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Marc Bareth

BEZIEHUNGSSTARK

5 Minuten für eine richtig gute Partnerschaft

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SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7480-0 (E-Book)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2020 SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Die Bibelverse sind folgender Ausgabe entnommen:

Autorenfoto: Manuela Kaufmann

Ich könnte mir keine bessere Partnerin
für dieses Abenteuer vorstellen.
Danke Manuela, dass du in unsere Beziehung investierst.
Mit dir will ich wachsen und wirken.

INHALT

Über den Autor

Stimmen zum Buch

Einleitung

Teil 1 | Weshalb es sich lohnt, in die Beziehung zu investieren

Unser Leben – ein Beziehungslauf

Stellenwert der Beziehung

Nutzen einer starken Beziehung

Der Einfluss unserer Partnerschaft auf unsere Gottesbeziehung

Diskrepanz zwischen Bedeutung und Investitionen in die Partnerschaft

Hoffnung für die Ehe

Eine frühzeitige Außensicht hilft

Dranbleiben auch in herausfordernden Zeiten

Eine Beziehungskultur leben

Die vier Stufen der Liebe

Teil 2 | Beziehungsimpulse

Tiefe Gespräche führen

Die sichere Unterhaltung: Der Imago-Dialog

1. NEUGIER UND BEWERTUNG SIND GEGENSÄTZE

2. ES GEHT AUCH OHNE ABWEHRHALTUNG

3. VERSTEHEN, OHNE EINVERSTANDEN ZU SEIN

4. DER KOMMUNIKATIONSKNIRPS

5. DIE KUNST, TIEFE GESPRÄCHE ZU FÜHREN

6. DER SCHÖNE SCHMETTERLING WIRD ZUR HÄSSLICHEN MOTTE

7. DAS WESENTLICHE ZWIEGESPRÄCH

Konstruktiv mit unterschiedlichen Prägungen und Bedürfnissen umgehen

8. JEDE BEZIEHUNG IST EINE INTERKULTURELLE BEZIEHUNG

9. WIE WIR UNSER GEGENÜBER WÄHLEN

10. WAS UNS EINST ANGEZOGEN HAT, STÖßT UNS NUN AB

11. MUNTERES BEDÜRFNISRATEN

12. WELCHE SPRACHE SPRICHST DU?

13. DIE LOYALITÄTSFALLE

14. WENN DER UMGANG MIT UNSICHERHEIT VERUNSICHERT

15. LIEBE MICH – SO WIE ICH BIN

16. EINFLUSS AKZEPTIEREN

Unsere Freundschaft stärken

17. DAS MARSHMALLOW-EXPERIMENT

18. DIE BEZIEHUNGSWARTUNG

19. DANKBARKEIT STATT ENTSCHULDIGUNGEN

20. DER SEELÖWE IN UNS

21. MEIN MANN KANN

22. RITUALE SCHAFFEN

23. SIND AFFÄREN DER HAUPTGRUND FÜR SCHEIDUNGEN?

24. GEMEINSAME ZEIT

Sinnvoll mit Konflikten umgehen

25. WENN KLEINIGKEITEN ZU GROßEN KONFLIKTEN FÜHREN

26. ZEIT HEILT KEINE WUNDEN, VERGEBUNG SCHON

27. DIE BEDEUTUNG VON GELD

28. WER SICH DURCHSETZT, VERLIERT

29. WAS, WENN ICH MICH IN JEMAND ANDEREN VERLIEBE?

30. KONFLIKTE MÜSSEN AUSGETRAGEN WERDEN

31. DIE EMOTIONSWELLE

Erfüllenden Sex kultivieren

32. WAS UNS DIE STATISTIKEN ÜBER SEX SAGEN

33. SEX ALS DRUCKMITTEL

34. UNTERSCHIEDLICHE WÜNSCHE IM BETT

35. DAS LUSTPRINZIP

36. MEHR SEX HABEN

37. DER PREIS DES SCHWEIGENS

Unsere Paardynamik durchschauen

38. DER BANANENTEST

39. RAUS AUS DER OPFERROLLE

40. WIE ICH MEINEN PARTNER ÄNDERN KANN

41. HAPPY WIFE – HAPPY LIFE?!

42. ANGREIFER UND RÜCKZIEHER

43. SCHIEBETÜR-MOMENTE

