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Der Herausgeber, die Herausgeberin

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Prof. Dr. Jens Boenisch, Universität zu Köln, Department Heilpädagogik und Rehabilitation, Leiter des Forschungs- und Beratungszentrums für Unterstützte Kommunikation (FBZ-UK)

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Dr. Stefanie K. Sachse, Universität zu Köln, Department Heilpädagogik und Rehabilitation, Akademische Rätin, Mitarbeiterin im Forschungs- und Beratungszentrum für Unterstützte Kommunikation (FBZ-UK)

Jens Boenisch/Stefanie K. Sachse (Hrsg.)

Kompendium Unterstützte Kommunikation

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-036058-7

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-036059-4

epub:    ISBN 978-3-17-036060-0

mobi:    ISBN 978-3-17-036061-7

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Teilhaben und Mitbestimmen. Unterstützte Kommunikation hat viele Facetten
  2. Etta Wilken
  3. Vorwort der Herausgeber
  4. A Theoretische Grundpositionen
  5. Entwicklung der Unterstützten Kommunikation in Deutschland – eine systematische Einführung
  6. Ursula Braun
  7. Partizipation im Kontext von Unterstützter Kommunikation
  8. Tobias Bernasconi & Karin Terfloth
  9. UK-Förderung oder UK-Therapie?
  10. Jens Boenisch & Kerstin Nonn
  11. Bildung und UK
  12. Tobias Bernasconi
  13. Sozialisationsbedingungen – eine kritische Auslegeordnung
  14. Dorothea Lage
  15. Unterstützte Kommunikation und soziale Medien
  16. Ingo Bosse
  17. Geschichte der Unterstützten Kommunikation
  18. Susanne Wachsmuth
  19. Internationale Perspektiven auf die Unterstützte Kommunikation – Objektive Entwicklungen und subjektive Einschätzungen
  20. Gregor Renner
  21. B Sprachentwicklung in der UK
  22. Sprachentwicklung unterstützt kommunizierender Kinder
  23. Kerstin Nonn
  24. Besonderheiten im kommunikativen Verhalten
  25. Susanne Wachsmuth
  26. Kernvokabular – Bedeutung für den Sprachgebrauch
  27. Jens Boenisch & Stefanie K. Sachse
  28. Lautsprachunterstützende Gebärden in der UK
  29. Birgit Appelbaum & Karolin Schäfer
  30. Kommunikation mit hörsehbehinderten/taubblinden Menschen
  31. Bettina Trissia, Tanja Geck & Katharina Tüscher
  32. Mehrsprachigkeit und Unterstützte Kommunikation
  33. Lena Lingk
  34. Unterstützte Kommunikation im Fremdsprachenunterricht
  35. Lena Lingk, Roman Bartosch & Stefanie K. Sachse
  36. Pragmatische Fähigkeiten als Schlüssel zur kommunikativen Kompetenz unterstützt kommunizierender Personen
  37. Lena Lingk, Kerstin Nonn & Stefanie K. Sachse
  38. C Diagnostik in der UK
  39. UK-Diagnostik – eine Einführung
  40. Carolin Garbe & Thomas Herrmann
  41. Diagnostik der präintentionalen Kommunikation
  42. Irene Leber
  43. Diagnostik des Kommunikationsstandes bei Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung
  44. Bettina Trissia, Tanja Geck & Katharina Tüscher
  45. Augensteuerung und Gaze Viewer als Diagnostikinstrumente
  46. Friederike Hogrebe & Karolin Schäfer
  47. UK-Diagnostik bei Menschen aus dem Autismus-Spektrum
  48. Maria Lell
  49. D Intervention und Teilhabe
  50. Ziele formulieren und Maßnahmen beschreiben mit dem ABC-Modell
  51. Stefanie K. Sachse & Tobias Bernasconi
  52. Partnerstrategien in der UK
  53. Melanie Willke
  54. Fokuswörter in der Interventionsplanung und -umsetzung
  55. Stefanie K. Sachse & Melanie Willke
  56. Teilhaben mit Gebärden: Strategien zur Etablierung von lautsprachunterstützenden Gebärden (LUG)
  57. Hendrik Dangschat & Sabine Plachta
  58. Grafische Symbole und nichtelektronische Kommunikationshilfen in der UK
  59. Nina Fröhlich
  60. Elektronische Kommunikationshilfen in der UK
  61. Jens Boenisch, Melanie Willke & Stefanie K. Sachse
  62. Basale Förderung bei Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen in Kommunikation und Interaktion
  63. Franca Hansen
  64. Unterstützte Kommunikation für Menschen aus dem Autismus-Spektrum
  65. Claudio Castañeda & Nina Fröhlich
  66. UK-Therapie bei Erwachsenen mit erworbenen Kommunikationsbeeinträchtigungen
  67. Andrea Liehs & Barbara Giel
  68. Unterstützte Kommunikation, Assistive Technologien und Teilhabe
  69. Marcel Feichtinger
  70. Zur Lebensbedeutsamkeit von elektronischen Kommunikationshilfen: Eine Studie mit und für Nutzer von Unterstützter Kommunikation
  71. Kathrin Lemler
  72. Unterstützte Kommunikation im Gesundheitswesen
  73. Andrea Erdélyi & Birgit Hennig
  74. Unterstützte Kommunikation im sozialen Raum
  75. Susanne Mischo
  76. Wenn UK nicht gelingen will…
  77. Karolin Schäfer & Julia Schellen
  78. E Literacy in der UK
  79. Früher Schriftspracherwerb (Emergent Literacy). Oder: Wie lernen Kinder lesen und schreiben?
  80. Melanie Willke & Stefanie K. Sachse
  81. Schriftspracherwerb kaum- und nichtsprechender Kinder und Jugendlicher. Besondere Herausforderungen und Lösungsansätze
  82. Stefanie K. Sachse
  83. Interactive Shared Reading with Children with Significant Disabilities
  84. Karen A. Erickson & David A. Koppenhaver
  85. F Versorgungsstrukturen
  86. Rechtliche Grundlagen in der UK-Versorgung
  87. Norbert Kamps & Jens Boenisch
  88. ICF und UK: Chancen einer aktivitätsbezogenen Perspektive
  89. Tobias Bernasconi
  90. UK-Beratungsstellen in Deutschland: Ein Überblick zum Ist-Stand
  91. Anna Hernando, Jens Boenisch & Tobias Bernasconi
  92. Qualitätssicherung und Standards in der UK-Versorgung
  93. Tobias Bernasconi, Jens Boenisch, Barbara Giel & Stefanie K. Sachse
  94. G Forschungsmethoden in der UK
  95. Forschungsvoraussetzungen und Forschungsethik in der UK
  96. Markus Dederich
  97. Besonderheiten der Effektivitätsforschung in der UK. Grundlagen des evidenz-basierten Ansatzes
  98. Oliver Wendt & Ralf W. Schlosser
  99. Kontrollierte Einzelfallforschung
  100. Oliver Wendt & Ralf W. Schlosser
  101. Stichwortverzeichnis
  102. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

