Gefährliches Spiel

Als das Flugzeug endlich in der Luft war, fiel die ganze Anspannung ab. Jetzt wurde deutlich wie sehr die letzten Monate sie gefordert hatten. Marie blickte aus dem Fenster. »Endlich weg, raus hier« dachte sie sich. Als Tobi, ihr Verlobter ihr vor einiger Zeit offenbart hatte, dass er eine »Beziehungspause« brauchte, brach für sie eine Welt zusammen. Fast zwanzig Jahre waren sie zusammen gewesen. Tobi war ihr erster Freund gewesen und sie war jetzt Mitte dreißig. »Eingeengt« hatte er sich gefühlt, »von ihrer Dominanz erdrückt«, es sei ihm einfach »alles zu viel geworden«. Er hätte ruhig etwas früher etwas sagen können. Man hätte doch alles bereden können, versuchen eine Lösung zu finden. Aber Tobi hatte es vorgezogen, einen Schlussstrich zu ziehen. Eine Pause hatte er es genannt, was er brauchte. Pause?

Come on, jeder wusste, was das heißt. Marie wusste nur, dass sie gar nichts mehr wusste. Ziellos war sie in den letzten Monaten durch ihr Leben gelaufen. Sie hatte sich in das Hamsterrad ihres Alltags gestürzt, um ihre Trauer zu unterdrücken, Gefühle erst gar nicht aufkommen zu lassen. Aufstehen, arbeiten, nach Hause, Bett. Jeden Tag, immer das gleiche. Freizeit hatte sie vermieden, zu viele Gedanken kamen in ihr hoch, wenn sie sich nicht irgendwie ablenkte. Die Wochenenden verbrachte sie im Rausch. Sie trank von Freitagnachmittag bis Sonntag durch. Nur nichts fühlen.


Es war klar, dass dieser Kreislauf nicht ewig so weiterlaufen konnte. Irgendwann musste sie kollabieren. Dass das nicht passierte, hatte sie nur einer Kollegin zu verdanken.

»Ich glaube, das brauchst du.«

Mit diesen Worten hatte ihr Caro, mit der sich Marie einen Schreibtisch teilte, den Flyer über den Tisch geschoben. Sie zwinkerte ihr dabei zu.

»Mir hat das total geholfen, als mich mein Freund damals verlassen hat.«


Es war ein unscheinbares Stück Papier, sah aus wie ein Aushang an einem schwarzen Brett, leicht zerknüllt.

»Sie wurden verlassen?« Stand oben in der Mitte in großen Buchstaben. »Sie wurden als überdominant wahrgenommen? Sie sind ein Kontrollmensch? Ihr Ex-Partner sagte, er braucht Freiraum?«

Es las sich wie eine genaue Zustandsbeschreibung von Maries momentanem Leben.

»Wir wissen, dass sie momentan großen Schmerz in sich tragen und versuchen, ihn nicht zu spüren«, so hieß es weiter. »Wenn Sie bereit für eine neue Erfahrung sind, dann können wir Ihnen zeigen, dass Schmerzen nichts schlechtes sein müssen. Viele Frauen in Ihrer Situation haben durch uns ein neues Leben gestartet. Und sie sind sehr zufrieden.«

Darunter stand eine Telefonnummer.

Marie wusste nicht so recht, was sie damit anfangen sollte. Gute Schmerzen? Wie sollte das, was sie so sehr zu unterdrücken versuchte ihr weiterhelfen. Was sollte gut daran sein, dass es ihr so beschissen ging, wie noch nie in ihrem Leben? Das Verhalten von Caro trug auch nicht unbedingt dazu bei, dass sich ihre Fragezeichen auflösten. Sie hielt sich sehr bedeckt, was diesen Flyer anging.

»Man kann da nicht so viel drüber sagen. Es ist schwierig in Worte zu fassen. Man muss das selber erleben.«

Mit derart kryptischen Äußerungen trug sie eher zur Verunsicherung Maries bei, als zu irgendetwas anderem. Andererseits sagte Caro aber auch: »Das zu machen war die beste Entscheidung meines Lebens, echt.«

Wenn Marie zurückdachte, dann war ihre Kollegin Caro tatsächlich nach dem Urlaub, den sie kurz nach ihrer Trennung genommen hatte, wie ausgewechselt. Sie wirkte viel ausgeglichener, schien mit sich selbst im Reinen zu sein.