44. ES BRAUCHT IMMER ZWEI ZUM STREITEN

Entspannt zusammen wachsen

45. DIE EHE WAR NIE SO GEMEINT

46. WER LIEBT, GIBT SEIN GEGENÜBER FREI

47. EINE GUTE DREIECKSBEZIEHUNG

48. SLIDING VERSUS DECIDING

49. DAS ZIEL DER EHE

50. BEZIEHUNGSARBEIT IST EINZELARBEIT

51. EINE VERHALTENSÄNDERUNG IST NOCH KEINE HEILUNG

52. EINE GEMEINSAME VISION, DIE LAUTER RUFT ALS DER ALLTAG

Teil 3 | Die Ehe unserer Träume

Weisheit zeigt sich im Tun

Das »Paar aus der Hölle«

Die Unterschiedlichkeit von Helen und Harville

Dieses Mal sollte alles anders werden

Die Beziehungsexperten

Die Entscheidung zur Scheidung

Luft unter den Flügeln

Eine neue Sicht auf Unterschiedlichkeit

Eine Sache noch

Bibliografie

Literatur

Anmerkungen

ÜBER DEN AUTOR

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MARC BARETH (Jg. 1989) leitet bei Campus für Christus Schweiz den Bereich FAMILYLIFE. Dort setzt er sich dafür ein, dass Menschen sowohl in ihrer Paar- als auch in ihrer Gottesbeziehung gestärkt werden. Er ist verheiratet mit Manuela. Sie haben zwei Kinder und leben in Zürich. Er bloggt unter www.familylife.ch

FÜR DAS ABENTEUER LEBEN ZU ZWEIT

Kann ich meinen Partner verändern? Und wie kann ich verhindern, dass meine Partnerin von einem schönen Schmetterling zu einer hässlichen Motte wird? Wie können wir mehr Sex haben und was hat ein Sprungturm mit meiner Partnerschaft zu tun? 52 knackige 5-Minuten-Impulse, die zeigen, worauf es in einer Partnerschaft wirklich ankommt. Überraschend, praktisch umsetzbar und biblisch fundiert werden die sieben entscheidenden Themenbereiche einer Beziehung angegangen. Ein echtes Lesevergnügen für Ehepaare und solche, die es werden wollen.

»Eine Essenz hilfreicher Anstöße. Marcs Buch gehört auf jede Toilette. Oder an sonst einen Ort, wo man immer wieder Zeit findet, die kurzen Beiträge zu lesen und so in seine Beziehung zu investieren.«
Andreas »Boppi« Boppart, Missionsleiter Campus für Christus Schweiz, Österreich und Deutschland

»Marc Bareth übersetzt wissenschaftliche Erkenntnisse auf unterhaltsame Art in alltagsnahe Beziehungsimpulse. Dieses Buch zeigt, was man tun kann, damit die Liebe hält.«
Prof. Dr. Guy Bodenmann, Paarforscher und -therapeut, Autor, Direktor Paarlife®.

STIMMEN ZUM BUCH

Ich kann dir »Beziehungsstark« sehr empfehlen. Du findest darin witzige, tiefsinnige und inspirierende Ideen für eure Beziehung. Das Buch zu lesen und die Herausforderungen der Next-Level-Fragen anzunehmen, wird sich auf jeden Fall lohnen – für euch beide.

Pfr. Dr. Christoph Monsch-Rinderknecht, Präsident MarriageWeek Schweiz und Lehrbeauftragter für Eheseelsorge an der STH Basel

Kurze, knackige und hilfreiche Impulse für den Alltag, die zum Engagement in die eigene Beziehung ermutigen. Sie lassen den Leser schmunzeln, reflektieren und vermitteln Hoffnung. Danke Marc! Was für ein Schatz an Impulsen. Sie bringen Paare zum Fliegen.