 

Teilhaben und Mitbestimmen. Unterstützte Kommunikation hat viele Facetten

Etta Wilken

Jedes Kind hat von Geburt an kommunikative Bedürfnisse, aber auch entsprechende Fähigkeiten, für deren Entwicklung es die Zuwendung seiner Bezugspersonen und geeignete Lebensbedingungen benötigt. Ohne ein liebevolles Eingebundensein und ohne angemessene Ansprache ist eine normale Entwicklung nicht möglich – wie schon ältere Forschungen zum Hospitalismus (vgl. Spitz 1945) und zur Bindungstheorie (Bowlby 1969) zeigten. Kommunikation ist ein menschliches Grundbedürfnis und lebensnotwendig in jedem Lebensalter. Personen mit Einschränkungen der Kommunikation sind deshalb nicht nur in der Verständigung beeinträchtigt, sondern in sozialer Teilhabe, aktiver Mitbestimmung und (Mit-) Gestaltung ihrer Lebenswirklichkeit und sie erleben oft vielfältige frustrierende Situationen von Nicht- oder Falschverstehen. Zudem kann die kognitive und emotionale Entwicklung gerade von kleinen in ihrer Kommunikation beeinträchtigten Kindern erheblich betroffen sein und sprachgebundene Lern- und Erkenntnisprozesse erschweren.

Unterstützte Kommunikation hat deshalb das Ziel, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nicht nur besondere Möglichkeiten zum Verstehen und Verständigen anzubieten, sondern auch die gesamte Lebenswirklichkeit in den Blick zu nehmen, angemessene Bedingungen für Partizipation und Selbstbestimmung zu schaffen und sprachspezifisches, nicht sprechgebundenes (!) Lernen zu ermöglichen. Dazu gehören auch verschiedene Konzepte zur Vermittlung einer individuell angepassten Lese- und Schreibkompetenz.

Bei der Vielfalt der heute verfügbaren Möglichkeiten zur Förderung und Unterstützung der Kommunikation kann man sich kaum vorstellen, wie mühsam die Anfänge oft waren.

Ich erinnere mich an einen dreijährigen Jungen, den ich Ende der 1960er Jahre kennenlernte. Er war sehr hypoton, lag gestützt in einem Spezialsitz und konnte weder Arme noch Beine bewegen. Er konnte nicht sprechen, aber er äußerte sich mit unterscheidbaren Lauten, die Unbehagen, Ablehnung und Zustimmung ausdrückten. Die Mutter hatte mit ihm eine Kommunikationsform entwickelt, die in alltäglichen Situationen eine Verständigung ermöglichte. Sie stellte ihm Fragen, die er bei Bejahen mit Anblicken und kurzem Schließen der Augen beantwortete, bei Verneinung kniff er die Augen fest zusammen. Beeindruckend war jedoch vor allem, dass er manchmal nur das rechte Auge zukniff und das bedeutete, die Mutter solle ihre Frage anders formulieren!

In ihrem Lebensalltag mit dem Kind machen Eltern eigentlich immer spontane intuitive Kommunikationsangebote und haben bewusste, aber auch unbewusste Erwartungen, wie das Kind darauf reagiert. So wird ein Kind, das sich regelhaft entwickelt, schon mit wenigen Wochen auf Ansprache mit Hinwendung, Gurren und Lächeln antworten. Wenn ein Kind dagegen erwartungsabweichendes Verhalten zeigt wie Abwenden des Kopfes oder auch nur eine stark verzögerte Antwort-Reaktion, kann es deshalb gerade in der frühen Interaktion zu Fehlinterpretationen und mangelnder wechselseitiger Abstimmung kommen sowie zu Verunsicherung und Frustrationen bei den Eltern (vgl. Wilken 2018, 7). Kinder lernen im Erwartungshorizont ihrer Bezugspersonen, die ihnen im Lebensalltag vielfältige Angebote machen, weil sie zuversichtlich davon ausgehen, dass ihr Kind sie schon zunehmend verstehen wird. Eine geringere Aktivität des Kindes kann dagegen die üblichen kommunikativen Angebote der Eltern erheblich reduzieren. Deshalb zeigte das entwicklungsrelevante »dialogische Echo« der Mütter von Kindern mit Down-Syndrom einen »Abwärtstrend« mit einem Tiefpunkt etwa im neunten Entwicklungsmonat (Horsch et al. 2008, 17). Aber gerade eine gelingende Mutter-Kind-Kooperation in Alltagssituationen ist für die Kommunikationsentwicklung der Kinder wichtig, während dagegen eine häufige Nichtinterpretation oder ein Fehldeuten ihres Verhaltens ihre Aktivität und Mitteilungsbereitschaft nachhaltig beeinträchtigen kann (vgl. Wilken 1982).

Trotz vieler Schwierigkeiten waren es aber meistens die Eltern, die im täglichen Umgang mit ihrem Kind sein Entwicklungspotential erkannten, sich durch Fachleute nicht beirren ließen und nach geeigneten Angeboten suchten. Daraus ergaben sich sehr individuelle kreative Lösungen. Ein gehörloser Junge mit cerebralen Bewegungsstörungen entwickelte im Kontext von Alltagserfahrungen zusammen mit seinen Eltern eigene Zeichen. So bezeichnete er mit ›Affe‹ sowohl das Tier als auch »blöde Leute«, »indem er den Unterkiefer mit seiner Zunge weit vordrückte. Das Einziehen des Kopfes zwischen die Schultern war das Zeichen für Autobahn (ein Hinweis auf die vielen Brücken), das Lecken an einem Finger bedeutete, dass er ein Buch ansehen wollte« (Wilken 1974, 55). Eine wesentliche Erweiterung seiner Kommunikationsmöglichkeiten ergab sich, als er in der Schule auf einer elektrischen Schreibmaschine mit einem Finger sehr mühsam schreiben lernte. Auch ein anderer junger Mann beschreibt in seiner Biographie dankbar, wie seine Familie »mit seinen mühsalvollen, kopfnickenden, kreativen, wenn auch stummen Kommunikationsversuchen« umging (Nolan 1987, 10) und welcher Durchbruch das Schreiben mit einem Stirnstab für ihn bedeute, auch um seine »Zurechnungsfähigkeit« zu beweisen. Allerdings musste die Mutter sein »krudes, starrköpfiges Nicken« abfedern, weil »bei jeder Berührung seines Zeigestocks mit den Tasten der Schreibmaschine sein Körper hintenüber gepeitscht wurde« (ebd. 77).

