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Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen
11/2018

ISSN 0379-0231

Das „Wissenschaftliche Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen“ setzt die Tradition
der „Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum“ fort.

Illustration

 

 

 

 

© 2018 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck
E-Mail: order@studienverlag.at
Internet: www.studienverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7065-5968-3

Buchgestaltung nach Entwürfen von büro54, Innsbruck
Satz und Umschlag: Studienverlag/Karin Berner
Umschlagbild: Kupferstich, um 1840. Aus: Erinnerungen an Innsbruck, verlegt bei Johann Groß in Innsbruck. TLMF, FB 95624, Bl. 9.

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at

INHALT

VORWORT
Wolfgang Meighörner

DER STAR – VOGEL DES JAHRES 2018
Ursula Grimm

TAG DER ARTENVIELFALT 2018 – TIROL/STUBAITAL
Konrad Pagitz & Peter Huemer (Wissenschaftliche Koordinatoren)

KURZE KARRIERE – GEWALTSAMER TOD
Der Innsbrucker Buchdrucker Joseph Ostermann (1804–1856)
Hansjörg Rabanser

HISTORISCHE BÖDEN IN TIROLER SAKRALBAUTEN
Vom frühmittelalterlichen Lehmboden bis zum ornamentalen Fliesenboden des Historismus
Reinhard Rampold

KLEINSÄUGER IN BARBERFALLEN IN WESTÖSTERREICH
Petra Schattanek, Peter Morass, Timo Kopf & Benjamin Wiesmair

FORUM MIGRATION
Anna Engl, Astrid Flögel, Sónia Melo, Helena Pereña & Katharina Walter

100 JAHRE REPUBLIK ÖSTERREICH
Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Migration, Flucht und Asyl
Marcel Amoser, Gerhard Hetfleisch, Dirk Rupnow, Verena Sauermann & Erol Yildiz

KOMPLEXITÄT UND VIELHEIT
Mark Terkessidis

FLUCHT ODER MIGRATION?
Notizen zu einer immer noch aktuellen Diskussion
Gerhard Hetfleisch

STAAT MACHT FREMDE
Anmerkungen zum Wandel der österreichischen „Fremden“-Politik vom sozialpartnerschaftlichen Ringen um Arbeitskräftezuwanderung der 1960er Jahre bis zum neoliberalen Marktautoritarismus der Gegenwart
Lisa Grösel

BRAIN DRAIN VS. HUMAN WORK DRAIN
Beitrag zur Geschichte der bosnischen Flüchtlinge in Österreich
Vladimir Ivanović

DIE ANDEREN GINGEN LEER AUS
Rassische Diskriminierung im österreichischen Asylsystem der Neunzigerjahre
Michael Genner

WEDER HIER NOCH DORT – NI OVDE, NI TAMO
Religiös konnotierte Social Media-Selbstdarstellungen der Generation In-Between
Eva Tamara Asboth & Silvia Nadjivan

DIE GRENZEN VERLAUFEN UNTER UNS
Warum wir die Augen nicht verschließen dürfen vor dem, was an den Grenzen passiert
Irene Pilshofer

EINMAL FLÜCHTLING – IMMER FLÜCHTLING?
Identitätszuschreibungen im Kontext Flucht
Susanne Binder

AUF DEM WEG VOM ARCHIV ZUM MUSEUM
Robert Fuchs

ÜBER DAS REPARIEREN HINAUS
Eine antirassistische Praxeologie des Kuratierens
Natalie Bayer & Mark Terkessidis

AUTORINNEN UND AUTOREN

VORWORT

Mit dem Forum Migration haben die Tiroler Landesmuseen als Abschluss eines seit 2014 dauernden, mehrjährigen Zyklus von Veranstaltungen, Angeboten und Ausstellungen viele Facetten dieses hochaktuellen Themas gezeigt. In Kooperation mit vielen (migrantischen) Vereinen und Institutionen wie der Universität, dem ZeMiT und dem Land Tirol sowie unter Einbeziehung verschiedener sozialer Gruppen wurden die unterschiedlichsten Aspekte des Fremd-Seins und des Heimatbegriffs, der Zuwanderung und der Integration, aber auch der Separierung beleuchtet. Die einmonatige Öffnung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum als Forum belegte mit seiner durchaus bewusst nicht-musealen Präsentation, dass die Fokussierung auf aktuelle Themen ein wichtiger Ansatz für moderne Museumsarbeit sein kann, ja muss. Und so war es nur folgerichtig, dass sich auch eine Tagung unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten dieses Themas annahm, deren Ergebnisse hier publiziert werden. Die Koordination des Gesamtprojekts hielten Anna Engl, _Astrid Flögel, Helena Pereña und Katharina Walter in Händen. Seitens des ZeMiT war vor allem Sònia Melo wesentlich beteiligt. Für die Organisation der Tagung waren Marcel Amoser, Gerhard Hetfleisch, Dirk Rupnow, Verena Sauermann und Erol Yildiz verantwortlich. Ihnen allen sind wir ebenso zu Dank verpflichtet wie den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die dazu beitrugen.

Aber wie schon in den vorhergehenden Jahren haben natürlich auch „klassische“ Forschungsergebnisse Eingang gefunden in das diesjährige Wissenschaftliche Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen. Naturwissenschaftliche Ergebnisse und Erkenntnisse wie die schon traditionellen Erhebungen zum GEO-Tag der Artenvielfalt ebenso wie bauhistorische Untersuchungen oder eine Miszelle zur Geschichte eines Buchdruckers aus Innsbruck. Wie immer waren Forscherinnen und Forscher aus den Landesmuseen, aber auch von außerhalb dafür tätig.

Den Autorinnen und Autoren ist an erster Stelle für ihre Forschungsarbeit und für die termingerechte Fertigstellung der Texte zu danken. Zu danken ist dieses Jahr aber auch und besonders Ellen Hastaba, die seit 2008 die häufig unbeobachtete Kärrner-Arbeit des Lektorats und der Koordination zwischen Verlag und den TLM, aber auch zwischen den Autorinnen und Autoren erbracht hat. Zuverlässig, mit einer schon fast sprichwörtlichen Präzision und regelmäßig unter Hintanstellung eigener Bedürfnisse hat sie die Aufgaben erledigt und damit wesentlich zum Erfolg dieser wissenschaftlichen Plattform beigetragen. Anerkennung und Respekt, aber vor allem ein tiefempfundener Dank seien hier auch im Namen der vielen betreuten Autorinnen und Autoren und des Verlags abgestattet! Ihr folgt nun Isabel Schuler nach. Sie wird diese Aufgabe ebenfalls erfolgreich schultern und so den künftigen Erfolg des Wissenschaftlichen Jahrbuchs der Tiroler Landesmuseen mit sicherstellen.

Wolfgang Meighörner

DER STAR – VOGEL DES JAHRES 2018

Ursula Grimm

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Abb. 1: Dermoplastik eines Stars (Sturnus vulgaris) in typischer Singstellung. Foto: Stefan Heim (TLM).

ABSTRACT

The Common Starling (Sturnus vulgaris) was elected “bird of the year“ in 2018. Its phenology, behaviour and distribution are described. Furthermore the situation of this species in Austria (Tyrol) and the reasons for its decline are considered.

EINLEITUNG

Jedes Jahr wird von diversen Naturschutzorganisationen eine Vogelart als „Vogel des Jahres“ gekürt. Ziel ist es, diese Arten genauer zu betrachten und ihre Bekanntheit zu steigern, gegebenenfalls auch auf ihre Gefährdung aufmerksam zu machen. Im Jahr 2018 fiel die Wahl auf den Star (Sturnus vulgaris). Eine „Allerweltsart“ einerseits – könnte man meinen –, andererseits ist der Star in Tirol gar nicht (mehr) so häufig. Seine Biologie, Verbreitung und Bestand sollen hier näher betrachtet werden.

