Mondlicht strömte durch die Säulengänge und verwandelte den Garten in ein märchenhaftes Labyrinth. Schwärme von Motten und Leuchtkäfern flatterten um Fackeln und Laternen, der Nachtjasmin stand in voller Blüte. Sein schwerer Duft erinnerte mich an die langen Nächte, die ich mit Tarek und Malakat verbracht hatte. An die wohltuende Stimme des Aman-Kaja, das Lachen meiner Amme und die kostbaren, allzu flüchtigen Momente der Zeitlosigkeit. Zwanzig Tage waren an mir vorbeigegangen, ohne dass ich sie wahrgenommen hatte. So viel verlorene Zeit. So viele Sorgen, die ich Malakat und Kafir bereitet hatte.
Oh, bei allen Frostgeistern! Wie hatte das nur geschehen können? Wenn es eine Krankheit gewesen war, die mich niedergestreckt hatte, warum fühlte ich mich so ausgeruht und klar im Kopf? Nichts tat weh, ich empfand weder Hunger noch Durst. Was also hatte mich so lange schlafen lassen? Und wie war es während meiner Abwesenheit mit dem Unterricht weitergegangen? Hatten sich Tarek und Malakat überhaupt auf irgendetwas konzentrieren können?
Und weshalb, bei allen Geistern und Göttern, war der Aman-Kaja so um mein Wohlergehen besorgt?
Als wir das Turmgemach erreichten, ließ mich die Hexe zuerst eintreten. Hastig schob sie einen Riegel vor, trat vor den Spiegel und vollführte eine ungeduldige Geste in meine Richtung. Als ich mich zu ihr gesellte, sah ich mich in dem seltsamen, von duftendem Rauch erfüllten Zimmer um. Das Leuchten dutzender Kerzen und Windlichter tauchte es in einen warmen Schimmer und vermittelte eine fast schon heimelige Behaglichkeit. Yleria hatte nicht nur Ordnung geschaffen, ihr war sogar das Kunststück gelungen, dem fensterlosen Gemach Gemütlichkeit zu verleihen.
Bunte Laternen baumelten von der Decke, die Sessel waren mit dunkelgrünem Samt überzogen. In den Ecken hingen keine Spinnweben mehr und der Boden war mit weichen Teppichen ausgelegt. Nur das mit schwarzer Seide bezogene Bett jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ob Yleria die Aufmerksamkeit meines Gatten genoss? War sie ihm gerne zu Willen oder zwang er sie so, wie er mich gezwungen hatte?
»Keine Angst, meine Königin.« Aufmunternd nickte die Hexe mir zu. »Ihr müsst nichts tun. Überlasst dem Spiegel alle Entscheidungen.«
Nichts tun? Nun, das würde ich wohl hinbekommen. Abwartend starrte ich auf die glatte, silbrige Fläche, in der sich die bunten Lichter des Raumes auf wundersame Weise vervielfachten. Sie bildeten einen Tunnel, der sich kaum merklich drehte und ganz sacht an mir zog. Ich trat einen Schritt näher, erfüllt von einer angenehmen Leichtigkeit, blickte in den trägen Tanz aus Farben und streckte meine Hand nach dem Spiegel aus.
»Gemma«, flüsterte es ganz leise in der Ferne. »Gemma … ich lebe, solange du dich an mich erinnerst.«
Ein zarter Schmerz flammte in meinen Fingerspitzen auf. Und plötzlich zerfiel meine Welt zu Scherben. Im ersten Moment stand ich noch aufrecht da, überwältigt von einem abgrundtiefen Schrecken, im nächsten kauerte ich auf dem Boden, weinte mir die Augen aus dem Kopf und spürte, wie mir das Herz entzweigerissen wurde. Eine namenlose Qual hielt mich zwischen ihren Kiefern gefangen. Sie biss zu, immer tiefer, immer brutaler, bis ich nicht einmal mehr weinen konnte, sondern stumm vor Schmerz ins Leere starrte. In der furchtbaren Gewissheit, dass alles vorbei war. Dass es kein Morgen gab. Keinen weiteren Atemzug. Sondern nur noch Einsamkeit.
Ich wusste nicht, was geschehen war.
Ich wusste nicht einmal, was mir der Spiegel gezeigt hatte. Eine Dunkelheit, für die ich keine Worte fand, hatte meine Seele in zwei Hälften gerissen und eine davon verschlungen. Tief in mir klaffte ein Loch, das niemals mehr gefüllt werden konnte. Aber was war es, das mir fehlte?
