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Über die Autoren:

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Dr. phil. Bernd Schmid ist Gründer und Leitfigur der isb GmbH Wiesloch (seit 1984) und der Schmid Stiftung (seit 2011).

Er ist international tätig als Referent, Lernund Professionskulturentwickler sowie als Unternehmer und Gründer von Initiativen und Verbänden. Seine Expertise in der Organisationsentwicklung und im Coaching stellt er als Mentor und Konzeptentwickler an der Schnittstelle von Profitund Nonprofit-Unternehmertum bereit.

Schmid ist unter anderem Ehrenmitglied der Systemischen Gesellschaft und Ehrenvorsitzender des Präsidiums Deutscher Bundesverband Coaching. Er ist Preisträger des Eric Berne Memorial Award 2007 der Internationalen TA-Gesellschaft ITAA und des Wissenschaftspreises 1988 der Europäischen TA-Gesellschaft EATA sowie des Life Achievement Award 2014 der Petersberger Trainertage.

Zahlreiche Essays zu persönlichen und professionellen Themen finden sich unter www.isb-w.eu/blog.php. Weitere Veröffentlichungen zum kostenlosen Download sowie Videos stehen bereit unter www.isb-w.eu/wissen.php und www.youtube.com/user/ISBlearning sowie unter www.isb-i.eu (internationale Präsenz).

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Andrea Mikoleit war nach einem Ingenieursstudium in Deutschland und England viele Jahre in einer internationalen Beratungsgesellschaft tätig und sammelte dort Führungserfahrung. 2006 gründete sie ihr eigenes Unternehmen MANAGEMENTORS®. Sie hat die Ausbildung zum systemischen Coach sowie zum systemischen Berater am isb absolviert und ist dort Master sowie Lehrtrainerin.

Als systemischer Coach begleitet Mikoleit Führungskräfte bei Entwicklungsaufgaben und unterstützt Menschen in individuellen Veränderungs- und Krisensituationen. Ihre Leidenschaft ist es, Welten zu verbinden: die systemische mit der leistungsorientierten, die technische mit der kaufmännischen und die Welt der Organisation mit der des Individuums.

Bernd Schmid /

Andrea Mikoleit

Und der Haifisch, der hat Zähne

Umgang mit Macht, Angst und persönlicher Stärke

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Lesebuch Band III

© 2017 Bernd Schmid, Andrea Mikoleit

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliographische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

978-3-7345-4492-7 (Paperback)

978-3-7345-4493-4 (Hardcover)

978-3-7345-4494-1 (e-Book)

Umschlagabbildung: © Bernd Schmid Fotoarchiv

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Einführung

Seelenkräfte im Schatten

Der Riese aus dem Dunkeln

Begegnung mit einem Panther

Bernd Schmids Ansatz der individuellen Beratung

„Gebrauchsanweisung“ zu Bernd Schmid und seinem Beratungsstil

Beratung von Sabrina: Grenzen ziehen

Die Klientin

Das Gespräch

Die Beratung in der Metaanalyse

Beratung von Alexander: Der Mafiaboss in dir

Der Klient

Das Gespräch

Die Beratung in der Metaanalyse

Beratung von Luisa: Begegnung mit dem Bullenhai

Die Klientin

Das Gespräch

Die Beratung in der Metaanalyse

Systemische Beratung im isb-Stil

Was ist eine systemische Beratung?

Passung

Auftragsklärung

Gegenseitige Gebrauchsanweisungen

Learning Conversation

Anliegen und Wirklichkeitserzeugung

Helikoptertechnik und Probebohrungen

Mosaik in verschiedenen Weltbezügen

Wie viel Biografie?

Führungsfunktion des Beraters

Epilog: Die Würde des Menschen ist antastbar!

Die Beratung

Jeder hat Verantwortung und Spielräume

Eine Welt, eine Ethik

Einführung

Das vorliegende Lesebuch ist weder ein Lehrbuch zum Erlernen der Beratungsprofession, noch ist es für Beratungen gemeinhin repräsentativ.

Die behandelten Beratungsanliegen liegen im üblichen Rahmen – der Beratungsstil und die Reflektionen über die aufkommenden Themen jedoch nicht.

