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Über dieses Buch:

Köln im 17. Jahrhundert. Jeden Tag kann es so weit sein – das Schicksal der jungen Ruth hängt an der Nabelschnur eines jeden Neugeborenen: Als Hebamme kann ihr jeder Fehler zum Verhängnis werden. Die schöne Jüdin hat in Holland Medizin studiert und weiß, was sie tut – doch obwohl sie viele Leben rettet, bringen ihre fortschrittlichen Methoden sie in größte Gefahr. Als der spanische Inquisitor sie der Hexerei anklagt, droht Ruth der Tod auf dem Scheiterhaufen. Doch ein letzter Hoffnungsschimmer bleibt ihr noch: der katholische Geistliche Detlef von Tennen, der sie liebt. Aber ist er bereit, alles für sie zu riskieren?

»Eine rasante und wunderschön geschriebene Geschichte.« The Booklover

»Ein wahrer Page-Turner und eine Hymne an die Freiheit des Geistes!« Publishers Weekly

Über die Autorin:

Tobsha Learner wurde in England geboren. Heute pendelt sie zwischen Großbritannien, Australien und den USA. Sie ist als Bühnenschriftstellerin und Autorin zahlreicher Romane international erfolgreich. Ihre Bandbreite reicht von Erotischen Romanen über Historische Romane bis hin zu Thrillern.

Von Tobsha Learner erscheinen bei dotbooks außerdem:

Quiver. Erotische Begegnungen

Climax – Gefährlicher Höhepunkt

Tremble – Endlose Lust

Tremble – Verliebt in die Dunkelheit

Die Website der Autorin: www.tobsha.com

Die Autorin im Internet: www.facebook.com/Tobsha-Learner

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eBook-Neuausgabe Januar 2019

Copyright © der australischen Originalausgabe 2003 Tobsha Learner

Die australische Originalausgabe erschien 2003 unter dem Titel The Witch of Cologne bei HarperCollinsPublishers.

Copyright © der deutschen Ausgabe 2004 by Egmont vgs verlagsgesellschaft mbH

Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Nattapol Sritongcorm, Everett-Art, gali estrange und Roberto Castillo

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (aks)

ISBN 978-3-96148-311-2

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Tobsha Learner

Die Hexe von Köln

Roman

Aus dem Englischen von Betty Anders

dotbooks.

Für Eva und Esther.
In leben zeinen wir ale helden.
Im Leben sind wir alle Heldinnen.

ANMERKUNGEN DER AUTORIN

Obwohl in diesem Roman authentische historische Personen auftreten, handelt es sich um eine fiktive Geschichte, die sich gleichermaßen um Genauigkeit und um Pointierung bemüht und mit dem größten Respekt und Zuneigung für meine Figuren sowie die Städte und Länder, in denen sie leben, geschrieben wurde. Ich bitte die Leser, mir alle Fehler zu verzeihen, die ohne jegliche Absicht entstanden sind.

HAUPTFIGUREN

* markiert authentische historische Figuren

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– KETHER –
DAS UNENDLICHE

»Das Ende ist verwurzelt im Anfang.«

Der Sohar

KÖLN, JANUAR 1665

Die Schwangere krümmt sich, als die Wehen einsetzen, und schreit vor Schmerz. Schweißperlen stehen ihr auf der Stirn. Im flackernden Kerzenlicht ähnelt ihr verzerrtes Gesicht dem der Figur, die über dem Himmelbett hängt: die heilige Ursula, Schutzpatronin der Stadt Köln, die einst als Jungfrau den Märtyrertod erlitt.

»Tief atmen!«

Die Hebamme Ruth bas Elazar Saul, Tochter des obersten Rabbis von Deutz, reibt den prallen Bauch behutsam mit einer Salbe aus Lilienöl, Osterluzei und Safran ein.

»Atmen Sie, das lindert die Schmerzen!«, mahnt sie. Eine Haarsträhne fällt ihr ins Gesicht, die unter ihrer Damasthaube mit zwei Spitzen, der charakteristischen Kopfbedeckung jüdischer Frauen, herausgerutscht ist. Als sie sich vorbeugt, um die Lage des Kindes zu prüfen, heben sich die beiden Spitzen vor der dunklen Wand wie Silhouetten von Hörnern ab.

Die Hebamme lässt ihre Finger in die stöhnende Frau gleiten und untersucht, wie weit sich der Muttermund geöffnet hat. Ihre Gehilfin Miriam, eine unscheinbare Fünfzehnjährige, tupft der Gebärenden die Stirn ab und sieht Ruth besorgt an. Über zwanzig Stunden dauern die Wehen nun schon an, und das Kind hätte längst kommen müssen. Miriam, die sich der Konsequenzen für eine jüdische Hebamme, falls bei der Niederkunft einer reichen Katholikin etwas schief geht, nur allzu bewusst ist, deutet verstohlen mit dem Kopf auf die Geburtshaken: drei gebogene Stahlinstrumente am Herd, die sich im Schein des Feuers bedrohlich ausnehmen. Sie sind das letzte Mittel, um notfalls das Kind am Kopf zu packen und herauszuziehen.

»Nein, Miriam, noch nicht«, beantwortet Ruth die stumme Frage.

Die junge Frau zuckt plötzlich zusammen. Die violetten Adern auf ihrem gewaltigen Bauch spannen sich, als sie sich an die Bettpfosten hinter ihrem Kopf klammert. Ruth untersucht die Lage des Kindes und versucht, mit ihren langen Fingern die Wölbung des Köpfchens, die kleinen Knoten der Wirbelsäule und die Fußknochen zu ertasten. Mit der hohlen Hand umfasst sie das kleine Gesäß, das zum Muttermund weist. Sanft massiert sie das Kind, damit es sich dreht, aber es weigert sich hartnäckig.

»Steißlage«, raunt Ruth Miriam zu, deren Augen sich vor Schreck weiten.

Die Hebamme wendet sich vom Bett ab und öffnet eine Ledertasche von eigentümlicher orientalischer Machart, die auf der Vorderseite mit einem einzelnen hebräischen Buchstaben verziert ist. Sie kehrt der Frau den Rücken zu und holt ein Rauchglasgefäß mit einem graugrünen Pulver hervor.

Sie geht in die Knie und beginnt, die Asche vorsichtig in einem großen Kreis um die niederkommende Frau und ihre Helferin auf dem Boden zu verstreuen. Während sie den Kreis mit der linken Hand auslegt, murmelt sie die hebräischen Namen der drei Engel – Snwy, Snsnwy und Smnglf.

Obwohl Ruth sehr konzentriert arbeitet, steigt leichte Panik in ihr auf. Es muss Lilith sein, vermutet sie, die ihre Ängste schüren will. Lilith: die Dämonin, die Neugeborene erdrosselt und Müttern bei der Geburt das Leben raubt. Die geheime Verkörperung all ihrer Ungewissheiten und Zweifel, all ihrer Sehnsüchte; das nebulöse Phantom, von dem sie verfolgt wird, seit sie als kleines Mädchen sah, wie ihre Mutter bei ihrer zweiten Niederkunft starb. Ruth glaubt zu spüren, wie sich die Luft über ihr bewegt; sie kann die unsichtbare Anwesenheit des Bösen fast fühlen, kann den schwefeligen Atem fast riechen, der ihr über die linke Schulter weht.

