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Nr. 2610

 

Die Entscheidung des Androiden

 

Konflikt in der LEUCHTKRAFT – und Konsequenz im Palast der Harmonie

 

Christian Montillon

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Der furchtbare, aber kurze Krieg gegen die Frequenz-Monarchie liegt inzwischen sechs Jahre zurück. Die Hoffnung auf eine lange Zeit des Friedens bleibt leider unerfüllt. Die geheimnisvolle Macht QIN SHI schlägt zu, und es geschieht zweierlei:

Perry Rhodan verschlägt es mitsamt der BASIS in die unbekannte Doppelgalaxis Chanda, und auch das gesamte Solsystem wird an einen fremden Ort entführt.

Alaska Saedelaere wiederum befindet sich auf der Suche nach der Kosmokratenbeauftragten Samburi Yura, wozu sich ihm deren Raumschiff LEUCHTKRAFT unterstellt hat. Sie, QIN SHI, das Botnetz und das Reich der Harmonie hängen irgendwie zusammen. Als Saedelaere das Reich der Harmonie erreicht, kann er zwar dessen Herzogin retten und Sholoubwa, den Konstrukteur, finden, doch macht er sich zugleich verdächtig und muss fliehen, ehe er weitere Hinweise bekommen kann. Nun folgt DIE ENTSCHEIDUNG DES ANDROIDEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Alaska Saedelaere – Der Maskenträger sucht die Verständigung und erntet Tod.

Eroin Blitzer – Der Zwergandroide macht eine ungeheuerliche Entdeckung.

Pridon – Der Gardeleutnant stirbt.

Fallun Vierauf – Der Offizier hinterfragt den Commo'Dyr und muss sich auf sich selbst verlassen.

Dom-helo-Rom – Ein Künstler sehnt sich nach zu Hause.

Mel-anta-Sel – Ein Wissenssammler beschließt zu beobachten.

Prolog:

Gardeleutnant Pridon

 

Ein Glockenschlag.

So ähnlich klang dieses dröhnende Geräusch, das die ganze Galaxis durchdrang und den Palast der Harmonie in Schwingung versetzte. Möglicherweise hörte er in diesem Moment den Pulsschlag des Universums.

Pulsschlag?

Sein Name lautete Pridon, und er war das dreizehnte Kind seiner Mutter. Von Anfang an hatten viele ein besonderes Augenmerk auf sein Leben gerichtet. Nun hatte er Macht. Hunderte, nein, Tausende und noch viele mehr mussten seinen Befehlen gehorchen. Aber ...

Ein erneuter Glockenschlag.

... aber was nutzte das schon in dieser Dunkelheit?

Langsam, ganz ruhig und in völliger Stille, trieb Pridon davon. Seltsam, dass es immer finsterer wurde, obwohl es längst kein Licht mehr gab.

Das Geräusch entweichenden Atems hallte überlaut. Es verhallte ohne Übergang: Kein Einatmen folgte.

Und wieder ein Glockenschlag, diesmal leiser, wie aus weiter Ferne.

Der Gardeleutnant der Harmonie versuchte nachzudenken, doch sein Kopf war leer wie die Schwärze rundum. Erstaunlicherweise fühlte er seinen Körper nicht mehr; auch die zuletzt allgegenwärtigen Schmerzen ebbten ab.

Nur ein leichter Druck lag auf seiner Lunge. Aufs Neue ertönte ein leises, weit entferntes Geräusch. Doch etwas stimmte daran nicht. Es war kein Glockenschlag, sondern das letzte Aufbäumen seines sterbenden Körpers:

Ein Herzschlag.

Ein schwaches Echo aus vergangenen, besseren Tagen.

Als er das erkannte, begriff er mit einem Mal, was geschah. Er trieb nicht in einer diffusen, stetig zunehmenden Finsternis, sondern er starb.

Sein Herz hörte endgültig auf zu schlagen.

