Über das Buch:
Egal ob Eltern, Geschwister oder Freunde … zu jedem dieser Menschen hast du eine Beziehung. Jeder ist dir wichtig, aber jeder ist anders. Hast du dich jemals gefragt warum? Und wie die Beziehung zu den anderen stressfreier werden könnte?
Das Konzept der 5 Sprachen der Liebe hilft dir dabei. Denn jeder Mensch hat eine andere Art, Liebe auszudrücken und zu empfangen. Wenn du lernst, wie das bei den Menschen um dich herum funktioniert und welches deine eigene Liebessprache ist, hast du eine echte Chance auf tiefe, stabile Beziehungen. Und davon profitieren alle – am meisten du selbst!

Über die Autoren:
Gary Chapman
lebt mit seiner Frau Karolyn in North Carolina, arbeitet als Seelsorger seiner Gemeinde, hält Ehe-Seminare und ist Autor zahlreicher Bücher. Mit seinem Buch „Die fünf Sprachen der Liebe“ hat er einen neuen Schlüssel zur Kommunikation gefunden und ein Millionenpublikum erreicht.

Paige Haley Drygas ist seit 1999 im Verlagswesen als Lektorin und Herausgeberin tätig und leitet mittlerweile „Peachtree Editorial Services“, einen Dienstleister, der sich auf die Unterstützung bei Bibelveröffentlichungen spezialisiert hat. Paige lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Peachtree City, Georgia.

4. Liebessprache #4: Hilfsbereitschaft

Maria hört, wie sich das Garagentor öffnet, und beseitigt noch schnell die letzten Beweisstücke. Mit Besen, Küchenrolle, Putzlappen und Badreiniger bewaffnet flitzt sie in die Waschküche und wirft rasch das Putzzeug in den Schrank. Als ihre Mutter die Treppe hochkommt, liegt sie gähnend auf ihrem Bett und spielt an ihrem Handy herum.

„Hattest du einen schönen Tag, Maria?“, fragt ihre Mutter leise.

Maria schaut hoch und schafft es, dabei keine Miene zu verziehen. „War ganz okay, außer Sport. Schon wieder Badminton“, antwortet sie und verdreht die Augen.

Ihre Mama lächelt und geht mit müden Schritten, um sich umziehen.

Drei Minuten später stürmt sie wieder in Marias Zimmer und strahlt von einem Ohr zum anderen, voller Freude und mit neuer Energie. „Oh mein Schatz, du hast das Bad für mich geputzt! Du weißt, wie sehr ich das hasse und wie es mir schon gegraut hat, dass ich es dieses Wochenende machen muss. Danke!“

Es gehört nicht wirklich zu Marias Lieblingsaufgaben, mit Glasreiniger um sich zu sprühen, aber die überschwängliche Reaktion ihrer Mutter macht die Anstrengung ihrer Putzaktion locker wieder wett.

Maria ist keine professionelle Putzkraft. Eher schon eine Sprachkünstlerin, denn sie beherrscht die Liebessprache ihrer Mutter – Hilfsbereitschaft. Maria sieht mit eigenen Augen, wie ihre Mutter die ganze Woche über alle Aufgaben im Haushalt und im Beruf jongliert. Und sie weiß ganz genau, wodurch sich ihre Mutter am meisten geliebt fühlt: Indem Maria sich (ganz wortwörtlich) die Hände schmutzig macht und für sie das Badezimmer putzt. Weil Maria ihre Mutter liebt, putzt sie für sie. Denk dran: Liebe zeigt sich an ihren Taten.

Hilfsbereitschaft: (Nomen)
1. etwas Gutes tun, 2. ganz bewusst, 3. völlig unerwartet,
4. das dem anderen hilft.

VÖLLIG UNERWARTET

Der springende Punkt bei der Definition von Hilfsbereitschaft ist das Adjektiv „unerwartet“. Wenn du jede Woche Taschengeld für bestimmte Aufgaben bekommst, die du zu erledigen hast (dein Bett machen, den Müll rausbringen, deine Katze füttern etc.), dann gilt „Müll rausbringen“ nicht als eine besonders hilfsbereite Aktion. Es wird von dir erwartet, dass du mithilfst; das gehört dazu, wenn man als Familie zusammenlebt. Dein Zimmer aufzuräumen fällt ebenso wenig in die Kategorie Hilfsbereitschaft. Wenn es in deinem Zimmer aussieht wie in einem Saustall, dann darf man sehr wohl von dir erwarten, dass du den Berg von Kleidungsstücken wegräumst, der sich mitten auf dem Fußboden angesammelt hat.