Für so erheblich beeinträchtigte Personen bedeutete damals die Possum-Schreibmaschineneinheit, eine mit pneumatischen Drucktasten gesteuerte elektrische Schreibmaschine, einen enormen Fortschritt – auch wenn das Gerät ein Monstrum war. Es ist deshalb aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar, dass einem jungen Mann ein solches Gerät mit der Begründung verweigert wurde, dass er doch über etwas »Lautsprache verfüge, die zumindest seine Mutter einigermaßen verstehen« kann. »Zudem könne er nicht schreiben und lesen. Dass er damit lesen lernen könnte, vermag an dieser Entscheidung nichts zu ändern. Es könne somit kein Nutzeffekt erzielt werden und auch eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit sei nicht zu erwarten« (Versicherungsgericht des Kantons Bern vom 16. Dez. 1975).

Während im Elternhaus oft sehr individuelle Kommunikationsformen entwickelt wurden, begann eine systematischere Förderung vorwiegend im schulischen Kontext in den 1970er Jahren. Dabei ging es meistens für die körperbehinderten Schüler und Schülerinnen um Wissensvermittlung und Sprachförderung, aber auch um die Förderung von Lesen und Schreiben. Bei den geistig behinderten Schülerinnen und Schülern dominierte dagegen die sogenannte lebenspraktische Bildung. Sprachförderung wurde – wenn überhaupt angeboten – vorwiegend als Förderung der Lautsprache verstanden. Andere Formen der kommunikativen Förderung fanden kaum Berücksichtigung. Erst in den 1980er Jahren wurde zunehmend deutlich, dass es auch für kognitiv beeinträchtigte Kinder wichtig ist, spezielle Angebote zur Verständigung zu erhalten. Neue Möglichkeiten wurden gefunden, und die technische Entwicklung brachte enorme Fortschritte und Verbesserungen. Allerdings bestand lange eine Dominanz von schulischen Lernzielen. Nur langsam erfolgte eine stärkere Lebensweltorientierung, und es wurden differenziertere Angebote zur Kommunikation und Teilhabe angeboten.

Dadurch zeigte sich auch deutlich, dass es nicht zu verantworten war, bis ins Schulalter mit einer solchen kindorientierten Kommunikationsförderung zu warten, sondern dass wesentliche Erkenntnisse bereits in die Frühförderung und in das Vorschulalter zu übertragen waren, um sowohl die sozial-emotionale als auch die kommunikative Entwicklung sprachentwicklungsgefährdeter Kinder frühzeitig und angemessen zu unterstützen. Vorurteile über die nachteilige Wirkung alternativer und ergänzender Kommunikationsangebote konnten mit den gemachten vielfältigen Erfahrungen vermindert werden, auch wenn sie immer noch nicht ganz überwunden sind. Vor allem Gebärden zur Förderung der Verständigung mit kleinen (noch) nicht sprechenden Kindern wurden zunehmend bedeutungsvoll. Gut dokumentiert ist mittlerweile, wie die sprachliche Entwicklung von Kindern mit Down-Syndrom, aber auch von Kindern mit sehr unterschiedlichen anderen Beeinträchtigungen mit Gebärden unterstützt werden kann (vgl. Wilken 2019, 92ff.). Die in den 1990er Jahren noch bestehenden Befürchtungen, damit das Sprechenlernen zu verhindern, konnten überwiegend ausgeräumt werden.

Erste Angebote zum frühen Lesen zur sprachlichen Förderung beeinträchtigter Kinder wurden in den 1970er Jahren ergänzend entwickelt, weil die Erfahrung zeigte, dass Lesen eine wichtige Hilfe auf dem Weg zur Sprache sein kann (ebd. 98). Die alte, sich auf gehörlose Kinder beziehende Feststellung »Lesen ist wie Hören mit den Augen« (Bulwer 1648, zit. nach Löwe 1983, 14) bestätigte sich auch für andere Kinder und eröffnete noch nicht sprechenden Kindern mit dem Einsatz besonderer methodischer Vermittlungsverfahren einen besseren Zugang zur Sprache.

Die Alltags- und Lebensweltorientierung ermöglichte nicht nur eine bessere Verständigung, sondern wirkte sich auch auf Teilhabe und Mitbestimmen in unterschiedlichen Situationen aus und führte zu wichtigen Empowermentprozessen. Die Bedeutung, die gelingende Verständigungsfähigkeit im Lebensalltag hat, kann an zwei Beispielen aufgezeigt werden.

Ein vierjähriges Mädchen zeigte einer Erzieherin die spezielle Gebärde für einen Jungen der Gruppe und ergänzte dazu die Gebärde für »au«. Die Erzieherin interpretierte die Aussage richtig und ging mit dem Mädchen zu dem Jungen und verlangte von ihm, sich zu entschuldigen. Darauf antwortete der Junge erstaunt, wieso das Mädchen das »petzen« könne. Ähnlich beschreibt Nolan in seiner Biographie, wie ein Mitschüler ihn ärgert und aus beiden Reifen seines Rollstuhls die Luft rausließ. »Der konnte ihn bei der Lehrerin ja doch nicht verpetzen!« (Nolan 1989, 19).

Es ist wichtig zu reflektieren, welche Kompetenzen im sozialen Umfeld zu vermitteln sind und welche Interaktionsbedingungen gestaltet werden müssen, damit Verständigung und Mitbestimmen für unterstützt Kommunizierende im Lebensalltag gelingt. Besonders die Transition der bisher vorwiegend im schulischen und häuslichen Kontext genutzten Verständigungsformen in den außer- und nachschulischen Bereich ist oftmals unzureichend geregelt. Häufig fehlt auch die notwendige differenzierte Dokumentation der bisherigen Verständigungsform. So wurde z. B. die etwas ungenau ausgeführte drehende Bewegung beider Hände eines jungen Mannes von den Mitarbeitern nach Umzug in eine neue Wohneinrichtung als aufgeregtes Händeflattern interpretiert. Erst zufällig erkannte eine Betreuerin einer anderen Gruppe, dass er »erzählen« gebärdete. Der junge Mann hatte zuvor gelernt, diese Gebärde einzusetzen, um damit Bezugspersonen aufzufordern, ihm Fragen zu stellen, die er dann mit Ja, Nein und wenigen einzelnen Gebärden beantwortete.

Noch fehlen dem Personal in Wohnstätten und Werkstätten oft die nötigen Kompetenzen, um unterstützt Kommunizierende zu verstehen. Zudem sind die gelernten, individuellen Verständigungsformen, die von den nicht- oder kaumsprechenden Personen mitgebracht werden, sehr verschieden und nicht allen bekannt. Eine Einschränkung der Partizipation bedeutet es auch, wenn in einer Gruppe zwar ein »Dolmetscher« zur Verfügung steht, aber die anderen Bewohner und Betreuer die Mitteilungen der unterstützt kommunizierenden Person nicht verstehen. Oft fehlen in Alltagssituationen auch die nötigen zeitlichen Ressourcen, und von Mitarbeitern wird häufig festgestellt, dass Unterstützte Kommunikation insgesamt viel zu viel Zeit brauche, die sie im Alltag meistens nicht haben. Mitbestimmung ist aber nicht nur zeitaufwendig, sondern für Bezugspersonen manchmal auch unbequem. Während sonst alles relativ schnell für die nichtsprechende Person entschieden wurde, will sie jetzt in Entscheidungen einbezogen werden. Das verlangt von den Mitarbeitern Empathie und ein wohlwollendes Eingehen auf die Wünsche und Bedürfnisse der beeinträchtigten Person, während Ungeduld und Zweifel sich dagegen zusätzlich hinderlich auswirken können.