Der letzte Gedanke verlor sich im Nichts.

Und der Mann, der ihn ermordet hatte, war kein anderer als Alaska Saedelaere.

1.

Alaska Saedelaere

In die Enge

 

Ein grelles Flirren, eine kleine Explosion, und Alaska Saedelaere stürzte rückwärts.

Daran änderte auch der Schutzschirm seines SERUNS nichts, im Gegenteil – soeben war er mit dem Prallfeld kollidiert, das die Angreifer unablässig näher schoben.

Während ihre Gegner auf diese Weise Raum gewannen, verloren der Maskenträger und sein Begleiter immer mehr an Boden. Der Zwergandroide Eroin Blitzer stand direkt neben ihm; ihre Lage wurde von Augenblick zu Augenblick aussichtsloser.

Saedelaere gelang es nicht einmal mehr, wieder auf die Füße zu kommen. Die Prallfelder schlossen sich dicht unter der Decke des Korridors, der zum Schlachtfeld geworden war, zu einer Kuppel, die keinen Ausweg zuließ.

»Eroin!«, rief der Maskenträger. »Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für eines deiner kosmokratischen Wunder!«

Die dürren Finger des Zwergandroiden nestelten an einem der geheimnisvollen Kästchen, die er stets mit sich trug. Darin verbarg sich Technologie der LEUCHTKRAFT, hinter der die Kosmokraten als Teil der Hohen Mächte standen.

»Wunder vermag ich nicht zu vollbringen, Alraska.«

Selbstverständlich wusste er das, und er wollte keine Diskussion darüber beginnen, dass die Hochtechnologie der Kosmokraten oft eben doch wie ein Wunder wirkte.

Eine ganze Armee Kampfroboter rückte von allen Seiten heran. Für sie waren die Prallfelder nicht undurchdringlich. Im Gegenteil: Sie schossen, und die Salven jagten durch winzige, perfekt mit dem Feuer synchronisierte Strukturlücken.

Der SERUN versuchte sie ebenfalls auszunutzen, doch die Berechnungen lieferten keine brauchbaren Ergebnisse.

So schmetterten die Schüsse der Angreifer ungebremst in Saedelaeres Schutzschirm und in den des Zwergandroiden. Die Energien schlugen voll durch. Die Überlastung ihrer Schirme stieg kontinuierlich an und stand kurz vor dem kritischen Bereich.

Es blieb keine Sekunde zur Regeneration. Sie brauchten dringend Deckung, doch wo sollten sie diese finden? Dieser Korridor im Palast der Harmonie verlief geradeaus in beide Richtungen, bis die Kampfroboter ihn restlos ausfüllten. Selbst ohne Prallfelder gäbe es kein Vorbeikommen.

Der Zwergandroide ließ sich von ihrer aussichtslosen Lage offenbar nicht im Mindesten beeindrucken. Er arbeitete an seinem Kästchen, nahm Einstellungen vor. »Noch zehn Sekunden, dann werden wir uns wieder frei bewegen können!«

»Gut. Sofort danach verschaffen wir uns Freiraum! Wir müssen ein Versteck finden und die Roboter abhängen. Womöglich gelingt es uns, die Herzogin davon zu überzeugen, dass sie einen Fehler begeht. Du folgst mir!«

»Drei«, zählte Eroin Blitzer die letzten Augenblicke des Countdowns. »Zwei, eins. Jetzt.«

Es flirrte, und die Prallfelder der Gegner brachen zusammen, während gleichzeitig ein explosionsartiger Impuls kugelförmig von ihnen ausging.

Was immer der Zwergandroide unternommen hatte, um die Technologie ihrer Feinde gegen diese zu verwenden – Alaska Saedelaere kam es durchaus wie ein Wunder vor. Der Impuls traf die ersten Kampfroboter, die augenblicklich in der Bewegung erstarrten. So ähnlich hatte er es vor Kurzem schon einmal beobachtet, als der Angriff begann ... in seiner Suite, wo Gardeleutnant Pridon in diesem irrwitzigen Moment gerade starb, falls das nicht längst geschehen war.