Hilfsbereitschaft reicht über das Erwartete hinaus in die Sphäre des Unerwarteten – so wie Marias Putzaktion im Badezimmer. Ganz bewusst hat sie etwas Gutes getan, ihre Mutter damit überrascht und ihr Arbeit abgenommen. Das ist die Liebessprache Nr. 4: Hilfsbereitschaft.

WIRKUNG

Wenn du deine Liebe durch Hilfsbereitschaft ausdrücken willst, reicht es nicht, sich einfach mehr anzustrengen. Vielmehr solltest du überlegen, welche Art von Hilfsbereitschaft bei dem Beschenkten die größte Wirkung erzielt:

Bei der Liebessprache Hilfsbereitschaft geht es nicht darum, wie viel Zeit dich dein Einsatz kostet; auch nicht, wie hart du dafür arbeitest. Es geht darum, wie effektiv du bist – was deine Tat bei dem Menschen, den du liebst, bewirkt.

Betrachte es doch einmal von der sportlichen Seite: Ein Stürmer im Fußball arbeitet kontinuierlich an seiner Schusstechnik, feilt an den kleinsten Kleinigkeiten, um die Flugbahn des Balles so zu beeinflussen, dass er unhaltbar ins Tor fliegt. Nach dem Training übt er noch unzählige Freistöße. Alles nur, um seine Position besser ausfüllen zu können. Außerdem sieht er sich stundenlang Videomaterial an, um herauszufinden, welche Tricks die anderen Stürmer draufhaben und was er sich noch abgucken könnte.

Am Ende zählt jedoch nur das eine: Gewinnt sein Team? Heißt die Antwort „nein“, dann ist es egal, wie lang oder hart er trainiert hat. Das Einzige, das zählt, ist die Frage, welchen Einfluss sein Einsatz auf den Spielausgang hat.

Was anhand dieses Beispiels deutlich wurde, lässt sich auch auf Hilfsbereitschaft anwenden. Wir zeigen unsere Liebe nicht dadurch, dass wir jede noch so kleine Hilfstätigkeit übernehmen, die den lieben langen Tag anfällt; dass wir uns damit verzetteln und aufreiben. Dann arbeiten wir zu hart – an den falschen Aufgaben. Damit unser Einsatz den Liebestank der anderen wirklich füllt, sollten wir bewusst und klug handeln: Wir überlegen, was die größte Wirkung erzielt; wir ergreifen die Initiative, um dem anderen dort zu helfen, wo er es auch wirklich braucht; und wir tun das alles mit der richtigen Einstellung.

Um einem Menschen mit der Liebessprache Hilfsbereitschaft wirklich deine Liebe zu zeigen, brauchst du …


deine Hände: Fangen wir mal mit dem ganz Offensichtlichen an. Du musst tatsächlich etwas tun.


dein Herz: Du solltest aus Liebe dienen – nicht, weil du dir eine Gegenleistung wünschst, manipulieren oder angeben willst. Einfach nur aus Liebe.


dein Hirn: Überlege dir, was dem anderen auch wirklich hilft. Die Küche auf den Kopf stellen, weil du meinst, dass dein Ordnungssystem das bessere ist? Keine gute Idee. Für deine Mutter freiwillig die Spülmaschine ausräumen? Fantastisch.

INITIATIVE

Mona ist eine überzeugte Blutspenderin. Blutspenden ist für sie ein edler Akt der Nächstenliebe; man stelle sich nur vor, dass ihr Blut einem schwerverletzten Unfallopfer oder dem Patienten auf dem OP-Tisch das Leben retten könnte! Zugegeben – sie ist deshalb ein bisschen stolz auf sich selbst und liebt es, die Blutspendestelle mit dem unübersehbaren Sticker auf dem T-Shirt zu verlassen: ICH HABE HEUTE BLUT GESPENDET. Mona ist absolut überzeugt von dem, was sie tut, und versucht auch andere davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, regelmäßig Blut zu spenden.