BIOLOGIE

Das Gefieder schimmert im Brutkleid violett und grün, speziell die Männchen weisen dann einen intensiven Metallglanz auf. Der Schnabel ist kräftig und zur Brutzeit gelb gefärbt, bei den Männchen ist der Unterschnabel an der Basis blau. Im Schlichtkleid (Gefieder außerhalb der Brutzeit) zeigen Stare eine typische Fleckung, da die Federspitzen in der Zeit weiß sind; man spricht vom „Perlstar“. Im Jugendkleid trägt der Star ein graubraunes Gefieder und der Schnabel ist (wie auch sonst außerhalb der Brutzeit) dunkel.

Beim Gesang spreizt der Star die Flügel ab, man kann die Tiere dann oft schon an der typischen Haltung erkennen.

Auch die Weibchen singen, was bei den Vögeln selten ist. Der Star ist ein Gesangskünstler und Meister im Imitieren, jedes Männchen kann 15–20 fremde Töne in den Gesang einbauen (NEMETH 2018).

Als Höhlenbrüter nistet er meist in Baumhöhlen, deren Verfügbarkeit für den Star ein limitierender Faktor sein kann. Allerdings hat der Star sich an die zunehmende Urbanisierung angepasst und brütet auch an Gebäuden oder in Nistkästen. Er besetzt kein großes Revier, nur der unmittelbare Bereich um die Bruthöhle wird verteidigt. So kommt es, dass Stare häufig eng nebeneinander brüten. Stare leben oft polygam, ein Männchen kann mit mehreren Weibchen verpaart sein – eine Strategie, um möglichst viele Nachkommen aufzuziehen. Auch für die Weibchen kann es sich lohnen, sich mit einem – bereits vergebenen – Star zu verpaaren, wenn er über die nötigen Ressourcen (Bruthöhlen) verfügt. Das Nahrungsspektrum ändert sich im Jahresverlauf. Im Frühling erfolgt die Nahrungssuche hauptsächlich am Boden, es werden verschiedene Kleintiere (Würmer, Insektenlarven, …) aufgenommen und an die Jungen verfüttert. Dafür werden offene, kurzrasige Flächen in der Nähe der Bruthöhlen genutzt. Im Sommer und Herbst werden z. B. Kirschen und Weintrauben gefressen. Zu dieser Zeit sammeln sich Stare oft in Schwärmen, um gemeinsam auf Nahrungssuche zu gehen. Dieses Schwarmbildungsverhalten ist eine Besonderheit beim Star. Jeder Vogel orientiert sich dabei an seinen Nachbarn und folgt ihnen, ohne dass sich die Individuen zu nahe kommen. Vermutlich dient der Flug im Schwarm dazu, Greifvögel zu verwirren, und erhöht damit die Sicherheit (SCHÄFFER 2011, STICKROTH 2018).

Außerdem sammeln sich die Vögel in der Zeit der Wanderung zum gemeinsamen Übernachten besonders März und Anfang April sowie Juli bis Oktober. Derartige Schlafplatzgemeinschaften können 100.000 Individuen umfassen.

VERBREITUNG UND BESTAND

Der Star ist heute beinahe weltweit verbreitet, nicht nur in Gesamteuropa (mit Ausnahme von Südspanien), sondern auch in Südafrika, Nordamerika und Australien (wo er eingeführt worden ist).

Der Star war nicht immer so weit verbreitet, es gibt Angaben aus dem 17. und 18. Jahrhundert, dass dem Star spezielle Nistkästen (sogenannte „Starenkästen“) angeboten worden sind. Allerdings dienten diese nicht immer seinem Schutz.

Es war üblich, die Kästen von der Rückseite zu öffnen und die Jungvögel zum Verzehr zu entnehmen (STRESEMANN 1948). Dann gab es Jahre der Massenvermehrung durch Erhöhung der Populationsdichten, das besiedelte Areal wurde nach Norden ausgedehnt (HÖLZINGER 1997).

Der Star ist mit derzeit mehr als 100.000 Brutpaaren einer der am häufigsten vorkommenden Vögel in Österreich (KARNER-RANNER 2018). Das Hauptvorkommen ist hierzulande allerdings im Alpenvorland. In Tirol ist der Star weit verbreitet, kommt aber in geringer Individuenzahl vor. Typische Lebensräume sind wiesenreiche, halboffene Landschaften wie z. B. Obstwiesen, Parks, Gärten oder grenzlinienreiche laubdominierte Wälder (z. B. Auwälder). In den 1930er Jahren beschränkte sich die Verbreitung in Tirol auf das Inntal bis in Höhen von 800 m (WALDE & NEUGEBAUER 1936). Seit den 1960er Jahren erfolgte eine Ausbreitung, in den Alpentälern wurden immer höhere Lagen besiedelt (GSTADER 1973).

Seit einigen Jahren gehen die Bestände zurück. In Deutschland verlor der Star innerhalb von 12 Jahren 42 Prozent des Brutbestandes und somit fast 2,6 Millionen Brutpaare. Auch in Westösterreich gibt es Bestandsrückgänge, die Vorkommen im Alpenraum beginnen auszudünnen. In manchen Tälern ist der Star nicht mehr Brutvogel (Zwischenergebnis des aktuellen Brutvogelatlas).

GEFÄHRDUNGSURSACHEN

Ursachen für die Gefährdung sind Änderungen in der Landwirtschaft bzw. der Bewirtschaftung und damit einhergehender Lebensraumverlust. Brutbäume gibt es immer weniger und Bruten an Gebäuden werden durch Sanierungsmaßnahmen und zunehmende Versiegelung erschwert (STICKROTH 2018). Außerdem gibt es negative Auswirkungen durch die Schadstoffbelastung (Biozide) in Obstplantagen, auf Wiesen und Weiden. Weitere Gefährdungsursachen sind Störung durch den Menschen und Unfälle (Verkehr, Glasanflüge; MORITZ & BACHLER 2001).

ROSENSTAR

Außer dem „Gemeinen“ Star (Sturnus vulgaris) kommt in Österreich noch der Rosenstar (Pastor roseus) vor. In den meisten Jahren gibt es Ende Mai/Anfang Juni etwa eine Handvoll Rosenstar-Meldungen in Österreich (vorwiegend im Osten und Süden des Landes). 2018 fand ein besonders großer Einflug dieser Art statt (www.ornitho.at; Zugriff: 5.6.2018). Auch in Tirol wurden in diesem Jahr Rosenstare bei Telfs gesehen (mündliche Mitteilung von P. Mösinger).

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Abb. 2: Dermoplastik eines fliegenden Stars (Sturnus vulgaris). Foto: Stefan Heim (TLM).

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Abb. 3: Rosenstar (Pastor roseus). Historische Dermoplastik. Foto: Stefan Heim (TLM).

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Abb. 4: Blaurohrglanzstar (Lamprotornis chalybaeus). Dermoplastik aus der Sammlung Kranebitter. Foto: Stefan Heim (TLM).

