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Deutsche Erstausgabe (ePub) Juni 2018

 

© 2018 by Jessica Martin

 

Verlagsrechte © 2018 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk, Taufkirchen

 

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

 

ISBN-13: 978-3-95823-699-8

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

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Ihr Cursed-Team

 

 

 

 

Klappentext:

 

Da Koch Henrik vor Kurzem seinen Job verloren hat, begleitet er seine besten Freunde zu einem Urlaub an die Ostsee. Schon die erste Begegnung mit Lukas, dem Inhaber der kleinen Regenbogenpension, verspricht eine interessante Zeit, denn der blonde Surfer ist sexy, lebenslustig und genau das, was Henrik gefällt. Als die Pension plötzlich ohne Koch dasteht, springt Henrik beherzt ein. Doch bald schon bekommt Lukas immer mehr Schwierigkeiten und schnell wird klar, dass jemand die Pension absichtlich sabotiert. Zudem rückt Henriks Abreise mit jedem Tag näher…


 

 

 

 

 

Für alle,

die ihre Träume leben!

 


 

Kapitel 1

 

 

Henrik

 

»Gott sei Dank«, stöhne ich, als ich mich aus dem Auto gequält habe, meine Beine strecke und an der dreistöckigen Villa emporschaue, in deren Einfahrt wir stehen. Mit meinen beiden besten Freunden Tom und Amadeus bin ich im Morgengrauen zu unserer achtstündigen Fahrt hierher zu unserem Urlaubsziel direkt am feinen Ostseestrand aufgebrochen. Eine Regenbogenflagge flattert auf dem kleinen Parkplatz im Wind, doch ansonsten regt sich nichts. Anscheinend verirren sich nicht viele Menschen bis zum Ende dieser Straße.

Als Tom mir vor zwei Wochen vorgeschlagen hat mitzukommen, war ich anfangs wenig begeistert. Amadeus und er sind seit einigen Jahren ein Paar und zwar eines von der ganz üblen Sorte. Eigentlich sind sie süß zusammen, knutschen bei jeder Gelegenheit, kuscheln ständig und laufen Händchen haltend durch die Gegend. Als unfreiwilliger Single kann man da schon manchmal neidisch werden, auch wenn ich niemals von meinem Partner als Mausibär oder Hasipupsi oder ähnlich Peinliches betitelt werden will, egal, wie liebevoll der andere dabei lächelt.

Ein bisschen Urlaub kann ich allerdings sehr gut gebrauchen und da Amadeus' ehemaligem Kommilitonen die Pension gehört, es jetzt Anfang Juni zu Beginn der Hochsaison noch nicht megateuer ist und er uns obendrein einen Freundschaftsrabatt gewährt hat, konnte ich mir die zwei Wochen leisten.

»Wow, Lukas hat nicht zu viel versprochen«, befindet Amadeus, während er die Arme über dem Kopf ausstreckt. »Das Haus ist wirklich wunderschön. Lasst uns gleich einchecken und dann zum Strand.« Er schnappt Toms Hand und zerrt ihn hinter sich her zu der weißen, zweiflügligen Eingangstür, die allerdings verschlossen ist. Das fängt ja schon mal gut an.

»Da steckt ein Zettel«, sage ich und deute auf das zusammengefaltete Blatt Papier, das zwischen Tür und Rahmen klemmt.

Tom zieht es heraus und faltet es auseinander. »Bin am Strand. L.«

»Ist sicher von Lukas«, meint Amadeus schulterzuckend, als wäre es völlig normal, als zahlender Gast mit einer Notiz stehengelassen zu werden, und schaut sich nach links und rechts um. »Der Weg führt bestimmt ums Haus.« Sagt's und marschiert los. Tom und ich folgen unauffällig.

Auf der anderen Seite des Hauses bleibe ich staunend stehen. Eine große Holzterrasse geht von einer riesigen Glasfront ab. Dahinter liegt ein Stück Wiese, auf der mehrere kleine Häuschen stehen und zwischen denen ein Pfad zum Strand führt. Im Hintergrund kann man das Meer bereits sehen. Der Ausblick vom oberen Stock des Hauses muss wunderschön sein.

»Hey, Henrik, kommst du?«

»Sicher«, rufe ich und eile meinen Freunden nach, die schon Hand in Hand in Richtung Strand unterwegs sind. »Oh, wow.« Mit großen Augen beobachte ich einen Surfer, der geradewegs meinen feuchten Träumen entsprungen sein könnte. Wilde, blonde Locken umrahmen sein hübsches, braungebranntes Gesicht, in dem er ein umwerfendes Lächeln trägt. Der Typ ist der Hammer.

»Lukas!« Amadeus reißt sich von Tom los und stürmt auf ebendiesen Surfer zu, der gerade noch die Arme ausbreiten kann, bevor Amadeus sich ihm an den Hals wirft. »Du siehst toll aus. Das Leben am Strand scheint dir gut zu tun.« Amadeus grinst, als sein ehemaliger Kommilitone lachend nickt und die Umarmung erwidert. Schließlich lösen sie sich voneinander und Amadeus wendet sich zu Tom und mir um. »Darf ich vorstellen: mein Partner Tom und unser bester Freund Henrik.«

Unser Gastgeber schüttelt erst Tom die Hand, dann mir und blickt mich dabei lächelnd an. »Hallo. Willkommen in der Villa Strandglück. Ich hoffe, ihr werdet euch gut erholen.«

»Hallo«, grüße ich und mustere Lukas noch einmal von oben bis unten. Er trägt einen schwarzen Neoprenanzug, bei dem er den Reißverschluss ein Stück runtergezogen hat, wodurch er eine glatte, muskulöse Brust entblößt.

»Warst du gerade Surfen?«, will Tom wissen und deutet auf das Equipment, das im Sand liegt. »Oder das mit dem Gleitschirm?«

»Das nennt man Kitesurfen, Häschen«, wirft Amadeus hilfreich ein.

Lukas nickt. »Genau. Der Wind ist allerdings gerade abgeflaut. Ich fürchte, heute wird das nichts mehr. Surft ihr?«

»Nee«, meint Amadeus lachend. »Wo denn auch? Gibt doch weit und breit keinen See bei uns.«

»Na ja, im Urlaub, vielleicht«, antwortet Lukas und schaut mich an. »Und du? Schon mal auf einem Board gestanden?«

»Klar«, sage ich, ohne nachzudenken, woraufhin meine Freunde synchron die Augenbrauen hochziehen und sich dann zweifelnde Blicke zuwerfen. »Ich meine –«

»Cool«, fällt Lukas mir mit einem Strahlen ins Wort, ehe ich einräumen kann, dass ich das Skateboard meinte, das ich zum achten Geburtstag geschenkt bekommen habe. Ich bin damit zweimal gefahren, dann übel gestürzt und das Ding ist in die Ecke geflogen. Bis auf Joggen ist Sport eigentlich nicht so meins.