Vorgestellt werden ausgewählte Fallbeispiele aus der Praxis, die sich alle unter dem Themenschwerpunkt “Integration von Kräften aus dem Schatten“ zusammenfassen lassen. Als Schatten bezeichnete C. G. Jung Sphären und Kräfte in der eigenen Seele, die nicht als eigene erkannt oder akzeptiert werden. Vielleicht wurden sie aus biographischen Gründen ins Dunkle abgedrängt oder sind überhaupt neu erwacht und verlangen Würdigung, Pflege und ihren Platz in der Persönlichkeit. Bleiben sie als unheimlich abgelehnt, gefürchtet oder verachtet, also unerlöst, dann können sie, anstatt die Persönlichkeit anzureichern, die „Seelenruhe“ erheblich stören. Daher braucht es Anleitung und Unterstützung, sie anzunehmen und positiv zu integrieren.

Ausgangspunkt der Betrachtungen sind Beratungen, die Bernd Schmid am isb Wiesloch (isb GmbH - systemische Professionalität) durchgeführt hat. Jeder Beratungsfall liegt in transkribierter Fassung vor, unterbrochen werden die Gesprächsdarstellungen durch Erläuterungen und Analysen der Autoren. Abschließend wird die Beratungsarbeit zwischen Andrea Mikoleit und Bernd Schmid diskutiert. Dadurch bietet sich dem Leser die Möglichkeit, Bernd Schmid, der als einer der Pioniere der systemischen Beratung gilt, bei seiner Arbeit über die Schulter zu schauen und Einblicke in seine mentalen Landkarten zu bekommen. Die vorgestellten Fälle sind gerade deshalb interessant, weil sie nicht die üblichen Erwartungen bedienen und sowohl bezüglich der inhaltlichen Orientierung als auch des Beratungsstils exemplarisch für Bernd Schmids Arbeit stehen.

Kennt man Bernd Schmid – den Systemiker, den Vordenker, den Querdenker, den Anti-Dogmatiker, den Augenzwinkerer – dann weiß man, dass er sich nicht auf standardisierte Verfahren verlässt, sondern seine Gegenüber immer aufs Neue mit eher unkonventionellen Interventionen überraschen kann. Bernd Schmid nimmt die Menschen mit in eine eigene Beratungswelt, die jahrzehntelange Erfahrung und moderne Sichtweisen kombiniert und die er in jedem Gespräch neu und individuell konstituiert.

Wir wünschen Freude und Neugier bei der Erkundung dieses Buches, vielfältige Inspiration für das Führen eigener Beratungen und spannende Begegnungen mit den Schattenkräften.

Neben allen Menschen, die zu diesem Band beigetragen haben, danken wir insbesondere unseren Familien für ihre Unterstützung sowie Laura Sobez für die redaktionelle Betreuung.

Wiesloch im Juni 2017

Andrea Mikoleit

 

Und der Haifisch, der hat Zähne

Und die trägt er im Gesicht

Und Macheath, der hat ein Messer

Doch das Messer sieht man nicht.

[…]

Denn die einen sind im Dunkeln

Und die andern sind im Licht.

Und man siehet die im Lichte

Die im Dunkeln sieht man nicht.