Wie aus den Beiträgen dieses Kompendiums ersichtlich wird, hat Unterstützte Kommunikation auf ihrem Weg sich erfolgreich den vielfältigen Problemen gestellt, auch wenn noch viele Herausforderungen zu lösen sind. Im Blick zu behalten ist aber bei der Weiterentwicklung, dass Kommunikation ein menschliches Grundbedürfnis ist und sich wesentlich in personalen Beziehungen und Interaktionen im Alltag ereignet. Auch wenn unterstützt Kommunizierende mit Fremden auf besondere technische Hilfen angewiesen sind, bevorzugen sie in der Familie und mit Freunden oft individuelle körpereigene Verständigungsformen. Deshalb darf bei aller Bedeutung, die dem technischen Fortschritt zukommt, nicht ausgeblendet werden, welche emotionale Relevanz in der Kommunikation gerade unmittelbare Erfahrungen von Zuwendung und Akzeptanz durch andere Menschen haben.

Literatur

 

Bowlby, J. (1969): Attachment and loss. Vol. 1 attachment. Basic Books, New York.

Horsch, U./Roth, J./Scheele, A./Werding, S. (2008): Topologie des frühen Dialogs. Zu den Zusammenhängen dialogischer Verhaltensweisen von Eltern und Kind im Kontext von Down-Syndrom. In: Zeitschrift für Heilpädagogik, 1, 10–20.

Löwe, A. (1984): Gehörlosenpädagogik. In: Solarova, S. (Hrsg.): Geschichte der Sonderpädagogik. Stuttgart,

Nolan, Ch. (1989): Unter dem Auge der Uhr. Köln.

Spitz, R. A. (1945): Hospitalism: An Inquiry into the Genesis of Psychiatric Conditions in Early Childhood. In: The Psychoanalytic Study of the Child, Bd. 1.

Versicherungsgericht des Kantons Bern vom 16. Dez. 1975. www.servat.unibe.ch/dfr/bge/c5101278html.

Wilken, E. (1974): Das Fingeralphabet als Kommunikationshilfe bei einem zerebralparetischen und gehörlosen Jungen. In: Heese, G./ Reinartz, A. (Hrsg.): Aktuelle Beiträge zur Körperbehindertenpädagogik. Berlin.

Wilken, E. (1982): Verstehst du mich? In: Zusammen (7) 6–9.

Wilken, E. (2019): Sprachförderung bei Kindern mit Down-Syndrom. Mit ausführlicher Darstellung des GuK-Systems. Stuttgart.

 

Vorwort der Herausgeber

 

 

 

Unterstützte Kommunikation (UK) hat seit ihrer Einführung zu Beginn der 1990er Jahre in Deutschland eine enorme Dynamik entwickelt. Zunächst vor allem in der schulischen Praxis von engagierten Pädagoginnen und Pädagogen eingesetzt und durch unzählige Fortbildungen und Publikationen verbreitet, wurde sie nach und nach auch Thema in der deutschen Wissenschaft und Forschung sowie in der universitären Lehre. Im Rückblick auf über 50 Jahre heilpädagogische Forschung und Praxis wissen wir, dass die Methoden und Ziele der UK damals nicht komplett neu erfunden wurden. Bereits in den 1970er Jahren wurden erste Sprachförderkonzepte und apparative Hilfen für kaum- und nichtsprechende Kinder in Deutschland erprobt (u. a. von Ursula Haupt, Klaus Schulte, Etta Wilken). Es gab damals jedoch noch kein übergreifendes Konzept und somit auch keinen Namen für diese alternativen Wege zur verbesserten Kommunikation.

Mit der konzeptionellen Rahmung auf Basis der anglo-amerikanischen Erkenntnisse aus der AAC-Forschung und -Praxis konnte sich in Deutschland nun ein Förderkonzept etablieren, das bis heute wegen seiner engen Bindung an die Förderschulen im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung sowie geistige Entwicklung vor allem als pädagogisches Konzept verstanden wird. Die kontinuierliche und von allen Seiten auch gewünschte Ausbreitung der UK in die Bereiche frühe Förderung, Klinik, Reha-Zentren, nachschulische und berufliche Rehabilitation, Wohnen und Seniorenbereich sowie in die therapeutischen Berufe der Sprach- und Ergotherapeuten (z. T. auch Physiotherapeuten) erfordert eine Weiterentwicklung der theoretischen Fundierung von UK. Mit dem Einzug der UK in das Gesundheitswesen und der Forderung nach Finanzierung von UK-Maßnahmen auch durch Krankenkassen kann UK nicht länger ausschließlich als pädagogisches Konzept betrachtet werden. Die Herausforderung besteht nun darin, auf der einen Seite die Philosophie und theoretische Fundierung der UK beizubehalten und gleichzeitig professions-, institutions- und sektorenübergreifend UK als Konzept zur Verbesserung der Verständigung zwischen den Akteuren weiter zu etablieren. Da jede Profession ihre eigene Fachsprache spricht und an unterschiedliche (rechtliche) Rahmenbedingungen gebunden ist, die für die jeweiligen Entscheidungen und Handlungen im Berufsalltag grundlegend sind, bedarf es Brücken zwischen den verschiedenen Disziplinen zur Entwicklung gemeinsamer Konzepte, um nicht an den Bedürfnissen der UK-Nutzerinnen und UK-Nutzer vorbei zu agieren. Die zentrale Brücke bildet dabei eine gemeinsame Sprache.

Das sowohl den pädagogischen als auch den medizinisch-therapeutischen Disziplinen gemeinsame und somit verbindende Ziel von UK-Maßnahmen ist soziale Teilhabe. Soziale Teilhabe bzw. Partizipation stellt das langfristige Ziel jeder UK-Versorgungsmaßnahme, jeder UK-Diagnostik und jeder UK-Intervention dar. Soziale Teilhabe ist auch in der ICF das zentrale Thema. Somit bietet sich die ICF als ein Rahmen für eine gemeinsame Sprache in der UK an.

Der Aspekt der sozialen Teilhabe im Verständnis der ICF zieht sich wie ein roter Faden durch das Kompendium UK. In den Beiträgen im Teil A Theoretische Grundpositionen wird die Bedeutung sozialer Teilhabe anhand verschiedener Zugänge, Analysen und Determinanten diskutiert. Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Verortung werden in Teil B die Grundlagen zur Sprachentwicklung für Menschen, die UK nutzen, sowie für Professionelle, die mit UK arbeiten, dargestellt. Hierbei war es uns als Herausgeber wichtig, die bisher in der deutschen UK-Diskussion noch zu wenig beachteten, aber in der UK-Praxis aktuellen Themenfelder wie Fremd-/Mehrsprachigkeit oder sensorische Mehrfachbehinderungen mit zu berücksichtigen.