Aber dann wird sie eines Tages abgewiesen. Während der Anmeldung müssen die Spender jede Menge Unterlagen ausfüllen und werden gründlich untersucht. An diesem Tag stellt man fest, dass Mona unter Eisenmangel leidet. „Tut uns leid“, sagt man ihr, „vielleicht beim nächsten Mal wieder.“ Auch diesmal bekommt sie einen Sticker; allerdings steht darauf: BLUT SPENDEN FINDE ICH SUPER.

Zwischen Ich spende Blut und Ich finde es gut, Blut zu spenden besteht ein himmelweiter Unterschied. An diesem Tag bekommt Mona den Unterschied auf schmerzliche Art zu spüren und fühlt sich richtig gedemütigt. Alle anderen verlassen die Blutspendestelle mit dem richtigen Sticker und einem Verband am Arm. Nur sie muss sich mit dem zufriedengeben, was sich für sie nur wie ein schwacher Abklatsch anfühlt.

Wenden wir dieses Beispiel nun auf Hilfsbereitschaft an. Bist du tatsächlich hilfsbereit oder findest du es nur gut, hilfsbereit zu sein?

Szene I nach dem Training: Dein Trainer läuft über den Platz und sammelt Bälle, Trikots, Kegel und liegen gebliebene Jacken ein. Dann schleppt er das ganze Zeug wie ein Packesel zu seinem Auto. Sagst du fröhlich: „Tschüss, bis nächste Woche!“ oder packst du mit an?

Szene II zu Hause: Dein Vater kommt nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause und fängt sofort an, Laub zu harken und den Rasen zu mähen. Winkst du ihm zur Begrüßung kurz zu und streckst dich dann wieder genüsslich auf der Couch aus oder schnappst du dir auch einen Rechen und packst mit an?

Szene III in der Schule: Einer deiner Freunde steht mit allem, was Computer betrifft, auf dem Kriegsfuß und versucht verzweifelt, die Präsentation für sein Referat hochzuladen. Schaust du ihm dabei zu und machst dich dann munter aus dem Staub oder setzt du dich zu ihm und erklärst ihm, wie es geht (wenn gefühlt auch schon zum tausendsten Mal)?

Szene IV zu Hause: Deine Mama hat ein super leckeres und sehr aufwendiges Essen gekocht. Verziehst du dich ganz schnell, weil du dich noch mit Freunden treffen willst, oder schreibst du ihnen schnell eine Nachricht, dass es später wird, weil du deiner Mutter noch beim Aufräumen hilfst?

Szene V zu Hause: Du erfährst, dass dein wackeliger alter Opa jemand braucht, der ihn zum Arzt begleitet. Schaust du betreten zur Seite und hoffst, dass du dich unsichtbar machen kannst – oder bietest du an mitzukommen?

Bist du tatsächlich hilfsbereit – oder findest du Hilfsbereitschaft nur gut?

Noch etwas gibt es zu beachten: Es gibt einen Unterschied zwischen der freiwilligen Entscheidung, mit anzupacken und hilfsbereit zu sein, und der Aufforderung dazu. Diesen Unterschied nennt man „die Initiative ergreifen“. Die Initiative zu ergreifen bedeutet, etwas zu sehen, was getan werden muss, und es zu erledigen, ohne darum gebeten worden zu sein. (Erinnerst du dich an Marias Bad-Putz-Aktion am Anfang dieses Kapitels? So was meine ich damit.) Angenommen, deine Eltern machen eine Liste mit allem, was vor der großen Party am nächsten Wochenende noch getan werden muss. Nun liegt es an dir, entweder (A) so lange auf Durchzug zu stellen, bis sie dich zum x-ten Mal auffordern zu helfen, oder (B) die Initiative zu ergreifen, einen Blick auf die Liste zu werfen, dir eine passende Aufgabe auszusuchen und sie dann zu erledigen. Egal, wofür du dich entscheidest – es werden vermutlich nicht nur Jobs sein, die Spaß machen. Kann sein, dass du bei beiden Varianten am Ende den Keller aufräumen musst. Handelst du nach Variante A, wollen dich deine genervten Eltern vermutlich am liebsten auf eBay versteigern; verhältst du dich aber wie bei Variante B, werden sie auf der Party jedem davon vorschwärmen, wie hilfsbereit und fleißig du doch bist. Du hast die Wahl – du musst nur aktiv werden!