Auf Amadeus' Gesicht breitet sich ein wissendes Grinsen aus. »Dann könnt ihr ja beim nächsten Wind zusammen aufs Wasser.«

Lukas nickt und strahlt noch immer. Himmel, ist der Mann sexy. »Hast du deine Ausrüstung dabei?«

»Ähm... nein, tut mir leid, das wird dann wohl nichts.« Gott. Sei. Dank. »Schade«, schiebe ich noch hinterher, weil ich offenbar völlig verblödet bin. »Nächstes Mal dann.« Kann bitte jemand meinem Mund sagen, dass er jetzt Sendepause hat?

Lukas winkt ab. »Ach, kein Problem. Ich habe ein paar Bretter und Kites da. Einen passenden Anzug finden wir auch.«

»Na, ist das nicht super, Henny?«, meint Tom fies und schlingt einen Arm um meine Schultern, bevor er mich kräftig durchschüttelt. »Lukas hat offenbar alles, was du brauchst.«

Ich werfe ihm einen warnenden Blick zu, während Hitze in meine Wangen schießt. »Nenn mich nicht so«, murmle ich. Mein Freund grinst jedoch nur amüsiert und zwinkert mir zu. »Eigentlich wollten wir doch erst mal einchecken, oder?«, frage ich, um von mir abzulenken.

Lukas nickt sofort. »Natürlich. Kein Problem. Ich dusch nur mal fix und zieh mir was an, dann zeige ich euch alles. Ich habe erst in ein paar Stunden mit euch gerechnet, muss ich zugeben.« Er geht ein paar Schritte zu der großen Tasche, in der er seinen Helm und den Schirm verstaut, wobei er sich nach unten beugt.

Ich habe den perfekten Ausblick auf einen wohlgeformten Hintern, der in dem engen Neoprenanzug steckt. »Gute Güte«, murmle ich, woraufhin Amadeus gluckst.

»Heiß, hm? Und er ist ein Top«, flüstert er mir ins Ohr, was mich beinahe keuchen lässt.

Lukas zieht den Reißverschluss der Tasche zu, klemmt sich das Board unter den Arm und richtet sich auf. »Wie wäre es mit einem Glas Sekt oder einem kalten Bier auf der Terrasse?«

Amadeus lacht leise. »Oh ja, etwas Kaltes zu trinken, ist jetzt wohl genau das Richtige für uns.«

»Jepp«, stimmt sein Partner ihm zu und dirigiert mich, noch immer einen Arm um meine Schultern geschlungen, zum Haus zurück. »Henrik, mein Lieber, ich glaube, das wird ein toller Urlaub.«

 


 

Kapitel 2

 

 

Lukas

 

Verdammt, der Typ, den Amadeus und sein Partner mitgebracht haben, sieht echt genervt aus. Okay, vielleicht hätte ich ein bisschen professioneller auftreten sollen, wenn ich Gäste erwarte, aber der Wind war heute Vormittag wirklich klasse, das musste ich einfach ausnutzen. Immerhin habe ich vorsichtshalber den Zettel in die Tür geklemmt und sie haben mich schließlich auch gefunden.

Trotzdem beeile ich mich jetzt, damit sie ihre Zimmer beziehen und die Koffer auspacken können. Zuerst muss ich jedoch dringend duschen, daher verfrachte ich die drei auf die Terrasse und nehme ihre Getränkebestellung auf. Mein Kellner kommt erst um fünf zur Spätschicht, da ich im Moment lediglich Halbpension anbiete. Die Gästezahl ist bisher sehr überschaubar, also muss ich Kosten sparen, wo es nur geht.

»So, eure Getränke«, sage ich, als ich auf die Terrasse trete. »Ein Pils, ein Ginger Ale und die Weißweinschorle. Kann ich sonst noch was für euch tun?«

Amadeus greift nach seinem Wein und winkt ab. »Nee, husch du mal unter die Dusche.«

»Alles klar. Ich beeile mich, dann bekommt ihr gleich eure Zimmerschlüssel. Bitte entschuldigt die Verzögerung. Die Getränke gehen natürlich auf mich.« Ich lächle in die Runde. Tom und Amadeus sehen völlig entspannt aus, doch Henrik meidet meinen Blick und nippt nur an seinem Ginger Ale. »Okay, dann bis gleich.«

Nach der schnellsten Dusche meines Lebens springe ich in eine schwarze Stoffhose und ein pinkes Poloshirt mit dem neuen Logo der Pension auf der linken Brust. Als mir meine Großeltern die Pension überlassen haben, um zu ihrer Weltreise aufzubrechen, haben sie mir versichert, dass sie mir völlig freie Hand lassen. Selbst als ich vorsichtig vorschlug, eine homofreundliche Pension daraus zu machen und die Zimmer nach Möglichkeit nur an schwule und lesbische Gäste zu vermieten, waren sie einverstanden. Mein Großvater meinte jedoch, dass ich mir damit beim Tourismusverband und den Einwohnern hier im Ort nicht nur Freunde machen werde. Leider hat er damit völlig recht, dennoch werde ich die Regenbogenfahne nicht vom Mast holen und weiterhin im Internet auf einschlägigen Portalen werben.

»So, dann wollen wir euch mal einchecken, hm?«, sage ich fröhlich, als ich zurück auf die Terrasse trete. »Ich schließe vorne wieder auf, dann treffen wir uns an der Rezeption, wenn ihr so weit seid, ja?«, füge ich hinzu, da Henrik immer noch nicht freundlich gestimmt aussieht.

»Ach, Quatsch, so eilig ist es nicht. Komm her, setz dich zu uns«, sagt Amadeus, ehe ich mich umdrehen kann. »Oder hast du noch was zu tun?«

Eigentlich müsste ich meinen Kite zum Trocknen ausbreiten und den Neoprenanzug aufhängen, aber das kann ich später auch noch erledigen, daher setze ich mich auf den vierten Stuhl. »Nein, gerade ist es ruhig. Heute Nachmittag reisen noch zwei Gäste an und ein anderes Pärchen ist noch hier, aber die haben einen Tagesausflug geplant und kommen erst zum Abendessen zurück«, erzähle ich, bevor mir einfällt, dass ich diskreter sein sollte.

»Das sind ja nicht viele Gäste«, bemerkt Henrik und schwenkt sein Ginger Ale im Glas.