DER STAR IN DEN TIROLER LANDESMUSEEN

Im Biooffice-Programm werden Beobachtungen, Belege (Präparate …) jeweils mit Fundort, Datum, Sammler/Beobachter, Bestimmer, … erfasst. Die Datenbankabfrage (Biooffice Stand 11.7.18) ergibt 1430 Einträge den Star betreffend. Davon sind 1240 Beobachtungen, 25 Literaturangaben und 12 Belege. Ein Großteil der Beobachtungen (1417) betrifft Tirol. Meist wurden einzelne Tiere gemeldet, aber auch Trupps in verschiedener Größe (Maximum waren geschätzte 900 Tiere in einem Schwarm im Frühling 1971). Im Sammlungs- und Forschungszentrum in Hall gibt es etliche Präparate von Staren. Einige Dermoplastiken zeigen den Vogel fliegend, andere auf Zweigen sitzend. Unter den Balgpräparaten finden sich auch zwei von exotischen Staren: ein Weißwangenstar (Sturnus cineraceus) aus Japan und ein Schwarzhalsstar (Gracupica nigricollis) aus China. Eine weitere Besonderheit ist die Dermoplastik eines Blaurohrglanzstars (Lamprotornis chalybaeus) aus der Sammlung Kranebitter. Dieser Vogel wurde in Osttirol, Assling gefunden (vermutlich ein Vogel aus Käfighaltung; HEINRICHER 1986). Außerdem ist der Rosenstar (Pastor roseus) vertreten. Neuzugang im Jahr 2018 ist ein Hirtenmaina (Acridotheres tristis) aus der Schulsammlung der Sillgasse.

LITERATUR

Gstader, W. (1973): Jahresdynamik der Avifauna des südwestlichen Innsbrucker Mittelgebirges. Monticola 3, Sonderheft: 68 S.

Heinricher, A. (1986): Zur Vogelwelt Osttirols. Carinthia II. 176./96. Jg., S. 121–124.

Hölzinger, J. (1997): Die Vögel Baden-Württembergs. Singvögel 2. Stuttgart, 939 S.

Karner-Ranner, E. (2018): Star – Vogel des Jahres 2018. Vogelschutz in Österreich 44, S. 4.

Moritz, D. & Bachler, A. (2001): Die Brutvögel Osttirols. Lienz, 277 S.

Nemeth, E. (2018): Star – Gesangskünstler und Covervogel. Vogelschutz in Österreich 44, S. 6–7.

Schäffer, A. (2011): Gesangskünstler und Schwarmflieger: Star. Der Falke. 58. Jg., S. 297–299.

Stickroth, H. (2018): Der Star – Jahresvogel mit Attitüde. Der Falke 65. Jg. Nr. 1, S. 7–15.

Stresemann, E. (1948): Geschichte des Starenkastens. Der Ornithologische Beobachter. 45. Jg., S. 169–179.

Walde, K. & Neugebauer, H. (1936): Tiroler Vogelbuch. Innsbruck, 248 S.

TAG DER ARTENVIELFALT 2018 – TIROL/STUBAITAL

Konrad Pagitz & Peter Huemer (Wissenschafliche Koordinatoren)

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Abb. 1: Telfer Wiesen. Foto: R. Mühlthaler.

ABSTRACT

The „Tag der Artenvielfalt“ 2018 took place in the Stubai Valley in the southeast of the Tyrolean capital Innsbruck (Austria). In course of this event 992 different taxa have been found. This number consists of 499 tracheophytes, 333 animal species, 99 lichens and 61 mushrooms and slime moulds. The animal-taxa cover butterflies and moths (254), birds (53), mammals (24) and amphibians and reptiles (2). Most remarkable findings are the butterfly Boloria eunomia, the muschroom Geastrum miniatum or the tracheophytes Trientalis europaea and Trifolium saxatile.

ZUSAMMENFASSUNG

Der Tiroler Geotag 2018 fand im Stubaital südwestlich von Innsbruck statt. Im Zuge der Erhebungen konnten 992 Taxa gefunden werden. Knapp mehr als die Hälfte (499) entfallen auf Gefäßpflanzen, 333 auf Tiere, 99 auf Flechten und 61 auf Pilze und Schleimpilze. Die Tierarten setzen sich aus Schmetterlingen (254), Vögeln (53), Säugern (24) sowie Amphibien und Reptilien (je 1) zusammen. Zu den bemerkenswertesten Funden zählen Randring-Perlmutterfalter (Boloria eunomia), Zwerg-Erdstern (Geastrum miniatum) oder Siebenstern (Trientalis europaea) und Felsen-Klee (Trifolium saxatile).

1. EINLEITUNG

Andreas Jedinger

Der Tag der Artenvielfalt

ist sehr vielgestalt‘!

Von Insekten, Vögeln bis zu den Blüten

kann sich nichts vor den Experten hüten,

weil sie es fangen, jagen und fotografieren,

und dabei niemals sehr viel Zeit verlieren.

Ja, der Tag der Artenvielfalt

ist wahrhaft vielgestalt‘!

Alexander Legniti, Telfes, 7. Juli 2018

1999 hat das Magazin „GEO“ den Geo-Tag der Artenvielfalt ins Leben gerufen, mit dem Ziel in 24 Stunden möglichst viele Lebewesen in einem vorgegebenen Raum zu entdecken und zu bestimmen. 2016 benannte die Zeitschrift ihre Aktion in „Geo-Tag der Natur“ um. In Tirol ist der Verein „Artenvielfalt“ seit 2005 der Träger der Aktion und daher wurde von den Vereinsgremien beschlossen, den Begriff „Artenvielfalt“ im Titel zu behalten und die künftigen Veranstaltungen unter dem Motto „Tag der Artenvielfalt“ abzuhalten – so ist die hier beschriebene Aktion erstmals der „Tag der Artenvielfalt“ geworden. Die Zusammenarbeit des Vereins „Artenvielfalt“ mit dem Magazin „GEO“ beruhte insbesondere auf den zwei Tiroler „Hauptaktionen“ 2004 (Brennerachse) und 2013 (Nationalpark Hohe Tauern) sowie der Ausrichtung der gemeinsamen Veranstaltungen aller Nationalparke Österreichs im Biodiversitätsjahr 2010. In Tirol wurden darüber hinaus bisher folgende Gebiete untersucht: 2005 Naturpark Kaunergrat, 2006 Kaisergebirge/Schwemm, 2007 Naturpark Ötztal, 2008 Naturpark Karwendel, 2009 Naturpark Zillertal, 2010 Naturpark Tiroler Lech, 2011 Naturpark Karwendel, 2012 „Entlang des Inn“, 2014 Naturpark Kaunergrat, 2015 Valsertal, 2016 Thiersee und 2017 Innsbruck „An der Nordkette“.

Bereits im Vorfeld der Expertentage im Stubaital wurden mit den Kindern der Volksschule Telfes die Telfer Wiesen besucht. Dank der Unterstützung des Alpenvereins Stubai und des Vereins „natopia“ konnten 40 SchülerInnen mit Begleitung der ExpertInnen Dr. Barbara Knoflach-Thaler, Mag. Eberhard Steiner und Mag. Gregor Degasperi sich mit Spinnen, Käfern und Pilzen näher vertraut machen. Besonders die „kleine zierliche Dame mit ihren Spinnen“, so eine Schülerin, „hat mich komplett fasziniert“. Durch die naturpädagogische Aufbereitung von Mag. Klaus Auffinger (Schutzgebietsbetreuung) wurde der unmittelbare Naturzugang und vor allem die Freude am Entdecken, Beobachten und Erforschen der Lebewesen ausgezeichnet erreicht.

Nach einer Erhebung direkt im Gelände wurden in der Schule in Kleingruppen die einzelnen Gruppen näher betrachtet und von den ExpertInnen erklärt. Die Einbindung des möglichen ExpertInnen-Nachwuchs kann nicht früh genug erfolgen!