Jedes Mal, wenn du dich weigerst, bei einer Sache mitzuhelfen oder diese Sache immer wieder aufschiebst, sendest du eine klare Botschaft: Diese Aufgabe ist mir nicht wichtig. Kein Wunder, dass der andere das irgendwann persönlich nimmt und daraus die Schlussfolgerung ziehst, dass du eigentlich noch etwas ganz anderes damit meinst: Du bist mir nicht wichtig.

Liebe ist immer freiwillig. Man kann sie nicht einfordern, erbetteln oder abrufen. Gerade deswegen ist es so wichtig, dass du die Initiative ergreifst, wenn du die Menschen unterstützen willst, die du liebst. Ansonsten werden sie deine Liebe nicht spüren.

EINSTELLUNG

Genauso wichtig wie die Tat selbst ist die Einstellung, mit der du sie ausführst. Wenn man zwar das Richtige tut, aber mit der falschen Einstellung, kann es mehr schaden als nützen. Deine Mutter wird sich wohl kaum über deine Hilfe freuen, wenn sie merkt, dass du nur widerwillig bei der Sache bist und dabei deine miese Laune raushängen lässt. Stattdessen wird sie sich vermutlich über dich ärgern und den Tag herbeisehnen, an dem du endlich ausziehst. Du behandelst sie, als wäre ihre Bitte um Hilfe eine Zumutung für dich, und gibst ihr das Gefühl, eine totale Nervensäge zu sein, die dir Zeit und Energie raubt. Was hat das noch mit Liebe zu tun?

Um den maximalen Effekt zu erzielen, solltest du dich mit ganzem Herzen engagieren – dich begeistert in eine Aufgabe stürzen, mit der du einem Menschen, den du liebst, eine Freude machen kannst. Sei gut gelaunt (auch wenn du etwas machst, das dir überhaupt keinen Spaß macht). Und tue das Ganze ohne großes Aufheben. Versuche nicht, dich selbst ins Rampenlicht zu rücken. Mache keine große Sache daraus. Spiel nicht den Helden oder den Märtyrer. Denke daran, für wen du es tust und warum.

Achtung: Fußabtretersyndrom

Hilfsbereitschaft ≠ Unterdrückung. Kennst du das Ungleichzeichen aus dem Matheunterricht? Hilfsbereitschaft ist nicht gleich Sklavendienst.

Das ist ein riesengroßer Unterschied! Strukturen der Unterdrückung stehen im Zentrum gestörter familiärer Beziehungen. Wenn Menschen helfen müssen, weil sie dazu gezwungen werden, verlieren sie die Freiheit, aus eigener Überzeugung oder Bereitschaft hilfsbereit zu sein. Ein solcher Sklavendienst lässt das Herz hart werden und bringt nichts anderes als Wut, Bitterkeit und Missgunst hervor.

Stellen wir uns einmal folgendes Szenario vor (das für viele leider alltägliche Realität ist): Eine Ehefrau tut jahrelang alles, um ihren Mann zu unterstützen. Sie bedient ihn quasi von vorne bis hinten. Für ihn dagegen ist ihr unermüdlicher Einsatz selbstverständlich. Er ignoriert sie und ihre Wünsche und macht sich vor seinen Freunden über sie lustig. Wie wird sie sich wohl dabei fühlen?

Oder ein anderes Szenario (das leider auch viel zu häufig vorkommt): zwei Freundinnen – eine davon ist mega angesagt; die andere wäre es gern. Das zweite Mädchen macht alles, was ihre ach so tolle Freundin will, weil sie hofft, vielleicht doch irgendwann ihre beste Freundin zu werden oder zumindest zu den besonders Beliebten in der Klasse zu gehören. Das erste Mädchen hält die Hingabe ihrer „Freundin“ für völlig selbstverständlich, ignoriert ihre Bedürfnisse und benutzt sie. Wie wird sich das schwächere Mädchen wohl dabei fühlen?

Wie ein Fußabtreter. Etwas, worauf man sich den Dreck von den Schuhen putzt und worauf man herumtrampelt. Ein Fußabtreter hat keinen eigenen Willen. Wenn man in dem anderen nicht mehr als ein bloßes Objekt sieht, ist wahre Liebe nicht möglich. Manipulation ist keine Sprache der Liebe:

„Wenn du mich wirklich liebst, wirst du das für mich machen.“ Ein Klima der Angst zu erzeugen hat nichts mit liebevoller Beziehung zu tun: „Du tust das jetzt für mich oder du wirst es bereuen.“

Niemals darfst du einen anderen Menschen wie den letzten Dreck behandeln. Deine Eltern nicht. Deine Geschwister nicht. Deine Klassenkameraden oder Mannschaftskollegen nicht. Und auch nicht deinen Freund oder deine Freundin.