Ich zucke mit den Schultern. »Anfang des Sommers ist immer weniger los.« Eigentlich haben wir bereits Hochsaison, aber erst seit ein paar Tagen.

»Aha.«

»So hast du wenigstens etwas mehr Freizeit, oder? Ich kann mir vorstellen, dass es im Hochsommer echt stressig werden kann, wenn alle Zimmer ausgebucht sind«, wirft Tom ein.

»Ja, das stimmt. Also, zumindest war das Haus bisher in der Hochsaison immer ausgebucht, aber ich habe es ja erst im Herbst von meinen Großeltern übernommen und eine Gay-friendly-Pension daraus gemacht, daher muss ich mich da wohl überraschen lassen«, erkläre ich. Zwar sind bereits einige Buchungen für den Sommer eingegangen und alle Gäste haben Halbpension gebucht, aber da ist schon noch Luft nach oben. Vermutlich dauert es eine Weile, bis sich die Regenbogen-Pension herumgesprochen hat.

Amadeus klopft mir auf die Schulter. »Das wird schon. Die Lage hier ist doch erstklassig.«

»Die allein reicht kaum, um langfristig ein volles Haus zu garantieren«, murmelt Henrik, bevor er sich erhebt. »Gibt es hier eine Toilette oder nur im Zimmer?«

»Oh, natürlich gibt es eine Toilette. Gleich bei der Rezeption. Komm mit.« Ich springe vom Stuhl und gehe durch die Terrassentür ins Haus vor. Henrik folgt mir durch den Speiseraum an der Küche vorbei zum Empfangsbereich. »Gleich hier um die Ecke.«

Als er in die Toilette verschwunden ist, schließe ich die Vordertür auf und erwecke anschließend den PC zum Leben.

Ich habe gerade die Buchung bestätigt, da steht Henrik wieder vor mir. »Möchtest du gleich einchecken?«, biete ich an, schließlich schien er das nicht abwarten zu können und ich möchte natürlich, dass er sich hier wohlfühlt.

Henrik nickt und stützt sich mit einem Unterarm auf dem Tresen ab, sieht mich jedoch nicht an, sondern lässt den Blick durch den Raum schweifen.

»Okay. Dann bräuchte ich mal deinen Ausweis, denn Amadeus hatte mir lediglich deinen Vornamen verraten«, bitte ich, woraufhin er seine Geldbörse hervorzieht und mir den Ausweis überreicht. Ich tippe seine Daten ins Programm und drucke den Meldeschein aus. »Unterschreibst du hier, bitte, dann bekommst du den Schlüssel. Dein Zimmer ist hier im Haupthaus.«

»Mit Meerblick?«, fragt er, während er sich den Meldeschein durchliest.

»Ja, natürlich. Du wirst einen fantastischen Blick auf den Sonnenuntergang haben«, versichere ich lächelnd.

Henrik ist wirklich attraktiv. Er hat niedliche Sommersprossen auf seinen Wangen und seiner absolut hinreißenden Stupsnase. Die blonden Haare hat er zu einem unordentlichen Undercut-Knoten zusammengebunden, aus dem sich ein paar Strähnen gelöst haben. Sehr süß.

»Also, ähm, haben Amadeus und sein Freund dich zu diesem Urlaub gezwungen, oder so?«, frage ich, denn ich verstehe noch nicht ganz, warum er so schlecht gelaunt und abweisend ist.

Er sieht abrupt zu mir auf und runzelt die Stirn, die ebenfalls ein paar Sommersprossen zieren. »Was? Nein, wie kommst du denn darauf?«

»Ich weiß nicht. Du scheinst nicht so glücklich damit zu sein, dass du hier bist«, merke ich vorsichtig an. Vielleicht ist er auch einfach nur schüchtern.

Seine Wangen werden rot, kurz bevor er den Kopf wieder senkt und seine Unterschrift auf den Meldeschein setzt. »Sorry, wenn ich so wirke. Ich freu mich wirklich auf den Urlaub«, murmelt er.

Ich schüttle den Kopf und lächle ihn an, als er mir den Zettel über den Tresen schiebt. »Hey, du musst dich doch nicht entschuldigen. Ich dachte nur, dass ich vielleicht etwas für dich tun könnte, um dir die Zeit hier zu versüßen.«

Henriks Kinnlade klappt nach unten und seine Augen werden riesig. »Wie bitte?«

»Ja, also, wenn du einen Sonderwunsch oder ein besonderes Bedürfnis hast, das ich berücksichtigen soll, sag es gern.« Als mir klar wird, wie das gerade klingt, rudere ich schnell zurück: »Oh Gott, das sollte nicht anzüglich klingen. Ich... ich meinte, vielleicht möchtest du ein zweites Kissen oder möglicherweise hast du eine Lebensmittelunverträglichkeit oder so. Irgendwas, das ich wissen sollte, um dir den Aufenthalt hier angenehmer zu gestalten.«

»Oh.« Seine Wangen färben sich tiefrot, selbst seine Ohren glühen. »Nein, da gibt es nichts. Ähm... Danke.«

»Okay, aber falls dir doch noch was einfällt oder dich etwas stört, sag es bitte, ja?«

Er nickt schluckend. »Ja, okay, mache ich.«

»Wunderbar.« Ich drehe mich zum Schlüsselboard um, schnappe mir den entsprechenden Schlüssel und atme noch mal tief durch, bevor ich mich wieder zu Henrik umdrehe. »Dein Zimmer ist die Nummer fünf im dritten Stock. Dort oben gibt es nur zwei Zimmer, du kannst es also gar nicht verfehlen.«

Er nimmt mir den Schlüssel aus der Hand und lächelt kurz. »Alles klar. Danke.«

»Abendessen gibt es von achtzehn bis einundzwanzig Uhr. Das Frühstücksbuffet steht von sieben bis zehn Uhr bereit. Falls du früher oder später essen möchtest, ist das auch kein Problem, dann müsstest du mir nur vorher Bescheid geben.«

Henrik sieht so aus, als würde er etwas sagen wollen, nickt dann aber nur knapp. Er stößt sich vom Tresen ab und will schon gehen, bevor er sich noch mal zu mir umwendet. »Darf ich fragen, ob du das Essen selbst zubereitest?«

»Ähm, nein.« Ich muss lachen, denn die Vorstellung ist zu komisch. »Ich habe Köche, die morgens und abends für eure Verköstigung sorgen.«

»Ah, okay. Hat mich nur interessiert.« Henrik lächelt knapp. »Bietest du eine Art Lunchpaket an?«

»Oh, also, bisher nicht, denn auf der Promenade gibt es viele gute Cafés und Restaurants, aber wenn du lieber ein Lunchpaket möchtest, lässt sich das sicher einrichten.« Meine Großmutter hat das früher für Familien angeboten, daher sollte ich die Zusammenstellung und Preise der Pakete sicher irgendwo in ihren Unterlagen finden. Falls nicht, kann es aber nicht so schwierig sein, ein paar belegte Brote und Getränke zusammenzupacken. Das kriege selbst ich hin.

