Der Killer-Service

Thomas West

Published by BEKKERpublishing, 2017.

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Der Killer-Service

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Der Killer-Service

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Krimi von Thomas West

Der Umfang dieses Buchs entspricht 126 Taschenbuchseiten.

Die reiche Theresa Vanhouven wird entführt, bevor sie ihren Flug nach Amsterdam antreten kann. Warum zeigen sich die Entführer unmaskiert?

Dr. Bob Eriksons Fallschirm öffnet sich nicht. Ein Unfall oder Mord?

Der Schriftsteller Merchand stirbt an einer Überdosis Insulin.

Was haben all diese Fälle gemeinsam? Jesse Trevellian und Milo Tucker ermitteln unter Zeitdruck...

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Theresa Vanhouven nahm eine Zigarette aus dem silbernen Etui und steckte sie in die Elfenbeinspitze, ein Geschenk ihres Großvaters, das er ihr drei Jahre vor seinem Tod von einer Elefantenjagd in Tansania mitgebracht hatte. Durch das Fenster sah sie ihren Chauffeur, der von der Einfahrt her, wo der Benz stand, zum Hausportal eilte. Statt den Kiesweg zu nehmen, hastete er über den Rasen.

Theresa sah auf ihre goldene Armbanduhr: 9 Uhr 20. Wenn sie ihren Flug um 11 Uhr 50 bekommen wollte, mussten sie in spätestens 15 Minuten losfahren. Schon die kurze Strecke vom Central Park zur Queensboro Bridge stellte um diese Zeit die Geduld eines jeden Auto fahrenden New Yorkers auf eine harte Probe. Und dann musste ja immerhin noch ganz Queens durchquert werden, um zum Kennedy Airport zu gelangen. Dass der Kennedy Airport für sie in diesem Moment schon so unerreichbar war wie der Jupiter oder eine Hauptrolle in einem Spielberg Film, das konnte Theresa noch nicht ahnen...

Sie seufzte, schob den schweren, nachtblauen Brokatvorhang beiseite und öffnete das Fenster. »Sind die Koffer schon im Wagen, Wash?«

Der auffallend kleine, farbige Chauffeur blieb neben dem Springbrunnen stehen und gestikulierte nervös. »Die Zündkabel sind kaputt, Madam. Wahrscheinlich durchgebissen von einem Marder!«

Theresa verdrehte die Augen, schloss das Fenster und wandte sich um. Ihr Mann stand zwischen den beiden halb offenen Türflügeln zum Salon. »Soll ich dir ein Taxi rufen, Theresa, oder willst du deinen Flug verschieben?«

Einen Augenblick spielte Theresa tatsächlich mit dem Gedanken, erst den Nachtflug nach Amsterdam zu nehmen. Doch es war ihr Lebensmotto, einen Vorsatz, und sei er noch so lächerlich, erst dann zu verschieben, wenn auch wirklich alle Umstände dagegen sprachen. Ihr Großvater hatte sie so erzogen. Alles ist möglich  nur aufgeben nicht, pflegte er zu sagen.

»Ist gut, William«, seufzte sie unwillig und ließ sich von ihm Feuer geben. »Ruf mir ein Taxi.« Und so nahm das Verhängnis seinen Lauf.

»Und wenn du das nächste Mal mit dem Bürgermeister Golf spielst, frage ihn, wann er endlich etwas gegen die Marder im Central Park zu unternehmen gedenkt«, rief sie ihm nach.

Während er von der Bibliothek aus telefonierte, trat sie erneut ans Fenster, warf einen sehnsüchtigen Blick auf den Zufahrtsweg, der von der Straße auf das Grundstück der Vanhouvens führte. Aber es war nicht zu hoffen, das Hausmädchen würde jetzt schon vom Einkaufen zurückkehren. Sie hatte den Van genommen und war erst vor 20 Minuten weggefahren.