Das sind unvernünftige Gedanken!, schilt die Hebamme und besinnt sich auf die nüchterne Klarheit ihrer medizinischen Kenntnisse, um die Furcht zu verjagen, die sich in ihrem Inneren auszubreiten droht. Aber das Bild der Dämonin lässt sich nicht vertreiben: Die große Verführerin, deren verschwommene Umrisse Ruth aus den Augenwinkeln wahrzunehmen glaubt, scheint sie aus jeder Ecke des mit dunklem Holz getäfelten Zimmers anzustarren.

Von draußen ertönt der unheimliche Ruf einer Schleiereule. Und plötzlich taucht in der grauen Dämmerung ein weiß gefiederter Kopf mit großen Augen vor dem Fenster auf, und die Eule fliegt blindlings gegen die Scheibe. Liliths Totem – das Tier, in das sie sich verwandelt, um an den Brüsten kleiner Kinder oder den Zitzen von Ziegen zu saugen. Miriam kauert neben dem Bett und greift verängstigt nach dem Davidstern, der unter dem Kleid versteckt an ihrem Hals baumelt. Ruth bezwingt ihre Angst und fährt beharrlich mit dem Schutzzauber fort.

Einen Augenblick später huscht ein langer Schatten über die Zimmerdecke. Die niederkommende Frau schreit und bäumt sich vor Schmerz auf. Nur mit Mühe gelingt es Miriam, sie im Bett festzuhalten. Entschlossen beißt Ruth die Zähne zusammen und vollendet den Kreis, während sie ihre Beschwörungsformel immer lauter spricht. Graue Ascheflocken vereinigen sich, als sie endlich den Schutzkreis schließt. Mit einem Seufzer der Erleichterung richtet sie sich auf. Nun hat sie alle erdenklichen Vorkehrungen getroffen, die spirituellen ebenso wie die medizinischen.

Sie geht zur Waschschüssel, um sich die Hände zu waschen, und betritt die an das Schlafgemach grenzende kleine Kammer.

Meister Franz Brassant erhebt sich. Er ist ein großer Mann Anfang fünfzig und mindestens fünfundzwanzig Jahre älter als seine Frau. Dennoch ist er modisch gekleidet wie ein Junger: Er trägt ein Seidenhemd mit bestickter Samtweste, dazu Kniehosen mit Spitzenbesatz – die Kleidung eines wohlhabenden Bürgers. Brassant sitzt als Gaffelmitglied im Rat und unterhält gute Beziehungen zu den vier einflussreichsten Kaufmannsfamilien von Köln.

»Wie geht es ihr?« Ein Geruch nach kaltem Schweiß und Angst steigt aus seinen Kleidern, die von der hastigen Heimfahrt durch den Regen noch dampfen.

Für lange Erklärungen fehlt die Zeit, und so beschließt Ruth, auf die Intelligenz des Mannes zu vertrauen, der vor ihr steht. Sie sieht ihm fest in die Augen und registriert die große Beklommenheit in seinem Blick.

»Ich muss schneiden«, antwortet sie ohne Umschweife.

Schockiert hält Meister Brassant die Luft an. Seine Hände tasten nach dem Rosenkranz seiner Frau aus Korallen und Silber, den er sich um den dicken Hals geschlungen hat. »Für gewöhnlich würde ich einer Jüdin nicht gestatten, meine Frau zu berühren. Nicht einmal ins Haus lassen würde ich sie. Aber man sagt, du bist die Beste im ganzen Rheinland.«

»Ich bin eine ausgebildete Hebamme, keine Wundertäterin.«

»Nicht an Wunder zu glauben ist Blasphemie.«

»Ich glaube an die scientia nova, Meister Brassant. An das Wissen und die Natur. Das sind für mich die Kräfte, die sich bewährt haben.«

»Beten und Glauben sind die Aufgaben des Menschen. Aller Menschen.«

»Wir vergeuden kostbare Zeit. Wenn wir uns nicht beeilen, erstickt das Kind und Ihre Frau stirbt.«

Brassant starrt die kleine, dunkelhaarige und seltsam Respekt einflößende Person an, die vor ihm steht. Einer Frau solchen Schlages ist er noch nie begegnet, und nun soll er das Schicksal seiner jungen Gattin und seines Kindes in ihre Hände legen! Sein Blick bleibt an dem goldenen Halbmond hängen, der an Ruths Hals baumelt – das Zeichen Spaniens. In ihren Adern muss sephardisches Blut fließen. Sofort ist ihm wohler: Mit den spanischen Juden in Amsterdam hat er schon Geschäfte gemacht, ihnen vertraut er.

»Ich gebe meine Erlaubnis. Aber wenn sie stirbt, oder das Kind, dann stirbst auch du.«

Ruth zeigt sich unbeeindruckt; ihre einzige Sorge gilt der jungen Frau. Sie nickt und macht äußerlich ungerührt einen Knicks, der keine Unterwürfigkeit erkennen lässt.

»Ich werde jedenfalls beten«, sagt Brassant noch, als die Hebamme wieder im Schlafgemach verschwindet. In diesem Augenblick schreit die Niederkommende laut auf. Schaudernd bekreuzigt sich der Goldhändler und küsst den Rosenkranz. Er hat bereits zwei Frauen und vier Kinder verloren und fürchtet sich vor einem neuerlichen Verlust.

Er sinkt auf die Knie und macht sich bereit, mit Gott bis zum Äußersten zu feilschen. Immerhin hat er erst im vergangenen Monat hundert Reichstaler für seine Sünden bezahlt, obwohl er Erzbischof Maximilian Heinrich höchst ungern etwas stiftet, der für ihn – und die meisten seiner Mitbürger – eher ein nicht vertrauenswürdiger politischer Gegner ist als ein geistlicher Führer. Die Zeiten sind reichlich verdreht, denkt Brassant, wenn man darauf hoffen muss, dass einem von einer jüdischen Hexe und einem zwielichtigen Franzosensympathisanten im golddurchwirkten Gewand geholfen wird.

Das chirurgische Messer aus Kupfer, das Ruth selbst gefertigt hat, liegt in einem Kessel mit kochendem Wasser, der über dem kleinen Kaminfeuer hängt. Es riecht intensiv nach verbrannten Gewürznelken. Der persönliche Arzt von Meister Brassant hat darauf bestanden, das kleine Schlafgemach einzuräuchern, denn er hält an dem christlichen Aberglauben fest, der Duft vertreibe die bösen Geister, die die Seele des Kindes stehlen wollen, wenn es auf die Welt kommt. Die Hebamme hat Medizin in Amsterdam studiert – in einer Stadt, die bekannt ist für ihre Fortschritte in der neuen Wissenschaft – und hegt ihre Zweifel. Aber kürzlich hat ihr alter Mentor Dirk Kerckrinck ihr einen Aufsatz mit der Theorie geschickt, dass sich Krankheiten über den unsichtbaren Äther verbreiten, mit dem die Luft gefüllt ist. Wegen dieser Hypothese nimmt sie die schwelenden Kräuter des Doktors hin, auch wenn sie einem fast den Atem rauben. Abgesehen davon käme es ihr ziemlich scheinheilig vor, dem Mediziner seine Marotten nicht zu gestatten, wenn sie selbst sich als Vorsichtsmaßnahme auf die alten Lehren beruft.