Susanna Aerne, Bildungsleiterin Schweizerisches Weißes Kreuz und Systemische Paar- und Familienberaterin IKP

Ich bin ein Fan von den 5-Minuten-Impulsen von Marc Bareth. Er schafft es, zentrale Fragen der Partnerschaft auf engstem Raum auf den Punkt zu bringen und dabei noch wertvolle Anregungen für den Beziehungsalltag unterzubringen. Sehr empfehlenswert!

Christof Klenk, Redakteur Family, Autor

Seit vielen Jahren liefert FAMILILIFE wesentliche Impulse in die Familien- und Ehelandschaft. Dieses Buch ist eine Essenz hilfreicher Anstöße, die für die Beziehung genauso praktisch sind, wie ein Büchsenöffner für das Büchsenöffnen.

Marcs Buch gehört auf jede Toilette. Oder an sonst einen Ort, wo man immer wieder Zeit findet, die kurzen Beiträge zu lesen und so in seine Beziehung zu investieren.

Andreas «Boppi» Boppart, Missionsleiter Campus für Christus Schweiz, Österreich und Deutschland

Marc Bareth übersetzt wissenschaftliche Erkenntnisse auf unterhaltsame Art in alltagsnahe Beziehungsimpulse. Dieses Buch zeigt, was man tun kann, damit die Liebe hält.

Prof. Dr. Guy Bodenmann, Paarforscher und -therapeut, Professor an der Universität Zürich, Autor, Direktor Paarlife®

Beziehungs-Booster auch für Lesefaule! Marc Bareth trifft mit kurzen und knackigen Inputs den Nagel auf den Kopf und fordert Paare ganz konkret heraus. Dieses Buch ist super kompakt und praktisch.

Sam Haiser, Leiter SHINE Austria

EINLEITUNG

Die Abenteuer des Lebens zu zweit bewältigen. Teilen, was uns tief bewegt, und dabei verstanden werden. Zusammen lachen und weinen. Wissen, dass der andere da ist, wenn ich ihn brauche. Gemeinsam stärker sein als allein. Einander in persönlichen Wachstumsprozessen ermutigen. Ein gemeinsames Ziel entdecken und verfolgen, das größer ist als unsere Beziehung.

Wir haben hohe Erwartungen an unsere Partnerschaft. Und das zumindest teilweise zu Recht, denn für viele Paare ist ihre Beziehung tatsächlich etwas vom Schönsten im Leben. Diese Paare haben etwas gemeinsam: Sie überlassen ihre Liebe nicht dem Zufall, sondern investieren bewusst in ihre Beziehung.

Wenn die Liebe auf Autopilot geschaltet ist, geht es abwärts. Aus dem sanften Sinkflug wird mit der Zeit ein Sturzflug. Dieses Buch ist für Paare, die das Ruder in ihrer Beziehung in die Hand nehmen wollen. Personen, die nicht nur mehr über die Liebe erfahren, sondern dieses Wissen konkret in ihrer Beziehung anwenden wollen.

Dieses Buch ist nicht in erster Linie für Paare gedacht, deren Beziehung schon arg in Schieflage geraten ist. Obwohl sie natürlich auch davon profitieren können. Es richtet sich vielmehr an Paare, die jetzt in ihre Partnerschaft investieren wollen, damit diese auch in Zukunft stark ist. Es ist mein Ziel, dass ihr dieses Buch nicht nur lest, sondern dass ihr damit arbeitet und eure Beziehung dadurch nachhaltig gestärkt wird. Ein ehrgeiziges Ziel, ich weiß.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil dreht sich alles um die Frage, weshalb es sich lohnt, in die Beziehung zu investieren. Ich erzähle die Geschichte eines Jungen, den ich in Kenia getroffen habe, und vergleiche seine Ziele und das, was er dafür tut, mit unseren Beziehungszielen und dem, was wir dafür tun.