Henrik winkt jedoch ab. »Schon gut. Wir werden schon ein schönes Plätzchen zum Essen finden.«

»Sicher. Es gibt hier wirklich für jeden Geschmack etwas«, sage ich, während ich in einer Schublade nach dem Stadtplan suche. »Moment, ich hab hier irgendwo... Ah, hier.« Triumphierend reiche ich ihm den Flyer. »In dem Plan sind auch die Restaurants, Toiletten und alle Sehenswürdigkeiten des Orts eingezeichnet.«

Henrik lächelt. »Super. Danke. Ich geh mir dann mal mein Zimmer ansehen.«

»Gern. Und wie gesagt, falls du noch etwas brauchst oder einen Wunsch hast, sag einfach Bescheid.«

Bevor Henrik sich auf den Weg zur Treppe machen kann, kommen Amadeus und Tom vom Speiseraum herein. »Hier seid ihr!«

Henrik wendet sich zu Tom um. »Ich wollte mir gerade mein Zimmer anschauen. Gibst du mir den Autoschlüssel? Dann kann ich meine Sachen gleich mitnehmen.«

Tom folgt ihm nach draußen, während ich Amadeus und seinen Partner einchecke, ihm ihren Schlüssel aushändige und die wichtigsten Infos gebe. Er hat sich echt kaum verändert, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Unser Uniabschluss ist allerdings auch erst sechs Jahre her. Wir haben zusammen BWL studiert. Während er mit Bestnoten geglänzt, nebenbei Praktika absolviert und nach seinem Umzug in seine neue Heimatstadt noch den Master gemacht hat, bin ich eher schlecht als recht durchgekommen, habe aber zumindest meinen Bachelor abgeschlossen.

»Du hast hier echt ein schönes Fleckchen«, meint Amadeus lächelnd, als der Papierkram erledigt ist.

Ich nicke, denn ich liebe es, direkt am Strand zu wohnen, und im Hinblick auf mein Asthma ist die Seeluft besonders vorteilhaft. »Es ist wirklich toll hier. Ich muss mich noch etwas daran gewöhnen, jetzt die Pension zu leiten, aber da wachse ich schon rein.«

Amadeus grinst. »Bestimmt.«

»Himmel, Mausebär, was hast du denn bloß alles eingepackt?«, stöhnt Tom, während er zwei riesige Rollkoffer durch die Tür zerrt, die Henrik ihm grinsend aufhält. Gott, hat der Mann ein süßes Grinsen.

»Na, alles, was man für vierzehn Tage fernab der Heimat braucht«, antwortet Amadeus fröhlich. »Aber du hast Glück. Wir schlafen in einem dieser süßen, kleinen Bungalows im Garten. Also brauchst du die Koffer nicht die Treppe hochzutragen.«

»Ich Glückspilz«, murmelt Tom, wirft seinem Partner jedoch ein Luftküsschen zu. »Wollen wir nach dem Auspacken mal die Promenade entlanggehen? Ich hab Hunger und Henny hat eine Karte, wo es was zu futtern gibt.«

»Klar.« Amadeus nickt eifrig und blickt dann Henrik an. »In zwanzig Minuten auf der Terrasse? Schaffst du das?«

Er zuckt mit den Schultern. »Sicher.«

»Dann wünsche ich euch viel Spaß. Bis später«, sage ich, bevor Henrik die Treppe hinaufgeht und Amadeus mir winkt, während er seinem Partner Richtung Garten folgt.

Nachdem ich die Meldescheine abgeheftet habe, stocke ich meinen Vorrat an Stadtplänen an der Rezeption auf und mache mich anschließend sicherheitshalber auf die Suche nach den Unterlagen über die Lunchpakete.

 


 

Kapitel 3

 

 

Henrik

 

Ich muss sagen, mein Zimmer ist sehr viel schöner, als ich erwartet habe. Es ist groß, mit einem sehr breiten Einzelbett, einem Flachbildfernseher und einem Sofa, das direkt unter dem Fenster steht und von dem aus man einen herrlichen Ausblick auf den Strand und das Meer hat. Da Lukas meinte, die Pension hätte vorher seinen Großeltern gehört, bin ich von altmodischen Möbeln und Blümchenbettwäsche ausgegangen, aber die Ausstattung ist angenehm schlicht und modern. Und ich muss zugeben, dass mir die Handtuchdeko in Form eines Schiffs ein Lächeln entlockt hat.

Nachdem ich meinen Koffer ausgepackt habe, lege ich noch mal Deo nach, binde meinen Dutt neu und gehe dann ins Erdgeschoss hinunter und zurück auf die Terrasse. Von Amadeus und Tom ist noch nichts zu sehen. Wahrscheinlich schieben die zwei erst mal eine Nummer, um das Bett einzuweihen. Unsere leeren Gläser und Getränkeflaschen stehen noch auf dem Tisch. Allem Anschein nach kommen die Kellner erst zur Spätschicht heute Abend. Wobei Lukas bei sieben Gästen nur einen haben wird. Oder er übernimmt das Servieren und Abräumen selbst, das wäre auch verständlich.

Gleich hinter der Tür im Speiseraum liegen auf dem Tisch ein paar Speisekarten, die mich neugierig machen, daher schnappe ich mir eine und lasse mich wieder auf den Stuhl von vorhin fallen. Hm, dafür, dass er so wenige Gäste hat, ist die Karte recht umfangreich, was ich beurteilen kann, weil ich gelernter Koch bin. Entweder wirft er jeden Tag zu viele Lebensmittel weg oder er arbeitet mit Tiefkühlprodukten, denn andernfalls könnte er sich die Auswahl kaum leisten. Außerdem hat er auffallend wenig Fischgerichte auf der Karte, obwohl wir hier direkt am Meer sind und es sich geradezu anbietet, Fisch in allen Variationen zu servieren.

»Oh, oh, siehst du diese Falten auf seiner Stirn, Häschen? Unser Henny hat was zu meckern.«

Augenrollend blicke ich von der Speisekarte zu meinen besten Freunden auf, die mich grinsend beobachten. »Haha. Ich wollte nur mal schauen, was es hier so zu essen gibt.«

Tom schnappt mir die Karte aus der Hand und wirft sie auf den Tisch. »Genug kritisiert. Heb dir noch was für heute Abend auf. Jetzt gehen wir erst mal über die Promenade. Hopp, hopp.«

»Ist ja schon gut.« Ich lasse mich von Tom auf die Beine ziehen, als sich Amadeus auch schon meine andere Hand schnappt und mich zum Strand zerrt.