Einige Tage dachte Marie über das was Caro gesagt hatte nach. Ein Neustart wäre im Prinzip genau das Richtige für sie. Aber so ganz ohne zu wissen, was sie erwartete?

Sie hatte gerne die Kontrolle über ihr Leben, wusste was morgen und auch in einer Woche passiert. Sie plante manchmal Wochen im Voraus, war mit privaten und beruflichen Terminen vollends ausgelastet. Sie spontan zu treffen war selbst für Freunde nur schwer möglich. Andererseits war ihr Leben sowieso durcheinander geraten. Eine Neuordnung war mehr als nötig. Warum nicht fremde Hilfe in Anspruch nehmen?

Eines Abends war es dann so weit. Es überkam sie gerade ein schmerzhafter Erinnerungsschub an Tobi. Ein Lied im Radio reichte dazu schon aus. Es war eins der Lieder, die sie gerne einlegten, wenn sie miteinander schliefen.

»Es reicht«, dachte Marie voller Entschlossenheit. Sie kramte den Flyer aus ihrer Handtasche, griff zum Hörer ihres Telefons und tippte die dort abgebildete Nummer ein.


»Ja bitte?«

Eine ruhige, tiefe Männerstimme meldete sich nach einer Handvoll Freizeichen.

»Ich, äh...«. Marie wusste nicht, was sie sagen sollte, zu spontan war letztlich die Idee gewesen, nun doch diese Nummer anzurufen. »Ich habe von einer Kollegin ihren Flyer bekommen« fuhr sie langsam fort.

»Das freut mich, wie heißt denn die Kollegin?«, fragte die Männerstimme am anderen Ende, die etwas an sich hatte, das Marie als sehr sympathisch erachtete. Marie war erstaunt, mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet.

»Caro?«, antwortete sie stockend und war sich sicher, dabei nicht allzu viel über die Identität ihrer Büronachbarin preiszugeben, der Name Caro war ja schließlich kein allzu seltener.

»Ah, Caro, ja sie hatte eine sehr gute Zeit bei uns«, schien der Unbekannte genau zu wissen wer gemeint ist. Marie wusste nicht, wie sie darauf antworten sollte. Eine zweisekündige Stille folgte.

»Haben Sie auch Interesse?«, beendete Maries Gesprächspartner die Pause.

»Ich bin mir nicht ganz sicher, ich weiß ja gar nicht genau, worum es überhaupt geht.«

Nun würde sie endlich einige Informationen bekommen. »Sie brauchen das nicht zu wissen,« sagte der Mann freundlich, »es gehört zu unserem Prinzip, dass sie sich auf etwas ganz Unbekanntes einlassen. Das ist ein Schritt, der vielen erstmal schwer fällt. Bereut hat das aber noch niemand.«

»Ok«, entgegnete Marie unsicher und langezogen.

»Sie werden bei uns eine Grenzerfahrung haben. Sie werden Dinge erleben, die Sie noch nie erlebt haben und Dinge spüren, die sie noch nie gespürt haben. Ihr Körper und ihr Geist werden auf die Probe gestellt, so dass Sie sich Fragen werden, ob der Weg, wie Sie ihr Leben bisher geführt haben, für Sie noch der Richtige ist. Wenn Sie sich entscheiden, sich darauf einzulassen, dann übergeben Sie Sich für ein Wochenende unseren Händen. Wie werden in dieser Zeit für Sie bestimmen, was Sie tun werden.«

»Das klingt aber ganz schön radikal«, entgegnete Marie.

»Das ist es auch, aber keine einzige, die bislang bei uns war, hat es auch nur im Ansatz bereut.«

Eigentlich hatte sie nichts zu verlieren, dachte sich Marie. Sie hatte noch nie etwas wirklich Verrücktes und Unvorbereitetes gemacht. Aber es ging ihr so schlecht, dass es einfach nicht so weitergehen konnte wie bisher. Was hatte sie zu verlieren, außer dem - zugegeben stattlichen - Geldbetrag, der zu überweisen war?

»Ok, ich mache es« sagte Marie mit fester Stimme.


Die Modalitäten waren schnell abgesprochen. Marie würde ein Paket erhalten, in dem alle nötigen Unterlagen und auch einige nötige Dinge enthalten wären.