Die verschiedenen Beiträge zur Sprachentwicklung in der UK (Teil B) haben gelingende Alltagskommunikation im Fokus. Damit folgt die UK dem sogenannten pragmatischen Ansatz in der Vermittlung, der sich deutlich von anderen Ansätzen wie z. B. dem meta-linguistischen Sprachfördernsatz abgrenzt.

Im Teil C werden nach einer grundlegenden Einführung in Aufgaben, Ziele und Methoden einer UK-Diagnostik diverse diagnostische Zugänge für unterschiedliche Personengruppen vorgestellt. Die Vielfalt der Personengruppen erfordert eine Vielfalt individualisierter diagnostischer Verfahren, wodurch die Komplexität des Arbeitsfeldes UK auch in diesem Bereich deutlich wird.

Mit dem Ziel der sozialen Teilhabe verändert sich der traditionelle Blick auf die Intervention als eine Förderung oder Behandlung des Kindes, des Jugendlichen bzw. des Erwachsenen ohne Lautsprache. Die Beiträge zu Intervention und Teilhabe in Teil D verdeutlichen, dass sich der lange Zeit vorherrschende personenbezogene Blick auf die UK-Nutzerin und den UK-Nutzer um die gleichwertige Einbeziehung des sozialen Umfeldes in die UK-Maßnahmen erweitert hat. Und dies gilt unabhängig von der Personengruppe, der Interventionsmethode, des UK-Hilfsmittels und der Art, wie es eingesetzt wird, sowie der Institution bzw. dem sozialen Raum, in dem UK angewendet wird.

Soziale Teilhabe kann im umfassenden Maße erlebt werden, wenn die unterstützt kommunizierende Person über ausreichend Schriftsprachkenntnisse verfügt. Der Fokus auf Literacy in der UK in Teil E erweitert den sozialen Teilhabebegriff in Richtung Partizipation, da dem UK-Anwender mit Schriftsprachkenntnissen das Tor zur Welt der Online-, nationalen und internationalen Kommunikation sowie der eigenen Bildung offen steht.

Mit der Ausweitung von UK in verschiedene Berufsfelder der pädagogischen und medizinisch-therapeutischen Sektoren (Kita, Schule, Wohnen, Arbeit, Frühförderung, Hausarzt, Klinik, Reha-Zentren, Krankenkasse, MDK etc.) und der Notwendigkeit einer Regelung der Zuständigkeiten und Finanzierungen von UK-Maßnahmen kommt der Qualitätssicherung eine zunehmend größere Bedeutung zu. Ohne qualitätsgesicherte Standards wird es zukünftig keine geregelten bzw. flächendeckenden Refinanzierungskonzepte für UK geben. Auch hier bietet sich die ICF als ein die verschiedenen Sektoren übergreifender Rahmen an. Denn mit der Einführung des neuen Bundesteilhabegesetzes haben sich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Finanzierung von UK-Maßnahmen nach SGB V und SGB IX verändert. Im Teil F werden grundlegende Informationen, Analysen und Ergebnisse zu den gegenwärtigen Versorgungsstrukturen in der UK sowie den notwendigen Voraussetzungen für eine qualitätsgesicherte Versorgung mit UK-Maßnahmen dargestellt.

Eine qualitätsgesicherte Praxis bedarf des Nachweises, dass ihre Konzepte wirkungsvoll sind. Dies wiederum ist die Voraussetzung für eine Refinanzierung durch das Gesundheitswesen. Die Schwere und die Vielzahl der Behinderungserscheinungen bzw. das Fehlen von Vergleichsgruppen in der UK stellen die Wirksamkeitsprüfung vor besondere Herausforderungen – sowohl in der Forschungsethik als auch in der methodischen Umsetzung. Im Teil G werden speziell Forschungsmethoden vorgestellt, die auch unter den Bedingungen des Einzelfalls eine Evidenz nachweisen können.

Die deutsche UK hat sowohl konzeptionell als auch in den praxisnahen Handlungsfeldern inzwischen ein beachtlich hohes Niveau erreicht. Dies wird auch in den vielen Beiträgen deutlich, die hier von den Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis vorgelegt wurden. Diese qualitativ hochwertige Neuausrichtung in der UK sichtbar zu machen ist insbesondere der Verdienst der Autorinnen und Autoren, denen es in beeindruckender Weise gelungen ist, neue Entwicklungen systematisch aufzuarbeiten und für die Anwendung in der Praxis in nachvollziehbaren Konzepten darzustellen. Die Autorinnen und Autoren dieses Handbuchs haben darüber hinaus wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Theoriebildung in der UK ein großes Stück weiterentwickelt hat. Gute Theorie bildet die Basis für gute Ausbildung und gute Praxiskonzepte. Wir bedanken uns ausdrücklich bei jeder einzelnen Autorin und bei jedem einzelnen Autor für die Beiträge.

Unser Dank geht auch an die Kolleginnen und Kollegen sowie die studentischen Hilfskräfte am FBZ-UK der Universität zu Köln für die Unterstützung bei Recherchen und beim Korrekturlesen. Ebenfalls bedanken möchten wir uns beim Kohlhammer Verlag, insbesondere bei Dr. K.-P. Burkarth für die professionelle und sehr gute Zusammenarbeit.

Ein besonderer Dank geht abschließend aber auch und vor allem an die vielen Praktikerinnen und Praktiker, die unermüdlich und oft gegen viele Widerstände über so viele Jahre UK eingesetzt, neue Ideen entwickelt und neue Konzepte erprobt haben, die uns im Austausch immer wieder Rückmeldungen zu Neuentwicklungen gegeben und uns somit in umfassender Weise motiviert haben, die Vision von UK als ein Konzept mit unterschiedlichen Zielgruppen in unterschiedlichen Institutionen über die gesamte Lebensspanne weiter zu verfolgen.

Wir verbinden mit diesem Kompendium die Hoffnung, einen Beitrag zur Weiterentwicklung und zur Qualitätssicherung der UK zu leisten. Diesem Anspruch verpflichtet freuen wir uns auch über kritisch-konstruktive Rückmeldungen.

Im Kompendium werden die Termini »Pädagoge«, »Therapeut«, »Erzieher« etc. als Berufsbezeichnung verstanden und nicht als Zuordnung zum männlichen Geschlecht.