(Bertolt Brecht, Die Moritat von Mackie Messer) 1

Seelenkräfte im Schatten

„Jeder Mensch

erfindet sich früher oder später

eine Geschichte,

die er für sein Leben hält, oder eine ganze

Reihe von Geschichten.“

(Max Frisch, Mein Name sei Gantenbein)2

Im Laufe unserer Entwicklung formen wir eine Persönlichkeit, die wir für unser Selbst halten. In diese bewusste Persönlichkeit werden Kräfte und Eigenschaften aufgenommen, die wir im Angesicht bisheriger Herausforderungen, Spielräume und Belastungen integrieren konnten. Andere Aspekte unserer Wesensarten sind in den Hintergrund gedrängt oder blieben zunächst im Dunkeln. Wenn sie uns draußen in der Welt begegnen, bewundern, verachten oder fürchten wir sie. Da ist der wunderbare Mensch, der ich leider nicht bin, der Einfaltspinsel, der ich – dem Himmel sei Dank – nicht bin, oder der skrupellose Typ, mit dem ich hoffentlich nichts zu tun haben muss. Alles ist draußen, alles, das bin nicht ich. Doch dann begegnen mir solche Wesen auch in meinen Träumen.3 Sie erscheinen dort als „die Anderen“, als Fremde, als betörende Lichtgestalten oder zudringliche Ärgernisse, und oft in unverständlichen Szenerien. Sind diese Wesen wirklich fremd? Oder sind sie nur meinem Gewohnheits-ICH fern, aber zu mir gehörend? Schließlich sind es doch meine Träume.

Wenn eigene Seelenkräfte noch fremd sind, zeigen sie sich in fernen Ausdrucksformen, zum Beispiel als „Vorstufen des Menschen“, als Tier, Pflanze, als anorganische Wesen. Kommen sie näher, werden auch die Erscheinungsformen immer „verwandter“, bekommen schließlich menschliche Gestalt und Individualität. Und wenn wir irgendwann begegnungsbereit sind, machen wir uns schlussendlich zu eigen, was uns zuvor als Fremdes erschreckt oder begeistert hat.

Anlass zu diesem Lesebuch gab ein Schlüsselerlebnis in Bernd Schmids eigener Weiterbildung, das schon viele Jahre zurückliegt: Der Riese aus dem Dunkeln. Auch ein Seminarteilnehmer von Bernd Schmid hatte ein Schlüsselerlebnis mit einer Schattenkraft: Die Begegnung mit einem Panther. Während der Entstehung dieses Bandes traf er nach Jahren zufällig auf Bernd Schmid und berichtete ihm davon. Beide Geschichten seien den Beratungsfällen exemplarisch vorangestellt.

Der Riese aus dem Dunkeln

Es war Anfang der 1970er-Jahre. Bernd Schmid war Teilnehmer eines Seminars zum Thema „Gestalt, Körperarbeit und Psychodrama“ bei Eric Marcus aus Los Angeles.

Ein weiterer Teilnehmer war Günther, ein hünenhafter Psychologe. Er war im Seminar dadurch aufgefallen, dass er immer etwas „Gebücktes“ in seiner Haltung hatte. Er selbst ließ die anderen wissen, dass er immer voller Angst und seit Jahren in therapeutischer Behandlung sei, um die Ursachen seiner Angst zu finden. Die Gruppe fühlte sich von ihm eingeladen, ihn zu beschützen, zu trösten und ihm Mut zuzusprechen. In der Gestaltarbeit wurde viel mit sogenannten Altersregressionen gearbeitet. Dabei ließen sich die Teilnehmer in kindliche Zustände und Szenerien „zurückgleiten“, um dort belastende Erfahrungen wiederzubeleben und mithilfe der anderen Gruppenmitglieder heilsame, kompensierende Erfahrungen zu machen, beziehungsweise entsprechende Botschaften und Lebensausrichtungen zu integrieren. Günther bot sich gleich am zweiten Morgen flehentlich an, mit dem Traum der vergangenen Nacht „arbeiten“ zu dürfen. Eric war einverstanden. Wie in der Gestaltarbeit üblich, sollte Günther zunächst seinen Traum in der Gegenwart erzählen.

Günther: „Ich liege in einem Kinderbett in einem dunklen Raum. Da kommt aus dem Dunkeln ein riesenhafter Kerl auf mich zu. Ich habe Angst. Was wird er mir tun?“

Nun bat er darum – schon zitternd –, dass diese Szene psychodramatisch gespielt werde. Er selbst war in kindlichen Zuständen schon recht versiert.

Eric sagte: „Ich bin damit einverstanden... unter einer Bedingung.“

Günther etwas stutzig: „Welche Bedingung?“

Eric: „DU spielst den Riesen aus dem Dunkeln!“

Nun war Günther durcheinander. Das war nicht sein gewohntes Spiel! Er hatte fest damit gerechnet, das Kind spielen zu dürfen. Aber Eric bestand darauf.