Und den Chrysler hatten die Zwillinge. Sie waren schon am frühen Morgen damit nach Boston aufgebrochen. Sie hatten eine Semesterfeier.

Sie seufzte noch mal und murmelte dann: »Viele Wege führen nach Rom.« Auch so ein Leitsatz ihres Großvaters.

Theresa nahm ihre Pelzjacke unter den Arm, durchquerte mit dem für sie typischen schnellen Schritt das Kaminzimmer und öffnete eine Tür. Dahinter lag ihr Heiligtum  das Puppenzimmer.

Sie trat ein, und während sie sich die Jacke überstreifte, ließ sie ihre Augen über die zahllosen Puppen wandern, die das Zimmer bevölkerten. Puppen aus Porzellan, aus Holz, aus Stoff, aus Kunststoff, aus Glas.

Sie lagen in Wiegen, saßen auf Sesseln, auf Kinderstühlen, Schaukelpferden und Sofas und standen in Glasvitrinen und Regalen. Puppen aus aller Herren Länder und aus mindestens vier Jahrhunderten.

»So, meine Kleinen, es ist mal wieder so weit - ich fliege für ein paar Tage nach Europa - schön brav bleiben.« Sie sprach, als hätte sie die Sonntagsschulgruppe vor sich, der sie fast jeden zweiten Sonntag biblische Geschichten erzählte.

Mitten im Zimmer, auf dem alten Ohrensessel ihres Großvaters, saß eine besonders große Puppe in einem langen, weißen Seidenkleid.

Theresa nahm sie auf und strich ihr über das goldblonde Haar. »Keine Angst, Prinzessin  in einer Woche bin ich wieder hier.« Ein zärtlicher Ausdruck legte sich auf ihre Züge.

Sie setzte die Puppe wieder in den Sessel und ging zur Tür zurück.

»Ich bring euch neue Geschwister mit. Denkt an mich!«

Natürlich war es ein Spleen. Aber ein Spleen, der ihr das Leben gerettet hatte.

Damals, vor fast 20 Jahren, als ihre kleine Tochter gestorben war. Damals hatte sie angefangen, Puppen zu sammeln.

»Das Taxi ist da!«, rief William.

»Ging ja flott.« Theresa ging in die Eingangshalle und schaute in den überdimensionalen Spiegel neben der offen stehenden Tür nach draußen. Sie zupfte sich eine Fluse von der Pelzjacke und betastete kurz mit beiden Händen den strohblonden Haarturm auf ihrem schmalen Kopf.

Niemand sah ihr ihre 48 Jahre an.

»Ich komme!«, rief sie dann und schritt durch die hohe Eingangstür nach draußen, wo William schon stand und auf sie gewartet hatte, um sie zu verabschieden.

»Pass gut auf dich auf, Darling.« Er zog sie an sich und küsste sie auf die Stirn.

»Ach, William - ich fliege doch nicht in die Mongolei!« Sie sah Wash, den Chauffeur, und einen jungen rothaarigen Mann ihr Gepäck in den Kofferraum des gelben Taxis laden. Der junge Mann trug ein leichtes schwarzes Jackett über ausgewaschenen Jeans.

»Ich habe Nancy einen Speiseplan für eine Woche geschrieben.« Sie löste sich aus seiner Umarmung. »Achte drauf, dass David den Salat isst.« Sie lief die paar Stufen zur kiesbestreuten Zufahrt hinunter. »Und Henry hat mir versprochen, dass er mit seinem Bruder am Sonntag in die Kirche geht.«

William nickte und winkte ihr nach. »Es wird alles so laufen, als wärst du da«, rief er. »Grüß den Bischof von mir!« Außer in ihren privaten Angelegenheiten reiste Theresa auch als Delegierte ihrer Kirche in die Niederlande. »Und viel Erfolg bei deinen Geschäften!« Sie wollte auch noch einen Kunsthändler in Amsterdam treffen, der ihr wertvolle Puppen aus Kasachstan angeboten hatte.