Die 52 kurzen 5-Minuten-Impulse im zweiten Teil sind das Herzstück dieses Buches. Sie sollen für euch als Paar ein Gesprächsstarter sein. Die Texte sind in sieben Kapitel mit unterschiedlichen Themen eingeteilt. Dabei habe ich versucht, die wichtigsten und interessantesten Beziehungsthemen auszuwählen. In welcher Reihenfolge ihr die Texte lest, ist nicht entscheidend. Aber Halt – bevor ihr jetzt zum Sex-Kapitel springt, möchte ich euch empfehlen, zuerst die Texte im Abschnitt »Tiefe Gespräche führen« zu lesen. Sie geben euch eine gute Grundlage, um danach besser über die anderen Themen sprechen zu können.

Wenn ihr herausfinden wollt, wie stark eure Partnerschaft in den sieben Themenbereichen dieses Buches schon ist, empfehle ich euch, jetzt gleich den Beziehungsstark-Test zu machen. Ihr findet ihn unter www.familylife.ch/beziehungstest.

Um den größten Gewinn aus den Texten zu ziehen, sollte man sie nicht alle am Stück lesen. Nachhaltiger ist es, einen Text zu lesen und dann darüber nachzudenken und zusammen zu diskutieren, wie es in der eigenen Beziehung damit aussieht. Um einen einfachen Einstieg in diese Gespräche zu finden, gibt es nach jedem Impuls eine Frage. Du kannst diese Frage entweder für dich selbst beantworten oder noch besser deiner Partnerin oder deinem Partner stellen.

Angeblich fühlen sich einige Männer schnell überfordert, wenn sie mit einer solchen Fülle von Beziehungsthemen konfrontiert werden. Für diese Männer (und für die Frauen, die sich ihnen anschließen wollen) habe ich hier eine Liste mit den zehn allerwichtigsten Impulsen zusammengestellt. Wenn du dich also nicht dazu überwinden kannst, alles zu lesen, dann lies diese zehn Texte. Wer weiß, vielleicht machen sie ja Appetit auf mehr.

• Verstehen, ohne einverstanden zu sein (Seite 56)

• Der Kommunikationsknirps (Seite 58)

• Munteres Bedürfnisraten (Seite 74)

• Das Lustprinzip (Seite 128)

• Happy Wife – Happy Life?! (Seite 142)

• Schiebetür-Momente (Seite 146)

• Sliding versus Deciding (Seite 159)

• Das Ziel der Ehe (Seite 161)

• Beziehungsarbeit ist Einzelarbeit (Seite 163)

• Eine gemeinsame Vision, die lauter ruft als der Alltag (Seite 167)

Im dritten Teil des Buches geht es dann darum, wie ihr den eingeschlagenen Weg in Richtung »Ehe unserer Träume« weitergehen und zusammen Herausforderungen überwinden könnt. Die dramatische Lebensgeschichte eines Paares, welches trotz beträchtlichem Beziehungswissen in massive Turbulenzen geraten ist, wird uns zeigen, wie wichtig es ist, das neu gewonnene Wissen auch tatsächlich anzuwenden.

Beziehungen sind eine sehr persönliche Angelegenheit. Deshalb habe ich mich entschieden, dich zu duzen. Ich hoffe, das ist in Ordnung für dich. Damit das Buch leichter zu lesen ist, verwende ich oft nur eine Geschlechtsform. Statt Partner/-in habe ich mal von der Partnerin und mal vom Partner geschrieben. Selbstverständlich sollen sich in beiden Fällen Frauen und Männer gleichermaßen angesprochen fühlen.

Ich wünsche dir viel Freude beim Lesen und dass deine Beziehung durch dieses Buch spürbar gestärkt wird.

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UNSER LEBEN – EIN BEZIEHUNGSLAUF

Es ist ein schwülheißer Dezembernachmittag in Kenia. Meine Frau und ich sind als Referenten bei einem dreitägigen Leadership-Training einer lokalen Kirche im Einsatz. Jetzt, nach getaner Arbeit, lassen wir uns gerne vom Bischof die Gegend zeigen. Wir kaufen einer Frau die letzten Mangos des Tages ab, sie kosten umgerechnet 20 Cent pro Stück. Im Preis inbegriffen ist das Aufschneiden, sodass man die süßen Früchte direkt an Ort und Stelle genießen kann. An ihrem präzisen Umgang mit dem Messer lässt sich erahnen, dass sie in ihrem Leben schon viele Tausende Mangos verkauft und geschnitten haben muss. Reich wird sie damit nicht, aber sie kann ihre Familie über Wasser halten. Als wir mit ihr sprechen, erscheint ihr Sohn Carlos. Ein schlanker Junge, etwas scheu, aber mit einem verschmitzten Lächeln auf dem Gesicht.