Genauso wenig darfst du anderen erlauben, dich so zu behandeln. Dich von einem anderen Menschen benutzen oder schlecht behandeln zu lassen, hat nichts mit Liebe zu tun. Eigentlich ist das nichts anderes als Verrat. Wenn du zulässt, für andere der Fußabtreter zu sein, dann erlaubst du damit der manipulierenden Person, schlechte Verhaltensweisen zu entwickeln. Die Liebe sagt hingegen: „Ich bin es mir wert, von dir ein besseres Verhalten zu fordern. Außerdem liebe ich dich zu sehr, um dir zu erlauben, mich so zu behandeln. Dein Verhalten ist weder gut für mich noch für dich.“ Liebe ist stark.

In gesunden Beziehungen findet wahre Liebe ihren Ausdruck häufig im Einsatz für den anderen – freiwillig, nicht aus Furcht oder Zwang, sondern weil ich mich selbst bewusst dafür entschieden habe. Wer liebt, setzt sich für andere ein; und wer das tut, wird erkennen, dass dieser Satz tatsächlich stimmt: „Geben macht glücklicher als Nehmen.“4

DAS VORBILD

Willst du wissen, wie Hilfsbereitschaft, ein selbstloser Dienst für andere wirklich aussieht? Dann sieh dir den wahren Meister des Dienens an – Jesus Christus.

Der letzte Abend war angebrochen. Jesus wusste, was auf ihn zukommen würde: Verrat, Prozess, Folter, Tod. Er verbrachte diesen letzten Abend mit seinen Jüngern.

Was würdest du machen, wenn du wüsstest, dass dein Tod unmittelbar bevorsteht? Wäre es da nicht verständlich, dass du dir wünschst, dich in deinen letzten Stunden noch einmal von hinten bis vorne bedienen zu lassen? Du könntest Freunde einladen, die dir Gesellschaft leisten; du würdest deine Mutter bitten, dein Lieblingsessen zu kochen; deine Geschwister sollten dir am besten jeden Wunsch von den Augen ablesen, damit du es dir noch ein letztes Mal so richtig gut gehen lassen und dem Tod in Würde entgegentreten kannst.

Jesus war anders. Auch an dem letzten Abend seines Lebens diente er seinen Jüngern. „Jesus wusste, dass nun die Zeit gekommen war, diese Welt zu verlassen und zum Vater zurückzukehren. Er hatte die Menschen geliebt, die zu ihm gehörten, und er hörte nicht auf, sie zu lieben.“5 Jesus zeigte seine Liebe, indem er radikal diente. Mitten beim Essen stand er auf, band sich ein Handtuch um die Hüften und wusch jedem seiner Jünger die Füße.

Füße waschen ist schon heute keine Lieblingsbeschäftigung, aber damals war es einfach nur widerlich. Damals trugen die Menschen Sandalen, liefen auf staubigen Straßen herum (zusammen mit vielen Tieren) und badeten eher unregelmäßig. Ihre Füße waren mit einer dicken Schicht aus Dreck und Schweiß überzogen. Voll eklig. Jesus – ihr Meister und Herr – machte sich, indem er die Füße wusch, zu einem Diener, der auf der Hierarchieebene ganz weit unten stand.

Er wusch alle 24 Füße. Sogar die von Judas. Obwohl Jesus wusste, dass Judas ihn verraten würde. Und als er fertig war, fragte er: „Versteht ihr, was ich eben getan habe?“6 Ratlose Blicke von den Jüngern, die immer noch schockiert darüber waren, dass Jesus ihnen die Füße gewaschen hatte. „Wenn schon ich, euer Lehrer und Herr, euch die Füße gewaschen habe, dann sollt auch ihr euch gegenseitig die Füße waschen. Ich habe euch damit ein Beispiel gegeben, dem ihr folgen sollt. Handelt ebenso!“7

Verstanden? Liebe dient.