»Danke!« Sie überzeugte sich davon, dass Koffer und Taschen zu ihrer Zufriedenheit verstaut waren. »Worauf warten wir noch, junger Mann? Brechen wir auf.«

Der Taxifahrer hielt ihr die Tür auf. Sie bemerkte das kleine Kreuz am Goldkettchen im Ausschnitt seines ein paar Knöpfe offenen Hemdes. Auch die vollen Lippen fielen ihr auf.

Ein sinnlicher Mensch, dachte sie und ließ sich auf die Rückbank fallen.

»Warten Sie!« William tauchte plötzlich neben dem Cabby auf. »Bringen Sie bitte das Gepäck meiner Frau in die Flughalle.« Er drückte dem Mann eine 20-Dollar-Note in die Hand.

»Wird gemacht, Sir.«

Der Fahrer stieg ein und fuhr los.

Theresa drehte sich nur kurz um und winkte. »Geben Sie Gas, junger Mann! Auf keinen Fall will ich meinen Flug verpassen.«

Er nickte.

Sie schaute nach vom. Im Rückspiegel bemerkte sie ein unruhiges Flackern in seinen Augen.

Abgesehen von Puppen interessierte Theresa nichts so sehr wie Menschen.

»Haben Sie irische Vorfahren?«

Er nickte.

Sie ahnte nicht, dass sie den Taxifahrer noch sehr gut kennen lernen würde. Besser, als ihr lieb sein konnte.

Der Stau in der Upper East Side überraschte sie nicht.

»Ich nehme eine Abkürzung«, sagte der Fahrer und bog in eine Seitenstraße ein. Kurz darauf wieder und dann noch einmal.

Theresa verlor die Orientierung. »Wo sind wir hier?« Sie sah ein großes Schaufenster mit der Aufschrift >Antiquitäten<.

Plötzlich riss der Rotschopf das Steuer herum, stach in eine gewölbeartige Hofeinfahrt. Kurz vor dem Hof bremste er so scharf ab, dass Theresa gegen die Lehne des Beifahrersitzes geschleudert wurde.

Ihre Tür wurde aufgerissen, und Theresa sah die massige Gestalt eines kahlköpfigen Mannes.

Er warf sich auf sie, drückte sie auf die Sitzbank, versenkte seinen eisernen Griff in ihren Haarturm und riss ihren Kopf in den Nacken.

Theresa schlug um sich, Theresa versuchte zu strampeln,Theresa schrie, und Theresa spuckte in die brauenlosen, eisgrauen Augen über ihrem Gesicht.

Doch ihr Gegner war ihr an Gewicht, Kraft und Brutalität weit überlegen. Sie spürte noch das feuchte, stinkende Tuch auf Nase und Mund  dann versank das Innere des Cabbies, ihre Wut und die eisgrauen Augen über ihr in einem wabernden schwarzen Nebel.

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In unserer Branche schlüpft man in alle möglichen Rollen. Die des friedlichen Joggers, der an einem Spätsommernachmittag durch den Central Park läuft, zählt zu den angenehmeren.

Ich stellte meinen Fuß auf den Brunnenrand der Bethesda Fountain und schnürte meine Laufschuhe. Zum zehnten Mal an diesem Nachmittag.

Aus den Augenwinkeln beobachtete ich Jay Kronburg. Er spielte heute den Freizeitpapi und saß vor einem Kinderwagen am rechten Rand der Terrasse auf einer Bank. Von hier aus konnte man den kleineren Teil des Sees überblicken.

Clive Caravaggio und Leslie Brendell waren auf der anderen, größeren Seite des Sees mit Modellbooten beschäftigt.

Ich drehte mich zum Wasser um. In einem der Ruderboote saß ein knutschendes Pärchen. Milo hatte natürlich wieder das große Los gezogen. Die Beamtin, mit der er sich dort beschäftigte, war noch nicht lange bei uns im New Yorker District. Eine Anfängerin praktisch. Und verteufelt hübsch.

