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Jana Göbel
Matthias Meisner (Hg.)

Ständige Ausreise

Schwierige Wege
aus der DDR

Ch. Links Verlag, Berlin

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

1. Auflage, August 2019

entspricht der 1. Druckauflage von August 2019

© Christoph Links Verlag GmbH

Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0

www.christoph-links-verlag.de; mail@christoph-links-verlag.de

Umschlaggestaltung: Nadja Caspar, Ch. Links Verlag,

unter Verwendung eines Fotos von Ulrich Wüst aus der Serie

Spätsommer, Kühlungsborn September 1989

Lektorat: Jana Fröbel, Ch. Links Verlag

Satz: Nadja Caspar, Ch. Links Verlag

ISBN 978-3-96289-059-9

eISBN 978-3-86284-461-6

Inhalt

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Jana Göbel, Matthias Meisner

Vorwort

Ilko-Sascha Kowalczuk

Die Überwindung der deutschen Teilung durch Flucht und Ausreise

Eine historische Einordnung

Beate Tyron

»Der Uwe wollte schon immer weg«

Uwe-Carsten Günnel

Gerald Praschl

»Im Knast wussten sie mehr über Ausreiseanträge als draußen«

Yorck Mäcke

Anja Maier

»Das Schlimme war die Ungewissheit«

Christina Boldt

Elena Witzeck

»Jetzt nicht die Wut verlieren«

Johannes Senf

Johannes Schönherr

»Ich war ein ›hartnäckiger rechtswidriger Übersiedlungsersuchender‹«

Johannes Schönherr

Heike Kleffner

»Freiwillig bin ich nicht ausgereist«

Stefan Tabor

Sebastian Weiermann

»Wie in einem gepolsterten Mercedes«

Familie Teglas

Gerald Praschl

»Ich wollte meine Heimat nicht SED und Stasi überlassen«

Roland Jahn

Ronny Müller

»Sehnsucht nach dem Kurfürstendamm«

Angelika Brauner

Constantin Hoffmann

»Okay, jetzt oder nie«

Christiane Hille

Peter Pragal

»Unsere Kinder sollten keine Duckmäuser werden«

Brigitte und Volker Selig

Matthias Meisner

»Sechs Koffer und ein pubertierendes Kind«

Ingrid Lauten

Kurt Heidingsfelder

»Wir waren verzweifelte Linke«

Kay Osterloh

Henry Bernhard

»Plötzlich hatte ich zwölf Freundinnen«

Dominic Rub

Cornelia Günther

»Aktion Störenfried«

Sabine und Volker Simon

Beate Bossdorf

»Ich war so wütend«

Anja Marusch

Katrin Fiedler

»Wir haben immer die Grenzen ausgetestet«

Peter Pilz

Stefan Locke

»Wir haben alles richtig gemacht«

Familie Lässig

Markus Geiler

»Ich hatte keinen Schlüssel mehr«

Tim Gerber

Andreas Wassermann

»Ich bin ein deutsch-deutscher Zwitter«

Armin Petras

Prem Lata Gupta

»Nicht alles Gold«

Hans-Joachim Henze

Jana Göbel

»Wir hatten verdrängt, dass wir wegwollten«

Heide und Rainer Schwochow

Maris Hubschmid

»Wir waren gefährlich übermütig«

Josefine von Krepl

Julia Boek

»Safari durch den Sozialismus«

Christian Paul

Jacqueline Boysen

Ankunft in der Bundesrepublik

Ein historischer Rückblick

Andrea Dernbach

Warum Menschen ihre Heimat verlassen

Ein Essay

Anhang

Autorinnen und Autoren

Herausgeberin und Herausgeber

Jana Göbel, Matthias Meisner

Vorwort

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Gewartet wurde viel in der Deutschen Demokratischen Republik. Auf den Trabant, auf Bananen, auf Ersatzteile, auf bestimmte Bücher – die Menschen waren Teil der sozialistischen Wartegemeinschaft. Eine Floskel mit bitterem Kern.

Selbst wer das Land für immer verlassen wollte, musste auf seine Ausreise warten. Manchmal jahrelang. Was bei den Bananen mit dem allseits herrschenden Mangel erklärt werden konnte, war hier Methode. Wer sich abwandte vom Sozialismus, sollte bestraft werden, auch zur Abschreckung, damit andere nicht etwa auf die gleiche Idee kamen. Genützt hat das nichts. Die Zahl derjenigen, die fortwollten, nahm Jahr für Jahr zu. Aber nicht die – zuweilen spektakuläre – Flucht war der häufigste Weg, um der DDR zu entkommen, sondern die Flucht auf dem Papier, der »Antrag auf ständige Ausreise«. Fast 400 000 Menschen haben ihn gestellt.

30 Jahre nach der Friedlichen Revolution geht es in diesem Buch um die ganz persönlichen Erlebnisse derer, die das Land auf legalem Weg verlassen haben. Viele, die damals einen Ausreiseantrag stellten, erinnern sich bis heute an eine teilweise lange und schwierige Wartezeit. Manchen ist es schwergefallen, darüber zu sprechen. Aber den meisten ist im Rückblick wichtig, dass sie sich nicht kleinkriegen ließen. »Ständige Ausreise« – das war der Terminus der DDR-Bürokraten. Manche, die fortwollten, schrieben es so in den Antrag, den sie bei den Behörden stellten. Andere verlangten die »Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR«. Ein Formular gab es bis 1989 nicht.

Gehen oder bleiben? Einige machten die Entscheidung mit sich selbst aus. Andere diskutierten mit Verwandten, Freunden, tagelang, nächtelang. Eine schwere Entscheidung, denn es war aus damaliger Perspektive ein Abschied für immer. Niemand konnte ahnen, dass die DDR so bald Geschichte sein würde.

War der Entschluss erst einmal gefasst, kamen die nächsten Fragen: Wen einweihen? Wie reagierten der Betrieb, die Lehrer, Freunde? Gab es Ärger, Zustimmung? Längst nicht alle zurückbleibenden Freunde begrüßten den Ausreiseantrag. Denn allzu oft gingen kritische Geister, die das Land vielleicht hätten verändern können. Viele Hierbleiber fühlten sich im Stich gelassen. »Der Letzte macht das Licht aus«, das war ein Spruch, der Ende der 1980er-Jahre in der DDR immer häufiger fiel. Wer blieb, fragte sich: Bin ich noch richtig? Und wer war eigentlich derjenige, der aufgab – die Ausreiserin oder der Hierbleiber?

Am 13. September 1989 fertigte das Ministerium für Staatssicherheit eine Analyse zur Stimmung unter SED-Mitgliedern und Funktionären an: Von der »Problematik der ständigen Ausreise von Bürgern der DDR in das nichtsozialistische Ausland sowie des ungesetzlichen Verlassens der DDR« war die Rede. »Angesichts der ›Massenflucht‹ von DDR-Bürgern, der hohen und offenbar weiter steigenden Anzahl von Antragstellungen auf ständige Ausreise« gebe es »in allen Bevölkerungskreisen zunehmende Auffassungen«, dass man »Angst vor der Zukunft haben müsse«. Aufhalten konnte der Staat zu diesem Zeitpunkt die Entwicklung längst nicht mehr. Immer mehr Menschen zog es fort, es war eine Abstimmung mit den Füßen.