Ruth betritt wieder den Schutzkreis aus Asche und tastet die Frau zwischen den Schenkeln ab. Das Kind liegt nun tiefer, und die Vulva ist bis zum Äußersten gespannt. Sie wird reißen, wenn Ruth nicht sofort schneidet. Dennoch wird die junge Frau es nicht überleben, wenn das Kind mit dem Gesäß zuerst herauskommt.

Ruth zögert. Sie hat bereits bei einer Steißgeburt assistiert, in einem Elendsviertel am Amsterdamer Hafen. Aber damals war die Gebärende ein unverheiratetes Dienstmädchen und nicht die Gattin eines wohlhabenden Bürgers. Und während Dirk Kerckrinck, Sohn eines Hamburger Adeligen, sich einen solchen Unglücksfall hätte erlauben können, bedeutet nun jeder Fehler für Ruth das sofortige Todesurteil.

Die Hebamme erinnert sich daran, wie Kerckrinck, als er das Kind von außen nicht drehen konnte, beschloss, es von innen zu versuchen. Eine kühne Entscheidung für einen Medizinstudenten mit nur zwei Jahren Ausbildung. Ruth hatte sich dagegen ausgesprochen, während sie sich zu zweit über Galens maßgebliches anatomisches Handbuch beugten, De usu partium. Der junge Student ignorierte jedoch ihre Einwände und machte einen Schnitt an der Scheide. Dann schob er seine Hand hinein, um das Ungeborene zu drehen, während Ruth ihn von außen dabei unterstützte. Mutter und Kind kamen beide durch, und zur Erinnerung an die wundersame Rettung taufte Kerckrinck den Kleinen auf den Namen Moses.

Abigail Brassant stöhnt wieder und fleht Ruth an, sie von ihrem Leiden zu erlösen. Trotz großer Schmerzen geht von der jungen Frau ein Leuchten aus, das Ruth an die nordischen Prinzessinnen erinnert, wie sie in Herodots Historien beschrieben sind. Sie muss der ganze Stolz des alten Mannes sein, der voller Angst im Nebenraum wartet. Chaucer hätte es als die Vermählung von Januar und Mai bezeichnet: eine Transaktion, bei der romantische Liebe .gegen Sicherheit eingetauscht wird. Dieser Gedanke deprimiert Ruth. Trotz ihrer überaus praktischen Veranlagung und ihres scharfen Verstandes hat sie bislang die verlockende Möglichkeit der Existenz eines Seelengefährten nicht aus ihrer Vorstellung verbannen können: die Existenz eines Mannes, der dieselben Ideale und Visionen hat wie sie. Um der unvermeidlichen Enttäuschung vorzubeugen, die ihrer Meinung nach eine vereinbarte Ehe mit sich bringt, hat Ruth sich insgeheim geschworen, ein keusches Leben zu führen.

Sie nimmt das Glasfläschchen, das ein Elixier aus reinem Alkohol gemischt mit Stechapfel und einem Hauch Goldregen enthält. Das Rezept hat sie selbst entwickelt. Sie gibt ein paar Tropfen auf ein Taschentuch und legt es der Frau auf Mund und Nase. Einen Augenblick später wird Abigail Brassant ruhiger. Mit stark erweiterten Pupillen starrt sie hinauf zu der Freske unter der Decke, während Miriam sie stützt. Die Freske zeigt den ehrenwerten Meister Franz Brassant als recht übergewichtigen und schlaffen Perseus bei der Tötung des Drachen, bemerkt Ruth und verzieht spöttisch den Mund.

Sie ruft sich das Schaubild in Erinnerung, das sie in Soranus’ Buch über Geburtshilfe studiert hat, Nimmt das Skalpell und macht vorsichtig einen diagonalen Schnitt an der Seite der Vagina, um sie weiter zu öffnen. Die betäubte Frau zuckt kaum merklich zusammen, als Blut auf ihre weißen Schenkel spritzt.

Hebamme und Gehilfin arbeiten Hand in Hand, bis endlich die dunkelrote klebrige Wölbung des Kopfes zu sehen ist, und dehnen die Schamlippen so weit, dass sie fast durchsichtig scheinen. Als das Kind langsam herauskommt, sieht Ruth die pulsierende Nabelschnur um seinen Hals.

Wenn es stirbt, sterben auch wir, denkt Miriam und verschließt sich den Mund mit der Faust, um nicht laut aufzuschreien. Aber Ruth nimmt ruhig zwei kleine Kupferhaken zur Hand. Sie dreht den Kopf des Kindes, der aus der stöhnenden Frau herausragt, bis sie die Nabelschnur fassen kann. Sie klemmt die fleischige Rettungsleine an zwei Stellen ab, schneidet sie geschickt durch und befreit das Kind davon. Dann hilft sie ihm behutsam, zuerst mit der einen Schulter, dann mit der anderen herauszugleiten.

»Pressen!«, drängt Ruth die junge Frau, die sich im Delirium befindet. Doch sie unternimmt eine letzte Anstrengung, und das Kind rutscht in die Hände der Hebamme.

Das Neugeborene liegt in ihren Fingern, überzogen mit der weißen, stechend riechenden Käseschmiere, mit geschwollenen, knotigen Genitalien und blauem Gesicht. Leblos.

Ruth legt ihre Lippen auf Nase und Mund des Kindes, saugt den zähflüssigen Schleim aus den Luftwegen und spuckt ihn in eine Schüssel. Geschickt hält sie das Kleine an den Füßen fest, lässt es kopfüber hängen und klopft ihm aufs Gesäß.

Stille. Kein Laut von dem kleinen Körper, der leblos von ihren Händen baumelt. Abigail Brassant stöhnt mit halb geöffneten Augen. In der festen Überzeugung, dass sie beide verdammt sind, fällt Miriam auf die Knie.

Ohne den hysterischen Anfall des Mädchens zu beachten, gibt Ruth dem Neugeborenen noch einen Klaps. Diesmal ertönt ein dünnes Miauen, und der kleine Körper wird von einem Leuchten durchflutet, das die malvenfarbene Haut rosig färbt. Zum ersten Mal seit Stunden lächelt die Hebamme und nimmt das Neugeborene wieder hoch, als es hustet und zu brüllen beginnt.

»Es ist ein Junge«, sagt sie zu Meister Brassant, der im Türrahmen erschienen ist. »Und er ist gesund.«

Der Kaufmann eilt auf sie zu und nimmt das Kind in seine Arme. Das Alter gräbt unvermittelt tiefe Furchen in sein Gesicht. Dann fängt er zu Ruths großer Überraschung an zu weinen.

Plötzlich fühlt sie tiefe Erschöpfung und sinkt zu Boden.