Und Saedelaere konnte nichts dagegen tun, weil in letzter Konsequenz er selbst und sein Cappinfragment die Schuld daran trugen – was ihn zumindest in den Augen der Befehlshaberin dieser Bastion des Reiches der Harmonie zum Feind stempelte.

Der Maskenträger konnte der Herzogin daraus nicht einmal einen Vorwurf machen. Der Augenschein sprach gegen ihn. Es musste so wirken, als wäre er mit voller Absicht im Moment der höchsten Verzweiflung aufgetaucht und habe Pridon nur deshalb geholfen, den Palast zu finden, um dann das Vertrauen des Gardeleutnants zu missbrauchen.

Sie rannten los. Saedelaere nutzte zusätzlich den Schub seines SERUNS, raste mit dem Flugaggregat an den bewegungslosen feindlichen Robotern vorüber. Sie durften nicht wieder in die Enge gedrängt werden!

Nur – wie sollten sie weiter vorgehen?

Die Escalianer waren nicht ihre Gegner, wenn es auch ganz anders aussah. Die Lage im Palast der Harmonie war lediglich aufgrund eines Missverständnisses eskaliert. Die Herzogin musste in Saedelaere ihren Feind sehen.

Immerhin ging von seinem Cappinfragment eine Wirkung aus, die den Bewohnern schadete – sie in letzter Konsequenz sogar töten konnte, wie das traurige Beispiel von Pridon zeigte. Die Verhandlungen waren auf höchst dramatische Weise unterbrochen worden. Das Herz des Gardeleutnants war stehen geblieben, und das nur, weil Saedelaere sich in seiner Nähe aufgehalten hatte.

Saedelaere und Eroin Blitzer stürmten an den Kampfrobotern vorüber. »Wir sind nicht eure Feinde!«, schrie er, in der Hoffnung, dass die Herzogin ihn hören konnte.

Wahrscheinlich beobachteten entweder sie oder ein militärischer Anführer den Angriff; immerhin hatte sich vor Kurzem jemand über einen verborgenen Lautsprecher zu Wort gemeldet, als der spinnenbeinige Sholoubwa-Roboter zusammengebrochen war.

War der Konstrukteur Sholoubwa tatsächlich ein Roboter? Oder agierte er bloß mittels dieser Kunstgeschöpfe?

Sie stoppten an einer Abzweigung: Drei Gänge führten weiter.

Eine fiel von vornherein weg, weil er wieder in Richtung der Suite führte, die man ihm zugewiesen hatte – und damit näher zu Pridon, der sich nur erholen konnte, wenn sich Saedelaere samt seines Cappinfragments weiter entfernte. Falls eine Reanimation des Gardeleutnants nicht ohnehin längst unmöglich geworden war.

Jeder der drei Korridore bot eine völlig unterschiedliche Optik, was auf den Aktivatorträger eine verwirrende Wirkung ausübte. Die Abzweigung rechts sah aus wie ein nüchterner Metallgang, während der Gang, der geradeaus führte, wie der gediegene Flur eines interkosmischen Luxushotels wirkte. Linker Hand erinnerte die Abzweigung eher an einen unterirdischen Höhlengang in einem Felsengewölbe.

»Links«, entschied er intuitiv; vielleicht, weil das Felsgestein Abgeschiedenheit und die Möglichkeit eines Verstecks suggerierte.

Saedelaere hatte keine Ahnung, was die seltsam variable Innenoptik des Palasts zu bedeuten hatte.

»Ich bereite ein UHF-Fenster vor, das uns von hier wegbringen kann«, kündigte Eroin Blitzer an.