Für die naturkundlichen Erhebungen am 6. und 7. Juli konnten, wie in den Vorjahren, wieder über 80 ExpertInnen begrüßt werden. Der erfreuliche Trend, dass vermehrt jüngere ExpertInnen an der Aktion teilnehmen, bestätigte sich auch 2018 im Stubaital wieder. Die seit mehreren Jahren angestrebte Einbindung der Tiroler NaturführerInnen und NaturpädagogInnen in Form eines Fortbildungsmodules konnte erneut erfolgreich umgesetzt werden. Aus Sicht der Organisatoren ist der Dank für die ehrenamtliche Tätigkeit der ExpertInnen, deren Engagement für die Natur und den Naturschutz hier deutlich sichtbar wird, an erster Stelle anzuführen. Darüber hinaus wäre die Tiroler Aktion ohne die vielen Partnerorganisationen, angeführt von der Universität Innsbruck und den Tiroler Landesmuseen, in dieser Art nicht durchführbar. Ein besonderes Dankeschön gilt seit Anfang an der Abteilung Umweltschutz des Landes Tirol, die auch heuer wieder die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt hat. Das Team der Schutzgebietsbetreuung ermöglichte viel, von der Untersuchungsraumauswahl angefangen bis hin zum Abschlussbuffet. „Last but not least“ wurde auch die Aktion 2018 durch Hilfe unserer „guten Seele“, Christa Eberle, wieder ein großer Erfolg.

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Abb. 2: Übersicht der Untersuchungsräume (AMT DER TIROLER LANDESREGIERUNG, ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ 2018).

2. UNTERSUCHUNGSRÄUME – ÜBERSICHT

Die angegebenen Koordinaten entsprechen ca. dem zentralen Bereich der Untersuchungsflächen. Bei sehr ausgedehnten bzw. gestreckten Flächen sind die Endpunkte angegeben. Details können der Homepage der Plattform Artenvielfalt (http://www.arten-vielfalt.at/home/) entnommen werden. Die Bezeichnung der Untersuchungsräume bei der Darstellung der einzelnen Organismengruppen (Tabellen) entspricht unten angeführter Nummerierung. Abweichende Standorte werden jeweils eigens angeführt.

UR 1: Telfer Wiesen

UR 2: Eulenwiesen

UR 3: Pfarrach Alm

3. ERGEBNISSE

Distelblüten

Die Distelblütenkissen

lassen nie Insekten missen,

egal ob Käfer, Biene oder Schmetterling,

ob Fliege oder sonst ein Flügelding.

Hier reicht man sich ganz elitär

die Rüssel und die Lippen;

es ist ja auch nicht schwer,

hier süßen Blütensaft zu nippen.

Alexander Legniti, Innsbruck, 9. Juli 2018

Schmetterlinge (Lepidoptera)

Peter Huemer & Benjamin Wiesmair

unter Mitarbeit von Wolfgang Bacher, Karel Cerny, Peter Fleischmann, Raimund Franz, Theo Grünewald, Lilli Hassler, Eva Hengsberger, Benjamin Krainer, Bernhard May, Walter Michaeler, Alfred Otter, Sven Plattner, Bernhard Plössl, Birgit Reininger, Johannes Rüdisser, Hannah Schattanek, Nina Schattanek, Petra Schattanek, Michael Schwarm & Manfred Tschinder

Seit mehr als 100 Jahren wird im Stubaital nach Schmetterlingen gesucht, und Teile des Untersuchungsgebietes, vor allem die Telfer Wiesen, zählen zu den klassischen Sammelplätzen der alten Innsbrucker Entomologenrunde. Trotzdem, und vielleicht auch gerade deshalb, war das Interesse vieler Schmetterlingsforscher am Tag der Artenvielfalt teilzunehmen ungebrochen groß.

Leider war das Wetter vor allem für die Nachtbeprobungen am 6. Juli ausgesprochen kühl und feucht und daher wenig geeignet. Teile des Kollegiums nutzten daher die ebenfalls frische, aber zumindest trockene Folgenacht für nochmalige Beprobungen. Obwohl somit die Erfassungsperiode etwas länger als 24 Stunden angedauert hat, werden diese Daten sinnvollerweise mit berücksichtigt.

Insgesamt konnten trotz der ungünstigen Witterung beachtliche 254 Schmetterlingsarten aus 40 Familien nachgewiesen werden, im UR 1 (Telfer Wiesen) 175 Arten, im UR 2 (Eulenwiesen, Gleinser Mähder) 139 Arten und im marginal beprobten UR 3 (Pfarrachalm) 14 Arten.

Die tatsächliche Diversität in den einzelnen Untersuchungsräumen ist zweifellos viel höher, trotzdem geben die Funde bereits einen ersten Einblick in die naturschutzfachlich hohe Wertigkeit einiger Fundgebiete.

Besonders herausragend sind die Ergebnisse aus dem Bereich der Eulenwiesen/Gleinser Mähder. Hier wurde vor allem tagsüber intensiv geforscht, mit einer Fülle an interessanten und sehr lokal verbreiteten Tagfaltern. Neben typischen Hochmoorarten wie dem Hochmoor-Gelbling (Colias palaeno) und dem Hochmoor-Bläuling (Agriades optilete) konnten auch mehrere höchst seltene Niedermoorarten nachgewiesen werden.

Besonders interessant erscheint das hoch gelegene Vorkommen des Randring-Perlmutterfalters (Boloria eunomia). In den Telfer Wiesen wurde zwar die höchste Artenzahl erreicht, interessante Funde beschränken sich jedoch weitgehend auf die relativ wenigen noch extensiv genutzten Wiesen sowie Waldbiotope.

Tab. 1: Liste der nachgewiesenen Schmetterlingsarten (Lepidoptera).

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Abb. 3: Der Randring-Perlmutterfalter ist eine der Top-Raritäten der Telfer Wiesen. Foto P. Buchner (TLM).

Amphibien (Amphibia) und Reptilien (Reptilia)

Carsten Löw

Tab. 2: Liste der nachgewiesenen Amphibien und Reptilienarten (Amphibia und Reptilia).

Taxon

UR 1

Amphibia

 

Bufo bufo, Erdkröte

x

Reptilia

 

Anguis fragilis, Blindschleiche

x

Vögel (Aves)

Ursula Grimm

unter Mitarbeit von Sylvia Auer, Wolfgang Auer, Katharina Bergmüller, Andreas Danzl, Gabriele Hobart, Brigitte Kranzl, Carsten Löb, Patrick Mösinger, Daniela Pöll, Birgit Reininger & Eberhard Steiner

In der Liste sind die nachgewiesenen Vogelarten nach SVENSSON (2011) angeführt und angegeben, in welchen Untersuchungsräumen sie zu finden waren.

Bei den Telfer Wiesen (UR 1) konnten 41 Arten nachgewiesen werden. Einige Vögel waren mit ihrem Nachwuchs unterwegs oder beim Brüten (Kohlmeise, Blaumeise, Hausrotschwanz). Darüber hinaus wurden auch mehrere Neuntöter (z. T. mit Jungen) gesichtet. Den Namen trägt dieser „Würger“ wegen seiner Eigenart, Beutetiere als Vorrat auf Dornen aufzuspießen. Der Neuntöter ist eine typische Art für offenes Gelände mit Baum- und Gebüschgruppen (PANOW 1983). Interessante Arten für dieses Gebiet sind auch Baumpieper und Waldschnepfe. Die Sperlingskäuze (Glaucidium passerinum), die eine Woche vor dem Tag der Artenvielfalt im Bereich der Telfer Wiesen gesehen worden sind, konnten leider nicht nachgewiesen werden.