+ + +

Der Ausrufer, ein stämmiger Westfale, der sein linkes Auge im Dreißigjährigen Krieg verloren hat, macht einen großen Schritt über das Abwasser, das am Rand des nassen Kopfsteinpflasters die Straße hinunterfließt. Er umklammert mit seinen dicken Fingern den Griff des großen Messinghorns und bläst hinein, um die fünfte Morgenstunde zu verkünden. Nichts rührt sich, bis auf ein großes Schwein, das in einem Haufen aus gefrorenen Steckrübenschalen und welken Kohlblättern herumschnüffelt, der sich neben einem Wirtshaus auftürmt. Der Ausrufer gähnt, streckt die steifen Glieder und schaut hinauf zu den Fenstern von Meister Brassant. Im Schlafzimmer der Hausherrin ist Licht, und die Magd hat auf dem Balkon eine Girlande aus Wintermohn aufgehängt. Ein Kind wurde geboren, ein Junge! Der Ausrufer lächelt; mit etwas Glück bekommt er einen Krug Bier zu trinken und einen Kuss, wenn er an die Hintertür klopft, vielleicht sogar ein wenig mehr. Pfeifend befördert er die Kohlblätter mit einem Tritt zur Seite und überquert das schmale Sträßchen.

Während er vor den Holzläden wartet, dass die Magd auf sein Klopfen reagiert, tritt Ruth, deren Gesicht von einer großen Kapuze verdeckt wird, in einiger Entfernung aus den Gesinderäumen auf die Gasse. Miriam folgt ihr mit einem zugedeckten Korb voller Geburtshilfe-Instrumente. Ihre grauen Umhänge heben sich kaum von den gedeckten Farben der hohen alten Häuser ab, dieser wackeligen Türme aus Holzbalken und Lehm, die sich über den Durchgang hinweg einander zuneigen zu scheinen, so dass sie den Himmel darüber fast gänzlich verdecken. Die beiden Frauen halten sich unerlaubt in der Stadt auf, das wissen sie nur zu gut, und so sitzt ihnen die Angst im Nacken, als sie über die Straße auf einen wartenden Wagen zueilen. Pferd und Karren sind in dem Nebel, der sich nachts über die Stadt gelegt hat, kaum zu erkennen. Die beiden Frauen bewegen sich geräuschlos und mit einer Routine, wie sie Menschen eigen ist, die über die Jahrhunderte gelernt haben, sich unsichtbar zu machen, um zu überleben.

Ruth nimmt den Korb und hievt ihn auf den Wagen, dann erklimmt sie zitternd die Holzbank, und Miriam setzt sich neben sie.

Der Kutscher schnalzt mit der Zunge, und der Gaul setzt sich gemächlich in Bewegung. Als der Ausrufer das Geklapper der Hufe hört und sich umdreht, verschwindet der Wagen bereits im Nebel.

+ + +

Der Torwächter, ein mürrischer, pockennarbiger Mann, nimmt die fünf Reichstaler Bestechungsgeld von dem Kutscher entgegen und spuckt kräftig in die Gosse. Er drückt zwar bei Juden gern einmal ein Auge zu, der ewigen Verdammnis will er seine Seele jedoch nicht ausliefern. Juden dürfen sich laut Erlass nachts nicht in der Heiligen Freien Katholischen Reichsstadt Köln aufhalten, aber wenn die Reichen sich die hebräischen Ärzte bestellen, dann ist das ihre Sache, findet er. Falls ihn jedoch einmal jemand fragt, dann ist er bereit, darüber zu sprechen – gegen Bezahlung natürlich.

Mit verschlafenen Augen beobachtet er, wie die Kutsche durch das große Holztor fährt. Die Frau mit der Kapuze ist jung und mit ihrem fein geschnittenen Gesichtsprofil, der weißen Haut und den grünen Augen, die aus der Vermummung hervorschauen, eine beeindruckende Erscheinung. Der Torwächter weiß, wer sie ist: die Hexe von Deutz, die beste Hebamme im ganzen Rheinland. Er winkt seinen Sohn zu sich und nimmt einen Holzstock zur Hand, mit dem er ein Kreuz und zwei Schlangenlinien darunter in den Schlamm zeichnet – ein Symbol, um den bösen Geist der Hexe abzuwehren. Er zeigt auf den Wagen, der zum Hafen hinunterfährt, und erzählt dem Jungen, er habe gehört, die Frau benutze zu ihrem Schutz jüdische Magie, die Kabbala, und könne bei Kranken Geisteraustreibungen vornehmen und sogar einen Golem erschaffen, einen Riesensklaven aus dem Lehm des Flusses.

»Man sagt, auf der Überfahrt opfert sie kleine Jungen und trinkt ihr Blut. Meister Brassant muss sehr verzweifelt gewesen sein, wenn er so eine Frau geholt hat«, flüstert er dem Jungen zu und sieht sich misstrauisch nach Lauschern um.

Verwirrt denkt der Heranwachsende mit dem Pickelgesicht daran, welche Begierde er beim Anblick dieser Frau verspürt hat. Auch eine Folge ihrer magischen Fähigkeiten? Rasch drückt er eine Hand auf seinen ausgebeulten Hosenladen und bekreuzigt sich sicherheitshalber mit der anderen, falls sie ihn mit einem Fluch belegt hat.

+ + +

Ruth lässt sich gegen die Rückenlehne sinken. Hinter ihnen schließt sich das große Holztor mit einem dumpfen Schlag, aber sie sieht sich nicht einmal um.

Es gibt viele in Deutz, die es als Ehre ansehen würden, in die von Mauern umgebene Bastion zu gelangen; Ruth zählt nicht zu ihnen. Die so genannte Freie Stadt mit ihren Kirchen und heiligen Reliquien ist ein wahrer Magnet für die eifrigen Pilger, die jeden Tag auf der Suche nach Erlösung durch die Tore strömen und auf ein Wunder hoffen, während sie übereinander hinwegklettern, um die morschen Knochen der Heiligen Drei Könige zu berühren. Nach den fünf Jahren in Amsterdam, einer Stadt, in der die Aufklärung in vollem Gange ist, wirkt Köln jedoch ziemlich verschlafen auf Ruth. Sie vermisst das Hochgefühl beim Debattieren, die glühende intellektuelle Neugier, die keine Angst kennt, die Reden von einer Republik, einer Demokratie, die nach dreißig Jahren Krieg all die vielen jungen Seelen befreien könnte. Die Kraft der Revolution, der Veränderung! In Köln, in dieser mittelalterlichen Festung, ist der Blick stets nach hinten gerichtet. Gefangen im Mittelalter, stützt sich Köln immer noch auf seinen einstigen Ruhm als Handelsmacht.

Zwar haben das 15. und 16. Jahrhundert der Stadt fette Handelsjahre beschert, das 17. Jahrhundert aber gehört Holland. Die niederländische Toleranz in Religionsfragen, hervorgegangen aus wirtschaftlichem Pragmatismus, leistet der jungen Republik gute Dienste. Die Niederlande sind die neue Achse der Philosophie und des medizinischen und wissenschaftlichen Fortschritts. Ein Magnet für all diejenigen, die über die engen Grenzen einer Welt hinausblicken, in der Kirche und Staat eins sind und die Sonne sich immer noch um die Erde dreht.