Köln, im Juli 2019

Jens Boenisch & Stefanie K. Sachse

 

 

 

A         Theoretische Grundpositionen

 

Entwicklung der Unterstützten Kommunikation in Deutschland – eine systematische Einführung

Ursula Braun

1          Historischer Rückblick

Die Geburtsstunde der Unterstützten Kommunikation (UK) in Deutschland lässt sich datieren: Fasziniert von Filmausschnitten kompetenter UK-Nutzerinnen, die während einer Forschungsreise durch die USA entstanden waren (vgl. Braun 1994), und erschüttert von der Erkenntnis, dass diese Möglichkeiten Menschen ohne effektive Lautsprache hierzulande überwiegend vorenthalten blieben, gründete eine Gruppe enthusiastischer Betroffener, Angehöriger und Professioneller am 03. Februar 1990 in der Essener Schule für Körperbehinderte die deutschsprachige Sektion der International Society for Augmentative and Alternative Communication (ISAAC). Es folgte eine Welle des Aufbruchs und der Anerkennung: Alle angebotenen Fortbildungsveranstaltungen trafen auf ein ungewöhnlich hohes Interesse, Regionalgruppen wurden in schneller Folge etabliert, das erste – noch handkopierte und geheftete – Exemplar der Fachzeitschrift »ISAAC‘s Zeitung – Unterstützte Kommunikation« (1990) erschien, Kongresse wurden geplant und durchgeführt, zahlreiche praxisorientierte Artikel und Bücher verfasst und schließlich auch erste wissenschaftliche Untersuchungen veröffentlicht (Roßdeutscher 1992; Adam 1993; Gangkofer 1993; Braun 1994). Selbstverständlich basierte diese Entwicklung auf Vorläufern: Die Bliss-Symbol-Methode war bereits von engagierten Pädagogen mit Hilfe des Bundesverbandes für Körper- und Mehrfachbehinderte e. V. bekannt gemacht (Frey 1989; Franzkowiak 1989), der Einsatz von Gebärden wurde erfolgreich propagiert (Ihssen 1985; Adam 1985), die Nutzung erster noch sehr rudimentärer elektronischer Hilfsmittel fand Verbreitung (Gabus 1989). Eine frühe wissenschaftliche Arbeit zur Thematik in Deutschland, nämlich die Dissertation von Susanne Wachsmuth (1986), erhielt jedoch wenig Resonanz im theoretischen Diskurs der damaligen Sonderpädagogik, Fachwissen und internationaler Austausch im universitären Umfeld existierten kaum. Im Gegensatz zur internationalen Entwicklung, in der bereits in den 1980er Jahren sowohl wissenschaftlich wie auch praktisch das neue Fachgebiet etabliert wurde (vgl. u. a. Blackstone 1986 und Kraat 1987), konnte von einer umfassenden Theoriebildung, einer flächendeckenden Aus- und Fortbildung und einem Erfahrungsaustausch von Praktikern in Deutschland Anfang der 1990er Jahre keine Rede sein.

Das Besondere an der UK-Bewegung in Deutschland lag somit darin, dass sie überwiegend von Menschen aus der Praxis initiiert, getragen und vorangetrieben wurde. Durch diese große Praxisorientierung fand sich konsequenterweise auch eine schnelle Verbreitung in die Praxis, besonders in den Förderschulen, was dem Umstand geschuldet war, dass viele Gründungsmitglieder der deutschsprachigen Sektion von ISAAC Förderschulpädagogen waren. Unterstützte Kommunikation konnte so unmittelbar wirksam werden und viele individuelle Schicksale positiv beeinflussen.

»Jetzt, wo ich meinen Augencomputer habe, ist alles so leicht geworden. Ich denke nicht mehr: ›Sprecht mich bloß nicht an!‹, wie ich es früher immer gedacht habe. Das allein ist viel wert«

(Schuchmann 2011, 30).

Die Stärke der UK-Bewegung in Deutschland erscheint jedoch aus heutiger Sicht gleichzeitig auch als eine Schwäche: Zunächst mangelte es an einem ausreichenden Fundament an Theoriebildung (vgl. u. a. Boenisch 2009, 78 ff.), denn die vorhandene internationale Literatur wurde überwiegend anwendungsbezogen rezipiert (vgl. Zeitschrift Unterstützte Kommunikation 4/1998; 4/2006; 4/2014 und 3/2015). Inzwischen existieren zwar zunehmend empirische Studien und übergreifende Theoriebildung auch in deutschsprachigen Veröffentlichungen (z. B. Rothmayr 2001; Renner 2004; Lage 2006; Wachsmuth 2006; Seiler-Kesselheim 2009; Boenisch 2009; Sachse 2010; Aßmann 2014; Nonn 2014), es fehlt jedoch noch häufig die Verknüpfung mit der vielfältigen Praxis. Überaus deutlich wird diese Problematik in der Ausgabe 4-2018 der Fachzeitschrift »Unterstützte Kommunikation«, in der UK-Fachleute nach den Auswirkungen der Differenz von anwendungsorientierter und sprachentwicklungsorientierter Perspektive auf UK-Interventionen befragt wurden. Zunächst einmal stellt die postulierte Dichotomie des anwendungsorientierten versus sprachentwicklungsorientierten Vorgehens nur zwei von vielen möglichen Perspektiven dar und erscheint aufgrund der Orientierung an der Normalentwicklung von Kindern ohne Behinderung zwar zweckmäßig (Andere Vergleichsdaten besitzen wir nicht!), aber dennoch problematisch (Lässt sich Normalentwicklung mit der Entwicklung von Kindern mit besonderen Bedingungen überhaupt vergleichen?). Darüber hinaus macht die Tatsache, dass im Jahr 2018 genau diese Frage gestellt wird, plastisch, wie häufig in der Praxis der UK auch heute noch überwiegend anwendungsorientiert gehandelt wird – mit allen Vor- und Nachteilen.

»Leider steht und fällt mit einem rein pragmatisch-anwendungsbezogenen Vorgehen einzelner Personen und ohne die Vision einer langfristigen, von allen geteilten Entwicklungsperspektive auch die Kontinuität von Förderung, was man ja am Zusammenbruch von Fördermaßnahmen bei Klassen- oder Einrichtungswechseln in der Praxis häufig sieht oder erlebt, mit zum Teil tragischen Auswirkungen für die betroffenen Personen (…)« (Hennig 2018, 6).

Umso wichtiger erscheint das vorliegende Kompendium, dessen Intention es darstellt, eben diese Lücke zu schließen, eine wissenschaftliche Fundierung in gut verständlichem Sprachduktus für das Fachgebiet der Unterstützten Kommunikation zu leisten und somit eine solide Basis für theoretisch fundierte UK-Interventionen zu legen.

2          Terminologie

»Unterstützte Kommunikation« (UK) ist der deutsche Sammelbegriff für alle Maßnahmen, die bei Menschen mit unzureichenden oder fehlenden lautsprachlichen Fähigkeiten dazu beitragen, Kommunikation und Mitbestimmung zu verbessern. Der Terminus wurde nach vielfältigen und kontroversen Diskussionen durch die deutschsprachige ISAAC-Sektion in die Fachwelt eingeführt (vgl. Braun 1992) und ist inzwischen fest etabliert. In der internationalen Terminologie wird das Fachgebiet als »Augmentative and Alternative Communication« (AAC) bezeichnet, also als kommunikative Formen, die unzureichende Lautsprache ergänzen (augmentative) oder ersetzen (alternative).