In diesem Buch geht es um die Wartezeit zwischen dem alten Leben in der DDR und dem neuen im Westen. Um Geschichten vom Ausreiseantrag bis zum Grenzübertritt. Um das Niemandsland der Ungewissheit und des Abschiednehmens. Es erforderte Mut, einen Antrag zu stellen. Denn danach zeigte sich das System in vielen Fällen noch einmal von seiner schlimmen Seite. Wer wegwollte, wurde vom Staat zum Verräter erklärt und auch so behandelt. Wie es den Noch-DDR-Bürgern in dieser Zwischenzeit erging, das haben Autorinnen und Autoren aus vielen Teilen Deutschlands hier aufgeschrieben.

Die 24 Porträts in diesem Buch sind chronologisch nach dem Datum der Antragstellung geordnet. Dabei zeigt sich deutlich der Wandel, den die DDR in ihrer Ausreisepolitik vollzog. Anfangs waren es vor allem politische Querdenker, die das Land verlassen durften oder gar mussten: langhaarige Rebellen und Aufsässige, die sich in den sozialistischen Alltag nicht einfügen wollten. Doch mit den Jahren ergriff die Welle immer breitere Schichten der Bevölkerung. Unter den Antragstellern waren Ärzte, Facharbeiter, Handwerker, Lehrer und sogar Betriebsdirektoren. Für viele ehemalige Ausreiser war der Blick zurück mit Schmerzen verbunden. Etliche berichten, dass sie nach der Antragstellung ihre Arbeit verloren. So wie eine Erfurter Lehrerin, die bis zu ihrer Ausreise vier Jahre lang an der HO-Ladenkasse saß und erst in West-Berlin wieder als Lehrerin arbeiten konnte. Ein Betriebsdirektor in Saalfeld sollte im eigenen Betrieb zum Hilfsarbeiter degradiert werden, fing dann aber als Heizer in einem Sanatorium an.

Junge Ausreisewillige flogen von der Universität oder durften ihr Abitur nicht zu Ende machen. Bei einer damals 18-Jährigen kam es zu einem regelrechten Tribunal: Ihre Mitschüler sollten auf einer Liste unterschreiben, dass sie den Kontakt zu ihr abbrechen. Oft mischte sich die Staatssicherheit ein. Eine Berlinerin arbeitete in der Verwaltung einer Gaststätte. Sie sollte ihre Kollegen bespitzeln, dann würde es schneller gehen mit der Ausreise, versprach man ihr. Sie sagte Nein. Erst später las sie in ihrer Stasi-Akte, dass sie selbst von einer befreundeten Kollegin ausgehorcht worden war. Ein Arzt in Gotha wurde jahrelang von seiner Sprechstundenhilfe und von einem Patienten bespitzelt, nachdem seine Familie einen Ausreiseantrag gestellt hatte. Ein Oppositioneller wurde in der Haft von seinem Anwalt, einem Stasi-Spitzel, belogen: Seine Freunde draußen hätten ihn längst vergessen und im Stich gelassen.

Wie lange die Wartezeit bis zur Ausreise währte, das wusste keiner. Es gab keine Regel. Der Staat war unberechenbar, auch das gehörte zum Konzept. Es konnte relativ schnell gehen, wie bei einem Berliner Ehepaar, das ein Jahr wartete: Es erfuhr ausgerechnet am 9. November 1989, dass die Ausreise bewilligt wird. Andere mussten jahrelang warten. Eine Familie lebte lange Zeit in einer fast leeren Wohnung in der Hoffnung, dass es bald losgehen würde. In einigen Fällen mussten Antragsteller nach langer Wartezeit innerhalb von nur 24 Stunden das Land verlassen. Da blieb kaum Zeit, um das Nötigste zusammenzuklauben und sich von den Freunden zu verabschieden.

Manchmal reichte ein Antrag. Ein junger Leipziger hingegen stellte Dutzende und arbeitete während der Wartezeit als Totengräber auf dem Friedhof. Ein anderer Mann aus Leipzig, der zur Jugendopposition gehörte, wollte gar nicht so richtig weg – er wollte in der DDR was verändern – und wurde von den Behörden zum Ausreiseantrag gedrängt.

Die Schikanen endeten nicht mit dem Grenzübertritt. Vielen Ausreisern wurde auf Jahre das Besuchsrecht verweigert. Ein junger Mann aus Weimar wartete fünf Jahre, bis er seine Heimatstadt wieder besuchen durfte. Seine Familie beantragte alle drei Monate eine Besuchserlaubnis für ihn. Auf die Frage, warum sie wegwollten aus der DDR, erzählen in diesem Buch viele von der Starre, die das Land erfasst hatte. Von den Lippenbekenntnissen zum Sozialismus, die in Betrieben und Schulen verlangt wurden. Einige wollten ein besseres Leben für ihre Kinder, andere wollten reisen. Manche waren auch betört vom Glanz, der via Westfernsehen in die ostdeutschen Wohnzimmer flimmerte. Von Hunger, Armut oder Todesangst sprach keiner.

»Fast alle Ausreiseanträge sind begründet worden, das ist eine hochinteressante Quelle«, sagt der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk. Er hat für dieses Buch eine historische Einordnung geschrieben. Jacqueline Boysen befasst sich mit den Reaktionen des Westens – die »Politik der offenen Arme« war Staatsdoktrin in der Bundesrepublik. Und Andrea Dernbach geht in einem Essay, der das Buch beschließt, der Frage nach: Warum verlassen Menschen ihre Heimat? Und sie zeigt, dass das Thema dieses Buches auch 30 Jahre nach dem Mauerfall hochaktuell ist.

Heute sind Reisen in die Welt für alle deutschen Staatsbürger eine Selbstverständlichkeit. Jeder von ihnen kann sein Land lieben oder nicht. Jeder darf das eine oder das andere offen sagen. Jeder darf gehen, woanders leben oder wiederkehren. Weltweit betrachtet ist das keine Selbstverständlichkeit. Warum auch immer Menschen ihr Land verlassen – beim Blick zurück auf die jüngere Geschichte wird deutlich: Diese Freiheit zu haben und diese Freiheit auch anderen zu gönnen, wenn sie Hilfe brauchen, ist wertvoll.

Wir bedanken uns bei allen, die bereit waren, ihre Geschichte zu erzählen, bei den Autorinnen und Autoren, bei unserem Verleger Christoph Links, unserer Lektorin Jana Fröbel, dem Team des Verlags. Und bei den vielen anderen Menschen, die dieses Buch mit Hinweisen, Rat und Hilfe möglich gemacht haben.