Die hölzernen Hafendocks und die Segelschiffe dahinter kommen in Sicht. Als sich der Nebel auflöst, glänzt der Rhein im Schein des Mondes. Zur Rechten liegen die großen hochseetüchtigen Schiffe aus Holland, Spanien, Frankreich, ja sogar aus England vor Anker. Zur Linken die kleineren deutschen Kähne, die ihre Fracht in den Norden nach Münster, Bremen, Hamburg und noch weiter transportieren. Mit dem Umschlaghafen hat Köln seit jeher sein Geld verdient und sich so seine strategische Lage an einem der wichtigsten Handelswege des Mittelalters zunutze gemacht, dem glorreichen Rhein. Wie mag es wohl vor hundert Jahren hier ausgesehen haben?, überlegt Ruth. Ein belebter Hafen voller Aktivität und Faszination. Nun gibt es zwar Gewerbe, aber das Leben ist schwerer geworden, der Hafen ruhiger. Die Entdeckung der großen Gebiete, die hinter dem europäischen Horizont liegen – Indien, China und Amerika –, hat Sitten und Gebräuche verändert. Die neuen Handelswege haben gegenüber den alten an Bedeutung gewonnen, und Köln machen die wirtschaftlichen Verluste zunehmend zu schaffen.

Ruth zählt zehn Hochseeschiffe und eine Fülle von munter schaukelnden Segelbooten, die an den Holzstegen vertäut sind. Es ist nach wie vor ein prächtiger Anblick. Das verblassende Mondlicht erfasst die Kämme der kleinen Wellen auf dem Fluss, klettert die hölzernen Bugs der schlafenden Schiffe hinauf und verwandelt das geölte Tauwerk in geisterhafte silbrig-blaue Schlangen. Obwohl sich Ruth bereits an dieses Panorama gewöhnt hat, versetzt es sie jedes Mal aufs Neue in Begeisterung, wenn sie ein Schiff mit seiner geheimnisvollen Ladung wie einen Kranich in den Hafen gleiten sieht.

Am gegenüberliegenden Ufer, außerhalb des katholischen Kölner Territoriums, liegen die Städtchen Deutz und Mülheim. Sie gehören zum protestantischen Gebiet der Hohenzollern. Ruth lässt den Blick flussabwärts Richtung Mülheim schweifen und erkennt den grauen Turm der kleinen Calvinistenkirche, die ganz oben an der Hauptstraße liegt. Das kleine Bauwerk bildet einen krassen Gegensatz zu dem hoch aufragenden, zur Hälfte fertig gestellten Turm des Doms auf der anderen Seite des Flusses mit dem Baukran darauf, der wie ein Schnabel hervorragt.

Südlich von Mülheim liegt Deutz. Ruth ist in den engen, überfüllten Gassen des kleinen Gettos aufgewachsen; in den Überresten dessen, was vor dem infamen Pogrom in der Bartholomäusnacht des Jahres 1349 die blühende jüdische Gemeinde von Köln war. In dieser Nacht wurden fast alle jüdischen Männer, Frauen und Kinder innerhalb der Stadtmauern umgebracht. Die wenigen, die entkamen, zogen in freundlichere Städte wie Frankfurt oder Amsterdam, manche sogar in den Osten bis nach Krakau: Aber einige Familien harrten aus. Und erschufen, unterstützt von neuen Siedlern, wieder einen kleinen Vorposten am rechten Ufer des Rheins im Gebiet der Protestanten, die ihnen gegenüber ein wenig toleranter eingestellt waren.

Eine Gruppe jüdischer Frauen wartet am Flussufer auf ein Boot, das sie zurück nach Deutz bringt. Wie Ruth vermutet, haben sie ihre Waren – frisch gebackenes Brot und Käse – an die niederländischen und spanischen Matrosen verkauft, die in Quarantäne auf ihren Schiffen bleiben müssen. Obwohl sie selbst die gleiche Tracht trägt, kommen Ruth die orthodoxen Frauen mit ihren Hauben mit den zwei Spitzen, den langärmligen Kleidern und dem obligatorischen gelben Ring auf der Brust recht altertümlich vor. Geistesabwesend streicht sie mit den Fingern über den gelben Ring an ihrem Kleid, den Miriam pflichtbewusst aufgenäht hat. Dieses Zeichen müssen die Juden im Deutschen Reich seit über einem Jahrhundert tragen, und es verbietet Ruth, ohne Erlaubnis nach Köln oder an einen anderen Ort im Rheinland zu fahren. Es ist ein Erlass, der viele Juden nötigt, ihre Wege mit Hilfe von Bestechung oder christlichem Geleitschutz abzusichern.

Der Wagen erreicht das erste von einer langen Kette flacher Boote, die eine Brücke über den Rhein schlagen. Ruth und Miriam steigen ab, und der Kutscher führt das nervöse Pferd auf den ersten Nachen. In der Ferne sind die schaufelnden Wassermühlen zu sehen, während aus den Deutzer Schornsteinen vor ihnen dünne graue Rauchschwaden in den Himmel steigen. Ruth hat das Gefühl, Jahrhunderte von ihrer Zeit in Amsterdam entfernt zu sein.

Nun rollt der Wagen auf den nächsten Nachen. Es ist Januar, und der Fluss, den der geschmolzene Schnee hat anschwellen lassen, rauscht heftig tosend dahin. In den Frostperioden ist es, solange sich Ruth erinnern kann, bitterkalt gewesen, aber ihr Vater hat oft von den Wintern in seiner Kindheit erzählt, die weit weniger eisig und erbarmungslos gewesen sein sollen. Ist das die Strafe Gottes für dreißig Jahre Krieg? Christen gegen Christen, und wozu? Kein Wunder, dass er die Nordsee zufrieren ließ und König Gustav erlaubte, mit seiner Armee schwedischer Spielzeugsoldaten herüberzumarschieren. Altsding lozt zieh ois mit a gevain ... Alles endet mit Weinen‹, würde Elazar mit einem philosophischen Gedanken schließen.

Ruth wendet ihren Blick von dem reißenden Wasser ab und konzentriert sich darauf, dem unablässigen Tosen zu lauschen, um ihren Geist zu leeren. Diesen Trick wendet sie immer an, wenn der Vater ihr in den Sinn kommt. Allein mit dieser Methode gelingt es ihr, den überwältigenden Kummer abzuschütteln, den sie verspürt, wenn sie daran denkt, dass er ihr die Flucht nicht verzeihen kann, ihr langes Schweigen und nun ihre Rückkehr in die Heimatstadt. Sie hat stundenlang vor dem Haus gestanden, in dem sie aufgewachsen war, und darauf gewartet, dass der alte Mann den ersten Schritt macht und den religiösen Bann aufhebt. Aber Elazar kann seiner Tochter den Verrat noch nicht verzeihen.