Wir gehen ein paar hundert Meter am Wasser entlang, bevor wir einen der Strandaufgänge nehmen, um zur Promenade zu gelangen. Lukas hat nicht zu viel versprochen. Hier reihen sich Bistros und Restaurants jeglicher Küche aneinander. Auf der Strandseite wechseln sich alle paar Meter Eisstände mit Spielzeug- und Souvenirbuden ab. Es sind ziemlich viele Leute unterwegs, aber man kommt noch gut durch.

»Also, worauf habt ihr Lust?«, will Tom wissen und schaut uns fragend an.

»Wie wäre es mit dem Italiener, an dem wir gerade vorbeigekommen sind? Die Teller sahen gut aus«, schlage ich vor, woraufhin meine Freunde sofort nicken und kehrtmachen.

Eine Stunde später lehnen wir uns gut gesättigt auf unseren Stühlen zurück und verfolgen das rege Treiben auf der Promenade. Von Omis mit Rollatoren bis Kleinkindern mit Bobbycars und Rollern, streitenden Familien und verliebten Pärchen ist alles dabei.

»Sag mal, Hennylein, was war das eigentlich vorhin für eine Aktion, von wegen dass du Kitesurfen kannst?«

Seufzend sehe ich Amadeus an, der sich das Grinsen nicht verkneifen kann. »Keine Ahnung, mein Hirn war da irgendwie nicht ganz auf der Höhe.«

»Typischer Fall von sexy Surfer induziertem Blutmangel, hm?«, meint Tom glucksend.

Ich muss grinsen. »Kannst du laut sagen. Er ist echt heiß.«

»Was machst du, wenn er dich beim nächsten Wind zum Surfen einlädt? Dass wir zwei Wochen Windstille haben werden, ist ziemlich unwahrscheinlich.«

»Keine Ahnung«, stöhne ich. »Ihr müsst mir dann helfen, ja?«

»Sicher, Schätzchen«, verspricht Amadeus sofort und tätschelt meinen Unterarm.

Tom verzieht den Mund zu einem Schmollen. »Es wäre aber sehr viel witziger, dich an einem Schirm hängend auf dem Board herumzappeln zu sehen.«

»Arschloch.«

»Aww. Ich dich auch.«

Amadeus lacht. »Hört auf zu streiten. Natürlich helfen wir dir, Schatzi. Beim nächsten Mal, wenn er dir in hautengen Klamotten gegenübersteht, schweigst du aber lieber.«

Ich beschließe, das Thema zu wechseln, denn ich denke, dass zu meiner Peinlichkeit nun alles gesagt wurde. Hoffen wir einfach, dass wir den ganzen Urlaub über Traumwetter mit höchstens einer leichten Brise haben werden. »Wollen wir noch zum Leuchtturm gehen?«

Tom gluckst. »Netter Versuch, so schnell lassen wir dich nicht vom Haken. Aber gut, wir gönnen dir eine Pause. Auf zum Leuchtturm.«

»Gehen wir am FKK-Strand vorbei?«, fragt Amadeus grinsend.

»Sicher«, antworte ich zwinkernd, woraufhin Tom besitzergreifend seinen Arm um die Taille seines Partners schlingt, was Amadeus und mich zum Lachen bringt.

Wir schlendern zum Leuchtturm und halten Ausschau nach knackigen Hinterteilen und ansehnlichen Fronten. Dabei plaudern wir über Gott und die Welt und lästern hin und wieder über die Leute am Strand.

»Oh mein Gott«, flüstert Tom plötzlich. »Guckt nicht gleich hin, aber der Opa da in der gelben Strandmuschel hat ein ganzes Piercingstudio am Schwanz.«

»Was? Wo?« Amadeus sieht sich suchend um, was seinen Freund stöhnen lässt. »Oh, wow. Der ist doch mindestens siebzig.«

Ich pfeife leise anerkennend, denn der alte Mann trägt mehrere Piercings in teilweise beachtlicher Größe an seinem besten Stück und seinen Eiern. »Tja, je oller, desto doller, hm?«

Tom starrt mich entgeistert an, während Amadeus laut losprustet. »Der war gut!«

»Der kommt doch durch keinen Metalldetektor am Flughafen«, meint Tom kopfschüttelnd und zieht uns weiter.

»Deswegen ist er wohl auch nicht in den Süden geflogen, sondern liegt hier am Strand«, entgegnet Amadeus glucksend.

Tom sieht immer noch entsetzt aus. »Ob der ihn überhaupt noch hochbekommt oder zieht ihn das ganze Metall gleich wieder runter?«

Amadeus und ich grinsen uns an.

»Echt jetzt. Ich meine, in dem Alter ist es wahrscheinlich schon schwierig genug, überhaupt hart zu werden, und wenn dann noch so viel Gewicht dranhängt...«

»Vielleicht macht er sie vor dem Sex raus«, überlegt Amadeus.

»Igitt.« Tom schüttelt sich. »Der sieht ohne die Piercings wahrscheinlich aus wie ein Schweizer Käse.«

»Danke für das Bild in meinem Kopf«, stöhne ich gequält. »Können wir bitte über etwas anderes reden als löchrige Opa-Pimmel?«

Amadeus wirft den Kopf in den Nacken und lacht lauthals los. »Oh mein Gott, das ist so eklig, dass es schon wieder lustig ist.«

»Nein, das ist einfach nur eklig«, entgegnet Tom trocken, was seinen Freund erneut losprusten lässt.

»Okay, Schluss jetzt. Hier laufen kleine Kinder rum«, warne ich, als eine Horde davon vor uns zum Wasser flitzt.

Am Leuchtturm angekommen, entscheiden wir uns, auch hinaufzusteigen. Es gibt zwei Plattformen, eine auf zwanzig und eine auf dreißig Metern Höhe, und die Aussicht ist fantastisch. Wir können bis zu unserer Pension schauen, die etwa zwei Kilometer entfernt liegt.

»Mist, ich hätte mich eincremen sollen«, murrt Amadeus, als wir auf der obersten Plattform stehen und uns die Nachmittagssonne ins Gesicht scheint.

Tom beugt sich über das Geländer und starrt Richtung Strand. »Ob man von hier oben den Piercing-Opa sehen kann?«

»Oh Gott, war das nötig?«, stöhne ich, kann meine Augen aber nicht daran hindern, nach dem alten Mann Ausschau zu halten. »Steck das Handy weg, du Spanner.«

»Ich werd doch wohl noch Fotos von unserem Urlaub machen dürfen«, empört Amadeus sich, bevor er breit grinst. »Stellt euch mal zusammen. Lächeln!«

Tom und ich grinsen in die Handykamera und machen mit unseren eigenen Smartphones noch ein paar Schnappschüsse, dann steigen wir alle wieder die Wendeltreppe im Inneren des Turms hinunter.

