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Zwar variiert ihre Bezeichnung in den einzelnen Verwaltungsrechtsordnungen. Für die Ausgestaltung von Leistungsverwaltung und Daseinsvorsorge (service public) sind sie jedoch ebenso prägend wie für die Rechtsstellung des Einzelnen gegenüber der Verwaltung.[60]

5. Kontrolle der Verwaltung

42

Im demokratischen Rechtsstaat gehört die gegenseitige Kontrolle der Gewalten, ein System von checks and balancesConseil d'État[61]

6. Sonstige Prinzipien und Grundsätze

In einzelnen europäischen Verwaltungsrechtsordnungen lassen sich darüber hinaus weitere Prinzipien identifizieren.[62] Auch wenn sie teilweise im Unionsoder sogar im Völkerrecht Niederschlag gefunden haben, so ist es doch (noch) nicht möglich, sie auch als den europäischen Rechtsraum in seiner Gesamtheit prägende Grundsätze des Verwaltungsrechts zu qualifizieren. So findet etwa das aus dem deutschen Umweltrecht stammende Vorsorgeprinzip zwar „Nachbilder“ im unionalen[63] und amerikanischen Recht (precautionary principle); im Verwaltungsrecht der anderen Mitgliedstaaten ist es jedoch kaum präsent. Auch das aus der deutschen Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts entlehnte Prinzip der Nachhaltigkeit, das „zu einer Intensivierung integrativer, finaler und prozeduraler Ansätze“ sowie zu einem Bedeutungszuwachs planerischer Elemente führen kann[64] und in der Schweiz sogar in die Verfassung übernommen worden ist (Art. 2 Abs. 2 BV),[65] ist in der Mehrzahl der europäischen Verwaltungsrechtsordnungen nicht nachweisbar. Das in Italien mit Verfassungsrang ausgestattete Prinzip des „buon andamento“ – d.h. die Verpflichtung der Verwaltung auf das Legalitätsprinzip, Effizienz, Wirtschaftlichkeit, Unparteilichkeit, ein gerechtes Verfahren, Sachlichkeit, eine ausreichende Sachverhaltsermittlung sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz[66] – findet zwar gewisse Parallelen in dem in Art. 41 GRCh verbrieften Recht auf gute Verwaltung. Nur wenige Verwaltungsrechtsordnungen kennen jedoch ein vergleichbar umfassendes und daher notgedrungen auch etwas diffus bleibendes Rechtsprinzip.