Im UR 2 (Eulenwiesen) konnten 35 Arten festgestellt werden. Darunter waren zwei Spechtarten (Schwarzspecht und Buntspecht). Vom Vorkommen von Spechten profitieren z. B. Eulen (Waldkauz, Sperlingskauz, Rauhfußkauz), da sie alte Spechthöhlen als Brutplätze nutzen können. Außerdem wurden etliche Fichtenkreuzschnäbel, ebenfalls typisch für dieses Habitat, gesehen. Es war ein außergewöhnlich großer Trupp von über 20 Schwanzmeisen, davon mindestens ein Jungvogel, unterwegs. Bei der Fahrt zu den Gleinser Höfen wurde ein Haselhuhn gesehen.

Insgesamt konnten 53 Vogelarten nachgewiesen werden. Ein gutes Ergebnis, zumal die Pfarrach Alm (UR 3) nicht untersucht worden ist. Hier wären wahrscheinlich noch einige „alpine“ Arten (z. B. Steinschmätzer, Alpenbraunelle, Alpendohle) zu finden gewesen.

Nach schriftlicher Mitteilung von Carsten Löb wurde im UR 1 bereits eine Woche vor dem Tag der Artenvielfalt der Sperlingskauz (Glaucidium passerinum) mit mindestens vier Jungen gesichtet.

Tab. 3: Liste der nachgewiesenen Vogelarten (Aves).

Taxon

UR 1

UR 2

Tetrastes bonasia, Haselhuhn

 

x

Buteo buteo, Mäusebussard

x

 

Falco tinnunculus, Turmfalke

 

x

Scolopax rusticola, Waldschnepfe

x

 

Columba palumbus, Ringeltaube

x

 

Cuculus canorus, Kuckuck

 

x

Apus apus, Mauersegler

x

 

Dryocopus martius, Schwarzspecht

 

x

Dendrocopos major, Buntspecht

x

x

Ptyonoprogne rupestris, Felsenschwalbe

x

 

Hirundo rustica, Rauchschwalbe

x

 

Anthus trivialis, Baumpieper

x

x

Motacilla alba, Bachstelze

x

x

Prunella modularis, Heckenbraunelle

 

x

Erithacus rubecula, Rotkehlchen

x

x

Phoenicurus ochruros, Hausrotschwanz

x

x

Turdus philomelos, Singdrossel

x

x

Turdus viscivorus, Misteldrossel

x

 

Turdus pilaris, Wacholderdrossel

x

 

Turdus merula, Amsel

x

x

Sylvia atricapilla, Mönchsgrasmücke

x

x

Sylvia curruca, Klappergrasmücke

 

x

Phylloscopus bonelli, Berglaubsänger

x

x

Phylloscopus collybita, Zilpzalp

x

x

Regulus regulus, Wintergoldhähnchen

x

x

Regulus ignicapilla, Sommergoldhähnchen

 

x

Troglodytes troglodytes, Zaunkönig

x

x

Muscicapa striata, Grauschnäpper

 

x

Parus major, Kohlmeise

x

x

Periparus ater, Tannenmeise

x

x

Cyanistes caeruleus, Blaumeise

x

x

Lophophanes cristatus, Haubenmeise

x

x

Poecile montanus, Weidenmeise

x

x

Aegithalos caudatus, Schwanzmeise

 

x

Sitta europaea, Kleiber

x

 

Certhia familiaris, Waldbaumläufer

x

 

Lanius collurio, Neuntöter

x

 

Pica pica, Elster

x

 

Garrulus glandarius, Eichelhäher

x

 

Nucifraga caryocatactes, Tannenhäher

 

x

Corvus corone, Rabenkrähe

x

x

Corvus corax, Kolkrabe

 

x

Passer domesticus, Haussperling

x

 

Passer montanus, Feldsperling

x

 

Fringilla coelebs, Buchnk

x

x

Carduelis cannabina, Bluthänfling

 

x

Carduelis carduelis, Stieglitz

x

x

Carduelis chloris, Grünnk

x

 

Carduelis spinus, Erlenzeisig

 

x

Pyrrhula pyrrhula, Gimpel

x

x

Coccothraustes coccothraustes, Kernbeißer

 

x

Fledermäuse (Microchiroptera)

Gabriele Hobart

Fledermäuse wurden mit Hilfe des Fledermausdetektors Echo Touch Meter 2 Pro erfasst und die Sonogramme abgeglichen.

Die Erhebungen fanden am 6. Juli 2018 zwischen 21:45 und 23:45 Uhr im UR 1 statt, am folgenden Abend von 22:00 bis 0:30 Uhr im UR 2.

Tab. 4: Liste der nachgewiesenen Fledermausarten (Microchiroptera).

Taxon

UR 1

UR 2

Eptesicus nilssonii, Nordfledermaus

x

x

Eptesicus serotinus, Breitflügelfledermaus

x

 

Myotis bechsteinii, Bechsteinfledermaus

x

 

Myotis brandti, Große Bartfledermaus

x

x

Myotis daubentonii, Wasserfledermaus

x

 

Myotis emarginatus, Wimpernfledermaus

 

x

Myotis mystacinus, Kleine Bartfledermaus

x

x

Myotis nattereri, Fransenfledermaus

 

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Nyctalus leisleri, Kleinabendsegler

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Nyctalus noctula, Großer Abendsegler

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Pipistrellus kuhlii, Weißrandfledermaus

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Pipistrellus nathusii, Rauhautfledermaus

 

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Pipistrellus pipistrellus, Zwergfledermaus

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Vespertilio murinus, Zweifarbfledermaus

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Säugetiere (Mammalia) (excl. Fledermäuse)

Carsten Löb

unter Mitarbeit von Wolfgang Auer,

Petra Schattanek & Sophie Riccabona

Die Artenliste aus dem UR 1 (Telfer Wiesen) umfasst mindestens zehn Arten. Der Nachweis des Dachses gilt als wahrscheinlich, evtl. ist noch eine weitere Apodemus-Art zu ergänzen. Aus den weiteren Untersuchungsräumen gibt es keine Befunde. Dort wäre die Fragestellung gewesen, inwiefern Birkenmaus, Tiroler Baumschläfer und Baummarder vorkommen.

Methoden: Wildkameras (sieben Nächte), Lebendfallen für Kleinsäuger (fünf Fänge gesamt), Anwesenheitszeichen (Trittsiegel, Bauten, Losung, etc.), Sichtungen und Totfunde.

Diskussion: In der Kürze der Zeit konnten leider keine Lebendfallen für Pilche sowie für Spitzmäuse ausgebracht werden. Insbesondere wäre spannend gewesen zu wissen, ob die Haselmaus nachgewiesen werden kann. Es handelt sich vermutlich um ein gutes Habitat für das Hermelin. Interessant wäre auch zu erfassen, ob das Mauswiesel im Untersuchungsraum vorkommt und wie hoch die Dichte der beiden Wieselarten in diesem Lebensraum ist.

Tab. 5: Liste der nachgewiesenen Säugetierarten (Mammalia) (exkl. Fledermäuse), alle UR 1.