Als Ruth aus Amsterdam zurückkehrte, hat sie nur aufgrund der Bitte ihres Vaters an den Rabbinerrat in Deutz bleiben und als Hebamme praktizieren dürfen. Da sie aber von der Gemeinde als Ketzerin betrachtet wird, kann sie nicht auf Absolution hoffen, wie viele gesunde Kinder sie auch auf die Welt holt. Und als oberstem Rabbi, dem Milde als kühne und politisch gefährliche Geste ausgelegt würde, sind Elazar die Hände gebunden. Dennoch gibt Ruth die Hoffnung nicht auf. Sie sehnt sich danach, bei ihrem Vater zu sitzen und ihm von ihren Reisen zu erzählen; ihm zu versichern, dass die junge Tochter, die er kannte, immer noch lebt. Aber es fällt ihr schwer, sich anzupassen; eigentlich ist es ihr noch nie gelungen. Das Leben in Deutz ist seit ihrer Rückkehr ein ständiger Balanceakt zwischen der Geborgenheit, die Tradition und Aberglaube vermitteln, und der brennenden intellektuellen Neugier, die ihr angeboren ist. Mit der sie geschlagen ist, denkt sie manchmal.

Der Wagen erreicht das gegenüberliegende Ufer und rollt mit knarrenden Rädern in den dicken Schlamm. Ruth weist den Kutscher an, den zentralen Platz zu umfahren, wo der oberste Rabbi Elazar ben Saul wohnt, und klettert mit Miriam wieder auf den Wagen.

Schon bald kommen sie an den Rand der Siedlung und rumpeln eine Nebenstraße hinunter, die von Deutz hinaus aufs Land führt. Die brachliegenden Felder werden mehr und mehr von Wäldern überwuchert, die überwiegend aus jungen Bäumen bestehen und bis an den Stadtrand vordringen. Ruth ist erstaunt darüber, dass sich der Großteil des Landes, besonders der Norden und Nordosten, von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges noch immer nicht erholt hat. Hier sieht die Landschaft noch grün aus, aber weiter nördlich liegen verlassene Felder und ausgebrannte Bauernhäuser. Ein Drittel der Bewohner des Deutschen Reiches sind abgeschlachtet, ihre Ländereien immer wieder von Protestanten und Katholiken, von Franzosen, Schweden und Preußen verwüstet. worden.

Ruth starrt auf den breiten Rücken des Kutschers. Er wird gekämpft haben, denkt sie, wie alle anderen auch. Aber er hat Glück gehabt. An vielen Orten treten erst langsam wieder Arbeiter in Erscheinung, die meisten von ihnen Flüchtlinge auf der Suche nach einem Neuanfang in den leeren Städten im Norden und Süden. Holländische Calvinisten, Italiener, sogar Schweden sind ins Rheinland geflohen, deren ganzes Leid in ihren hohlen Wangen und dem gequälten Blick offenbar wird. Die einheimische Bevölkerung zeigt sich misstrauisch diesen Fremden gegenüber und geht verbittert in Verteidigungshaltung. Weil sie die eigenen Söhne verloren hat, ist sie voller Ressentiments, sieht sich jedoch gezwungen, die Neuankömmlinge aufzunehmen. In diesen Zeiten haben es Fremde nicht leicht.

Das Pferd wiehert, bäumt sich auf und weigert sich weiterzugehen. Der Kutscher steigt knurrend vom Wagen und stiefelt durch den Schneematsch auf einen mit Raureif überzogenen Haufen mitten auf der Straße zu. Als er mit der Peitsche hineinsticht, fällt ein Arm heraus, der sich fleckig blau und schlammbeschmiert vom Schnee abhebt. Der Kutscher weicht zurück und bedeckt den Mund mit dem Mantelärmel.

»Pest!«

Er stolpert zurück zum Wagen. Ruth steigt aus, um die Leiche zu untersuchen, aber der Kutscher hält sie am Arm fest. »Eine Berührung und wir sind alle verloren!«

»Beruhigen Sie sich! Ich will wissen, ob es die Pest ist oder einfach nur Armut – ich habe schließlich eine medizinische Ausbildung.«

Sie macht sich von ihm los. Vorsichtig fegt sie den Schnee aus dem verschrumpelten Gesicht des Mannes und findet keine der verräterischen Flecken oder Schwellungen, die auf den schwarzen Tod hindeuten. Der Tote sieht aus wie sechzig, aber Ruth schätzt, er ist eher vierzig; einer der Tausenden vom Krieg Entwurzelten, die ihr Leben damit verbringen, von Dorf zu Dorf zu ziehen, um Nahrung zu betteln und in Gräben und auf dem freien Feld zu übernachten. Die Verlorenen Mitteleuropas.

»Das ist nicht die Pest, nur der Hungertod. Laden Sie ihn auf den Wagen, dann beerdigen wir ihn im Dorf.«

»Er ist ein Christ, den könnt ihr gar nicht beerdigen.«

»In diesem Fall legen wir ihn vor der Kirchentür ab.«

»Zu viel Umstände. Er ist nur ein Stück Treibholz, keiner schert sich um ihn.«

»Dennoch hat er eine Seele.«

»Eine protestantische oder eine katholische?«

»Glauben Sie, das kümmert Gott?«

Der Kutscher starrt sie an. Wäre sie ein Mann, würde er sie schlagen. Aber sie strahlt eine Autorität aus, die ihn einschüchtert. Vielleicht stimmt es, dass sie übernatürliche Kräfte hat. Er hat sie einmal zu dem Haus eines Besessenen gefahren und mit eigenen Augen gesehen, wie sie den zitternden Kranken geheilt hat. Mit dem Teufel will sich der Kutscher lieber nicht anlegen.

Widerstrebend und vor sich hin murmelnd bedeckt er die Leiche mit einem Stück alten Sackleinen und hievt sie hinten auf den Wagen. Sie wiegt nicht mehr als ein Bündel Reisig, und es ist nicht einmal genug Fleisch an den Knochen, um den Toten an die Kölner Geheimanatome zu verkaufen. Verflucht sei die jüdische Hexe!, denkt er. Wäre die Bezahlung nicht so gut, würde er sie bestimmt nicht noch einmal fahren.

Die Räder des Wagens setzen sich wieder in Bewegung. Schon bald weichen die hohen, schneebeladenen Kiefern kleinen, ordentlichen Feldern, auf denen die protestantischen Bauern Weizen, Gerste und Hafer anbauen. Nun jedoch sind sie weiß verhüllt. Ruth kennt einige der Familien: Manche sind holländische Calvinisten, andere Lutheraner aus dem Norden. Sie hat ihre Kinder auf die Welt geholt. Sie sind recht gastfreundlich, aber auch zurückhaltend und stets vorsichtig.

Die Kutsche rumpelt auf Deutz zu. Am Himmel zieht ein Falke seine Kreise und hält Ausschau nach Aas. Über den Hausdächern steigt spiralförmig der Rauch von den Backstuben auf. Es ist Freitag, und bereits um sechs Uhr in der Frühe haben die Frauen und Töchter der Gemeinde mit den Vorbereitungen für das Sabbatmahl begonnen.

Ruth wird von Heimatgefühlen überwältigt. Es ist das Gefühl, in Deutz zu Hause zu sein, an diesen Ort zu gehören, das sie zurückkehren ließ und sie in ihrem Wunsch bestärkt, sich mit dem Vater auszusöhnen. Dieses Gefühl ist sogar mächtiger als jenes von zunehmender Freiheit, das sie in Amsterdam erlebte.