»Ich glaub, ich hab sie.« Jays Stimme quäkte im Knopf in meinem rechten Ohr.

Ich drehte mich um und machte ein paar Dehnübungen. Jay duckte sich hinter das Gebüsch und spähte durch seinen Feldstecher.

»Der Mann mit dem Strohhut und die beiden Freaks - seht ihr sie?«

Unsere Leute, die unsichtbar entlang der Uferböschung auf der Lauer lagen, bestätigten. Auch ich sah die beiden Ruderboote. »Sie fahren direkt aufeinander zu«, gab ich durch.

»Auf geht’s, Jesse«, hörte ich wieder Jays Stimme. »Dein Auftritt.«

Ich rannte los. Bis zur Bow Bridge, an der nach unseren Informationen der letzte Teil des Deals abgewickelt werden sollte, würde ich ziemlich genau sechs Minuten brauchen. Das hatten wir vorher abgecheckt.

Ich nahm den Weg durch das Wäldchen. Die vielen Menschen, die an diesem Nachmittag den Park bevölkerten, taten genau dasselbe wie wir: Modellboote auf dem See herumtuckern lassen, knutschen, Kinder hüten und joggen. Oder angeln, wie Medina in einem Boot auf dem größeren Seeabschnitt.

Dass wir in Wirklichkeit im Begriff waren, eine professionelle Geldfälscherbande in die Falle zu locken, konnte keiner ahnen, der einen von uns beobachtete.

Ich wich einem Rollstuhlfahrer aus, und die Gruppe von Bikern, die mir entgegenkam, musste meinetwegen abbremsen.

»Saftarsch!«, knurrte mir einer der Radfahrer hinterher.

Um nicht aufzufallen, warf ich ihm eine ähnliche Freundlichkeit an den Kopf.

»Auf der Brücke hat sich ein Angler aufgepflanzt.« Das war Medinas Stimme. »Er wirft jetzt seine Leine aus.«

Ich bestätigte.

Ein Hacker hatte uns den Tipp gegeben. Einer von diesen überkandidelten Computerfreaks, die sich so großartig Vorkommen, weil sie in den Datenschatztruhen fremder Leute wühlen können. Dass er uns gegenüber anonym bleiben wollte, war deshalb klar. Aber sein Tipp hätte nicht heißer sein können.

Wir hatten einen Undercover-Agenten in die Firma einschleusen können, die er uns genannt hatte. Nach sechs Wochen Maulwurfsarbeit hatten wir die Fakten, die wir brauchten, auf dem Tisch: Drei Informatiker der Firma trafen sich nach Feierabend in einem Keller, wo sie an einer lukrativen Software arbeiteten  ein Programm, mit dem man eine fast fehlerfreie Druckvorlage für Hundertdollarnoten herstellen konnte.

»Der Kerl mit dem Strohhut hat was ins Wasser gelegt«, gab Jay durch. »Jetzt sind die Boote auf gleicher Höhe. Die anderen Burschen fischen das Objekt aus dem See  sieht aus wie ein Styroporwürfel.«

Jeder von uns wusste, was dieser Würfel enthielt: Die Diskette mit der Druckvorlage.

»Übergabe fotografiert«, meldete einer unserer Leute aus der Uferböschung.

»Okay«, sagte Jay, »Milo und Kate - ihr schnappt euch den Strohhut. Alle anderen konzentrieren sich auf die beiden Freaks.«

Die Diskette war also in den Händen der Geldfälscher. Eine halbe Million hatten sie dafür bezahlt. Sicher nicht, um Papierservietten damit zu bedrucken.

»Ich seh' sie jetzt, sie kommen direkt auf die Brücke zu.« Medinas Stimme.

Ich verließ den Wald und trabte ein Stück am Ufer entlang. Das Boot mit den beiden jungen Männern verschwand etwa 100 Meter vor mir hinter einer Trauerweide, die ihr Geäst weit über den See streckte.