DANKBARKEIT

Für kleine Kinder ist es selbstverständlich, dass man für sie da ist und (fast) alles für sie tut. Von ihnen wird natürlich nicht erwartet, dass sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen – Steuern zahlen, Essen kochen oder rechtzeitig zur Schule kommen. Ihre Eltern kümmern sich um all diese Dinge. Das ist ganz normal.

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Erwachsenwerden ist es, wenn Kinder das, was ihre Eltern für sie tun, nicht länger als selbstverständlich hinnehmen. Ihre Einstellung ändert sich; an die Stelle von „Das steht mir zu“ tritt „Ich bin dankbar“.

Anderen zu dienen kann Leben verändern – besonders dein eigenes. Wenn du dich für andere engagierst, bekommst du einen neuen Blick dafür, was die anderen auch alles für dich tun. Nachdem du einmal mühevoll das Badezimmer geputzt hast, fällt dir auf, dass deine Mutter es wohl die 51 Male davor gemacht haben muss. Einander zu unterstützen und zu dienen, stellt das Gleichgewicht in einer Beziehung wieder her; einseitiges Nehmen wird zu beiderseitigem Geben und Nehmen. Wer anderen hilft, ist häufig auch dankbarer als der, der immer nur nimmt.

Revolution des Helfens

Brauchst du noch ein paar Ideen, um dein Verhalten in Sachen Mitarbeit und Hilfsbereitschaft endgültig zu revolutionieren?

  1. Decke den Frühstückstisch, wenn deine Mutter Geburtstag hat.
  2. Hilf ihr dabei, die Einkäufe ins Haus zu tragen.
  3. Übernimm die Aufgaben deines Bruders, wenn er im Prüfungsstress steckt.
  4. Gieß für deinen Nachbarn die Blumen, ohne dich dafür bezahlen zu lassen.
  5. Biete deinen Eltern Hilfe bei der Gartenarbeit an.
  6. Engagiere dich ehrenamtlich, z. B. in einer Schul-AG, einem Sportverein, einer Jugendgruppe in der Gemeinde.
  7. Mache beim Kindergottesdienst mit.
  8. Bringe einem Freund, der in der Schule gefehlt hat, die Hausaufgaben vorbei und erkläre ihm den Schulstoff, den er verpasst hat.
  9. Engagiert euch gemeinsam als Familie bei der gemeinnützigen Organisation (z. B. bei der „Tafel“ oder bei der Betreuung einer Flüchtlingsfamilie).
  10. Besuche einen Freund, dessen Mutter im Krankenhaus ist (und bring auch gleich noch was Leckeres zum Essen mit).
  11. Hilf einem Freund mit Lese-Rechtschreib-Schwäche bei seinem Aufsatz.

TIMEOUT! ZEIT ZUM NACHDENKEN

  1. Wie du weißt, haben die meisten Menschen eine Lieblingssprache der Liebe. Ist Hilfsbereitschaft deine Muttersprache der Liebe – ist es das, was du brauchst, um dich besonders geliebt zu fühlen?
  2. Hat dir jemand einmal wirklich gedient? Was macht diese Tat so besonders für dich?
  3. Wird die Liebessprache Hilfsbereitschaft in deiner Familie gesprochen?
  4. Wie gut bist du darin, anderen zu helfen und sie zu unterstützen? Was hält dich davon ab?
  5. Was hast du im letzten Monat in Sachen Hilfsbereitschaft in deiner Familie getan?
  6. Was hast du getan, um Freunden oder deinem Freund/deiner Freundin zu helfen?
  7. Womit haben andere dich in letzter Zeit unterstützt?
  8. Wirf noch einmal einen Blick auf die Liste mit den für dich wichtigsten Menschen in deinem Leben (denk dran – nur ein paar Leute, nur die allerwichtigsten!). Überlege dir, über welche Art von Hilfe sich jeder Einzelne von ihnen freuen würde. Setze deine Überlegungen in die Tat um – und dann achte auf die Reaktion der anderen. Wenn du ein zurückhaltendes „Ach so … vielen Dank“ als Antwort bekommst, dann ist Hilfsbereitschaft wohl eher nicht die Sprache Nummer 1. Wenn der andere dir jedoch zu verstehen gibt, dass ihm deine gute Tat unheimlich viel bedeutet hat, dann sollte es langsam bei dir klingeln. Du hast wahrscheinlich soeben eine wichtige Entdeckung gemacht!