Vielfach beklagt wird der Umstand, dass nahezu zeitgleich zur Etablierung des Begriffs »Unterstützte Kommunikation« eine bestimmte und wissenschaftlich umstrittene Methode zur Ansteuerung von Kommunikationshilfen (vgl. Biermann 1999; Bober 2010), nämlich die »Facilitated Communication«, als »Gestützte Kommunikation« übersetzt wurde (vgl. u. a. Nagy 1993; Eichel 1996; Crossley 1997). Besonders in den Anfangsjahren der UK in Deutschland hat diese unglückliche Parallelentwicklung ähnlich klingender Begriffe für Verwirrung gesorgt.

3          Spektrum der Unterstützten Kommunikation

Um in Unterstützte Kommunikation einzuführen, genügt es heute nicht mehr, einfach nur die verschiedenen UK-Modi mit ihren Vokabularspezifika, Symbolbesonderheiten und Ansteuermöglichkeiten zu beschreiben, denn damit würde dem oben kritisch reflektierten anwendungsorientierten Vorgehen Vorschub geleistet. Im Rahmen eines biopsychosozialen Behinderungsbegriffes (vgl. WHO 2005, 14) bleibt es unerlässlich, die wechselseitigen Wirkungsprozesse von individueller Schädigung, umwelt- und personenbezogenen Kontextfaktoren und Teilhabemöglichkeiten im Hinblick auf Unterstützte Kommunikation zu akzentuieren. Interessanterweise findet sich diese Herangehensweise auf Unterstützte Kommunikation bereits in dem Partizipationsmodell von Beukelman/Mirenda (1998), das anschaulich verdeutlicht, wie Teilhabechancen nicht nur am mangelnden Zugang zu unterstützenden Kommunikationsformen scheitern, sondern auch das gesellschaftliche, institutionelle und zwischenmenschliche Umfeld entscheidende Barrieren aufbauen kann (vgl. u. a. Lage/Antener 2000; Antener 2001). Daher soll in diesem Artikel ein Bogen geschlagen werden, der in einer mehrdimensionalen Betrachtungsweise die relevanten Aspekte für eine gelingende UK skizziert. Dabei wird von vier zentralen Perspektiven ausgegangen: Die Perspektive auf die potentiellen UK-Nutzer, die Perspektive auf die Bezugspersonen, die Perspektive auf die spezifischen UK-Modi und die Perspektive auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

3.1        Perspektive auf potentielle UK-Nutzer

3.1.1       Zielgruppe von UK

Für die Beschreibung der Zielgruppe von Unterstützter Kommunikation beziehen sich von Tetzchner/Martinsen (2000, 79 ff.) auf die Funktionen, die UK-Maßnahmen für die Betroffenen innehaben: Zur Gruppe 1 gehören demnach Menschen mit einem guten Sprachverständnis, für die Unterstützte Kommunikation ein reines Ausdrucksmittel darstellt. Gruppe 2 umfasst sowohl die UK-Nutzer, bei denen noch ein Lautspracherwerb erhofft werden kann, wie auch diejenigen, bei denen lautsprachliche Verständigung mitunter gelingt, so dass UK eine Hilfe zum Lautspracherwerb bzw. eine Unterstützung vorhandener Lautsprachreste darstellt. Gruppe 3 meint Menschen, für die Unterstützte Kommunikation die Funktion einer Ersatzsprache einnimmt, also sowohl rezeptive wie auch expressive Funktionen übernimmt. Das sehr heterogene Spektrum der Zielgruppe wird deutlich – von Menschen mit gutem Lautsprachverständnis und guten kognitiven Kompetenzen bis hin zu Menschen mit schweren kognitiven Beeinträchtigungen, die noch nicht intentional kommunizieren.

Eben diese Kompetenzorientierung stellt Weid-Goldschmidt (2013, 11 f.) in den Mittelpunkt ihrer Beschreibung der Zielgruppe. Sie unterscheidet in 4 Gruppen, nämlich in (1) Menschen, die präintentional kommunizieren, (2) Menschen, die präsymbolisch kommunizieren, (3) Menschen, die symbolisch kommunizieren, allerdings nicht altersgemäß und (4) Menschen, die altersgemäß symbolisch kommunizieren.

Zentral erscheint, dass für potentielle UK-Nutzer keine Mindestvoraussetzungen existieren (vgl. Mirenda 1993), sondern dass davon ausgegangen wird, dass alle Menschen kommunizieren können und wollen und es vielmehr Aufgabe des Umfeldes darstellt, die notwendigen Voraussetzungen für erfolgreiche Kommunikation zu schaffen (vgl. Braun/Kristen 2003). Diese Herangehensweise wird sehr plastisch in Lebers Poster (2009), das für die frühe kommunikative Entwicklung nicht nur hilfreichen Analysekriterien, sondern auch praktische UK-Ideen bietet.

3.1.2       Erschwernisse der kommunikativen Entwicklung

Die Erschwernisse der kommunikativen Entwicklung potentieller UK-Nutzer stellen elementare Kontextfaktoren für Maßnahmen der Unterstützten Kommunikation dar und haben unmittelbare Auswirkungen auf den Spracherwerb und den UK-Erwerb. Nonn identifiziert in diesem Zusammenhang zwei zentrale Risiken für ein unterstützt kommunizierendes Kind:

»Zum einen besteht als Folge der zugrunde liegenden Kondition ein verändertes Lern-, Kommunikations- und Sprachvermögen und zum anderen treten bereits in der präverbalen Kommunikation mit seinen Bezugspersonen Interaktionsprobleme auf. Diese beiden Risiken stehen in einem engen Zusammenhang, da einerseits die Interaktion zwischen Eltern und Kind von elterlichen Erwartungshaltungen geprägt ist, die andererseits die zentralen Verarbeitungsleistungen des Kindes überfordern« (Nonn 2011, 35).

Im Einzelnen lassen sich auf Seiten der potentiellen UK-Nutzer folgende Faktoren nennen, die den notwendigen gegenseitigen Feinabstimmungsprozess erheblich beeinträchtigen können (vgl. Braun 1994, 32 ff; Wachsmuth 2006, 145 ff; Nonn 2011, 35 ff; Weid-Goldschmidt 2013, 19 ff.):

•  Reduzierte bzw. veränderte Erfahrungen mit der dinglichen und sozialen Umwelt

•  Größere Passivität bzw. geringere Motivation aufgrund schwerwiegender Beeinträchtigungen

•  Verhaltensbesonderheiten, die das soziale Umfeld verunsichern

•  Verzögerung bzw. Ausbleiben von erwarteten »Meilensteinen« der Normalentwicklung

•  Idiosynkratische kommunikative Verhaltensweisen, die häufig nicht verstanden werden

•  Eingeschränkte Fähigkeit, eine gemeinsame Aufmerksamkeit (joint attention) herzustellen.