Yleria nahm mich sanft bei den Schultern und half mir auf die Beine. Ich wollte um etwas weinen … um jemanden … doch die Leere ließ keine Tränen zu.
»Was ist passiert?«, krächzte ich. Meine Kehle war so eng, dass die Worte kaum mehr waren als ein hervorgehauchter Gedanke. Mein Geist wollte fliehen. Weit fort. So weit, dass mich nicht einmal mehr die Erinnerung einholen konnte.
»Ich weiß es nicht, Herrin. Der Spiegel hat allein zu Euch gesprochen.«
»Du hast nichts gesehen? Gar nichts?«
Hinter dem schlangengrünen Blick der Hexe wogte ein Meer aus Gedanken. Keinen davon würde sie mit mir teilen, ganz gleich, was ich zu ihr sagte.
»Nur Schatten«, antwortete sie ausweichend. »Nichts, das ich hätte erkennen können. Aber manchmal enthüllt sich die Botschaft erst später. Wie ich schon sagte, Herrin. Ich muss darüber nachdenken.«
»Dann denk schnell.« Ich wollte allein sein. Mehr als alles andere brauchte ich Dunkelheit und Stille. Yleria schien das zu spüren, denn am Fuße der Treppe machte sie kehrt und ließ mich ohne ein weiteres Wort stehen.
Allmählich fiel das, was der Spiegel mir angetan hatte, in sich zusammen. Mein Schmerz wurde zu einer Erinnerung, die Erinnerung zu Nebel. Ich erwachte aus einem Fiebertraum, dessen Nachhall wie eine Krankheit in meinen Knochen steckte und mein Herz so mühsam schlagen ließ, als würde Pech durch meine Adern kriechen. Yleria hatte behauptet, dass der Spiegel nicht die Zukunft zeigte. Zumindest keine, die unausweichlich war. Warum fühlte es sich dann genau so an?
Warum war es, als hätte ich in den Abgrund der Welt geblickt? In eine Tiefe, die keinen Grund und kein Ende besaß?
Mitten im Gang blieb ich stehen, starrte auf meine Hände und spürte, wie ihnen etwas entrissen wurde. Ich hatte jemanden festgehalten. Mit aller Kraft. Doch sein Herzschlag war durch meine Finger geflossen wie heißes Blut.
Ich lebe, solange du dich an mich erinnerst …
»Verdammtes Hexenwerk!« Blindlings rannte ich dem Schmerz davon, lief mit wehendem Kleid durch den Gang, sprang die Treppe in das Erdgeschoss hinunter und floh in den königlichen Garten hinaus. Wie eine Erstickende sog ich den Duft der Bäume und des Nachtjasmins in mich hinein, versuchte den Frieden des Ortes und die Stille des Augenblicks zu trinken.
War es Ylerias Absicht gewesen, mich zu verängstigen? Spielte sie mit mir, wie es in den alten Zeiten die Hexen und Magier so gern getan hatten, um Menschen zu quälen und ihre Furcht als Zaubermittel zu benutzen? Niemals würde ich ihr vertrauen. Niemals! Und wenn sie noch so oft beschwor, auf meiner Seite zu stehen.
Ich rieb mir mit beiden Händen über das Gesicht, als wäre das Gefühl des Verlustes nichts weiter als Dreck, den ich fortwischen konnte. Dann tappte ich auf nackten Füßen durch das taunasse Gras, lehnte mich an einen Baumstamm und blinzelte in den Himmel hinauf.
Nicht nachdenken.
Alles, nur nicht nachdenken.
Nach einer Weile kam Tashma aus dem Schatten eines Ganges herangetrottet. Mit hängenden Flügeln watschelte sie zu mir, blieb vor mir stehen und starrte mich aus großen, traurigen Augen an. »Was ist denn?« Ich bückte mich und kraulte ihre Kopffedern. »Geht es dir gut?«
Die Basiliskendame stieß ein klägliches Winseln aus. Sie umrundete mich ein paarmal, schnupperte an mir, winselte erneut und leckte mir mit ihrer blauen Zunge über die Hand.