Diese Technologie hatte der Maskenträger schon kennengelernt; es handelte sich um eine Art Transmitteröffnung im weitesten Sinn. Wer dieses Fenster durchstieg, vermochte sich an einen anderen Ort zu versetzen; in die LEUCHTKRAFT oder in diesem Fall in das Beiboot ROTOR-G.

»Wir dürfen es aber nur benutzen, wenn keine Alternative mehr bleibt«, bestimmte Saedelaere. »Wir müssen versuchen, mit Sholoubwa zu sprechen.« Er blickte in den Korridor zurück, aus dem sie soeben geflohen waren.

Dort lag noch immer der spinnenbeinige Roboter reglos am Boden, den der Zwergandroide dank seiner Kennung als Sholoubwa identifiziert hatte; für den Terraner schien es nahezu unmöglich, dass es sich bei dieser schwächlichen Einheit um den legendären Konstrukteur handeln sollte, der möglicherweise mehr über den Verbleib der Frau Samburi Yura wusste.

Sich ihm zu nähern käme unter diesen Umständen jedoch einem aktiven Selbstmordversuch gleich; die Kampfroboter bewegten sich schon wieder. Sie schüttelten die Wirkung des Impulses ab und richteten ihre Waffen aus.

Saedelaere zündete das Flugaggregat des SERUNS. Sie hatten genug Zeit verloren. Er jagte los, in den Höhlengang hinein, unbekannten Gefilden im Palast der Harmonie entgegen.

Harmonie, dachte er. Die Realität sieht ganz anders aus.

 

*

 

»Kannst du mit dem Sholoubwa-Roboter Kontakt aufnehmen?«, fragte Saedelaere.

Der Zwergandroide raste neben ihm durch den Korridor. Unregelmäßig geformte Felswände – oder etwas, das diesen Anschein erweckte – buchteten sich zum Teil tief ein. »Negativ. Ich vermag auch nicht mehr auf Sholoubwas Systeme zuzugreifen. Er scheint ... zerstört zu sein.«

»Du hast gezögert?«

»Ich fragte mich, ob tot das passendere Wort wäre. Wenn das wirklich der Konstrukteur ist, kann es sich nicht nur um einen reinen Roboter handeln. Dann hätte er wohl auch nicht so auf die Strahlung deines Tabus reagiert.«

Als die Kampfroboter längst zum Angriff übergegangen waren, war jene spinnenbeinige Erscheinung unverhofft aufgetaucht und hatte zu vermitteln versucht. Allerdings hatte ihn die Wirkung von Saedelaeres Cappinfragment beschädigt und rasch außer Gefecht gesetzt. Er war zusammengebrochen und von einer der Kampfeinheiten achtlos zur Seite gestoßen worden.

Direkt danach hatte Eroin Blitzer mithilfe seiner Kästchen, in denen Kosmokratentechnologie steckte, auf ihn zugreifen können und seinen Namen in Erfahrung gebracht.

Die letzte Äußerung von Sholoubwa war der unsinnige Satz »Verhandlungen sind nötig, damit Einheiten geblümt« gewesen. Offenbar war es da schon zu schwerwiegenden Fehlfunktionen gekommen.

Und nun schien jede Basis für Besprechungen und friedlichen Austausch mithilfe eines Vermittlers zerstört zu sein.

Die Kampfroboter stürmten um die Ecke. Die ersten Schüsse gingen fehl und schmetterten in die Wand. In diesem Bereich wuchsen dichte rotblättrige Efeuranken auf dem Gestein.

Sofort entflammten die Pflanzen. Brennende Blätter und Ascheflocken trieben durch die Luft. Kleines Geröll rieselte zu Boden.

Saedelaere suchte nach Deckung – vergeblich, wie er augenblicklich erkannte. Von der anderen Richtung eilten weitere Kampfroboter herbei. Nur Sekunden, und die beiden Flüchtlinge würden erneut eingekesselt sein.