Dass diese schwerwiegenden Entwicklungshemmnisse nicht zwangsläufig zu gravierenden Kommunikationsstörungen führen müssen, zeigen Autobiografien kompetenter UK-Nutzer auf beeindruckende Weise auf (vgl. u. a. Brown 1982; Rush 1986; Lemler 2002).

»Über das Hören und Beobachten, über unterstütztes Handeln und besonders über versprachlichtes Beobachten mit Hilfe des Kommunikationspartners kann sich offensichtlich auch bei Kindern, die mit schweren motorischen Beeinträchtigungen geboren wurden, ›Sprache im Kopf‹ aufbauen. Die neueren Forschungen zu Spiegelneuronen erklären vielleicht, dass Beobachten von Anderen fehlende eigene Handlungserfahrungen kompensieren und damit sozusagen passive ›Erfahrungen‹ ermöglichen kann« (Weid-Goldschmidt 2013, 19).

Festzuhalten bleibt jedoch, dass UK-Interventionen nicht darauf aufbauen können, dass die potentiellen Nutzer über kommunikative Erfahrungen und Entwicklungen verfügen, die mit denen von Menschen ohne Behinderungen vergleichbar sind. Deutlich wird auch, dass eine Intervention, die sich einzig auf die UK-Nutzer bezieht, der komplexen Situation nicht gerecht werden kann.

3.2        Perspektive auf die Bezugspersonen

Wie zentral das soziale Umfeld für die Entwicklung von Sprache erscheint, verdeutlichen die interaktionsbezogene Spracherwerbstheorie von Bruner (1977, 1987) und in seiner Nachfolge das sozialpragmatische Spracherwerbsmodell von Tomasello (2009). Nach Bruner (1977) ist das Kind mit bestimmten inneren Voraussetzungen zum Spracherwerb ausgestattet und entwickelt sein Wissen um die Begriffe und Funktionen der Sprache schon vor dem eigentlichen Sprechen durch eine aktive Auseinandersetzung mit der sprachlichen Umwelt, insbesondere durch Handlungsvollzüge mit den zentralen Bezugspersonen. Bruner führt in diesem Zusammenhang den Begriff »Formate« ein, mit dem er das ritualisierte, kindorientierte und die Sprache in gemeinsame Handlungen einbettende Verhalten der Bezugspersonen meint, die somit den notwendigen Rahmen für einen gelingenden Spracherwerbsprozess bilden (Bruner 1987). Dabei benötigen die Bezugspersonen von Kindern ohne Behinderung kein Fachwissen über die Sprachentwicklung, sondern unterstützen den Spracherwerb ihres Kindes intuitiv (Papoušek/Papoušek 1989; Sarimski 1993).

Bei potentiellen UK-Nutzern jedoch ist diese intuitive elterliche Didaktik nur sehr begrenzt wirksam, denn von beiden Interaktionspartnern werden Fähigkeiten gefordert, die in der normalen Sprachentwicklung keine Rolle spielen (vgl. Nonn 2017). Zudem erfordern Maßnahmen der Unterstützten Kommunikation, sobald es sich um symbolische Kommunikation handelt, eine zusätzliche kognitive Leistung: Zum lautsprachlichen Zeichen muss noch ein Bildsymbol, eine Gebärde oder sogar eine Kodierungssequenz auf einer elektronischen Kommunikationshilfe erlernt und eingesetzt werden (vgl. Hallbauer/Kitzinger 2016, 34).

»Ein unterstützt kommunizierendes Kind (…) nimmt von seinem sozialen Umfeld Lautsprache auf und verarbeitet sie rezeptiv; aber expressiv wird von dem Kind erwartet (…), dass es seine alternative(n) Kommunikationsform(en) kompetent einsetzt. Für diese alternative Form der Sprachproduktion fehlt ihm aber ein Modell« (Nonn 2017, 15).

Das stellt die Bezugspersonen und auch die Professionellen vor die außerordentlich schwierige Aufgabe, dass sie nicht wie gewohnt einzig ihre natürliche Muttersprache in Alltagshandlungen weitergeben können, sondern sich zusätzlich in eine für sie fremde Verständigungsmethode einarbeiten und diese bewusst einsetzen müssen (vgl. Wachsmuth 2006, 151 f; Weid-Goldschmidt 2013, 20 f; Hallbauer/Kitzinger 2016, 34). Gülden/Müller sprechen in diesem Zusammenhang in Analogie zu »an das Kind gerichtete Sprache« von der »an das Kind gerichteten Alternative« (KGA) und fordern:

»Dieses Fachwissen sollte verstärkt (…) in die UK transferiert werden und professionalisiert durch Logopädie bzw. akademischer Sprachheilpädagogik und auch anderer sonderpädagogischer und therapeutischer Berufe in der Versorgung unterstützt kommunizierender Menschen zum Einsatz kommen. Ähnlich dem Einsatz lautsprachbegleitender Gebärden muss ein ›lautsprachbegleitender Einsatz der Kommunikationshilfe‹ in der Förderung und Therapie konstatiert werden« (Gülden/Müller 2016, 11).

Auch unter dem Terminus ›Modelling‹ (vgl. Castañeda/Fröhlich/Waigand 2017) wird richtigerweise betont, dass Kinder, die Unterstützte Kommunikation erlernen sollen, dringend auf zuverlässige und kontinuierliche Modelle angewiesen sind.

Damit Bezugspersonen überhaupt eine Chance haben, die beschriebenen hohen Anforderungen zu bewältigen, wurde schon 1985 von Light vorgeschlagen, diesen Personenkreis gezielt zu schulen. In Deutschland hat besonders das COCP-Modell (Heim/Jonker/Veen 2005) einen immer größeren Bekanntheitsgrad erreicht, was zur Hoffnung Anlass gibt, dass sich Partnertrainings zunehmend als wichtiger Bestandteil von UK-Interventionen etablieren (vgl. Hartmann u. a. 2018; Willke in diesem Band).

3.3        Perspektive auf UK-Modi

Für eine übergreifende Systematik der UK-Modi soll hier ein Modell zugrunde gelegt werden, das Leber bereits 1996 in die UK-Diskussion eingeführt hat und das in erster Linie im Hinblick auf UK-Diagnostik (Kristen 2004; vgl. auch Boenisch/Sachse 2007a) wirksam wurde, nämlich Bloom und Laheys (1978) Unterscheidung zwischen Form als die syntaktischen, Inhalt als die semantischen und Funktion als die pragmatischen Aspekte von Sprache und Kommunikation. Adaptiert für die Unterstützte Kommunikation lässt sich »Form« somit auf die körpereigenen UK-Formen bzw. auf die hilfsmittelgestützte Kommunikation beziehen, »Inhalt« umfasst die Auswahl, Anordnung und Repräsentation des Vokabulars und »Funktion« die Frage der Vokabularstrategien und die besonderen Anforderungen der Gesprächssituation.

3.3.1       Form: Körpereigene Kommunikationsformen und hilfsmittelgestützte Kommunikation

imageKap. 3.3.2