Carlos Kiprop ist dreizehn Jahre alt und hat einen Lebenstraum, dem er vieles unterordnet: Er möchte Profiläufer werden. Wie viele hier in Iten, einem Dorf am Rande des Rift Valley, etwa acht Stunden holprige Busfahrt nordwestlich von Nairobi und auf 2 400 Meter über dem Meer. Wie die meisten Dorfbewohner gehören auch Carlos und seine Familie zum Stamm der Kalendjin. Und die Kalendjin sind Läufer. »Die einzig wahren Läufer«, so ihr Selbstverständnis. Tatsächlich kommen viele der weltbesten Stars aus diesem Dorf, an dessen Eingang ein großer Bogen mit der Aufschrift »Home of Champions« steht. Auf dem Gelände der St. Patricks High School etwas außerhalb des Ortskerns dürfen nur die ehemaligen Schülerinnen und Schüler einen Baum pflanzen, die Weltmeister, Olympiasieger oder Weltrekordhalter sind. Es sind unzählige Bäume. Als wir durch die Anlage geführt werden und die Namen der Ausnahmeathleten auf den Schildern vor den Bäumen lesen, verstummen wir ehrfürchtig. Und fragen uns gleichzeitig: Wie kann ein so verschlafenes Kaff irgendwo im Hinterland von Kenia so viel Exzellenz hervorbringen?

Im Gespräch mit Carlos und seiner Mutter erfahren wir, dass der Junge mehrere Onkel hat, die den Durchbruch geschafft haben. Die unvorstellbar viel Geld verdienen und sich in der nahe gelegenen Stadt Eldoret ein Haus gebaut haben. Die mit dem Flugzeug in ferne Länder fliegen und ihre Verwandtschaft finanziell unterstützen. Das Laufen hat ihr Leben und den Alltag ihrer Familien grundlegend verändert. Es hat ihnen eine Lebensgrundlage und einen Weg aus der Perspektivlosigkeit gegeben. Ob es sich bei diesen Onkeln wirklich um Verwandte von Carlos oder eher ganz allgemein um junge Männer aus dem Dorf handelt, bleibt unklar und ist letztlich auch nicht relevant.

Klar, nicht alle können mit dem plötzlichen Erfolg und Reichtum umgehen. Immer wieder machen Geschichten von Alkoholexzessen, Korruption- und Dopingskandalen die Runde. Doch gleichzeitig gibt es unzählige Helden, die es geschafft haben und trotzdem bescheiden geblieben sind, an ihrem Glauben an Gott festgehalten haben und der Gemeinschaft etwas zurückgeben. Groß ist jeweils die Aufregung, wenn einer von ihnen, zum Beispiel der Weltrekordhalter über 800 Meter, David Rudisha, mit seinem eigenen Auto ins Dorf fährt, um dort zu trainieren. Solche Athletinnen und Athleten sind die Helden der Dorfgemeinschaft und die Vorbilder einer ganzen Generation.

Carlos ist überzeugt, dass diese Erfolge auch für ihn erreichbar sind. Dass er einmal einer der ganz Großen sein wird. Der schnellste Mensch über 5 000 Meter vielleicht, warum nicht? Der unerschütterliche Glaube an den Erfolg wirkt für uns wie eine Mischung aus Naivität, verlorenem Realitätssinn und schlechter Wahrscheinlichkeitsrechnung. In Iten ist er aber tief in der Kultur verankert.