Der Uferweg führte in ein weiteres, kleineres Waldstück. Jetzt trennten mich noch höchstens zwei Minuten von der Brücke.

»Verdammt!«, fluchte mir Medina ins Ohr. »Ich hab’s doch geahnt! Die Burschen haben das Päckchen an der Angelleine befestigt. Der Kerl auf der Brücke holt die Angel ein!« Ich spurtete los.

Der Wald lichtete sich. Ein Inlineskater wich mir erschrocken aus. Die Brücke lag vor mir.

Der Angler löste gerade den Styroporwürfel von seiner Leine, als er mich entdeckte.

Er riss das Päckchen ab, rannte davon. Mitten durch eine Gruppe von jungen Frauen mit kleinen Kindern.

Die Kids schrien los, ein Buggy mit einem Knirps stürzte um.

Der Kerl bog in ein Wiesenstück ab, sprintete über die Picknick Decke einer Großfamilie, hielt auf den Wald zu.

Kurz vor dem Waldrand hatte ich ihn. Ich hechtete mich auf ihn, rammte ihn zu Boden und hebelte ihm den Arm gegen das Schulterblatt. »FBI«, schrie ich, »Ende der Show!«

Vom See her hörte ich Schüsse. Die Burschen im Boot leisteten Widerstand. Irgendjemand rief laut. Leute entfernten sich fluchtartig vom Seeufer und suchten Deckung im Wald.

Nach fünf Minuten war alles vorbei. Die Kollegen nahmen mir meinen Fang ab und führten ihn in Handschellen ab.

Ich sah mich um. An der Brücke standen die Mütter und versuchten ihre schreienden Kinder zu trösten. Auf der Brücke tauchte Leslie auf. Mit einem Modellboot unter dem Arm.

Ich ging ihm entgegen und musste grinsen. Leslie war nicht zum Lachen zumute. »Medina hat einen der beiden erwischt«, sagte er.

»Kopfschuss. Der andere hat aufgegeben.«

»Und Milo?«

Leslie nickte nur.

Wir wandten uns den weinenden Kindern zu. Ich nahm Leslie das Modellboot und die Fernsteuerung ab und drückte ihm dafür das Päckchen mit der Diskette in die Hand.

»Kommt, ich zeig euch was Schönes.«

Die Kinder und ihre Mamis folgten mir tatsächlich zum Seeufer. Dort setzte ich das Modell ins Wasser und ließ es auslaufen. Die Kids strahlten. Nach fünf Minuten konnten sie's selbst.

Ich richtete mich auf und sah noch ein Weilchen zu, wie sie mit dem Boot die schnatternden Enten über den See scheuchten.

Grinsend schlenderte ich zur Brücke zurück. Dort lehnten Milo und Kate Bergenson über dem Geländer. Sie mussten mich schon eine ganze Weile beobachtet haben.

»He, Jesse, ich wusste gar nicht, dass du seit neuestem Enten jagst nach Feierabend«, grinste Milo.

Und Kate hob drohend den Zeigefinger. »Ich werde dem Tierschutzverein einen Wink geben, Mr. Trevellian.«

»Tun Sie das, Ma’am, vielleicht bekomme ich eine kleine Anerkennung dafür, dass ich den gelangweilten Enten ein wenig Zerstreuung verschaffe.« Ich wandte mich überrascht an Milo. »Das war ein Scherz mit dem Feierabend  ich kenn dich doch, Partner. Sicher hat unser Chef angerufen und den nächsten Job in Aussicht gestellt.«

»Jesse, im Ernst«, beteuerte Milo, »angerufen hat er  aber er will erst morgen unseren Bericht.« Er klopfte mir auf die Schulter. »Kommt, ich lad euch zu einem Drink ein.«

Kate ging uns ein Stück voraus. »Und?«, flüsterte ich. »Hast du ihre Privatnummer?«

Milo winkte grinsend ab. »Seit gestern schon. Sie taut langsam auf.«

»Glückwunsch«, sagte ich und drehte mich noch einmal nach dem See um.