Taxon

Bemerkung

Apodemus Arten
Waldmaus
Gelbhalsmaus
Alpenwaldmaus

Apodemus sylvaticus
Apodemus flavicollis
Apodemus alpicola

3 Fänge, 1 Fang konnte als Gelbhalsmaus speziziert werden

Braunbrustigel

Erinaceus europaeus

Totfund im Siedlungsbereich Telfes

Eichhörnchen

Sciurus vulgaris

Wildkamera (WK) und Fraßspuren

Europäischer Maulwurf

Talpa europaea

indirekt: Maulwurfshügel

Feldhase

Lepus europaeus

Sichtung, Losung

Mustelidae, Marderartige
Steinmarder
Hermelin
Dachs

Martes foina
Mustela erminea
Meles meles

5 (!) Nachweise WK
Sichtung
Indirekt: Grabspur in Wiese mit undeutlichem Trittsiegel

Reh

Capreolus capreolus

div. Sichtungen, WK div. Aufnahmen, Losungen

Rötelmaus

Myodes glareolus

2 Fänge

Rotfuchs

Vulpes vulpes

3 Nachweise WK

Rothirsch

Cervus elaphus

Abwurfstange Spießer, Losung vereinzelt sowie Trittsiegel

Fungi und Myxomyceten (Pilze und Schleimpilze)

Eberhard Steiner

unter Mitarbeit von Caecilia Lechner-Pagitz,

Hannes Kautzky & Konrad Pagitz

Auch 2018 konnte im Untersuchungsgebiet ein Artenspektrum beobachtet werden, das zum Großteil der Jahreszeit, dem Witterungsverlauf und den Standortbedingungen entspricht. Interessant: Viele Vertreter der Rostpilze, die sonst typisch für Juni/Juli wären, fehlten. Drei der beliebtesten Arten von Speisepilzen hingegen waren, für Anfang Juli nicht ungewöhnlich, bereits anzutreffen: Pfifferling (Cantharellus cibarius, sehr zahlreich), Riesen-Schirmling (Macrolepiota procera) und Wiesel-Täubling (Russula mustelina). Als Einschränkung ist wiederum zu erwähnen, dass wie hier bei einer einzelnen Begehung im Gelände eine umfassende Kartierung möglichst aller vorhandenen Arten unter anderem zeitlich nicht möglich ist. Beispielsweise alleine eine genauere Erhebung vieler kleiner Ascomyceten-Arten wäre zeitaufwendiger, als es in diesem Rahmen möglich wäre. Eine solche umfassende Kartierung war hier auch nicht das Ziel, sondern vielmehr ein, in diesem Rahmen sehr wohl möglicher, Einblick in die vorhandene Pilzvielfalt. Die vorliegende Artenliste verschafft also einen guten ersten Eindruck, mit vielen der häufigeren, standorttypischen und/oder auffälligen Arten. Zu den bemerkenswerten Funden zählen Geastrum minimum (leg. Pagitz & Lechner-Pagitz) mit bisher zwei Einträgen für Tirol und Spathularia neesii mit einem knappen Dutzend Fundorten in Österreich laut der Datenbank der Pilze Österreichs (http://austria.mykodata.net/). Ebenso erwähnenswert als Indikatoren für nährstoffarme „Wiesen“ und immer wieder schön: drei Arten von Saftlingen.

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Abb. 4: Riesenschirmling (Macrolepiota procera) in den Eulenwiesen (UR 2). Foto: R. Mühlthaler.

Tab. 6: Liste der nachgewiesenen Pilze und Schleimpilze (Fungi und Myxomyceten).

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Flechten (Lichenes)

Roman Türk

Im Zuge einer sechsstündigen Begehung wurden im Untersuchungsgebiet Gleins, Eulenwiesen, 98 Flechten und eine den Flechten sehr nahe stehende Art, nämlich Tromera resinae, festgestellt. Den Hauptteil der aufgefundenen Flechten sind Baum (vor allem Lärche und Fichte) und Holz bewohnende Arten. Bemerkenswert ist das massenhafte Vorkommen von Nephromopsis laureri, das auf den Lärchen in den Eulenwiesen offensichtlich optimale Wuchsbedingungen genießt, sodass von dieser Art sogar etliche fruchtende Exemplare, die im übrigen Verbreitungsgebiet sehr selten sind, aufgefunden wurden.

Viele alte Heuschober zeichnen sich durch einen reichhaltigen Bewuchs mit seltenen Arten auf den Holzwänden, die aus rohen Baumstämmen gezimmert sind, aus. Vor allem in der West- und Nordwestexposition sind diese Holzwände großflächig mit Acolium inquinans und Xylopsora caradocensis bewachsen. Zu diesen beiden gesellt sich eine selten auftretende Form von Chaenotheca brunneola mit einem üppig entwickelten weißen bis hellgrauen Thallus aus. Pycnora sorophora entwickelt hier auch zahlreiche Apothezien.

Tab. 7: Liste der nachgewiesenen Flechten (Lichenes), alle UR 2.

Taxon

Acolium inquinans (Sm.) A. Massal.

Baeomyces rufus (Huds.) Rebent.

Bryoria fuscescens (Gyeln.) Brodo & D. Hawksw.

Calicium tigillare (Ach.) Pers.

Caloplaca holocarpa (Ehrh. ex Ach.) A. E. Wade

Caloplaca sinapisperma (Lam. & DC.) Maheu & Gillet

Caloplaca stillicidiorum (Vahl) Lynge

Candelariella aurella (Hoffm.) Zahlbr.

Candelariella vitellina (Hoffm.) Müll. Arg.

Cetraria islandica (L.) Ach.

Chaenotheca brunneola (Ach.) Müll. Arg.

Chaenotheca chrysocephala (Turner ex Ach.) Th. Fr.

Chaenotheca ferruginea (Turner & Borrer) Mig.

Chaenotheca furfuracea (L.) Tibell

Cladonia arbuscula (Wallr.) Flot. subsp. squarrosa (Wallr.) Ruoss

Cladonia arbuscula (Wallr.) Flot. em. Ruoss subsp. mitis (Sandst.) Ruoss

Cladonia carneola (Fr.) Fr.

Cladonia cenotea (Ach.) Schaer.

Cladonia cervicornis (Ach.) Flot. subsp. verticillata (Hoffm.) Ahti

Cladonia coccifera (L.) Willd.

Cladonia coniocraea (Flörke) Spreng.

Cladonia digitata (L.) Hoffm.

Cladonia fimbriata (L.) Fr.

Cladonia furcata (Huds.) Schrad. subsp. furcata

Cladonia macilenta Hoffm. subsp. macilenta

Cladonia macroceras (Delise) Hav.

Cladonia pleurota (Flörke) Schaer.

Cladonia pyxidata (L.) Hoffm.

Cladonia rangiferina (L.) Weber ex F. H. Wigg.

Cladonia squamosa Hoffm. var. squamosa

Cladonia squamosa Hoffm. var. subsquamosa (Nyl. ex Leight.) Vain.

Cladonia symphycarpa (Flörke) Fr.

Dermatocarpon miniatum (L.) W. Mann var. miniatum

Dibaeis baeomyces (L. fil.) Rambold & Hertel

Enchylium polycarpon (Hoffm.) Otálora, M. Jørg. & Wedin

Evernia divaricata (L.) Ach.

Evernia mesomorpha Nyl.

Evernia prunastri (L.) Ach.

Flavoparmelia caperata (L.) Hale

Fuscopannaria praetermissa (Nyl.) M. Jørg.

Hypocenomyce scalaris (Ach.) M. Choisy

Hypogymnia bitteri (Lynge) Ahti

Hypogymnia physodes (L.) Nyl.

Hypogymnia tubulosa (Schaer.) Hav.

Hypogymnia vittata (Ach.) Parrique

Imshaugia aleurites (Ach.) S. L. F. Meyer

Lecanora mughicola Nyl.

Lecanora pulicaris (Pers.) Ach.

Lecanora varia (Hoffm.) Ach.

Lecidea confluens (Weber) Ach. var. confluens

Lecidella stigmatea (Ach.) Hertel & Leuckert

Lepraria vouauxii (Hue) R. C. Harris

Letharia vulpina (L.) Hue

Melanohalea exasperatula (Nyl.) O. Blanco et al.