Ilko-Sascha Kowalczuk

Die Überwindung der deutschen Teilung durch Flucht und Ausreise

Eine historische Einordnung

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Mauern und Grenzen überwinden zu wollen, gehört zu den immerwährenden Versuchen und Hoffnungen in der menschlichen Geschichte. Sie werden errichtet, um Menschen daran zu hindern, Territorien nach eigenem Gutdünken zu verlassen oder zu betreten. Die Menschheitsgeschichte ist von nichts anderem so stark geprägt worden wie von Wanderungen. Migration war die Vorbedingung jedweder menschlichen Geschichte und Entwicklung, die wiederum immer und überall von Wanderungen – oder ihrer gewaltsamen Unterdrückung! – begleitet worden ist.

In der Geschichte lassen sich zwei Erscheinungen voneinander unterscheiden: Zum einen gehen Menschen über Grenzen – meist flüchten sie. Gegenwärtig sind es laut UNHCR weltweit etwa 70 Millionen Menschen. Ein Drittel davon flüchten über die staatlichen Grenzen ihrer Herkunftsländer; zwei Drittel über innere Grenzen in ihren Heimatländern. Die westliche Welt ist statistisch gesehen davon fast nicht betroffen. Nur zwei bis drei Prozent (!) der flüchtenden Menschen kommen nach Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich, Griechenland, Schweden oder in die USA. Viele Medien und die Wahrnehmung in den westlichen Staaten spiegeln andere Größenverhältnisse.

Zum anderen gehen Grenzen über Menschen hinweg. Auch das ist eine ständig wiederkehrende Erscheinung der Menschheitsgeschichte. Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür: Wer vor 1945 im schlesischen Breslau geboren wurde und nach 1945 dort wohnen bleiben konnte, lebte fortan in Polen, ohne dass er sich selbst bewegt hatte. Wer aber zum Beispiel 1917 in Breslau von deutschen Eltern geboren wurde, wurde mit größter Wahrscheinlichkeit 1945 vertrieben.

Die SED als Heimathafen

Deutschland war nach 1945 vierfach geteilt worden. 1949 entstand aus der Sowjetischen Besatzungszone die DDR, aus der amerikanischen, englischen und französischen Zone die Bundesrepublik. Für Vertriebene war es zunächst Zufall, in welche Besatzungszone sie kamen. Während 1949/50 in der Bundesrepublik etwa 7,9 Millionen Vertriebene lebten, hielten sich zur selben Zeit auf dem nicht einmal halb so großen Gebiet der DDR rund 4,5 Millionen auf. Das entsprach etwa einem Anteil von 20 Prozent der DDR-Bevölkerung. In manchen Gebieten, insbesondere in Agrarregionen, lag der Anteil bei mehr als 50 Prozent.

Die Vertriebenen nahmen in der DDR in den 1950er-Jahren unterschiedliche gesellschaftliche Positionen ein. Zwischen 750 000 und einer Million Menschen kehrten der DDR bis zum Mauerbau 1961 den Rücken und flüchteten in den Westen. Da die Vertriebenen ihre heimatlichen Wurzeln verloren hatten, fiel ihnen auch die Flucht aus der DDR weitaus leichter als jenen, die seit vielen Generationen regional verankert waren. Andererseits erwiesen sich viele »Umsiedler« – der Begriff »Vertriebene« war in der DDR offiziell untersagt – als integrations- und assimilierungswillig. Die Bodenreform bescherte auch Hunderttausenden Vertriebenen eigenes Land. Zwar verließen Zehntausende in den darauf folgenden Jahren den Agrarsektor, aber zugleich blieben Zehntausende, die in den 1950er-Jahren eine entscheidende Rolle bei der Kollektivierung der Landwirtschaft spielten. Weil sie in den Dörfern nicht verwurzelt waren und dort jahrzehntelang als Außenseiter und Zuzügler behandelt wurden, benutzten sie oftmals die SED als »Heimathafen«. Viele Kinder von Vertriebenen fanden hier politische Betätigungsfelder und gesellschaftliche Integrationsangebote. Die herrschende Partei bot ihnen politische und soziale Aufstiegschancen, die ihnen ohne die SED verwehrt gewesen wären – so jedenfalls die Wahrnehmung vieler Betroffener.

Je nach Lebensentscheidung ging man über eine oder mehrere Grenzen. Blieb man auch nach dem Mauerbau in der DDR, und feierte man beispielsweise 1992 seinen 75. Geburtstag, dann hatte man 1990 erlebt, wie erneut Grenzverschiebungen das staatliche Gemeinwesen veränderten. Ein einziges Leben – und allein in Deutschland gab es viele Millionen derartige Schicksale im 20. Jahrhundert – erfuhr die Wanderung von Menschen über Grenzen und die Grenzwanderung über Menschen hinweg. Wenn man nun noch bedenkt, dass der 1917 Geborene sechs politische Systeme erlebte (Kaiserreich, Weimarer Republik, NS-Diktatur, Sowjetische Besatzungszone, DDR, vereinigtes Deutschland), wird man kaum behaupten wollen, gesellschaftspolitischer Wandel und damit einhergehende Grenzwanderungen stellten Ausnahmefälle dar.

Staatliche Grenzen, Mauern, Sperranlagen richten sich von jeher gegen Eindringlinge. Das war im sowjetischen Machtbereich anders. Die Befestigungsanlagen, der militärisch abgesicherte Ausbau der Grenzen richteten sich nicht gegen äußere, sondern vorrangig gegen innere Feinde, gegen die, die dem System den Rücken kehren wollten. Bis heute wissen wir nicht, wie viele Menschen zwischen Kamtschatka, der bulgarisch-griechischen und der innerdeutschen Grenze den Tod fanden. Zugespitzt kann man formulieren: Die Mauer war für die Kommunisten ein Überlebensbauwerk. Sie wurde errichtet, um das System zu stabilisieren. Als die Mauer fiel, war nicht nur die DDR dahin, das ganze kommunistische System brach zusammen.

Eine Mauer lag für viele Menschen im Berlin der 1950er-Jahre nicht außerhalb der Vorstellungswelt. Seit der Berlin-Blockade 1948/49, der eigentlichen Geburtsstunde West-Berlins, war für Berliner und Berlinerinnen eigentlich alles denkbar. Nach 1948 waren die innerdeutsche Grenze und die Westsektoren vom Ostsektor immer stärker separiert, seit 1952 war die innerdeutsche Grenze abgeriegelt worden. In Berlin wurden die Infrastruktur, die Telefonleitungen, teilweise sogar die Kanalisation unterbrochen. 1957 wurde die »Republikflucht« zu einem Straftatbestand erklärt, der mit drei Jahren Gefängnis geahndet werden konnte. Der Versuch war bereits strafbar. 1968 und 1979 wurden die Strafen auf bis zu fünf beziehungsweise acht Jahre erhöht. Als am 13. August 1961 der Mauerbau begann, war es dennoch für viele ein Schock. Erst allmählich erwuchs aus dem Drahtzaun und den Straßensperren ein Mauersystem, das immer unüberwindbarer wurde. Für den Historiker liegt die eigentliche Überraschung darin, dass die Mauer erst 1961 gebaut wurde.