»He, was ist denn? Hast du dir Sorgen gemacht? Es tut mir leid. Es tut mir wirklich furchtbar leid.«
Tashma seufzte und schnaufte eine Rauchwolke aus. Wieder musterte sie mich mit diesem bestürzten Blick, dann sprang sie wie ein Ziegenbock in die Luft und rannte mit wedelndem Schweif zu einem der Nussbäume, die sich unter der Last ihrer Früchte nur so bogen. Eine Weile hockte sie einfach nur da, legte den Kopf in den Nacken und starrte wie gebannt in das Astwerk hinauf. Dann begann Tashma, sich wie ein wild gewordener Kreisel um sich selbst zu drehen und aufgeregt zu zwitschern.
»Was ist denn los?« Lustlos trottete ich zu ihr und folgte ihrem Blick. Nichts. Keine Eule, kein Affe und auch keine Eichhörnchen. »Siehst du Gespenster? Da oben ist nichts.«
Der Basilisk ließ sich nicht beirren. Immer ungeduldiger hüpfte und sprang er herum und bellte das unsichtbare Ding an, als wollte er es auffordern, endlich herabzusteigen.
»Ach«, seufzte ich müde. »Jetzt sei schon still.«
Erschöpft wanderte ich ein Stück in Richtung Teich, sank unter einer Weide in das Gras und lehnte mich gegen den Stamm. Ich wollte schlafen. Einfach nur schlafen. Dabei hatte ich zwanzig Tage lang nichts anderes getan.
Tarek
Es war vollkommen sinnlos. Sobald ich die Lebensenergie der Bäume sehen konnte und es schaffte, sie anzuzapfen, nahm sie mir der Halsreif wieder weg. Dieses verdammte Ding schien einen eigenen Willen zu besitzen. Sogar eine eigene Art von Grausamkeit. Ständig gaukelte er mir das Gefühl vor, endlich stärker geworden zu sein, nur um dann umso schmerzhafter zuzuschlagen und mir förmlich die Haut von der Kehle zu brennen. Heute dagegen saugte er mich auf eine sanfte, fast spielerische Weise aus, als wollte er mir vor Augen führen, wie mühelos er mich im Zaum hielt.
Ich fluchte ein paarmal, streckte mich auf dem nächstbesten Ast aus und versuchte, meine Wut zu zügeln. Wenigstens verschafften mir die Stunden nach unserem Unterricht ein wenig Erleichterung. Allmählich kehrte ich sogar halbwegs zu meiner alten Form zurück, auch wenn eine Handvoll Bäume bei Weitem nicht an die endlosen Weiten des Dschungels heranreichten und meinen Hunger nach Bewegung kaum stillen konnten. Aber es lagen jede Menge große Steine herum. Steine, die ich in manchen Nächten stundenlang stemmte, um mich gebührend darauf vorzubereiten, Antares das Herz aus der Brust zu reißen. Wäre der Halsreif nicht gewesen, hätte ich längst O’bats Ausmaße erreicht. So jedoch konnte ich nur jene Phasen nutzen, in denen Ylerias Fessel mir eine Pause gönnte. Als wäre sie ein Jäger, der den Willen seiner Beute brach, indem er sie wieder und wieder befreite und erneut einfing.
Mit einem hauchfeinen Knistern tanzte ein Netz aus leuchtenden Fäden um mich herum, kroch über meine Haut und versprach mir neue Kraft. Aber was brachte es ein? Nichts außer einem Halsreif, der mir die Haut verbrannte und sich an meiner Energie satt fraß.
Dösend ließ ich die Arme vom Ast hängen, blinzelte in das raschelnde Laub hinauf und versuchte zu vergessen, wo ich war. Von irgendwoher kam eines der zahmen Äffchen herbeigehüpft, die sich die Knochenmenschen gerne als Haustiere hielten. Keckernd setzte es sich auf meine Brust, rollte seinen Schweif wie eine Schnecke ein und musterte mich mit schiefgelegtem Kopf. Es stank erbärmlich nach Parfüm und trug alberne Kleidung mit Rüschenbesatz. Auf seinem Kopf hatte irgendjemand eine Mütze aus Samt befestigt und in seinem linken Ohr baumelte ein goldener Ring. Kurzerhand befreite ich es von dem Flitterkram, warf das Zeug ins Gebüsch und kraulte das Tierchen, bis es sich auf meinem Bauch zusammenrollte und fast augenblicklich einschlief. Dabei gab es in regelmäßigen Abständen leise Geräusche von sich, sodass ich das Zwitschern in der Tiefe zunächst auf meinen kleinen Gast schob. Erst nach einer Weile dämmerte mir, dass das zunehmend ungeduldige Keckern nicht von ihm stammte.