Myriolecis dispersa (Pers.) liwa, X. Zhao & Lumbsch

Myriolecis perpruinosa (Fröberg) liwa, X. Zhao & Lumbsch

Nephromopsis laureri (Kremp.) Kurok.

Ochrolechia alboflavescens (Wulfen) Zahlbr.

Ochrolechia androgyna (Hoffm.) Arnold var. androgyna

Parmelia saxatilis (L.) Ach.

Parmelia sulcata Taylor

Parmeliopsis ambigua (Wulfen) Nyl.

Parmeliopsis hyperopta (Ach.) Arnold

Peltigera didactyla (With.) J. R. Laundon var. didactyla

Peltigera lepidophora (Nyl. ex Vain.) Bitter

Peltigera praetextata (Flörke ex Sommerf.) Zopf

Peltigera rufescens (Weiss) Humb.

Phlyctis argena (Spreng.) Flot.

Physcia aipolia (Ehrh. ex Humb.) Fürnr.

Physconia distorta (With.) J. R. Laundon

Placynthiella icmalea (Ach.) Coppins & P. James

Platismatia glauca (L.) W. L. Culb. & C. F. Culb.

Polycauliona candelaria (L.) Frödén, Arup & Søchting

Polycauliona polycarpa (Hoffm.) Frödén, Arup & Søchting

Porpidia crustulata (Ach.) Hertel & Knoph

Porpidia macrocarpa (DC.) Hertel & A. J. Schwab

Protoparmeliopsis muralis (Schreb.) M. Choisy var. muralis

Pseudevernia furfuracea (L.) Zopf var. furfuracea

Pycnora sorophora (Vain.) Hafellner

Rhizocarpon geographicum (L.) DC. subsp. geographicum

Rinodina roscida (Sommerf.) Arnold

Thelomma ocellatum (Körb.) Tibell

Thrombium epigaeum (Pers.) Wallr.

Trapeliopsis flexuosa (Fr.) Coppins & P. James

Trapeliopsis granulosa (Hoffm.) Lumbsch

*Tromera resinae (Fr.) Körb.

Tuckermannopsis chlorophylla (Willd.) Hale

Umbilicaria cylindrica (L.) Delise ex Duby var. cylindrica

Usnea dasopoga (Ach.) Nyl. var. dasopoga

Usnea rigida (Ach.) Motyka var. rigida

Usnea scabrata Nyl. var. scabrata

Usnea subfloridana Stirt.

Vulpicida pinastri (Scop.) J.-E. Mattsson & M. J. Lai

Xanthoparmelia conspersa (Ehrh. ex Ach.) Hale

Xanthoria elegans (Link) Th. Fr. var. elegans

Xanthoria parietina (L.) Th. Fr.

Xylographa vitiligo (Ach.) J. R. Laundon

Xylopsora caradocensis (Leight. ex Nyl.) Bendiksby & Timdal

Tracheophyta (Gefäßpflanzen)

Konrad Pagitz & Caecilia Lechner-Pagitz

unter Mitarbeit von Wolfgang Bacher, Karel Cerny, Pavel Cudlín, Silvia Hirsch, Hans Hofer, Hannes Kautzky, Alexander Legniti, Theresia Rabanser, Michael Thalinger & Paul Vergörer

Zum Erfassen der Gefäßpflanzen wurden alle drei Untersuchungsräume begangen. Aufgrund deren Größe musste man sich aber jeweils auf Teilbereiche beschränken. Die Untersuchungsräume erstrecken sich von ca. 1.000 m (Telfer Wiesen, UR 1) bis ca. 2.000 m (Nederjoch, UR 3) und umfassen dabei eine große Vielfalt an verschiedenen Lebensräumen, was sich auch in der Anzahl der gefundenen Sippen widerspiegelt. Mit 499 Sippen konnte in diesem kurzen Zeitraum über ein Fünftel der aus Tirol bisher bekannten wildwachsenden Pflanzensippen nachgewiesen werden. Insbesondere Arten von Moorstandorten waren reich vertreten. Besonders hervorzuheben sind jedoch die Funde von Linnaea borealis, Trientalis europaea und Trifolium saxatile (Silvia Hirsch, Hans Hofer & Paul Vergörer), die durchwegs zu den Highlights der Tiroler Flora zählen. Sie stammen von außerhalb der drei ausgewiesenen Untersuchungsräume, aus dem Bereich Oberriss (UR 4 in Tabelle 8, Trifolium saxatile 47°5’56”N 11°11’50”E).

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Abb. 5: Felsen-Klee (Trifolium saxatile). Foto: S. Hirsch.

Tab. 8: Liste der nachgewiesenen Gefäßpflanzen (Tracheophyta).

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4. LITERATUR

Amt der Tiroler Landesregierung. Abteilung Umweltschutz (2018): GEO-Tag der Artenvielfalt 2018 im Stubaital. Übersicht der Untersuchungsräume. url: http://www.arten-vielfalt.at/fileadmin/data/Untersuchungsraeume/Uebersicht_UR_2018.pdf (Zugriff: 26.8.2018).

Panow, E. N. (1983): Die Würger der Paläarktis. Die Neue Brehm-Bücherei. Wittenberg.

Svensson, L. (2011): Der Kosmos Vogelführer. Alle Arten Europas, Nordafrikas und Vorderasiens. Stuttgart, 2. Auflage.

ANSCHRIFT DER AUTOREN

Ursula Grimm, Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft m. b. H., Naturwissenschaftliche Sammlungen, Feldstraße 11a, 6020 Innsbruck, u.grimm@tiroler-landesmuseen.at

Peter Huemer, Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft m. b. H., Naturwissenschaftliche Sammlungen, Feldstraße 11a, 6020 Innsbruck, p.huemer@tiroler-landesmuseen.at

Gabriele Hobart, hobartjob@aol.com

Andreas Jedinger, Verein Natopia, Steinbockallee 9, 6063 Rum, andreas.jedinger@natopia.at

Cäcilia Lechner-Pagitz, Institut für Botanik, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Sternwartestraße 15, 6020 Innsbruck, caecilia.lechner-pagitz@uibk.ac.at

Carsten Löb, PHT, 6020 Innsbruck, Pastorstraße 7, carsten.loeb@gmx.at

Konrad Pagitz, Institut für Botanik, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Sternwartestraße 15, 6020 Innsbruck, konrad.pagitz@uibk.ac.at

Eberhard Steiner, Institut für Mikrobiologie, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Technikerstraße 25d, 6020 Innsbruck, Eberhard.Steiner@uibk.ac.at

Roman Türk, Universität Salzburg, Fachbereich Ökologie und Evolution, Arbeitsgruppe Ökologie, Biodiversität und Evolution der Pflanzen, Hellbrunnerstraße 34, 5020 Salzburg, Roman.Tuerk@sbg.ac.at

Benjamin Wiesmair, Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft m. b. H., Naturwissenschaftliche Sammlungen, Feldstraße 11a, 6020 Innsbruck, b.wiesmair@tiroler-landesmuseen.at

KURZE KARRIERE – GEWALTSAMER TOD

Der Innsbrucker Buchdrucker Joseph Ostermann (1804–1856)

Hansjörg Rabanser

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Abb. 1: In der Nacht des 1. Dezember 1856 erreichte Joseph Ostermann seine Wohnung im Haus in der Mariahilfstraße Nr. 20 nicht mehr. Er war auf der Innbrücke niedergestochen worden. Foto: Rabanser.