Zwischen 1949 und Sommer 1961 flüchteten rund drei Millionen Menschen aus der DDR. In Krisenjahren wie 1953 oder 1961 schnellten die Flüchtlingszahlen in die Höhe. Der Bau der Mauer am 13. August 1961 stoppte den Übersiedlerstrom. 1962 bis 1965 konnten aber immerhin noch mehr als 50 000 Menschen flüchten (jeden Tag durchschnittlich 32), mit dem Ausbau des Grenzregimes gingen die Zahlen zurück. In den 1970er-Jahren flüchteten jährlich etwa 4800 Menschen (täglich im Durchschnitt 13), zwischen 1980 und 1985 waren es jährlich noch rund 3000. Der Schießbefehl brachte viele Menschen von ihren Fluchtgedanken ab. Doch die Anzahl der vereitelten Fluchten übertraf die erfolgreichen: 75 000 bis 100 000 Menschen wurden seit 1961 wegen Fluchtversuchen verurteilt, in der Regel zu Gefängnisstrafen zwischen einem und drei Jahren. Unter den etwa 34 000 aus DDR-Haftanstalten ab Herbst 1963 von der Bundesregierung freigekauften politischen Häftlingen befanden sich viele wegen »Republikflucht« Verurteilte.

Viele DDR-Bürger, die ihrem »Vaterland« den Rücken kehren wollten, waren erfinderisch. Hunderte fanden dabei den Tod, etwa wenn sie über die Ostsee nach Dänemark oder die Donau zwischen Rumänien und Jugoslawien schwimmend den Westen erreichen wollten. Andere versuchten schlicht die Mauer oder die innerdeutschen Grenzanlagen zu überwinden, was gefahrvoll war, weil dort nicht nur scharfe Hunde, schwer bewaffnete Soldaten, Tretminen und Selbstschussanlagen sowie »Freiwillige Helfer der Grenztruppen« lauerten, sondern auch weil die Grenzanlagen aus mehreren Mauern und Zäunen bestanden. Wiederum andere bauten sich U-Boote, bastelten Ballons, gruben Tunnel, konstruierten Flugzeuge oder Hubschrauber oder versuchten sich in Westautos herausschmuggeln zu lassen.

Der Westen wirkte wie ein Dauermagnet

Der Westen war im Osten omnipräsent, er wirkte wie ein Dauermagnet. An erster Stelle standen Fernseh- und Radiosender. Die in westlichen Medien vermittelten Bilder haben die Sicht vieler Ostdeutscher auf den Westen geprägt. Sie kompensierten die Informationsleere der DDR-Medien. Die DDR-Gesellschaft war in weiten Teilen eine informelle Nachahmungsgesellschaft. Fast alles, was nach Bundesrepublik roch, so aussah oder so schmeckte, schien erstrebenswert. Im ganzen Land blühten illegale Märkte für westliche Produkte. Dort gab es alles, was das Herz begehrte. Zur inoffiziellen zweiten Währung in der DDR avancierte die D-Mark. Hatte man Westgeld, war praktisch alles zu haben. In den 1980er-Jahren konnten es sich Handwerker und andere Dienstleistende angesichts der großen Nachfrage erlauben, ihre Arbeit allein gegen Westgeld anzubieten. Viele sprachen insofern von einer Zweiklassengesellschaft: Die eine Klasse verfügte über Westgeld, die andere nicht. Dies beförderte Unzufriedenheit und die Sehnsucht nach dem »richtigen« Westen.

Millionenfache Familien- und Freundesbande bestanden zwischen beiden deutschen Staaten. Seit Ende 1964 durften Rentner einmal jährlich in den Westen reisen, später insgesamt 60 Tage im Jahr. Nach Inkrafttreten des Grundlagenvertrages konnten ab Juni 1973 jährlich einige Tausend jüngere Menschen in »dringenden Familienangelegenheiten« (Geburt, Taufe, Hochzeit, Hochzeitsjubiläen, runde Geburtstage, hohe Geburtstage, schwere Erkrankungen, Todesfälle) reisen. Bis 1985 gab es jährlich im Durchschnitt 1,3 Millionen Rentnerreisen. Die Privatreisen »in dringenden Familienangelegenheiten« stiegen nur langsam an: 1982 verzeichnete die Statistik 110 000, 1983 118 000, 1984 124 000 und 1985 139 000 derartige Reisen.

Unter dem Druck, an die Bundesrepublik Zugeständnisse machen zu müssen, um Wirtschafts- und Finanzhilfen zu erhalten, lockerte die SED-Führung die Genehmigungspraxis ab 1986 deutlich. Die entsprechenden Beschlüsse wurden zwar nicht veröffentlicht, aber sie sprachen sich schnell herum. 1986 konnten 573 000, 1987 1,3 Millionen, 1988 rund 1,6 Millionen und im ersten Halbjahr 1989 829 000 »Reisen in dringenden Familienangelegenheiten« unternommen werden. 1987 bis 1989 lehnten die Behörden wiederum eine weitere Million Reiseanträge ab oder nahmen diese »wegen fehlender Voraussetzungen« erst gar nicht an. Darüber hinaus verdreifachten sich die Rentnerreisen. Im selben Zeitraum reisten jährlich fünf bis acht Millionen Menschen aus der Bundesrepublik und West-Berlin privat in die DDR.

Doch die größere Reisetätigkeit erwies sich – anders als erhofft – nicht als Entlastung für die SED. Statt die Geister zu beruhigen, bewirkte eine Westreise eher das Gegenteil. Nach der Rückkehr hatten viele nur eines im Sinn: so schnell wie möglich wieder rüber. Das von der Bundesregierung maßgeblich initiierte und geförderte private Besuchsprogramm war einer der nachhaltigsten Destabilisierungs- und Delegitimierungsfaktoren für die SED-Diktatur. Hunderttausende Menschen konnten nun selbst Vergleiche anstellen. Hinzu kam, dass die Genehmigungspraxis einmal mehr die rechtlose Stellung des Einzelnen deutlich machte. Jeder Antrag war von der willkürlichen Entscheidung der Genehmigungsstellen abhängig. Noch größerer Frust stellte sich bei der Bevölkerungsmehrheit ein, die gar nicht in den Westen fahren durfte. Praktisch war jeder benachteiligt, der kein Familienmitglied in der Bundesrepublik oder in West-Berlin hatte. Auch wenn Hunderttausende DDR-Bürger in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre reisen durften, Millionen durften es nicht. Die Statistik half den Zukurzgekommenen nicht wirklich.