»So, was machen wir jetzt?«, will ich wissen.

»Lasst uns zur Pension zurückgehen und Badesachen holen. Dann testen wir das Meer.«

Amadeus verdreht die Augen. »Du willst nur noch mal an dem Opa vorbei.«

Tom lacht. »Ja, stimmt. Aber das Wetter ist doch wirklich genial, das sollten wir ausnutzen. Wer weiß, ob es morgen noch so toll ist.«

»Stimmt. Vielleicht ist es dann viel zu windig, um am Strand zu liegen«, sagt Amadeus.

»Oh ja, sehr witzig«, grummle ich, doch meine Freunde lachen nur fies. Ich habe die leise Befürchtung, dass mich meine Dummheit noch eine Weile verfolgen wird.

 

»Herrlich. Hier lässt es sich aushalten«, stelle ich wohlig seufzend fest, als wir uns auf unseren Strandlaken räkeln. »Fehlt nur noch ein Cocktail.«

»Gott, ja, daran hätten wir früher denken sollen«, stimmt Amadeus zu.

Tom richtet sich auf seine Unterarme auf. »Ob Lukas so was überhaupt anbietet?«

»Wir fragen ihn heute Abend mal.«

Ich setze meine Sonnenbrille auf und verschränke die Hände hinter dem Kopf. Eine Weile dösen wir in der Sonne, bis meine Haut trotz Sonnencreme leicht zu brennen beginnt. Ich will mir gerade ein T-Shirt überziehen, als ich neben mir ein leises Stöhnen höre und zu meinen Freunden hinübersehe. Kopfschüttelnd wende ich den Blick jedoch wieder ab und schlüpfe in mein Oberteil, denn die zwei sind offenbar kurz davor, zur Sache zu kommen.

Ehe ich etwas sagen kann, schallt Lukas' amüsierte Stimme über den Strand. »Hey, das hier ist kein Cruising-Bereich!«

»Gibt es so was hier?«, frage ich, mal wieder ohne nachzudenken, und das, obwohl er dieses Mal keinen hautengen Anzug trägt.

Er zieht überrascht und ein wenig belustigt die Augenbrauen hoch, während meine Freunde leise lachen. »Hier draußen nicht, tut mir leid. Ich könnte die Sauna im Keller anwerfen, aber...« Er beißt sich kurz auf die Lippen und zuckt mit den Schultern. »... die Gästezahl hält sich im Moment leider noch in Grenzen.«

»Nein, nein, das ist wirklich nicht nötig«, sage ich sofort und setze mich auf. »Ich wollte nicht... also, ich war nur neugierig. Das sollte nicht heißen, dass ich Bedarf hätte oder so.«

Lukas hebt beide Hände vor seine Brust. »Schon gut, ich wollte dir nicht zu nahe treten.«

Tom lacht, während Amadeus es mittlerweile schafft, sich zusammenzureißen. »Du glaubst nicht, was wir heute am Strand gesehen haben«, beginnt er und erzählt Lukas anschließend von dem älteren Herrn mit Metallschmuck. Lukas hat sich neben uns in den Sand fallen lassen und stützt die Arme auf die angezogenen Knie. Er scheint sich nicht sicher zu sein, ob er beeindruckt oder doch eher entsetzt sein soll, findet es aber auch amüsant.

»Wir haben uns vorhin gefragt, ob du auch Cocktails im Angebot hast«, will Tom wissen, nachdem wir von unserem Nachmittag berichtet haben. Okay, Amadeus und Tom haben das Reden übernommen, während ich noch immer vor Scham im Boden versinken möchte. Normalerweise bin ich nicht schüchtern, Fremden gegenüber vielleicht etwas zurückhaltend, aber nicht so dämlich, wie es den Anschein haben muss. Nur wenn Lukas in meiner Nähe ist, scheint mein Denk- und Sprachzentrum gestört zu sein.

Lukas' Wangen färben sich rosa und er reibt sich verlegen mit der Hand über den Nacken. »Nachmittags gibt's keine Cocktails, da mein Kellner erst abends kommt. Aber ihr könnt euch natürlich einen zum Abendessen bestellen. Oder auch danach.«

Verwundert runzle ich die Stirn und schüttle den Kopf. »Warum bietest du nachmittags nicht eine kleinere Cocktailauswahl an und mixt sie einfach selbst?«

Lukas schluckt. »Ich habe BWL studiert, nicht Barkeeper gelernt, daher –«

»Cocktails mixen ist doch kein Hexenwerk«, werfe ich ein, denn in meinen Augen ist das eine ziemlich lahme Ausrede. »Lass es dir doch von deinem Kellner zeigen. Ich wette, wenn der Laden erst mal brummt, steigt die Nachfrage nach einem Nachmittagsdrink ohnehin.«

»Ja, vermutlich«, murmelt er mit noch immer roten Wangen. »Ich denk mal drüber nach, danke.«

Amadeus setzt sich in den Schneidersitz. »Du musst dich in das ganze Hotelgewerbe bestimmt auch erst mal einarbeiten, hm? Was hast du vorher noch gleich gemacht?«

»Ich habe in der Buchhaltung eines Industriebetriebs gearbeitet. War echt langweilig, aber ein sicherer Job. Jetzt ist alles ziemlich... anders. Ich muss zugeben, dass es eine echte Herausforderung ist, die Pension zu leiten. Aber ich mag es.« Er blickt aufs Wasser hinaus und lächelt leicht. »Die Grundlagen haben meine Großeltern mir noch beigebracht, aber das ist meine erste Hauptsaison ohne sie, also wird es wohl ziemlich spannend werden.«

Amadeus flüstert Tom irgendwas ins Ohr, woraufhin dieser die Augenbrauen hochzieht und heftig den Kopf schüttelt.

»Okay, ich werd dann mal schauen, ob fürs Abendessen alles glattläuft. Freut mich sehr, dass ihr einen schönen Nachmittag hattet. Wir sehen uns bestimmt später noch.« Lukas erhebt sich, lächelt uns zu und geht dann zum Haus zurück.