JANUAR 1665

Eine dicke flachsblonde Haarlocke ringelt sich um drei lange Finger, die Detlef verschwommen als seine eigenen erkennt. Allmählich rückt auch die purpurne Decke, bestickt mit dem Wappen der entmachteten Familie von Dorfel, in sein Blickfeld. Birgit ... die vergangene Nacht ... der Geschmack des schweren Bordeaux liegt ihm noch auf der pelzigen Zunge. Birgit. Und schon als alle seine vier übrigen Sinne erwachen und er den durchdringenden Geruch seiner Geliebten wahrnimmt, die sanfte, aufreizende Rundung ihres Gesäßes, das gegen sein sich verhärtendes Gemächt drängt, ihr hüftlanges Haar – von dem eine Strähne über sein Gesicht fällt und ihn in der Nase kitzelt –, und schließlich ihr leises Schnarchen, das ihn immer an eine schnurrende Katze erinnert, bestätigen sich seine schlimmsten Befürchtungen: Wieder einmal ist er also im verbotenen Bett seiner verheirateten Mätresse gelandet. Der junge Kanoniker setzt sich ruckartig auf und reißt unabsichtlich die Haarlocke mit.

»Detlef!«

Birgit Ter Lahn von Lennep, geborene von Dorfel, macht ihr Haar von Detlefs Fingern los. Ihr symmetrisches, angenehmes Gesicht ist einen Hauch zu aufgedunsen. Der Zynismus und das gute Leben haben ihre kesse Nase bereits breiter werden lassen. Ihre eisblauen Augen drohen schon bald in ihren runden Wangen zu versinken, die sich einst vornehm nach innen wölbten.

»Willst du mir die Haare ausreißen wie einer Ehebrecherin?«

Lächelnd lässt sie ihre Hand unter die Decke gleiten und greift nach seinem Penis. Detlef lässt sie kurz gewähren, dann schiebt er ihre Hand missmutig fort.

»Ich muss zur Messe.«

»Lass mich dein Sakrament sein.«

»Dafür kommst du in die Hölle!«

Er schwingt die Beine aus dem Bett und sucht seine Robe, die, wie er bekümmert feststellt, wie eine abgestreifte Haut auf den im Schachbrettmuster verlegten Fliesen des prunkvollen Schlafgemachs liegt.

»Unmöglich! Weißt du, wie viele Ablassbriefe genau der gute Kaufmann, mein Gatte Meister Ter Lahn von Lennep, schon für mich erstanden hat?«

Birgit lächelt ihm in dem runden italienischen Spiegel zu, der die verschwenderische Einrichtung des Schlafgemachs, die teuren Wandteppiche und all die Kostbarkeiten reflektiert, mit denen ihr Mann, ein Importeur, sie in dem erfolglosen Versuch, ihre Zuneigung zu gewinnen, überhäuft hat. Ihr Spiegelbild betrachtend, findet sie, dass sie wie die leibhaftige Venus aussieht. Ihr weißer, üppiger Körper wird umrahmt von den maurischen Seidenvorhängen, und ein Sonnenstrahl fällt auf ihre Brüste mit den rosafarbenen Warzen. Sie richtet sich etwas auf, um ihr Profil ins rechte Licht zu rücken – eine kleine Geste einer Frau, die sich ihrer Schönheit bewusst ist. Dazu muss sie nicht einmal den Blick von ihrem Geliebten abwenden, dem einzigen Mann, der in der Lage ist, Gefühle in ihr zu wecken. Der einzige Mensch, der ihr nie gleichgültig gewesen ist – und den sie fürchtet, so ihre erschreckende Erkenntnis, denn sie weiß, sie könnte den Verlust dieser Liebe niemals verschmerzen.

»Vierhundertsechs Ablassbriefe.« Mit seiner raschen Antwort verrät sich Detlef.

Er sieht kurz zur Seite, und sein Blick fällt auf ein kleines Porträt des illustren Ehepaares Ter Lahn von Lennep. Birgit sieht darauf so jung aus, dass man sie fast für unschuldig halten könnte, denkt er und verspürt eine gewisse Genugtuung angesichts der offensichtlichen Zeichen der Alterung, der kleinen Fältchen in den Augenwinkeln der Frau aus Fleisch und Blut, die vor ihm sitzt. Er fragt sich, ob er überhaupt noch zwischen Wollust und Liebe unterscheiden kann oder ob ihm die Trägheit selbst diese Fähigkeit geraubt hat. Aus Angst, sie könne seine Gedanken erraten, sieht er ihr nicht in die Augen.

»Du solltest wissen, dass ich als oberster Kanoniker unter Maximilian Heinrich über alle Spenden an den Dom unterrichtet bin. Dein Gemahl ist ein sehr großzügiger und sehr ... besorgter Mann. Er muss dich für eine zwanghafte Sünderin halten.«

Birgit beobachtet, wie er durch den Raum geht. Die natürliche Anmut seiner Bewegungen schürt ihr Verlangen nach ihm. Seine langen, wohlgeformten Beine, auf denen sich hellblonde Härchen kräuseln, die Umrisse seiner schmalen jugendlichen Hüften, die straffe Wölbung seines Gesäßes und schließlich sein großes Gemächt, das gegen seine Schenkel schaukelt und sie mit seiner vollkommenen Schönheit lockt. Einen Augenblick lang hasst sie ihn wegen der Macht, die er über sie hat. Eine Sekunde später ist sie versucht, alles zu gestehen. Sie würde diesen Mann Gottes gern fragen: Ist es eine Sünde zu lieben? Denn angesichts der überwältigenden Zuneigung, die sie verspürt, erscheint es ihr ganz natürlich. Aber ihre uralte aristokratische Erziehung zwingt sie zu Zurückhaltung. Sie kann es nicht wagen, sich zu offenbaren. Sie zieht ihren Morgenmantel an und hört sich antworten: »Wenn ich eine zwanghafte Sünderin bin, dann bin ich machtlos dagegen und daher per Definition frei von Schuld.«

Detlef, der sich seine Robe über die Schultern geworfen hat, muss lachen. Trotz ihrer Verdorbenheit ist Birgit sehr geistreich; eine Eigenschaft, die ihn immer wieder in ihr Bett zieht.

Ein Klopfen an der Tür des Schlafgemachs schreckt die beiden auf. Sie verstummen. Ihre Liaison wird zwar geduldet, darf aber nicht öffentlich werden. Detlef deutet auf die Tür, und Birgit geht schweigend hin, um sie vorsichtig zu öffnen. Eine junge Magd flüstert ihr etwas ins Ohr.

Sie dreht sich zu Detlef um. »Es ist dieser Dummkopf, dein Sekretär.«

Detlef tritt zu ihr. Groot, ein kleiner, stämmiger Mann mit politischen Ambitionen, die seine intellektuellen Fähigkeiten übersteigen, und einem schielenden Auge, drängt sich an der Magd vorbei. Er verbeugt sich ehrerbietig vor Birgit und hält den Blick gesenkt.