»Erich, nimm uns mit!«

Am 7. September 1987 legte die West-Berliner taz aus Anlass des Staatsbesuches von Erich Honecker in Bonn ihrer Ausgabe ein dem Neuen Deutschland nachempfundenes Blatt bei. In großen Lettern stand da: »›Erich, nimm uns mit!‹ Werktätige bereiten dem Staatsratsvorsitzenden einen würdevollen und herzlichen Abschied«. Der Spruch »Erich, nimm uns mit!« brachte auf den Punkt, was Millionen Ostdeutsche begehrten: in den Westen zu reisen. Hunderttausende wollten allerdings nicht nur besuchsweise ausreisen, sondern für immer. Flucht und Ausreise bildeten die zentralen Destabilisierungsfaktoren von Staat und Gesellschaft im gesamten Zeitraum der DDR-Existenz. Wenn im Westfernsehen ein Spielfilm oder eine Dokumentation zum Thema Flucht aus der DDR ausgestrahlt wurden, waren die Einschaltquoten im Osten besonders hoch. Nachdem das ZDF am 17. Juni 1985 den Spielfilm Mit dem Wind nach Westen gezeigt hatte, vermerkte ein Stasi-Bericht aus Pritzwalk: »Dieser Film wurde von breiten Bevölkerungskreisen (…) verfolgt. Von 80 abgeschöpften Bürgern waren 76 über dieses ›Machwerk‹ begeistert. Solche Meinungen, wie ›Der Film war spannend und ich mußte richtig mitfiebern, daß diese Flucht auch gelingt‹; ›Diese Leute und ihr Mut waren zu bewundern‹; ›Da gibt es noch mehr Möglichkeiten und Methoden zum illegalen Verlassen der DDR‹ waren in den Diskussionen keine Seltenheit.«

Bis Ende 1988 gab es in der DDR keine Rechtsgrundlage dafür, einen »Antrag auf ständige Ausreise« in die Bundesrepublik stellen zu können. Lediglich im Fall von »Familienzusammenführung« und anderen »humanitären Gründen« prüften die Behörden den Antrag, sonst galt er als »rechtswidrig«. Bereits einen Ausreiseantrag zu stellen, galt als illegal und konnte mit Gefängnisstrafe geahndet werden. Nachdem Vertreter von 35 Staaten des Ost- und Westblocks, darunter die DDR, am 1. August 1975 die »Schlussakte von Helsinki« unterzeichnet hatten, stiegen die »Anträge auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR« deutlich an.

Die UdSSR hatte sich seit den 1950er-Jahren bemüht, eine Konferenz der europäischen Staaten einzuberufen, um ein System kollektiver Sicherheit zu schaffen. Taktisch ging es ihr darum, die Nato zu schwächen. Gegen Ende der 1960er-Jahre, als sich der Ost-West-Konflikt entspannte, gingen die Nato-Staaten auf diese Initiative ein, forderten aber zugleich, auf der Konferenz auch die Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte in den einzelnen Staaten zu behandeln. Auf diesen Kompromiss ließ Moskau sich ein. An der Konferenz nahmen außer Albanien alle europäischen Staaten sowie Kanada und die USA teil. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen drei Themenbereiche (»Körbe«): Korb I: Fragen zur Sicherheit Europas; Korb II: Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt; Korb III: menschliche Kontakte, Kultur- und Informationsaustausch. Insbesondere um Korb I und Korb III gab es kontroverse Diskussionen.

Die Schlussakte sollte in allen Unterzeichnerstaaten vollständig veröffentlicht werden. Insbesondere die Verpflichtungen, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu wahren und zu achten, den grenzüberschreitenden Reiseverkehr nicht zu behindern, der Bevölkerung Informationsmaterialien zur Verfügung zu stellen und hinreichende Arbeitsbedingungen für ausländische Journalisten zu schaffen, dienten fortan oppositionellen und ausreisewilligen Personen in den kommunistischen Staaten als eine willkommene Argumentationshilfe, um ihre Aktivitäten und Ausreiseersuchen mit dem Hinweis auf die KSZE-Akte abzusichern.

Der 1972 einsetzende KSZE-Prozess sowie die Aufnahme der DDR 1973 in die UNO, wobei sie 1974 die internationalen Pakte über bürgerliche und politische sowie soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 ratifizierte und die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte« vom 10. Dezember 1948 anerkannte, bewirkten, dass die Menschenrechte vor allem in oppositionellen und kirchlichen Kreisen stärker thematisiert wurden. Zugleich versuchten Ausreisewillige, ihr Verlangen, das Land zu verlassen, mit Hinweisen auf die ratifizierten Verträge und Abkommen zu begründen.

Der Mielke-Befehl 6/77

Da die SED diesem Engagement nicht tatenlos zusehen wollte, verschärfte sie 1979 mit dem 3. Strafrechtsänderungsgesetz das politische Strafrecht. So wurde Paragraf 219 des Strafgesetzbuches (StGB) »Ungesetzliche Verbindungsaufnahme« derart verändert, dass jeder Versuch, internationale (auch bundesdeutsche) Organisationen und Institutionen um Hilfe oder Beistand zu bitten, kriminalisiert werden konnte. Ebenfalls verschärft wurde Paragraf 99 »Landesverräterische Nachrichtenübermittlung«, sodass bereits die Sammlung nicht geheimer Nachrichten und Materialien unter Strafe gestellt werden konnte. Neben der drakonischen Verschärfung des politischen Strafrechts wurde im Januar 1976 die Richtlinie des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) Nr. 1/76 in Kraft gesetzt, die konkrete Zersetzungsmaßnahmen in »Operativen Vorgängen« festschrieb, bei denen keine strafrechtlichen Konsequenzen gezogen wurden. Um gegen die zunehmende Zahl der Ausreiseanträge vorzugehen, erließ Staatssicherheitsminister Erich Mielke am 18. März 1977 den Befehl Nr. 6/77 zur »Vorbeugung, Verhinderung und Bekämpfung feindlich-negativer Handlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Versuchen von Bürgern der DDR, die Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin zu erreichen, sowie zur Unterbindung dieser rechtswidrigen Versuche«. Ab Herbst 1983 bezeichnete das MfS diese Personengruppe als »Übersiedlungsersuchende«. Von 1977 bis zum Sommer 1989 wurden in der DDR etwa 20 000 Ermittlungsverfahren gegen Ausreiseantragsteller eingeleitet.

Erst auf internationalen Druck hin wurde am 30. November 1988 eine vage Rechtsgrundlage fixiert. Die 1983 erlassene Verordnung zur Regelung der Familienzusammenführung und Eheschließung zwischen Bürgern der DDR und Ausländern brachte der SED-Führung keine Entlastung, da der Personenkreis eng begrenzt blieb. Ab Mitte der 1970er-Jahre stieg die Zahl der Ausreiseanträge kontinuierlich und lag 1977, im Jahr nach der »Ausbürgerung« Wolf Biermanns, mit 8400 am höchsten. 1980 lagen den Behörden 21 500 Ausreiseanträge vor, 1985 waren es 53 000, 1987 mehr als 105 000 und zum Sommeranfang 1989 rund 160 000. Insgesamt gelangten zwischen 1962 und Ende Oktober 1989 mehr als 600 000 DDR-Menschen offiziell oder flüchtend in die Bundesrepublik, fast 200 000 davon allein 1989.