»Er wirkt ein wenig überfordert, oder?«, fragt Tom, nachdem wir uns ein paar Minuten angeschwiegen haben. »Ich meine, ich kenne ihn ja nicht, aber es kam mir so vor. Auch wenn er motiviert zu sein scheint.«

»So ein großes Haus zu leiten ist kein Pappenstiel«, stimme ich zu, denn ich habe schon in einigen Hotelküchen gearbeitet und dabei das eine oder andere mitbekommen. »Und wenn er das nicht wirklich gelernt hat, ist es doppelt so schwer, aber die Lage und Ausstattung sind super. Ich zumindest mag mein Zimmer. Wie ist euer Häuschen?«

»Echt hübsch«, antwortet Amadeus lächelnd. »Großes Bett, viel Platz im Bad und als Begrüßungsgeschenk gab es sogar eine Tube Gleitgel und ein kleines Päckchen neckischer Kondome. Das fand ich nett.«

»Echt?« Schmollend schiebe ich die Unterlippe vor. »Hab ich nicht gekriegt.«

»Gibt's vielleicht nur für Pärchen«, meint Tom grinsend.

Ich schnaube empört. »Gleitgel können auch Singles gebrauchen. Und die Kondome sogar besser als Pärchen.«

Amadeus grinst. »Hast du mal geguckt, ob es im Nachtschrank ein Spielzeug gibt?«

»Die können Pärchen aber auch gebrauchen«, wirft Tom ein, ehe ich antworten kann.

»Stimmt, außerdem bringt man sich das ja eher von zu Hause mit.«

»Genau wie Gummis und Gleitgel«, erinnere ich.

Tom lacht. »Herrgott, du kannst unsere Verhüterli haben.«

»Was? Spinnst du? Nein!«, entgegnet Amadeus sofort. »Da waren welche mit Noppen bei. Die kannst du doch nicht einfach verschenken.«

Sein Freund grinst mich an. »Sorry, wird doch nichts. Bottom-Veto.«

»Schon okay«, sage ich lachend. So dringend brauche ich das Zeug ja nun nicht, aber fair wäre es schon gewesen, wenn ich auch ein Geschenk bekommen hätte. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und stelle fest, dass es schon kurz vor sieben ist. »Habt ihr Hunger?«

»Jepp.«

»Immer.«

Ich muss grinsen und stehe auf, um das Strandlaken auszuschütteln. »Alles klar, duschen und dann treffen wir uns wieder auf der Terrasse?«

»Gehen wir vorher noch mal ins Wasser?« Tom deutet mit dem Kopf Richtung Meer. »Keine Ahnung, wie warm es ist, aber wird schon nicht so schlimm werden.«

Ich schaue auf die glitzernde Oberfläche und entscheide, das Risiko einzugehen, auch wenn die Temperaturen dieses Jahr noch nicht so hoch waren, um das Wasser aufzuwärmen. Nachdem ich meine Sonnenbrille aufs Laken geworfen habe, mache ich noch meine Uhr ab, bevor ich Tom herausfordernd ansehe. »Wer als Letzter drin ist, zahlt heute Abend die Getränke!« Mit diesen Worten flitze ich los und stürze mich dicht gefolgt von Tom in die sehr, sehr kalten Fluten.

 


 

Kapitel 4

 

 

Lukas

 

Heute ist echt nicht mein Tag. Jetzt hat sich auch noch mein zweiter Koch kurzfristig krankgemeldet, sodass mein Kellner in der Küche aushelfen muss, denn auf die Schnelle konnte ich erst zu morgen Früh einen Aushilfskoch auftreiben und ich selbst kann absolut nicht kochen. Das heißt, dass ich den Service übernehmen muss, was an sich kein Problem ist, ich habe mein ganzes Studium hindurch gekellnert. Allerdings musste ich sicherheitshalber die Vordertür abschließen, wodurch ich vermutlich einen Teil der Laufkundschaft verliere. Ich habe ein Schild aufgestellt, das den Weg zum Restaurant ums Haus herum weist, und hoffe, dass so doch noch Leute kommen. Im Moment sieht es noch nicht danach aus. Lediglich Amadeus und seine Begleiter sitzen auf der Terrasse.

»So, was darf ich euch denn zu trinken bringen?«, frage ich, als ich zu ihnen an den Tisch trete und die Speisekarten aushändige.

Überrascht sehen alle drei zu mir auf. »Was ist aus deinem Kellner geworden?«, fragt Henrik und erntet dafür einen Ellenbogenstoß von Tom.

»Der muss in der Küche aushelfen, weil mein Beikoch mit einer Magen-Darm-Grippe im Bett liegt und ich besser kellnern als kochen kann«, sage ich lächelnd.

Amadeus zieht die Augenbrauen hoch. »Das ist ja blöd. Kriegt der Kellner das denn hin?«

»Ja, sicher, er ist nicht allein in der Küche, sondern hilft dem Küchenchef.«

»Ach so. Na dann... Ich nehme noch mal eine Weißweinschorle, die heute Mittag war sehr lecker.«

Ich notiere mir das und blicke die anderen beiden an. »Gern, und ihr?«

»Ein Ginger Ale und die Cocktailkarte, bitte.«

Tom sieht grimmig zu Henrik rüber, der grinst und mit den Schultern zuckt. »Ich hätte gern ein großes Bier. Schreibst du die Getränke auf unser Zimmer oder bezahlen wir die gleich bar?«

»Die kann ich gern aufs Zimmer schreiben, wenn ihr möchtet«, sage ich, schnappe mir schnell die Cocktailkarte vom Nachbartisch und reiche sie Henrik.

Tom nickt. »Dann geht heute Abend alles auf unser Zimmer.«

»Alles klar.« Ich schreibe seine Zimmernummer mit auf den Zettel und warte dann, während Henrik sich einen Cocktail aussucht.

»Danke übrigens für das Begrüßungsgeschenk«, sagt Amadeus plötzlich.

Ich grinse. »Schön, dass es euch gefällt. Ich dachte, das wäre ein ganz witzige Idee.«

»Kriegen Lesben so was auch?«, will Tom wissen.

»Etwas Ähnliches«, antworte ich lachend.

Amadeus nickt. »Aber nur Pärchen?«

»Nur Pärchen? Nein, jeder Gast bekommt ein Geschenk zur Begrüßung, wir passen das nur an das jeweilige Geschlecht an«, erkläre ich.

»Henrik hat nichts bekommen«, eröffnet Amadeus, woraufhin sein Kumpel stöhnt und knallrot anläuft.