»Herzogin!«, schrie der Maskenträger. Er konnte nur hoffen, dass sie die Nachricht irgendwie erhielt. »Das muss nicht sein! Ich kann euch helfen, die Anomalie zu verlassen! Es gelingt mir nicht, die Wirkung meines Cappinfragmentes gezielt zu steuern oder zu beeinflussen, wie ich auch schon Pridon mitgeteilt habe! Es darf nicht ...«

Die nächsten Worte verstand er nicht einmal mehr selbst, weil die Welt vor ihm in einem Regen aus Feuer und Metall explodierte.

Eine Flammenwolke puffte auf. Mörderische Hitze ließ die Efeuranken blitzartig verschrumpeln und verkohlen. Die Blätter im Umfeld raschelten, als wollten sie sich zurückziehen und in Sicherheit bringen.

Saedelaeres Schutzschirm hielt die kochende Hölle auf, ehe sie ihn erreichen konnte. Feuerzungen leckten im Abstand von einer Armlänge kugelförmig von außen über das Schutzfeld, begleitet von blauen Überschlagsblitzen.

Als das grelle Rot erlosch und ein Großteil der Flammen verpuffte, schälte sich eine kleine Gestalt aus der gleißenden Helligkeit. Verkohlte pflanzliche Überreste tanzten inmitten energetischer Entladungen auf seinem Schutzschirm.

Eroin Blitzer starrte ihn an, die großen Augen noch mehr geweitet. »Hier entlang!« Mit diesen Worten stieg der Zwergandroide durch ein gezacktes Loch im Gestein.

Sie passierten eine Metallschicht von etwa einem Meter Dicke, die nur von einer dünnen Schicht in Felsenoptik überzogen war. Die Ränder schwelten. Kleine, glühende Trümmer regneten in die Tiefe. Eines landete auf dem Schutzschirm und verdampfte.

Blitzer empfing Saedelaere in dem Raum, der dahinterlag. »Ich habe diesen Hohlraum geortet. Eine Lagerhalle, wie ich vermute. Wir sollten uns beeilen, die Kampfroboter werden gleich hier sein. Alraska – hinterlassen wir eine Falle?«

»Tu es!«

Der kleine Commo'Dyr – ein Titel, der so viel wie »Beibootkommandant« bedeutete – legte etwas vor dem Durchbruch ab; ein nur fingernagelgroßes Kügelchen, das in dumpfem Violett schillerte. »Los jetzt!«

Sie eilten an großen Kästen und Containern vorüber.

Als sie das andere Ende des Raums erreichten, schoss Saedelaere, ohne zu zögern, auf die Tür, die in einer Explosion verging. Trümmerteile jagten nach draußen und bohrten sich in die gegenüberliegende Wand. Es war die effektivste und schnellste Methode.

»Raus hier! Wenn keine weiteren Gegner lauern, stellen wir uns energetisch tot und tauchen unter.«

Ein gezacktes Loch ermöglichte den Durchstieg. Rauch wölkte auf. Der Maskenträger rannte los. Vor möglichen Verletzungen musste ihn der SERUN schützen.

In diesem Moment drängten die ersten Kampfroboter aus dem Durchbruch.

Eroin Blitzer brachte die winzige Bombe mit einem Zündimpuls zur Explosion.

Ein greller Lichtblitz, und Trümmerteile sirrten durch die Luft. Sie krachten gegen Decke und Wände, durchschlugen einen Container neben Saedelaere. Eine dunkelgrüne Flüssigkeit schwappte heraus und platschte zischend auf den Boden. Wie Säure fraß sie sich tiefer.

Die beiden stürmten durch die Tür, hinaus in einen Korridor. Um die Überreste ihrer Verfolger kümmerten sie sich nicht. Zweifellos hatte es nicht alle erwischt.

Aber sie hatten Zeit gewonnen. Niemand war zu sehen. Weder Lebewesen noch Roboter. Saedelaere gab seinem Schutzanzug die notwendigen Befehle per Sprachsteuerung.