Oh, was war nur aus mir geworden?
Ein halbblinder, tauber Tapir?
Schläfrig warf ich einen Blick in die Tiefe und erkannte Gemmas Flammenzehrer, der wie ein Irrlicht im Kreis herumsprang und lauthals nach mir rief. Geisterhaft hell stand das Mädchen neben ihm und versuchte herauszufinden, was seinen Gefährten so in Aufruhr versetzte. Ratlos schaute es hierhin und dorthin, schließlich murmelte es etwas Unverständliches, setzte sich an den Fuß einer Weide und lehnte seinen Rücken gegen den Stamm.
Nach fast zwanzig Tagen war Gemma endlich aufgewacht. Was, bei Zumas blinden Augen, hatte der Flammenkristall nur geheilt? In keiner Geschichte war von einem solch langen Schlaf die Rede. Ich hatte von drei Tagen gehört, einmal auch von fünf. Doch niemals von zwanzig.
Während all der Zeit hatte ich mehrmals befürchtet, sie würde überhaupt nicht mehr aufwachen. Stundenlang hatten Malakat und Kafir von Gemmas Leben erzählt. Von einem Vater, der sie nicht geliebt hatte. Von einer Mutter, die ihr Unglück in Gleichgültigkeit ertränkte. Von einem versklavten Waldkrieger, der sich zusammen mit einem wilden, traurigen Mädchen in die Freiheit hinausschlich, und einer Dienerin, die ihr Bestes tat, um all das Fehlende in Gemmas Leben zu ersetzen. Ich wusste nun, welch stattlichen Preis Antares an ihren Vater, den König der Grauen Küste, gezahlt hatte. Und ich wusste, wie sehr das Mädchen darunter gelitten hatte, wie ein lästiger Gegenstand verkauft worden zu sein.
Gemma hatte niemals einen Feind getötet. Sie war niemals in den Krieg gezogen und hatte niemals blind vor Hass auf schreiende Körper eingeschlagen. Allein ihr Geschlecht trug die Schuld an ihrem Schicksal. Antares’ und Ylerias Wahl war auf das Mädchen gefallen - und dessen eigener Vater hatte es widerstandslos in die Hände eines Ungeheuers gegeben.
Wenn da noch ein Rest Misstrauen gewesen war, hatten Malakat und Kafir ihn ausgelöscht. Ich wollte von meinem Ast springen und zu dem Mädchen zu gehen, doch etwas, für das ich keine Worte fand, ließ mich reglos verharren. Gemma war schöner denn je. Ihr locker geflochtener Zopf glänzte wie Frost im Mondschein, um ihren Körper floss ein hellblaues, hauchzartes Gewand. Nur der Geruch des Mädchens passte nicht zu dieser Reinheit. Ihm entströmte der Gestank dunkler Magie.
Was in aller Welt hatte Yleria ihr angetan?
Ich schob den Affen von mir herunter und bewegte mich langsam in Richtung Baumstamm, wo die Schatten tiefer waren. Irgendein seltsames Spiel ging hier vor sich. Ein Spiel, das sich um Gemma und mich drehte.
Plötzlich erschien eine helle Gestalt auf dem Ast neben mir, im gleichen Augenblick ergriff der Affe Hals über Kopf die Flucht und verschwand im Labyrinth der Baumwipfel.
»Skyla!«
»Allerdings.« Das Drachenmädchen grinste mich an, hob die Arme zu einer fragenden Geste und flüsterte: »Worauf wartest du?«
»Was?«, erwiderte ich überrumpelt.
»Ach Tarek, du weißt genau, was ich meine.« Offenbar hatte sie dem endgültigen Tod ein Schnippchen geschlagen, denn von Schwäche war nichts mehr zu sehen. Ihre Augen blitzten unternehmungslustig, ihr Vogelfederkleid leuchtete wieder in sattem Gelb. »Warum lässt du sie warten? Das ist unhöflich. Hast du etwa Angst, sie könnte dich hässlich finden? Falls ja, dann lass dir gesagt sein, dass du ein Dummkopf bist.«
»Sei still!«
»Ach was.« Sie gluckste, zwinkerte mir zu und stieß mir mit überraschender Kraft beide Hände vor die Brust. »Runter mit dir!«
Instinktiv griff ich nach einem Ast – zu spät. Mein altes Ich hätte sich im Sturz gedreht wie eine Katze und wäre geschmeidig auf beiden Beinen gelandet. Doch jetzt, da ich mich mit einem mickrigen Garten begnügen musste und der Zauber einer Hexe durch mein Blut kroch, fiel ich wie ein Stein zu Boden. Die Krone des Baumes raste von mir weg, dann presste mir ein gewaltiger Schlag die Luft aus den Lungen.