In den 1950er-Jahren waren auch mehrere Hunderttausend Menschen aus der Bundesrepublik in die DDR umgezogen. Sie hatten überwiegend familiäre oder berufliche Gründe, politische spielten nur für eine kleine Minderheit eine Rolle. Zwischen 1961 und 1989 kamen einige Tausend hinzu, auch sie hatten vor allem familiäre Motive. Aber es gab auch einige, die in der DDR das »bessere Deutschland« erblickten. Dazu gehörten für das MfS tätige Westagenten, die auf diese Weise einer Verhaftung zuvorkamen. Spektakulär war 1990 die Enttarnung von RAF-Terroristen, die ab 1980 in der DDR Unterschlupf gefunden, mit dem MfS zusammengearbeitet, eine neue Identität erhalten und ein kleinbürgerlich-spießiges Leben in der DDR geführt hatten.

Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung wurden die meisten Anträge im Bezirk Dresden (165 Anträge pro 10 000 Einwohner) und in Ost-Berlin (122) gestellt. Die Altersstruktur war für die SED-Führung ebenso besorgniserregend wie das Qualifikationsniveau der Antragsteller: 86 Prozent waren jünger als 40 Jahre, 66 Prozent waren Facharbeiter und 14 Prozent Hochschul- und Fachschulabsolventen (1988). Wenn Rentner und Rentnerinnen endgültig ausreisten, hatte die SED-Führung nichts dagegen einzuwenden, belasteten sie doch nicht mehr die stets klammen Kassen und schadeten zugleich dem Bundeshaushalt, so die Logik der SED-Kommunisten.

Buchstäblich »irgendwann«

Einen Ausreiseantrag zu stellen war schon deswegen ein ungewisses Unterfangen, weil es dafür keinen rechtlichen Rahmen gab. Offiziell existierte nicht einmal eine zuständige Stelle. Doch fast alle, die einen »Antrag auf Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft« stellen wollten, wussten, sie müssten sich damit an die Abteilung Inneres beim Rat des Kreises (oder des Bezirkes oder des Stadtbezirkes) wenden. Manche Antragsteller richteten ihr schriftliches, formloses Gesuch an die SED-Führung oder ans Ministerium für Staatssicherheit. Niemand bekam eine Eingangsbestätigung, da ein solcher Antrag als »rechtswidriges Ersuchen« eingestuft wurde. Da es keine Verwaltungsentscheidung geben würde, konnte eine Entscheidung auch nicht angefochten werden, ganz abgesehen davon, dass es in der DDR keine Verwaltungsgerichtsbarkeit gab.

Die Abteilungen Inneres waren inoffiziell zuständig. Buchstäblich »irgendwann« luden sie die Antragsteller vor und ließen sich die Beweggründe für das Ausreiseersuchen erläutern. In diesem Gespräch erklärten die Mitarbeiter den Antragstellern meistens, dass ihr Antrag »rechtswidrig« sei. Oft fügten sie hinzu, der Antrag werde nicht angenommen. Das führte dazu, dass viele Antragsteller ihren Antrag mehrfach stellten, was wiederum zu der internen Charakterisierung als »hartnäckig« führte und das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung erhöhte.

Zu den Gesprächen in der Abteilung Inneres kamen Gespräche auf vielen weiteren Ebenen. Die zuständigen Funktionäre von SED, Polizei und / oder MfS weihten die Arbeitsstelle ein, wo es regelmäßig zu Aussprachen kam. Wenn die Antragsteller herausgehobene berufliche Positionen innehatten, verloren sie diese in der Regel sofort. In bestimmten Bereichen, wie zum Beispiel der Volksbildung, wurde der Antragsteller umgehend entlassen. Oftmals durften Antragsteller nicht mehr als ehrenamtliche Sporttrainer oder Vorstandsmitglieder in Vereinen tätig sein. Die Schulen und Ausbildungsstätten der Kinder wurden benachrichtigt; ein Abitur war dann in der Regel nicht mehr möglich; Studienplätze wurden gestrichen, Studierende exmatrikuliert. Auch der Abschnittsbevollmächtige der Volkspolizei wurde informiert. Diese und andere Maßnahmen sollten die Antragsteller dazu bewegen, ihren Antrag zurückzuziehen. Intern hieß das »Maßnahmen zur Rückgewinnung«. Junge Männer wurden oft noch zum Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee eingezogen.

SED und MfS, aber auch die Blockparteien und Massenorganisationen versuchten, die Menschen mit Ausreiseabsichten zu kriminalisieren und zu demütigen. Tausende verloren ihren Arbeitsplatz oder wurden auf Stellen abgeschoben, die nicht ihrer Qualifikation entsprachen. Zehntausende kamen wegen gescheiterter Fluchten oder verratener Fluchtabsichten oder auch infolge »renitenter Antragstellung« ins Gefängnis. Für viele Menschen war die Zeit zwischen Ausreiseantrag und Ausreisegenehmigung qualvoll, eine wahrlich abgestandene Zeit. Und wenn endlich die Ausreise gestattet wurde, mussten meistens innerhalb von 24,48 oder 72 Stunden die letzten Formalitäten geregelt werden: Der Demütigung des bangen Wartens folgte die Demütigung der würdelosen Eile.

Die Entscheidung, wer wann wie ausreisen durfte, trafen Abteilung Inneres, SED, MfS, Volkspolizei und Betrieb gemeinsam. Die Interessen wurden gegeneinander abgewogen, auch die Frage von Sogwirkungen erörtert. Das Geflecht war undurchschaubar, und die überlieferten Akten offenbaren nur selten präzise, wie die konkreten Entscheidungen zustande kamen.

Für die Ausreisewilligen war es nicht nur belastend, für die Durchsetzung ihres Menschenrechts keinerlei verbindliche rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung zu haben. Das waren die Menschen in der DDR gewohnt, sie kannten es nicht anders. Psychisch belastend war der Schwebezustand, weil über einen langen Zeitraum hinweg keinerlei Gewissheit darüber existierte, ob und wann der Antrag erfolgreich sein würde. Hinzu kam, dass viele Antragsteller neue gesellschaftliche Isolationserfahrungen sammeln mussten. Arbeitskollegen, Freunde, Bekannte, Nachbarn, zuweilen sogar Familienangehörige wandten sich ab. Oftmals nicht einmal, weil sie den Antrag verurteilten, sondern aus Angst, künftig selbst Nachteile erdulden zu müssen, wenn sie womöglich als Sympathisanten und damit selbst als potenzielle Ausreisekandidaten galten.

Zugleich gab es vielfache Solidarität. Viele Menschen halfen Ausreiseantragstellern. Legendär sind die Abschiedspartys, wenn der Staat den Antrag bewilligt und – in einem letzten Akt der Willkür – bestimmt hatte, dass die Ausreise innerhalb kürzester Zeit zu erfolgen habe. Der Ost-Berliner »Tränenpalast« am Bahnhof Friedrichstraße bekam diesen Namen nicht nur, weil dort Ostler ihren Westbesuch verabschiedeten, sondern weil dort auch viele Ausreiseantragsteller die DDR verließen und Freunde und Familienmitglieder zurückblieben.