Der erste Anlauf ging daneben, weil Günther sich immer wieder in das ängstliche Kind zurückflüchten wollte. Aber allmählich überwand er seine vermeidende Haltung, näherte sich an und gewann Kraft in der Figur des Riesen. Hierin wurde er von der ganzen Gruppe bestärkt, bis er irgendwann sogar Gefallen an kraftvollen, „furchterregen-Seelenkräfte im Schattenden“ Figuren zu finden schien. Spontan richtete sich etwas in seiner Haltung auf, und die Ängstlichkeit rutschte ihm, bildlich gesprochen, den Buckel runter. Er war nun auf dem rechten Weg zu einer ihm angemessenen Größe.

Günthers Erfahrungen haben Bernd Schmid gezeigt, dass gewohnheitsmäßige Hilflosigkeit und Ängstlichkeit nicht dadurch aufgelöst werden können, dass man seine Biografie aus dieser ohnmächtigen Perspektive heraus „aufarbeitet“, sondern dass eine aktiv eingeforderte und unterstützte Begegnung mit abgelehnten, aber gegenwärtigen – in diesem Falle sehr mächtigen – Kräften der eigenen Seele diese erlösen kann.

Begegnung mit einem Panther

Wie der Zufall so will, hatte Bernd Schmid, während er mit den Arbeiten für das vorliegende Buch beschäftigt war, nach langer Zeit wieder Kontakt zu einem Teilnehmer aus einer seiner Selbsterfahrungsgruppen in den 1980er-Jahren. Dieser, nennen wir ihn Richard, berichtete seinem damaligen Lehrer, wie sehr ihn die Arbeit mit Bernd Schmid geprägt hat.

Damals hatte Richard über den zweiten Bildungsweg ein Studium als Diplom-Soziologe absolviert und arbeitete seit wenigen Monaten als Berufsanfänger in einer Suchtberatungsstelle, deren Schwerpunkt die Arbeit mit Gruppen war. Seine Kollegin leitete diese Sitzungen, aber Richard wusste, dass auch er in Kürze selbst die Leitung einer Gruppe übernehmen sollte. Diese Vorstellung löste in ihm panische Ängste aus, und er spielte mit dem Gedanken, den Job zu kündigen, um dieser Situation aus dem Weg zu gehen. Dann entschied er, sich Hilfe zu suchen. Zuerst in einer zweijährigen analytischen Gruppentherapie, wo er jedoch seine Ängste verstecken konnte und sich zumindest am Ende der Ausbildung nach außen hin „sicher“ geben konnte. Es folgten Gespräche mit einem Priester sowie verschiedene einzel- und gruppentherapeutische Sitzungen, die die Ängste jedoch nicht lösen konnten.

Mit der Zeit konnte Richard zwar seine Verängstigung nach außen hin kaschieren, aber starkes Herzklopfen, Schweißausbrüche und Denkblockaden begleiteten seine Arbeit. Mit dieser Vorgeschichte nahm er damals an einem von Bernd Schmid geleiteten gruppentherapeutischen Seminar teil.