Er lag so friedlich vor dem Laubwald, als wäre nichts geschehen.

Der idyllische Anblick passte zu meinem Gemütszustand. Zufrieden war ich - mit mir und der Welt. Und mit meinem Job. Sehr zufrieden.

Ich ahnte nicht, dass ich schon vier Tage später wieder hier zu tun haben würde. Genau an der gleichen Stelle. Aber weit entfernt davon, mit irgendetwas oder irgendjemandem zufrieden zu sein.

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»Verflucht! Das Miststück hat einen Lebenswillen wie eine alte Katze.« Howard Newby wandte seinen kahlen Quadratschädel dem Badezimmer zu und fuhr sich vorsichtig über die Wange. Bei dem kurzen Handgemenge mit der Frau hatte er sich einen blutenden Kratzer eingehandelt. »Bullshit!«

»Jetzt heult nicht!«, fauchte Marilyn. »Wir müssen uns beeilen! Los, zieht sie aus!«

Der Rothaarige beugte sich über Theresa Vanhouvens reglosen Körper, der in der Mitte des kleinen Raums lag. Zusammen mit dem Kahlkopf begann er, ihr die Kleider vom Leib zu reißen.

»Macht bloß nichts kaputt!«, zischte Marilyn. Sie knöpfte ihre Bluse auf, warf sie auf die verschlissene Couch neben dem Fernseher und stieg aus ihrem Rock.

Der Rothaarige warf einen verstohlenen Blick auf den makellosen Körper der knapp 50jährigen Frau.

»Glotz nicht so, Barry!«, fuhr sie ihn an. »Her mit den Klamotten!«

Sie schlüpfte in die Kleider der Bewusstlosen und stülpte eine Perücke über ihr blauschwarzes Haar.

»Wie kann man nur so rumlaufen.« Vor dem Spiegel stopfte sie sorgfältig ihre schwarzen Strähnen unter die strohblonde, hoch aufgetürmte Kunstfrisur. »Binde sie gut fest, wenn sie so wild ist, sonst beißt sie dir noch irgendwohin, wenn sie aufwacht!«

Das galt dem Kahlkopf. Sie schlug ihm flüchtig auf die Schulter und tippte eine Nummer ins Telefon. Eine rauchige Frauenstimme meldete sich.

»Wir haben sie«, sagte Marilyn.

»Gut gemacht, Kinder. Mach dir ein paar schöne Tage in Amsterdam.«

Marilyn legte auf. »Die Chefin ist zufrieden. Los, Barry, wir müssen.«

Der Rothaarige folgte ihr in die Hofeinfahrt. Sie sprangen ins Taxi. Barry stieß rückwärts auf die Straße hinaus.

Um 11 Uhr 16 betraten sie die Flughalle des Kennedy Airports. Barry stellte die Koffer ab und eilte zum Schalter. »Amsterdam. Ist der Flug schon abgefertigt?«

Der Mann am Schalter verneinte.

»Uff!«, stöhnte Barry. »Hab meine Berufsehre verwettet, dass ich die Lady pünktlich zu ihrem Flug bringe.« Er deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Marilyn, die ihnen den Rücken zuwandte. »War wieder das reinste Löcherbohren in Manhattan.«

Dann schnappte er sich das Gepäck und trug es durch die Kontrolle. »Gehört der Lady da.« Wieder der ausgestreckte Arm, wieder ein Blick  diesmal der des Angestellten an der Gepäckannahme  auf Marilyns Rücken. »Mrs. Vanhouven.« Barry senkte seine Stimme. »Zu fein, um die U-Bahn oder ein Shuttle zu nehmen, und zu geizig, um mit dem Helikopter zu fliegen.«