»SERUN verbleibt in Alarmbereitschaft. Bei Gefahr selbsttätig aktivieren. Jetzt ausschalten, keine Emissionsstrahlung zulassen!«

Sie durften nicht geortet werden. Wenn es ihnen gelang, sich energetisch totzustellen und in den Weiten des Palastes der Harmonie zu verstecken, würden sie womöglich eine Basis zu erneuter Kontaktaufnahme mit Pridon – falls dieser überlebte – oder der Herzogin finden.

Seine Hoffnung zerplatzte wie eine Seifenblase.

Schwere Einheiten stampften plötzlich wie aus dem Nichts auf sie zu. Waffensysteme richteten sich aus.

Ein Schuss. Der SERUN fuhr hoch.

Dann: eine Explosion vor ihm.

Saedelaere hörte einen Schrei. Eroin Blitzer wirbelte durch die Luft und ruderte mit den Armen. Sein Schutzschirm blieb zwar intakt und umgab ihn wie eine Blase, dennoch schlug der Zwergandroide hart auf und krachte gegen die Wand. Sein Kopf bog sich weit nach hinten.

Etwas Kleines landete einige Schritte von ihm entfernt und rutschte weiter.

Blitzer stieß einen Schrei aus, der gleichzeitig nach Schmerz als auch nach Überraschung und Entsetzen klang.

»Das Kästchen! Ich brauche es, um das UHF-Fenster zu öffnen!«

Noch während der Commo'Dyr der LEUCHTKRAFT versuchte, sich auf die Füße zu stemmen, hetzte der Maskenträger los, in Richtung des unendlich wertvollen Kästchens. Es allein sicherte ihre Flucht. Ging es verloren, saßen sie fest und würden nicht wieder entkommen können.

Die Lage war hoffnungslos.

Nur durch eines der UHF-Fenster aus Kosmokratentechnologie konnten sie den Palast verlassen und auf die ROTOR-G zurückkehren – auf sicheres Terrain ...

Saedelaere lief ungebremst gegen ein Prallfeld. Inmitten flirrender Entladungen wurde er zurückgeschleudert. Vor seinen Augen blitzte es. Der SERUN gab einen Alarmton.

Der Zwergandroide stand plötzlich neben ihm. »Nein!« In hilfloser Geste streckte er den Arm aus. Das rettende Stück Hochtechnologie lag nur einen halben Meter entfernt und doch so unendlich weit.

Das Prallfeld ließ sie nicht passieren.

»Zurück!« Saedelaere startete Punktbeschuss auf die energetische Trennwand. Energien entluden sich in sirrenden Blitzen – und wurden abgeleitet. Sie verpufften wirkungslos, während sich das Prallfeld auf die beiden Gefangenen zuschob. Es drängte sie nach hinten, weiter weg von dem Kästchen, das nicht nur Saedelaere und Eroin Blitzer die Rettung gebracht hätte, sondern auch den Bewohnern des Palastes. Solange sich der Maskenträger in ihrer Nähe aufhielt, würden die Symptome der Schmerzen bleiben und sich womöglich verschlimmern.

Gleichzeitig begann der Beschuss der angreifenden feindlichen Robot-Einheiten erneut.

Dieselbe Situation wie zuvor, schoss es Saedelaere durch den Kopf. Nur völlig verfahren. Denn der Rettungsanker, die Möglichkeit zu fliehen, war ihnen genommen worden. Vielleicht ist es sogar gut, wenn ich sterbe. Wenn das Fragment mit mir vergeht, rettet das wenigstens die Bewohner des Palastes.

Andererseits saßen sie dann in der Anomalie gefangen – denn ebenso wie Saedelaere das Verhängnis über sie brachte, war er auch der Einzige, der sie befreien und zurück in den Normalraum führen konnte.

Eine vertrackte und bizarre Situation.