Dies war dann also, so hoffte sie, der Neustart, den Sie jetzt dringend brauchte.

Kapitel 2

Gewagter Kontrollverlust

Das Flugzeug setzte zum Landeanflug an.

Marie wurde aus ihren Gedanken gerissen und legte ihren Gurt an. Jetzt war es wohl an der Zeit, für ein Accessoire, das sie in dem Paket vorgefunden hatte. Sie holte das schwarze Stück Stoff aus ihrer Handtasche und dazu den kleinen Zettel, der in der Schachtel gelegen hatte, in der er sich befunden hatte. Der Stoff war sehr weich und samtig.

Nochmal las sie sich den Zettel durch.

» Liebe Marie, diese Augenbinde ist ihr erster Schritt in Richtung loslassen. Damit symbolisieren Sie sich, dass Sie bereit sind, sich von jemand anderem führen zu lassen und die Kontrolle ganz abzugeben. Bitte verbinden Sie sich mit dieser Binde die Augen, nachdem Sie den Gepäckbereich verlassen haben. Wir werden sie dann abholen und in unser Domizil bringen. Keine Sorge, Sie sind in den besten Händen.«

 

Marie hatte beschlossen, das Ganze zunächst mal als eine Art Spiel anzusehen. Solange sie nicht genau wusste, worauf sie sich einließ schien ihr das die beste Herangehensweise zu sein, um mit der Situation gut klar zu kommen. Sie würde mitspielen. Sie merkte, dass sie ein Kribbeln im Bauch verspürte. Es war eine Mischung aus Angespanntheit und Vorfreude auf das, was sie erwarten würde.

 

Ihr Gepäck kam sehr schnell.

Trotzdem wartete sie neben dem großen Förderband noch eine ganze Weile, bis sie den Weg zu der Schiebetür antrat, der den Schildern zu folge in den Flughafen führte. Sie wartete, bis auch der letzte sein Gepäckstück abgeholt hatte. Der Flughafen war sehr klein, Maries Flug war scheinbar der einzige für die nächsten Stunden. Sie wollte es vermeiden, dass zu viele Leute sie sahen, wenn sie gleich mit der Augenbinde da stehen würde. Zu peinlich wäre ihr das gewesen. Sie ging also langsam Richtung Schiebetüren. Hinter sich zog sie den Kofferwagen. Die Türen öffneten sich und gaben den Weg frei. Es war hell, sehr hell. Marie hielt sich eine Hand über die Augen, um nicht von der Sonne geblendet zu werden. Sie blickte sich um. Es war niemand in der Nähe. Am anderen Ende der Halle saßen einige Personen auf Bänken. Niemand schien jedoch Notiz von ihr zu nehmen.

»Nun gut«, hauchte sie in sich hinein, »dann los.«

Sie griff in ihre Handtasche und kramte nach dem weichen Tuch. Sie hielt es in der Hand. Noch einmal blickte sie umher und vergewisserte sich, dass niemand in unmittelbarer Nähe war. Sie ging einige Schritte, um nicht mitten in der Halle zu stehen. An einer verspiegelten Säule stellte sie den Kofferwagen ab. Sie legte sich die schwarze Binde über die Augen und band sie hinter ihrem Kopf mit einer doppelten Schleife. Sie konnte nichts mehr sehen. Es war komplett dunkel. Um ihre Augen nicht zu sehr anzustrengen, schloss sie sie unter der Binde. Sie umfasste ihre Hände und legte sie zwischen ihre Schenkel. Sie war angespannt. Die Situation rief eine positive Art der Nervosität in ihr hervor. Sie lächelte. Sie wartete, ohne zu wissen, worauf. Minuten vergingen. Marie begann ihren Stand zu verändern. Sie wurde immer angespannter.

Wie lange würde man sie hier warten lassen?

Sie begann kleine Schritte nach vorne zu machen. Sie ertastete die Säule, neben der sie sich platziert hatte und begann sie langsam zu umrunden.

 

Sie zuckte zusammen, als jemand ihren Namen rief: »Marie?«

Es war eine Männerstimme. Die Person musste einige Meter von ihr entfernt stehen, dem Klang der Stimme nach zu urteilen.