»Wirklich?«, frage ich überrascht. »Das tut mir leid. Das sollte nicht passieren.«

»Ist nicht schlimm, echt.«

Ich schüttle sofort den Kopf, denn das ist nicht in Ordnung. Vermutlich hat Anke, mein Zimmermädchen, es schlicht vergessen, denn es kam erst vor zwei Tagen eine Lieferung mit netten Kleinigkeiten für die Gäste an. »Nein, nein, das bekommst du noch. Ich kümmere mich darum.«

Henrik hat noch immer tiefrote Wangen, nickt jedoch und wirft dann noch mal einen Blick in die Karte. »Ich nehme einen Mojito.«

»Kommt sofort.«

Während ich meinen Kellner bitte, schnell den Mojito zu mixen, und mir vornehme, das bald selbst zu lernen, flitze ich in den Vorratsraum fürs Housekeeping und stelle eine kleine Geschenktüte mit Gleitgel, Kondomen, Sextoy-Reiniger und einem dieser echt genialen Masturbationseier zusammen. Anschließend trage ich die Tüte zusammen mit den Getränken auf die Terrasse.

»Eure Getränke.« Ich verteile die Gläser und stelle die Geschenktüte vor Henrik ab. »Und das ist für dich. Bitte entschuldige die Verspätung.«

Tom und Amadeus beugen sich bereits neugierig über den Tisch, als Henrik mich noch entgeistert anblickt. Doch dann beginnen seine Mundwinkel zu zucken und er schenkt mir endlich noch mal sein atemberaubendes Lächeln.

»Danke schön.«

»Sehr gern.« Gott, hat der Mann schöne Augen. Sie sind leuchtend grün mit einem schwarzen Ring um die Iris und strahlen richtig intensiv in der untergehenden Sonne. Am faszinierendsten finde ich aber immer noch seine Sommersprossen. Sie sind hell, aber bei seiner blassen Haut fallen sie doch auf. Vermutlich hält er sich nicht oft im Freien auf. Auf seiner Stupsnase tummeln sich die meisten der winzigen Flecke. Ich mag Männer mit kleinen Nasen, vor allem, wenn sie noch dazu so einen einladenden Mund haben.

»Sagt mal, wird es jetzt noch mal heiß hier, oder was?«, unterbrechen Amadeus' amüsierte Stimme und das leise Lachen seines Partners unseren Blickkontakt.

Ertappt räuspere ich mich und ziehe meinen Notizblock aus der Schürzentasche. »Wisst ihr denn schon, was ihr essen wollt?«

Henrik nickt. »Ich nehme das grillierte Rumpsteak. Medium rare, bitte. Statt der Bohnen würde ich aber lieber den kleinen Gartensalat mit dem Himbeer-Limetten-Dressing nehmen, wenn das geht.«

»Das ist kein Problem«, versichere ich und wende mich dann an die anderen beiden.

»Ich bin mir noch nicht sicher«, seufzt Amadeus. »Was mit Hähnchen hast du nicht, oder?«

»Iss doch mal was anderes, Mausibär«, schlägt Tom augenrollend vor und blickt mich an. »Er isst ausschließlich Hähnchenfleisch, echt anstrengend.«

Ich nicke verstehend. »Hähnchen haben wir zurzeit leider nicht auf der Karte, aber die Putenmedaillons kann ich empfehlen. Ansonsten vielleicht Fisch?«

»Fisch mag ich nicht«, murmelt Amadeus. »Okay, ich nehm die Pute.«

»Und ich das Auberginencurry, das klingt interessant.«

Ich sammle die Karten ein und da die anderen beiden Pärchen mittlerweile auch auf der Terrasse sitzen, schnappe ich mir noch eine vierte und nehme die Getränkebestellungen auf.

Als ich in die Küche komme, herrscht ziemlich angespannte Stimmung, obwohl bisher noch nicht viel zu tun war. Allerdings vertragen sich Hauke, der langjährige Küchenchef der Pension, und mein Kellner Jörn nicht sonderlich gut. Ich glaube, Hauke hat generell ein Problem mit Homosexuellen, doch er hat mir versichert, dass er weiterhin hier arbeiten möchte und sein Bestes gibt. Ich vertraue ihm da und es ist ja nur für heute Abend.

Entgegen meiner Befürchtung kommen die zwei jedoch ganz gut in der Küche klar. Jörn macht, was Hauke ihm sagt, und das Essen geht pünktlich raus. Er schafft es sogar, nebenbei die bestellten Cocktails zu mixen. Ihn einzustellen, war definitiv eine sehr gute Entscheidung.

»Nein, das geht schon«, höre ich Amadeus sagen, als ich gerade die Garnelenplatte am Nachbartisch serviere.

Henrik schnaubt jedoch. »Unsinn. Das kannst du auf keinen Fall essen. Es ist sogar gefährlich. Lass es zurückgehen.«

»Ich schneide einfach drumherum.«

»Hör auf Henrik, Mausibär. Er kennt sich aus.«

Ich beschließe, mich einzumischen, denn offenbar ist etwas mit dem Essen nicht in Ordnung. »Gibt es ein Problem?«

Amadeus schüttelt den Kopf. »Nein, nein, es –«

»Das Geflügel ist nicht durch«, fällt Henrik ihm ins Wort und dreht den Teller so, dass ich sehen kann, was er meint. »Das hätte noch ein paar Minuten gemusst.«

Ich nehme den Teller. »Natürlich. Tut mir leid, du bekommst gleich eine neue Portion.«

»Ist nicht nötig. Es... war irgendwie nicht so meins. Tut mir leid, aber ich mag halt nur Hähnchen.«

»Möchtest du dir dann lieber was anderes aussuchen? Einen Salat oder eine Suppe?«, biete ich an, denn ich möchte nicht, dass er hungrig vom Tisch aufsteht.

Er druckst ein bisschen rum, entscheidet sich aber schließlich für eine Tomatensuppe. Ich eile in die Küche und reklamiere den Teller, was Hauke mit einem Achselzucken zur Kenntnis nimmt und meint, dass Jörn das Fleisch wohl zu früh aus der Pfanne genommen hätte. Das lasse ich ihm aber nicht durchgehen, schließlich ist Jörn nur Aushilfe und Hauke für die Qualität verantwortlich. Meine Rüge scheint bei ihm nicht gut anzukommen, doch da muss er durch.

Laufkundschaft haben wir keine, aber ganz so schlimm finde ich das heute nicht, und immerhin trinken die Männer ordentlich und bleiben nach dem Essen noch eine Weile mit frischen Cocktails sitzen.

Jörn und ich tauschen die Plätze, sodass ich Hauke nach Hause schicke, denn sein griesgrämiges Gesicht ist kaum noch zu ertragen. Anschließend räume ich die Küche auf und das Geschirr in die Schränke zurück, während Jörn das macht, was er am besten kann, und nebenbei ein wenig mit den Gästen flirtet.

In der Hoffnung, dass es morgen weniger hektisch wird, falle ich kurz nach Mitternacht endlich hundemüde ins Bett.