Die Reise selbst traten nicht alle Menschen überglücklich an. Heimat, Freunde, Familie zurücklassen zu müssen, löst bei den wenigsten Glücksgefühle aus. Hinzu kam, dass die Menschen bis zur Bewilligung nicht wussten, was sie von ihrem beweglichen Hab und Gut mitnehmen durften. Viele verkauften und verschenkten vorher alles und lebten monatelang in mehr oder weniger leeren Zimmern. Andere behielten bis zuletzt alles und warteten auf den Bescheid ein, zwei, drei Tage vor der Ausreise, was und wie viel sie mitnehmen durften. Die einen hatten noch alles, durften aber nur wenige Koffer mitnehmen. Die anderen hatten nichts mehr und hätten einen regulären Umzug mit Deutrans, der DDR-Speditionsfirma, vollziehen können. (Wenn das geschah, standen die Umzugsgüter meist längere Zeit beim Zoll, wo genau geprüft wurde, was mitgenommen wurde und ob dies »rechtens« sei.) Es war eine vorletzte Demütigung, die die SED den Menschen, die der DDR den Rücken kehrten, mit auf den Weg gab. Manche kamen nur mit dem an, was sie tragen konnten, andere konnten mit ihrem alten Hab und Gut den Neustart beginnen. Die letzte Demütigung betraf die Ausgereisten, wenn sie Familienangehörige in der DDR besuchen wollten, weil diese schwer erkrankt waren oder weil gar jemand zu beerdigen war. Das wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren Ausgereisten fast nie gestattet. So war es für nicht wenige Ausgereiste ein Abschied für immer, obwohl »nur« eine Mauer zwischen ihnen und ihren Familien stand.

Der Letzte macht das Licht aus?

Um sich politische Entlastung angesichts der stetig anwachsenden Ausreisebewegung, die in der gesamten Gesellschaft zum Dauerthema geworden war, zu verschaffen, gestattete die SED-Führung 1984 innerhalb weniger Wochen 20 000 Menschen die Ausreise. Dies erwies sich als Bumerang, denn die Zahl der neuen Anträge schnellte ab sofort in die Höhe. Ließ die SED-Führung 1985 und 1986 jeweils rund 14 500 Personen ausreisen, drosselte sie die Zahl 1987 auf 6300. Im Frühjahr 1988 glaubte sie wiederum, mit der Genehmigung vieler Ausreisen ein befreiendes Ventil in der Hand zu haben. 1988 gestattete sie mehr als 24 000 und 1989 allein bis Ende Juni fast 37 000 Menschen die Übersiedlung in die Bundesrepublik. Es nützte nicht nur nichts, sondern trieb die Dynamik von Weggehen und unbedingtem Veränderungswillen im Jahr 1989 eher noch an.

Die Ausreisebewegung war lange vor dem Massenexodus im Sommer 1989 ein immer wiederkehrender Diskussions- und Gesprächsstoff. Nicht nur dass Verwandte, Freunde und Kollegen »plötzlich« fehlten, die Abkürzung DDR stand im Volksmund bald für »Der Dämliche Rest«. Süffisant wurde angemerkt: »Der Letzte macht das Licht aus!« Ausreiseantragsteller stellten brennende Kerzen in ihre Wohnungsfenster, um auf ihr Begehren aufmerksam zu machen. An Tausenden Autoantennen hingen als Zeichen des Antrages weiße oder schwarze (abgelehnt) Bändchen, wie überhaupt die Autos mit zahlreichen weiteren Symbolen – »D« oder »go west« – für das Ausreisebegehren geschmückt wurden. Ausreisewillige hatten längst begonnen sich zu organisieren. Die ersten Aktionen gab es 1973,1975 und 1976 in mehreren Orten. 1983/84 mehrten sich die Versuche, öffentlich für die Ausreise zu demonstrieren. Ab 1986 rissen diese Bemühungen nicht mehr ab und zählten bald in allen Regionen zu den wiederkehrenden Ereignissen.

Die Gegenstrategien der SED fielen halbherzig aus. Am 7. März 1985 druckte das Neue Deutschland groß aufgemachte Beiträge unter dem Titel »Über 20 000 Ehemalige wollen zurück«. Das SED-Organ veröffentlichte exemplarisch für die »20 000« Rückkehrwilligen Auszüge aus Briefen. Diese 136 Rückkehrwünsche waren authentisch, doch von 20 000 Rückkehrwilligen konnte keine Rede sein. Zwischen Anfang Januar 1984 und Ende 1986 gab es lediglich 719 Rückkehranträge, 473 davon wurden erst nach Erscheinen des ND-Artikels gestellt. Bis Ende Februar 1989 erhöhte sich die Gesamtzahl der Rückkehrwilligen auf 1128, wovon nur 112 tatsächlich in die DDR zurückkehrten. 794 dieser Anträge waren dagegen abgelehnt worden, der Rest noch in Bearbeitung. Selbst von den 136 im Neuen Deutschland 1985 genannten Anträgen wurden 103 abgelehnt und nur 33 bewilligt. Hinzu kamen Personen, die in die DDR zurückgelassen wurden, nachdem sie Dienst- oder Privatreisen zur Flucht genutzt hatten. Zwischen dem 1. Januar 1984 und dem 31. Mai 1989 kamen auf diese Weise 1349 Menschen zurück, darunter 170 Kinder. Das waren rund zehn Prozent derjenigen, die im selben Zeitraum nach einer Dienst- oder Privatreise nicht in die DDR zurückgekommen waren. »Zuziehende« aus der Bundesrepublik gab es in diesem Zeitraum 1587, darunter nochmals 412 ehemalige DDR-Bürger, die schon mehrere Jahre in der Bundesrepublik gelebt hatten. Zugleich lehnten Innenministerium und MfS 400 Anträge von Bundesbürgern auf Übersiedlung ab.

In der DDR-Propaganda malten Journalisten regelmäßig Bilder, die das Leben von einstigen DDR-Menschen in der Bundesrepublik als unerfüllt, enttäuschend und düster zeigten. Gewiss, es gab Menschen, die in der Bundesrepublik scheiterten, die nicht so leben konnten, wie sie es sich erhofft hatten. Nicht nur »Siegertypen und Macher« »machten rüber«, sondern auch Menschen, die es überall und unter allen Umständen schwer hatten. Vielleicht war für solche Menschen der größte Vorzug an der DDR, solange sie dort lebten die Hoffnung zu haben, woanders würde alles besser werden. Tausende merkten erst nach ihrer Flucht oder Übersiedlung, dass sie das größte Problem nicht loswurden: sich selbst. Denn nicht jeder ging wegen der Diktatur weg, nicht jeder demonstrierte gegen sie im Herbst 1989, und noch weniger wählten am 18. März 1990 deswegen demokratische Parteien.