»Ja« antwortete Marie und versuchte sich in die Richtung zu drehen, aus der die Stimme kam.

»Kommen Sie mit, ich bringe Sie ins Domizil«, antwortete der Mann freundlich.

Er nahm Maries Hand und führte sie hinter sich her. Den Kofferwagen schob er vor sich. Sie gingen einige Zeit, vielleicht eine Minute als Marie spürte, dass sie das Gebäude verließen. Die temperierte, kühle Halle wich drückender, trockener Hitze. Augenblicklich begann Marie leicht zu schwitzen.

»Ich setze Sie nun in das Auto.«, sprach ihr Begleiter sie weiterhin freundlich an. »Wir werden eine kleine Weile unterwegs sein. Bitte nehmen Sie die Binde nicht ab. »

 

Wie angekündigt fühlte sich Marie tatsächlich in den besten Händen. Obwohl sie keine Ahnung hatte, was sie erwartete, hatte sie keine Angst. Sie war aufgeregt, ja. Aber es war eine sehr positive Aufregung und eine gespannte Erwartung, was wohl auf sie warten würde.

 

Sie wusste nicht, wie lange die Autofahrt gedauert hatte. Eine halbe Stunde? Eine ganze? Wenn man die Umgebung nicht sah, fiel es ihr schwer die zurückgelegte Entfernung einzuschätzen. Die Tür wurde geöffnet und Marie wieder an der Hand genommen. Sie ging über eine Art Schotterweg. Ihr Führer blieb stehen. Eine Tür wurde geöffnet. Dem Nachhall der Schritte nach zu schließen gingen sie nun in eine größere Halle mit steinernem Boden.

 

»Hallo Marie.«

Diese Stimme. Marie hatte sie schon einmal gehört.

Es war der Typ vom Telefon, mit dem sie von zu Hause aus diesem Trip besprochen hatte. Marie war erleichtert. Endlich mal wieder etwas im Ansatz Bekanntes.

»Es freut mich, dass wir uns endlich persönlich kennenlernen«, fuhr die Stimme fort. »Sicher haben Sie sich schon gefragt, was das alles soll.«

Er sprach mit ruhigem, freundlichen Ton. Er hatte etwas sehr sicheres in seiner Stimme, etwas vertrauenseinflößendes. Marie hatte keine Zweifel, dass er aufrichtig mit ihr war.

»Ja, ich muss sagen, ein wenig erstaunt war ich schon.«

»Vertrauen Sie mir Marie?«

Marie stockte. Sie kannte den Mann überhaupt nicht. Klar, er hatte eine tolle Stimme und auch ohne ihn zu sehen, spürte sie seine Ausstrahlung.

Aber Vertrauen?

»Äh, ich weiß nicht genau«, sagte Marie langsam und unsicher.

»Keine Sorge, Sie werden nichts bereuen«, hörte Sie die männliche Stimme, jetzt viel näher.

»Ok«, entgegnete Marie. Sie war immer noch ein wenig unsicher. In diesem Moment spürte sie, wie sind hinten an den Oberschenkeln und am Rücken angefasst wurde. Der fremde hob sie hoch und hielt sie vor seinem Körper. Marie entwich ein überraschter kurzer Aufschrei. Sie ertastete seinen Oberkörper und suchte mit ihren Armen Halt um seinen Hals. Sie konnte spüren, dass der Mann, der sie trug einen muskulösen Oberkörper hatte. Er trug sie mehrere Treppenstufen hinauf, ihrem Gefühl nach in den ersten Stock. Es schien ihm nichts auszumachen. Er musste schon über eine gewisse Kraft verfügen. Kurz darauf blieb ihr Träger stehen und Marie wurde auf einem weichen Bett abgelegt.

Sie sank leicht in die Liegefläche ein.

»Legen Sie Sich bitte auf den Bauch. Zum Einstieg sollen Sie Sich etwas entspannen. Wenn Sie ihr Kleid ausziehen möchten, dann kann ich Sie besser massieren.«

Marie stutze kurz. Wenn Sie das gewusst hätte, dann hätte sie schönere Unterwäsche angezogen. Aber gut, sie waren ja erwachsene Menschen. Sie streifte ihr Sommerkleid über den Kopf. Sie trug nun nur noch Unterwäsche, nichts besonderes – einen roten Hüftslip und einen schwarzen BH.