Die ersten drei Seminartage nutzte Richard, um zu beobachten – wie aus einem Versteck heraus. Am letzten Seminartag fragte Bernd Schmid ihn, wie es ihm in der Gruppe gehe. „Oje…“, war die Antwort, und Richard erzählte der Gruppe stockend von seiner Angstproblematik. Erst nach mehreren Angeboten, in der Gruppe daran zu arbeiten, willigte er zögerlich ein. Bernd Schmid forderte den jungen Mann auf, sich in die Mitte der Gruppe zu setzen und bat ihn, einen Panther zu spielen. Die erste Reaktion war Abwehr, und Richard erinnert sich, dass er sich vollkommen albern vorgekommen sei und seine Beklommenheit und Unsicherheit stark spürte. Bernd Schmid versuchte ihn zu ermutigen, indem er selbst einen Panther spielte und auf allen Vieren und brüllend neben Richard her schritt. Das löste eine tiefe Traurigkeit in Richard aus, der erschüttert weinte und sich vor Scham die Hände vors Gesicht hielt. Er selbst berichtet heute, dass die spielerische und ungehemmte Art, mit der Bernd Schmid durch den Raum schritt, ihm vor Augen geführt habe, wie blockiert und unfrei er selbst in dieser Situation Seelenkräfte im Schatten war. Bernd Schmid machte Richard das Angebot, er solle als Panther mit seiner Pranke kurz vor seinem Gesicht vorbeischlagen. Er tat es. Und mit dieser Bewegung spürte Richard, dass Wut statt Trauer in ihm emporstieg. Bernd Schmid nahm diesen Impuls auf, ließ sich eine Matratze bringen und forderte ihn auf, mit beiden Fäusten und unter Gebrüll auf die Matratze einzuschlagen. Richard nahm den Vorschlag an, und gemeinsam mit Bernd Schmid prügelte er auf die Matratze ein, beide brüllend. Für Richard war das ein Befreiungsschlag: „Ich spürte meine Kraft und Wut, und nur das war in dem Moment wichtig und nicht die Zuschauer in der Gruppe und nichts anderes. Danach war ich erleichtert, froh gestimmt und vor allem präsent. Ich konnte einfach da sein, in der Gruppe sein – ohne Vorbehalte.“

Aus heutiger Perspektive beschreibt Richard dieses Erlebnis als „Erfahrungsschatz“, der als „Initialzündung“ zu Beginn seiner persönlichen Entwicklung beim Thema Angst in Gruppen fungierte. Er erinnert sich, dass seine damalige Partnerin ihn bei der Begrüßung am Abend nach dem Seminar mit folgenden Worten empfing: „Irgendetwas ist mit dir passiert.“ Was für ihn bereichernd war, war und blieb für sie jedoch fremd – und das bis zu ihrer Trennung nach insgesamt zwölf Jahren Beziehung. Die Erfahrungen als Panther ließen bei Richard in den Tagen nach der Gruppentherapie einen spielerischen Übermut aufkommen, der sich dadurch äußerte, dass er sich immer wieder vorstellte, in öffentlichen Situationen unangepasste Handlungen vorzunehmen – zum Beispiel in einem vornehmen Restaurant einen Kopfstand auf dem Tisch zu machen. Allein diese Vorstellung hatte bei ihm ein Unabhängigkeitsgefühl ausgelöst. Die neue Lust am Ausprobieren übertrug sich schnell auch auf die Arbeitssituation, und die Arbeit in Gruppen wurde zum Schwerpunkt seiner therapeutischen Arbeit. Er machte viele verschiedene Gruppenangebote: von der Therapiegruppe, Motivationsgruppe und Selbsterfahrungsgruppe bis hin zur Yogagruppe und Gruppe für alkoholauffällige Verkehrsteilnehmer. Später übertrug man ihm die Leitung einer Beratungsstelle, wo er viele Jahre mit neuen Gruppen und mit seinem Team arbeitete.

Der Panther hatte Richard schlussendlich den Weg aus seinen Ängsten heraus und hin zu seiner jahrzehntelangen erfolgreichen und erfüllenden Arbeit mit Gruppen gewiesen.

Bernd Schmids Ansatz der individuellen Beratung

Dieses Lesebuch enthält eine Zusammenstellung von Beratungen zum Spektrum „Schattenintegration“. Es handelt sich um reale Beratungen, die von Bernd Schmid geführt und per Tonband aufgezeichnet wurden. Sie erfolgten in den Curricula der isb GmbH in Wiesloch4 und wurden von der jeweiligen Lerngruppe der Professionellen beobachtet.

Die Fälle sind anonymisiert, zeichnen jedoch nahezu wörtlich die Beratungseinheiten nach.

Die transkribierten Beratungen sind durch Zwischenkommentare ergänzt, um dem Leser die Struktur zu verdeutlichen, wesentliche Zwischenschritte zu markieren und die Arbeitsweise von Bernd Schmid zu erläutern.

Ergänzend zu jeder Beratung findet eine Reflexion auf der Metaebene statt. Andrea Mikoleit hinterfragt erlebte Beratungssequenzen und diskutiert mit Bernd Schmid seine Wahrnehmungen, seine Ansätze und Impulse, die ihn in der Beratung geleitet haben.