Manche suchten das Paradies auf Erden und waren später bitter enttäuscht, es nicht gefunden zu haben. Vielleicht ist die arkadische Sehnsucht, dass es nur Gleiche unter Gleichen gibt, in weiten Teilen des Ostens eine besonders langfristige Folge der Diktatur. Flüchtende Menschen, ob aus der DDR oder heute nach Deutschland, haben etwas gemeinsam, was vielen nicht bewusst ist: Sie verursachen Bewegungen, die jede Gesellschaft dringend nötig hat.

Beate Tyron

»Der Uwe wollte schon immer weg«

Fünf Jahre dauerte es, bis Uwe-Carsten Günnel 1984 endlich die DDR verlassen konnte.

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Schon als Jugendlicher hatte er sich dem System verweigert, die FDJ abgelehnt und später auch die Musterung für die Armee. Der Thüringer Uwe-Carsten Günnel wollte unbedingt raus aus der DDR. Weil er auf seinen Ausreiseantrag, den er viele Male wiederholte, keine Antwort erhielt, schrieb er ans ZDF. Die Folge: dreieinhalb Jahre Haft.

Er sieht müde aus. Und traurig. Als ich im Dezember 2018 anrief und fragte, ob er mit mir noch einmal über seine Geschichte redet, sagte er gleich zu. Klar, Ehrensache. Jetzt sitzen wir in seiner Küche im thüringischen Kölleda, und ich frage mich, was mich an ihrem Anblick irritiert. Zweimal habe ich hier schon gesessen, auf derselben Eckbank, zweimal die Geschichte von Uwe-Carsten Günnel fürs Fernsehen erzählt. Es ist schon ein paar Jahre her: der rebellische junge Mann, der unbeugsame Häftling, die Liebe seines Lebens, die selbst Gefängnismauern übersteht. Darum ging es damals.

»Sibylle ist weg.« Es fühlt sich an, als habe er den Boden verloren.

Als Uwe-Carsten Günnel – kurz UCG – im Sommer 1979 den Ausreiseantrag in seine Schreibmaschine tippte, war er 24 Jahre alt, ein kämpferischer, wütender junger Mann. Er hat keine besonderen Erinnerungen an diesen Tag. Es gab keinen konkreten Anlass, sagt er. »Es war einfach genug. Ich wusste: Du kannst hier nicht leben mit dieser Einstellung, das geht nicht.« Gegängelt fühlte sich UCG schon seit Jahren. Weil er lange Haare hatte, Schlaghosen trug und den Eintritt in die FDJ verweigerte. Nach der 8. Klasse verließ er die Schule. UCG wurde Zerspanungsfacharbeiter, staatlich gelenkt. In Abendschulkursen holte er die 10. Klasse nach, während seiner Lehrzeit. Er träumte damals noch davon, einmal zu studieren. Gearbeitet hat UCG allerdings immer in der Bäckerei seiner Mutter, er kannte alles von Kindesbeinen an. Den Günnels ging es damals materiell gut in Kölleda. Uwe-Carsten, der einzige Sohn neben drei Töchtern, verfügte früh über ein Motorrad, über Autos, über Geld. »Ich wollte aber frei sein«, sagt er. Es hört sich so selbstverständlich und einfach an. In der Enge der real existierenden DDR allerdings ist das ein unverfrorener, ein fast schon krimineller Wunsch.

UCG spielte Klampfe, traf sich mit Kumpels zum Musikmachen. Was Jugendliche in einer Kleinstadt eben so machen. Mit einem verschmitzten Lächeln erzählt er von Aktionen, wie sie nachts durch Kölleda zogen, 1.-Mai-Plakate runterrissen oder mit nasser Kreide Sprüche auf Schaufenster schrieben. Erst am Morgen war dann lesbar, dass die DDR ein Unrechtsstaat sei, gelenkt von Moskau oder ein Paradies für Funktionäre. »Ich war einfach wütend.« Und die Wut wurde immer größer. Auch weil die DDR ihnen vorschrieb, dass sie nur 40 Prozent Westmusik bei ihren Auftritten spielen durften. »DDR-Musik habe ich gehasst. Das war wieder so ein Punkt, wo du merkst, du bist nicht frei.«

»Der Uwe wollte schon immer weg«, erinnert sich seine Zwillingsschwester Manuela. »Und er hat sich nichts gefallen lassen.« Manuela hatte Ende der 1970er-Jahre schon eine eigene Familie, lebte im benachbarten Sömmerda. Uwe kam häufig vorbei. »Der hatte immer Hunger«, lacht sie. Klar, über seinen DDR-Frust sprachen sie auch. Das sei irgendwie normal gewesen. Dass UCG die Musterung für den Armeedienst verweigerte, passte dann schon fast ins Bild, das sich die Behörden längst von ihm gemacht hatten – und er sich von ihnen. Er wurde zwangsvorgeführt, später aber ausgemustert. Als Folge, erinnert er sich, musste er seinen Personalausweis gegen den sogenannten PM 12 tauschen, einen Behelfsausweis, mit dem UCG weder ins sozialistische Ausland noch in grenznahe Gebiete oder nach Berlin reisen durfte. »Da bist du gezinkt.« So sei er mal bei einer Verkehrskontrolle in Sömmerda angehalten worden. Als er den PM 12 vorzeigte, kontrollierten die Polizisten gleich genauer, konnten aber offenbar nichts finden. »Meine Autos waren immer tipptopp.« Trotzdem sollte er Strafe zahlen. Wofür? Weil er im Halteverbot gestanden habe. Allerdings hatte ihn die Polizei ja genau dort gestoppt. »Die haben nur gegrinst und gesagt: ›Sie wissen doch, Sie können erzählen, was Sie wollen.‹« Seine nachträgliche Beschwerde brachte natürlich nichts. Er musste zahlen für Stehen im Halteverbot.

Schon als Jugendlicher wurde UCG mehrfach kurzzeitig festgenommen. »Unter allen möglichen Vorwänden – Schlägerei, Betrug, oft aber auch als sogenannte polizeiliche Kontrollmaßnahme, sogar als Honecker mal in Dresden war.« Solche Dinge waren es, die ihn immer wieder rasend machten und die letztlich mit dazu führten, dass er 1979 einen Ausreiseantrag stellte.

Der blieb zunächst unbeantwortet. Nicht mal eine Eingangsbestätigung hätten sie ihm geschickt. Irgendwann rannte er zum Rat des Kreises, Abteilung Innere Angelegenheiten. Die Sachbearbeiter ließen ihn auflaufen, fragten immer nur, warum er denn wegwolle, es lägen doch gar keine wirklich triftigen Gründe vor. So ging es wohl viele Male. Vielleicht 20 Mal, sagt er kopfschüttelnd, habe er sich beschwert, immer wieder, und auf Bearbeitung seines Antrags gedrängt, schriftlich, mündlich. Er wollte die Behörden nerven. »Vielleicht lassen sie mich dann ja raus«, so sein Kalkül.

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Uwe-Carsten Günnel, 1980 (Foto: privat)

Im Dezember 1979 sah er eher zufällig im Westfernsehen das ZDF-Magazin mit den »Hilferufen von drüben«. Er beschloss, Moderator Gerhard Löwenthal zu schreiben.