»Groot, mich hier in den Gemächern meiner Dame aufzusuchen ist eine große Torheit.«

»Ich bitte um Verzeihung, Kanonikus, aber Sie werden unverhofft noch heute Morgen im Rat erwartet. Der Inquisitor ist eingetroffen.«

»Welcher Inquisitor?«

»Monsignor Carlos Vicente Solitario, der spanische Dominikaner. Er reist im Auftrag von Kaiser Leopold und ist Mitglied des Obersten Rats der Inquisition. Man sagt, der Erzbischof sei nicht in der Stimmung, ihn zu empfangen, und daher hat er Ihnen diese Ehre zuteil werden lassen.«

»Zur Hölle mit den Spaniern!«

»Eine Meinung, die Heinrich gewiss teilt, wenn man bedenkt, wie es zwischen den Franzosen und König Philipp steht.«

»Ein Hoch auf seine Heilige Hoheit Maximilian Heinrich!«

Groot verbeugt sich erneut und verlässt, Entschuldigungen murmelnd, rückwärts die Gemächer.

»Und bitte, machen Sie sich klein wie ein Schatten, wenn Sie dieses Gebäude verlassen!«

Detlef knallt hinter dem errötenden Geistlichen die Tür zu und lehnt sich einen Augenblick lang an das lackierte Holz. Groots Strebsamkeit ärgert ihn. Der Mann würde jederzeit seine Loyalität verkaufen, um vorwärtszukommen, und Detlef wird klar, dass sein Untergebener schon zu viel weiß. Andererseits erregt ihn in seinem tiefsten Innern die Möglichkeit eines Verrats.

Gefahr ist ein Aphrodisiakum. Detlef ist dekadenter, als er zugeben würde, und ein viel größerer Freidenker, als Groot sich je vorzustellen vermag. Er denkt an die revolutionären Abhandlungen, die er in seinen Gemächern versteckt hat: Schriften aus Holland mit den jüngsten philosophischen und religiösen Debatten. Wenn man sie bei ihm fände, würde er als Ketzer verbrannt werden.

Ein Sprichwort seines Vaters kommt ihm in den Sinn: »Wissen ist das Schießpulver, mit dem Imperien errichtet und zerstört werden.« Diesen Satz hat der alte Graf, ein Mann mit einer Leidenschaft für den Krieg, seinem zweiten Sohn eingebläut, den er immer als dummen Idealisten betrachtet hat. Es wäre ratsam, über die Schwächen des jungen Groot Buch zu führen, denkt sich der Kanonikus, für den Fall, dass sein Assistent sich eines Tages aufgrund seiner Ambitionen als vertrauensunwürdig erweisen sollte.

Birgit nähert sich Detlef von hinten, schlingt die Arme um seine Taille und schmiegt sich an ihn. Durch den dünnen Kattunstoff spürt er ihre Brüste.

»Wer ist dieser Inquisitor?«

»Irgendein Fanatiker, den uns Kaiser Leopold auf den Hals gehetzt hat. Wahrscheinlich wieder so ein Schnüffler für den nervösen Herrscher, der sich um die lockeren französischen Sitten von Maximilian Heinrich Sorgen macht. Leopold befürchtet, dass der Erzbischof – wie es typisch für einen Wittelsbacher ist – hinter seinem Rücken mit König Ludwig ins Bett geht und ihn betrügt.«

»So dreist ist Heinrich?«

»Maximilian Heinrich ist Politiker.«

»Ist es ein innerer Widerspruch, Politiker und zugleich ein Mann Gottes zu sein?«

»Ach, nein. Aber Heinrich sieht keinen Unterschied zwischen Feldzügen für Gott und Feldzügen für seine Pariser Freunde.«

»Und du? Sei mein Politiker!«, raunt Birgit verführerisch. Sie lässt ihre Finger über seinen Bauch nach unten gleiten und gräbt sie in sein weiches Vlies. Sie liebt es, ihn zu berühren, ohne ihn zu sehen. Ihn zu umklammern und darüber zu staunen, wie er in ihrer Hand wächst.

Diesmal lässt Detlef sie gewähren und greift ihr über die Schulter ins Haar.

»Soll ich Heinrich von seinem Platz verdrängen?«

Er wickelt sich eine ihrer langen Locken um den Finger, bis sie sich strafft.

»Wie zu hören ist, wird der Neffe des Kaisers, Prinz Ferdinand, deinen Bruder, den Grafen, in dieser Jagdsaison besuchen ...«

»Und ich soll mit ihm sprechen und einen Titel für dich und deinen unfähigen Bürger besorgen?«

Er zwirbelt die Haarsträhne immer fester, während Birgit ihn streichelt.

»Du vergisst, dass ich eine von Dorfel war und mein Stand dem eines Wittelsbachers ebenbürtig – ach was, überlegen!«

Ihre Worte, kühl und losgelöst von ihren Bewegungen, erregen ihn nur noch mehr. Er schließt kurz die Augen und steht ganz still, während sein Körper von Wellen der Lust heimgesucht wird.

»Du irrst, Birgit. Deine Herkunft ist nutzlos, sie gehört in die alte Welt. Die Zukunft ist die neue Welt, und sie gehört den Bürgern und dem einfachen Volk, das Luther folgt.«

Statt zu antworten, öffnet sie seine Kniehose. Sie hält sein Geschlecht in beiden Händen, schmiegt sich fest an Detlefs Rücken und stellt sich vor, sein Körper wäre eine Verlängerung ihres eigenen, das pochende Glied in ihren Händen ein Teil von ihr. Ach, ein Mann zu sein! Alle Pfade des Schicksals offen vor sich zu haben – was hätte ich alles getan, tun können, denkt sie. Sie lässt sich von der Liebe betören und stellt sich vor, sie wären zu einem einzigen Wesen vereint. Unwiderruflich verbunden durch dieselben Ziele und das Schicksal. Einen Augenblick lang verharrt sie so und hält Detlef umklammert.

»Aber Detlef, wirst du etwa zum Ketzer?«

»Dazu fehlt mir leider die nötige Passion. Wir unterscheiden uns, Birgit. Du bist leidenschaftlich ambitioniert, während es mich nur dazu drängt zu vergessen, was aus mir geworden ist.«

»Besorge mir und meinem Mann den Titel, und ich verspreche, ich werde dir deinen Glauben wiedergeben.«

Ihre Bewegungen werden schneller; sie spürt seine steigende Lust. Er lacht trocken und räuspert sich.

»Glaubst du, es ist meine Berufung, Heinrich zu stürzen und mich zum Erzbischof wählen zu lassen?«

»Ich glaube, wir sollten alle glücklicher sein ... und reicher. Du weißt, wie sehr mein Mann dich zu schätzen weiß ...«

»Und die ganze Welt liebt einen reichen, betrogenen Ehemann. Aber für dich, und nur für dich, werde ich versuchen, mit dem Prinzen zu sprechen.«

Lächelnd zieht er Birgit an den Haaren und zwingt sie vor ihm auf die Knie. Mit einer ehrerbietigen Geste nimmt sie ihn in den Mund.

Während Detlef durch die belebten Gassen zum Dom marschiert, steht Birgit vor dem Spiegel und lässt sich von ihrem Dienstmädchen in die schimmernden Unterröcke helfen.