ABSTRACT

In the night of 30 November to 1 December 1856 the printer Joseph Ostermann was stabbed by two Italian craftsmen on the bridge over the Inn and died shortly thereafter in the municipal hospital of Innsbruck. An exciting starting point to present an almost unknown local printer.

The life and work of Ostermann can be directly linked to the destiny of the liberal newspaper Innsbrucker Zeitung, founded in 1848, which was fought by conservative political-religious parties and thus several times in danger of having to close down. In 1850, editor Franz Wiedemann decided to establish his own printing office for the journal and won over Joseph Ostermann to achieve his goal.

This article gives insight into the life and origin of the printer Ostermann. The focus lies on the narration of Ostermann’s efforts to found a new, fourth printing office in town. The workshop only existed for two years, until 1852, when Ostermann quit his work; at the end of the same year the publication of the Innsbrucker Zeitung stopped. A register of the few prints of Ostermann completes this article.

Als die Leserinnen und Leser der Innsbrucker Nachrichten die Ausgabe vom 1. Dezember 1856 aufschlugen, wurden sie mit Sicherheit auf den kurzen, doch unter den Stadtnachrichten aufgelisteten und deshalb nicht zu übersehenden Artikel aufmerksam, der von einer nächtlichen Bluttat auf der Innbrücke berichtete. Der knappe Text lautete: „Heute Nachts wurde auf der Innbrücke Herr Ostermann, vormals Buchdruckereibesitzer hier, in bewußtlosem Zustande und aus zwei Stichwunden blutend gefunden und in das Stadtspital übertragen, wo derselbe gegen 3 Uhr morgens verschied. Näheres über diesen Vorfall ist nicht bekannt.“1 Die Leserschaft musste also bis auf weiteres viel Geduld aufbringen und sich mit der Gerüchteküche und diversen Vermutungen begnügen.

In Darstellungen zur Tiroler Druckgeschichte spielt der besagte Joseph Ostermann so gut wie keine Rolle und wird in diesen bisher kaum bis gar nicht berücksichtigt. Das darf jedoch nicht verwundern, denn Ostermann war nicht einmal zwei Jahre in der Stadt als Drucker tätig gewesen und hatte sich außerdem neben bereits weitum bekannten und renommierten Offizinen – vorneweg Wagner und Rauch – etablieren und gegen diese bestehen müssen. Deshalb dürften sich vermutlich auch manche Leser der obigen Zeilen gefragt haben, wer denn dieser Herr Ostermann, „vormals Buchdruckereibesitzer“, überhaupt gewesen sei und was dieser geleistet habe. Diese Fragen zu stellen lohnt, wenngleich die überlieferten oder bisher auszumachenden Daten und Fakten nicht gerade reichlich sind.

Im ersten Wissenschaftlichen Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen aus dem Jahr 2008 veröffentlichte Ellen Hastaba anhand neuer „archivalische[r] Trouvaillen“ aus dem Tiroler Landesarchiv und dem Ferdinandeum eine detaillierte Geschichte der Innsbrucker Zeitung.2 Es ist deshalb mehr als passend, dass im selben Medium eine erste Darstellung zum Leben und Wirken des Druckers Joseph Ostermann erscheint, dessen Schicksal mit jenem der Zeitung eng verbunden war.

HERKUNFT UND AUSBILDUNG

Der Vorname Joseph zieht sich durch die Familie Ostermann (Abb. 2) wie ein roter Faden, denn bereits der Großvater des Druckers trug denselben: Joseph Ostermann war mit Maria Anna, geborene Nagel, verheiratet und führte eine Gastwirtschaft in Kranebitten. Deren Sohn Joseph Ostermann (ca. 1767/69–1807), der Vater des Druckers, war wiederum „Bestandswirth am weisen Lamm“ in Mariahilf Nr. 26 (heute Nr. 12; Abb. 3), was bedeutet, dass er nicht Besitzer war, sondern nur als Pächter des Gastbetriebes fungierte und deshalb in Beschreibungen des Gebäudes bzw. Gasthauses nie erwähnt wird.3

Ostermann entschied sich im Alter von ca. 34 Jahren, den Bund der Ehe einzugehen und heiratete am 7. Februar 1803 in der Pfarre Mariahilf die 22jährige Maria Anna Herzleyer (* ca. 1781), Tochter des Müllermeisters Mathias Herzleyer aus Hötting und der Maria Herzleyer, geborene Rainer.4 Das Paar wurde durch Dr. Heinrich Ignaz von Payr zu Thurn und Bach (1759–1836), Lokalkaplan von Mariahilf (1789–1836), getraut; als Zeugen fungierten der Hof- und Stadtbankmetzgermeister Franz Preyer (der auch Besitzer des Gebäudes war, in dem das frisch getraute Paar wirkte und wohnte5) und Simon Kiechl, Bauer am Harterhof in Allerheiligen.6 Letzterer wird in der Folge als Taufpate der Kinder fungieren.

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Abb. 2: Stammbaum der Familie Ostermann. Zusammenstellung: Rabanser.

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Abb. 3: Das ehemalige Gasthaus Weißes Lamm in der Mariahilfstraße Nr. 26 ist mit großer Wahrscheinlichkeit das Geburtshaus von Joseph Ostermann. Foto: Rabanser.

Am 23. März 1804 gebar Maria Anna Ostermann zwischen sieben und acht Uhr morgens einen Sohn, der noch am selben Tag durch den Hilfspriester Alois Ganßler in Mariahilf auf den Namen Joseph Franz Ostermann getauft wurde; es handelt sich dabei um den späteren Buchdrucker. Als Patin fungierte Anna Kiechl anstelle ihres Mannes Simon Kiechl.7 Der Junge blieb nicht das einzige Kind des Paares, denn am 4. September 1805 kam der zweitgeborene Sohn Franz Magnus Michael hinzu, der jedoch bereits nach wenigen Wochen am 7. Oktober starb.8 Auch dem drittgeborenen Kind war kein sonderlich langes Leben beschieden, denn die Tochter Anna Maria kam am 28. Januar 1807 zur Welt und starb noch nicht sechsjährig am 3. September 1812 „am Scharlachfieber“.9 Obwohl in einer späteren Quelle im Zusammenhang mit dem Drucker Ostermann von „seinen Schwestern“10 die Rede ist, konnte nur die erwähnte Schwester ausfindig gemacht werden. Ein viertes Kind folgte, denn am 26. Juli 1808 wurde Franz Simon (1808–1882) geboren; er wird das Tischlerhandwerk erlernen, heiraten und für den Fortbestand der Familie sorgen.11

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Abb. 4: Eintrag im Ausding- und Ledigsprechungsbuch der Offizin Wagner zur Aufnahme des Joseph Ostermann. TLMF, W 15672, S. 105.

Noch vor der Geburt des vierten Kindes war Vater Joseph am 7. Dezember 1807 „an Grießschmerzen“ gestorben; er wird in der Quelle als Wirt im Gasthaus zum Weißen Rössl in der Kiebachgasse Nr. 8 betitelt.12

Vor der Geburt von Tochter Anna Maria war die Familie Ostermann aus dem Haus Mariahilf Nr. 26 ausgezogen und hatte nur wenige Häuser weiter im Gebäude Mariahilf Nr. 13 (heute Nr. 38) eine neue Bleibe gefunden; es handelte sich dabei um das Haus des Bäckermeisters Dirmas Scharmer.13 Vor der Niederkunft des vierten Kindes, dessen Geburt in der Pfarre St. Jakob verzeichnet wurde, muss die Familie in den Bereich der Innsbrucker Altstadt gezogen sein, wo Joseph Ostermann – wie oben berichtet – die Wirtschaft zum Weißen Rössl führte, jedoch auch hier nicht dessen Besitzer war.14