Ich lag im Gras wie ein abgeschossener Affe.
Verdammt!
»Du meine Güte!« Skyla tauchte neben mir auf, kaute auf ihrer Unterlippe herum und trat von einem Geisterbein auf das andere. »Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Du bist doch sonst so anmutig und geschickt.«
»Ich … werde … dich …«
»Ich dachte«, plapperte sie weiter, »dass du auf deinen Füßen landen würdest. Stattdessen fällst du aus dem Baum wie eine überreife Mango! Nun ja, mach dir nichts draus. Du siehst nämlich ausgesprochen gut aus, wie du da im Gras liegst und vor dich hin leidest.«
»Skyla!« Ein scharfer Schmerz fuhr in meine rechte Seite. »Was … verflucht noch mal … sollte das?«
»Tut mir leid. Wirklich. Ich wollte euch beiden nur auf die Sprünge helfen.«
»Was?«
Skyla rollte mit den Augen und seufzte theatralisch. »Ach Tarek. Du weißt genau, was ich meine.«
»Ich dachte, du wärst schwach.«
»Das war ich auch. Aber jetzt … nun ja, wahrscheinlich musste ich einfach nur mal ausschlafen. Es geht mir wieder gut. Zumindest gut genug, um dir unter die Arme zu greifen. Jetzt hör mir mal genau zu, Tarek. Nutze die Vorzüge, mit denen Mohini dich so großzügig ausgestattet hat, anstatt sie in all deiner schrecklichen Bescheidenheit zu verleugnen.«
»Verfluchte Made!« Rasselnd schnappte ich nach Luft. Kein Knochen schien mehr dort zu sein, wo er hingehörte. Noch nie war ich von einem Baum gefallen! Nicht ein einziges Mal! Dafür würde ich dem Drachenmädchen das lausige Fell über die Ohren ziehen!
»Komm her!«, knurrte ich. »Komm sofort her, damit ich dir den Hintern versohlen kann.«
»Ähm, nein. Lieber nicht. Viel Glück euch beiden.« Skylas Gestalt verpuffte und ließ ein mattes Glimmen in der Luft zurück. Oh, ich würde ihr das Innere nach außen krempeln! Ich würde dieser heimtückischen Eidechse niemals wieder auch nur ein einziges Wort glauben.
Mit wild schlagenden Flügeln und aufgestellten Kopffedern fiel der verrückt gewordene Basilisk über mich her. Eine nasse Zunge schleckte einmal quer über mein Gesicht, dann setzte sich das Tier neben mich und rief nach seiner Herrin. Auch das noch!
Vorsichtige Schritte erklangen.
Geisterhaft leuchtete Gemmas Helligkeit in der Nacht.
»Geht es dir gut?« Ihre Stimme war die eines kleinen Vogels. So leise, zart und verschüchtert, dass ich sie nur zu gerne in meine Arme geschlossen hätte. Als sie bis auf wenige Schritte herangekommen war, verharrte sie wie ein verängstigtes Tier und starrte mich an. Nur zögernd begriff ich den Grund für ihre Furcht: Ich lag halbnackt vor ihr, während mein Kaftan irgendwo dort hinten im Gebüsch hing.
Mühsam kämpfte ich mich auf die Beine, wandte ihr den Rücken zu und taumelte zwischen die Büsche. Irgendwo hier musste dieses verdammte Stück Stoff sein! Ich drehte mich hierhin und dorthin, bis ich einen dunklen Schatten ausmachte. Ah ja, dort drüben. Hastig zog ich den Kaftan vom Strauch, streifte ihn über und schloss die Knöpfe.
Als ich wieder zurück auf die Lichtung trat, rechnete ich damit, allein zu sein. Doch Gemma und Tashma standen noch immer dort, wo ich sie zurückgelassen hatte.