Die Anrede in den isb-Curricula erfolgt üblicherweise in der zweiten Person, weshalb auch die Beratungen in der Du-Form geführt wurden. Die übrigen Personenbezeichnungen in den allgemeinen Teilen dieses Buches sind aus Gründen der besseren Lesbarkeit oft auf die einfache männliche Form, zum Beispiel „der Klient“ oder „der Berater“ reduziert; selbstverständlich liegt darin keine mindere Wertschätzung der Autoren für Klientinnen, Beraterinnen usw.

„Gebrauchsanweisung“ zu Bernd Schmid und seinem Beratungsstil

Damit das Gelesene besser eingeordnet werden kann, soll hier eine kurze „Gebrauchsanleitung“ zu Bernd Schmid als Berater vorangestellt werden. Diese erläutert er auch den Klienten mündlich vor den jeweiligen Beratungen, damit ein schnelleres Miteinander-in-Kontakt-Kommen und gemeinsames Arbeiten möglich ist. Auf weitere Aspekte, zum Beispiel auf Erläuterungen zum typischen isb-Beratungsstil und auf Gedanken zum Thema „Sind Ratschläge auch Schläge?“, geht dieses Lesebuch im Anschluss an die Beratungen ein.

Direktiver Stil

Bernd Schmids Beratungsstil ist eher direktiv und konfrontativ in dem Sinne, dass er sich für die Richtung der Beratung, und für die Auseinandersetzung mit aus seiner Sicht anstehenden Themen verantwortlich fühlt. Er beschränkt sich also nicht auf das, was der Klient selbst als Thema, als Problembeschreibung oder als Lösungswunsch anbietet, sondern macht aktiv Angebote aus Perspektiven heraus, die dem Klienten so nicht in den Sinn gekommen wären. Dabei leiten ihn Beobachtungen bei sich selbst, bei seinem Gegenüber und zur sich entwickelnden Beziehung in der aktuellen Beratungswirklichkeit, Erfahrungen und Ansichten gemäß seiner Lebens- und Berufserfahrung und auch intuitive Einfälle. Er bietet also eine kreative Gestaltung über das hinaus, was und wie der Klient sich Wirklichkeit und Beratung vorstellt. Dabei respektiert er selbstverständlich die Entscheidungen des Klienten, auf solche Angebote einzugehen – oder auch nicht – und Bernd Schmids Ansatz der individuellen Beratung versucht, mit ihm gemeinsam erste, noch unbeholfene Ansätze zu einer inspirierenden und stimmigen Wirklichkeitsversion auszubauen. Seine Lebenserfahrung bringt er dabei aktiv ein, immer mit einem Blick darauf, ob sie die Klientenwirklichkeit bereichert und ob sich der Klient darauf einlassen kann. Auf die kritische Mitarbeit des Klienten legt er großen Wert, beispielsweise in der Evaluation, ob vorgeschlagene Ansätze hilfreich für ihn sind.

Experimentieren

Bernd Schmid arbeitet gern transparent, spricht eigenes Erleben sowie Überlegungen zu seinen Vorgehensweisen laut aus und macht diese Schritte damit deutlich. All das dient einem offenen, nachvollziehbaren Experimentieren und Austausch darüber, wie Klient und Berater sich dabei selbst zu orientieren und zu steuern versuchen. Insbesondere prüft er, ob er sich ein Bild von der Wirklichkeit des Klienten aufgrund dessen Schilderungen und Verhalten machen kann. Dies kann auch intuitiv sein. Auch klärt er, in welchem „Zusammenhang“ und als „Beitrag/Beispiel wozu“ der Klient gerade erzählt. Denn erst dann kann man entscheiden, was näher geklärt oder auch außer Acht gelassen werden kann. Anstatt absehbaren Schemata zu folgen, entsteht so ein jeweils individueller Mix aus Methoden, Modellen und Vorgehensweisen, der aus der Ideenwelt des Beraters entspringt und zum Klienten und seinem Beratungsanliegen passen könnte.

Humor und Unerwartetes