Carlos investiert einiges, damit sein Traum in Erfüllung gehen wird. Um 6 Uhr früh macht er das, was einem dreizehnjährigen Teenager in Europa so ziemlich zuletzt einfallen würde: Er läuft ganz allein 5 Kilometer den Berg hoch und dann wieder runter. Das macht er jeden Tag, selbstverständlich auch am Wochenende. Nach dem morgendlichen Berglauf geht er zur Schule, diese lästige Pflicht muss sein. Außerdem legt seine Mutter Wert darauf, schließlich muss sie unzählige Mangos verkaufen, um das Schulgeld aufzubringen und ihrem Sohn so eine Schulbildung und die Aussicht auf eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Doch Carlos freut sich vor allem auf die Nachmittage, denn dann absolviert er mit seinem Schulteam das zweite Training des Tages. Er ist stolz darauf, dass er seine Schule im 3 000-Meter-Hindernislauf repräsentieren darf. Was nach professioneller Hingabe, etwas verbissen und ganz bestimmt nicht altersgerecht klingt, wirkt im Gespräch mit Carlos unbeschwert. Obwohl er jeden Tag Stunden in seine Leidenschaft investiert, ist ihm die Leichtigkeit nicht abhandengekommen.

Stellenwert der Beziehung

Die Geschichte von Carlos klingt in uns bis heute nach. Wir haben uns gefragt, was wir im Westen bereit sind, für unsere Lebensträume zu investieren, zum Beispiel und im Besonderen in das Ziel einer langjährigen glücklichen Partnerschaft.

Der Stellenwert des Laufens in Iten ist vergleichbar mit der Bedeutung einer guten Beziehung in unserer Kultur. In einer Umfrage gaben 81 Prozent aller deutschen Frauen und Männer an, dass eine dauerhafte Partnerschaft ein Lebenstraum von ihnen ist.1 Eine gelingende, erfüllende Beziehung ist für uns also ein enorm wichtiges Ziel, ja für die meisten sogar ein Lebenstraum. Wenn du dieses Buch liest, zählst du sicherlich auch zu dieser Gruppe.

Wir sind durch und durch Beziehungswesen. So selbstverständlich, wie die Kalendjins laufen, »beziehen« wir. Wir können gar nicht anders, als mit unseren Mitmenschen in Beziehung zu stehen. Selbst wenn wir uns entziehen, senden wir damit ein Beziehungssignal. Genauso wie für Carlos das Läufersein ein wesentlicher Teil seiner Identität ist, ist das Partnersein ein wesentlicher Teil unserer Identität. Wir definieren uns stark über unsere Beziehungen, vor allem über unsere Liebesbeziehung.

Das ist auch einer der Gründe, weshalb das Auseinanderbrechen einer Partnerschaft immer ein massiver Einschnitt ist. Wer Trennungen nach langjährigen Beziehungen verharmlost, ist häufig selbst betroffen und möchte sich damit schützen, um ein positives Selbstbild behalten zu können. »Wir haben uns im Frieden getrennt. Wir haben in dieser Beziehung viel gelernt und bereuen diesen Abschnitt nicht. Es ist für uns beide besser so.«

Nicht immer geschieht eine Verharmlosung von Trennungen und den damit verbundenen emotionalen Kosten aus Selbstschutz. Manchmal passiert es auch schlicht aus Ignoranz den Betroffenen und ihrem Leiden gegenüber.

Die Psychiater Thomas Holmes und Richard Rahe untersuchten bereits 1967 die Krankenakten von über 5 000 Patienten, um herauszufinden, ob bestimmte belastende Ereignisse die Ursache von körperlichen Beschwerden sein könnten. Sie fanden einen Zusammenhang zwischen wichtigen Lebensereignissen und dem Auftreten von Krankheiten. Je stärker ein bestimmtes Ereignis eine Person belastete, desto wahrscheinlicher war es, dass sie kurz darauf krank wurde.

Die Forscher erstellten eine Liste mit den 43 größten Stressfaktoren im Leben, die bis heute als Holmes-und-Rahe-Stress-Skala bekannt ist. Auf Rang 30 steht beispielsweise Ärger mit dem Vorgesetzten. Weihnachten hat es nur gerade auf Platz 42 der stärksten Stressoren geschafft. Schlimmer ist da der Verlust des Arbeitsplatzes (Rang 8) oder eine Haftstrafe (Rang 4). Doch besonders aussagekräftig ist das Podest der belastendsten Stressfaktoren: Auf dem ersten Platz steht der Tod des Ehepartners, gefolgt von einer Scheidung auf Rang 2 und einer Trennung vom Ehepartner an dritter Stelle. Die drei verheerendsten Stressoren, denen wir im Leben begegenen können, haben also alle mit dem Ende unserer Partnerschaft zu tun.

Nutzen einer starken Beziehung

Einige der Studien zur Auswirkung von guten Beziehungen sind mit Vorsicht zu genießen. Es gibt zum Beispiel einen klaren Zusammenhang zwischen der Dauer der Ehe und dem Einkommen der Partner. Wer mehr verdient, hat im Durchschnitt eine längere Ehe. Und wer eine längere Ehe hat, verdient im Durchschnitt mehr. Doch damit hat man noch gar nichts herausgefunden. Man könnte zwar daraus schließen, dass man sich einen besser bezahlten Job suchen sollte, damit die Ehe länger hält. Doch dieser Schluss wäre falsch.

Es gibt nämlich bestimmte Faktoren, die beides verursachen: mehr Einkommen und eine längere Ehe. Das Bildungsniveau ist ein Beispiel dafür. Je besser die Ausbildung, desto höher das Einkommen und umso länger die Ehe. Diese Einflussfaktoren werden im Rahmen einer Studie als Störvariablen bezeichnet. Sie herauszufiltern, kann ganz schön anspruchsvoll sein.

Ein zweites Problem besteht darin, dass bei solchen Studien häufig gefragt wird, wie denn die Beziehung vor fünf oder zehn Jahren war. Diese Rückschau ist schwierig, weil unsere Erinnerungen ziemlich kreativ sind. Wir vergessen ganz viel und deuten im Rückblick einiges um.

Eine Studie, die diese beiden möglichen Fehlerquellen gut vermeidet, ist die Harvard Study of Adult Development2. Es ist die wohl längste Studie über das Leben von Erwachsenen. Seit mittlerweile über 80 Jahren verfolgt sie die Entwicklung von Menschen. Jahr für Jahr wurden bestimmte Leute beobachtet und befragt, ohne dass man dabei schon wusste, wie ihr Leben weitergehen würde. Solche Studien sind selten und es braucht eine Kombination glücklicher Umstände, dass sie über eine so lange Zeit weitergeführt werden können. Normalerweise geht viel früher das Geld aus, die entscheidenden Wissenschaftler sterben oder die Universität verliert das Interesse an einem solchen Großprojekt. Diese Studie ist die Ausnahme.

Die Untersuchung startete 1938 mit zwei Gruppen junger Männer. Eine Gruppe bestand aus Studenten der renommierten Harvard Universität. Die andere Gruppe waren Teenager aus einem der ärmsten Viertel Bostons. Sie kamen aus bescheidenen Verhältnissen und hatten auf ihrem Lebensweg viele Hindernisse zu überwinden. Alle Studienteilnehmer wurden zu Beginn besucht, sie und ihre Eltern wurden interviewt und man versuchte, möglichst viele aussagekräftige Informationen zu sammeln. Die ursprünglich 724 Probanden wurden während ihres ganzen Lebens begleitet. Viele dienten als Soldaten im Zweiten Weltkrieg, einige wurden Fabrikarbeiter, andere Börsenhändler, andere Bauarbeiter, einer von ihnen sogar amerikanischer Präsident (John F. Kennedy). Vereinzelte Teilnehmer wurden Alkoholiker, viele begannen zu rauchen, es gab Übergewichtige und Untergewichtige. Die einen schafften den sozialen Aufstieg, andere konnten nicht von ihren guten Voraussetzungen profitieren und verarmten.

19 der Probanden der ersten Stunde waren 2017 immer noch am Leben und nahmen weiterhin an der Studie teil, alle in ihren Neunzigern. Seit einigen Jahren werden auch die Partnerinnen und über 2