Für Mauro, Ameli und Kari

Impressum

© Inga Heilmann 2015

Herstellung und Verlag

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7392-9429-2

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

1 Neu im Schloss

Prinzessin Fio saß in ihrem Lieblingsversteck - auf der alten Weide am Schlossteich - und war dermaßen schlecht gelaunt, dass sie sich über rein gar nichts freuen konnte. Über das schöne Wetter nicht, oder über die flatternden Fahnen auf den Türmen des Schlosses, nicht über ihre kleine Schwester, die bei den Ställen herumturnte, und auch nicht darüber, dass sie nicht mehr bei den Piraten in der elenden Hafenkneipe sein musste. Nein, nicht einmal darüber konnte sie sich jetzt freuen. Bei den Piraten hatte sie wenigstens nicht immer im Unterricht hocken und altmodische Lehrbücher studieren müssen.

Und auf ihr Benehmen achten! Hofetikette! Ha! Dass sie nicht lachte! „Hä“, lachte Fio böse und freute sich kein bisschen über das Rotkehlchen, das frech auf ihren Fuß hüpfte.

Prinzessin Fio war vor sieben Jahren von Piraten entführt und auf ein Schiff verschleppt worden, und weil die dummen Kerle es nicht zu Wege brachten, sie gegen ein Lösegeld einzutauschen, hatte sie sich irgendwann widerwillig mit ihrer traurigen Lage abgefunden und begonnen, dem Smutje an Bord zu helfen. Mit abgeschnittenen Haaren und geliehenen Hosen. Als sie nach vier Jahren zu alt und zu groß für die Schiffsjungenarbeiten war, kam sie zu der Wirtin der Hafenkneipe. Die befand sich auf der geheimen Insel der Piraten, von wo sie erst fliehen konnte, als sie zwölf Jahre alt war und ihr Vater mit einem verbündeten König Krieg gegen die Piraten führte. Mit Hilfe ihrer kleinenSchwester Finni und deren Freund Jan hatte sie dann wieder nach Hause gefunden. Seit dieser Geschichte waren sechs Monate vergangen, und nun saß Fio hier auf der Weide und dachte finstere Gedanken. Der Schlossteich war doof, der Rasen sowieso, blöde Schmetterlinge... jetzt musste sie über sich selbst grinsen und lehnte sich entspannt gegen den Ast in ihrem Rücken.

Wozu die Aufregung... Schließlich war es hier ja doch eindeutig besser als bei diesen Schissern von Piraten! Eben. Dort war alles schlecht gewesen, und hier zu Hause war alles gut. Ganz einfach. Fio schloss die Augen und träumte.

„Maica verlässt uns“, sagte der König. „Waaas?!“ entfuhr es der Königin, die ruhig in der Bibliothek gesessen hatte. „Finnis Zofe? Aber wer soll...“ Wer soll denn dann auf sie aufpassen, hatte sie sagen wollen, aber sie sprach den Satz nicht zu Ende. Sie hatte ihre kleine Tochter vor Augen, und ihr wurde schlagartig klar, dass Finni gar niemanden brauchte, der ständig auf sie aufpasste. Weil sie so selbstständig geworden war, weil sie so abenteuerlustig und fröhlich war! Und eigentlich hatte sie auch schon alles von Maica gelernt, was die Zofe ihr beibringen konnte. Ja, das stimmte.

Der König schwieg, weil er sah, wie seine Frau nachdachte. „Und Fio...“ murmelte die Königin jetzt. „Bei Fio ist Hopfen und Malz verloren!“ lachte der König kopfschüttelnd. „Bei unserer Großen kommen wir mit der Hofetikette zu spät. Es muss reichen, wenn sie sich normal anständig benimmt. Und weißt du was, geliebte Gattin, ich habe stattdessen einen Lehrer für die Mädchen gefunden!“ „Ach? Einen Lehrer? Wer ist es?“ fragte die Königin und klappte das dicke Buch zu, in dem sie gelesen hatte. „Als ich gestern in der Stadt war, hat er sich mir vorgestellt. Er kommt aus London, stell dir vor, und ist ein wahrer Gelehrter, nicht nur ein Lehrer! Spricht fünf Sprachen! Weiß alles!“ Der König räusperte sich. „Den Eindruck hatte ich wenigstens.“ „Du bist ja ganz begeistert von dem Mann!“ Die Königin runzelte die Stirn und legte den Kopf schief. „Und was ist nun genau mit Maica?“ „Na, du weißt doch, dass sie und der Dorian ein Paar sind, und jetzt hat unser Musikus ihr einen förmlichen Antrag gemacht und die beiden wollen nach ihrer Hochzeit in die Stadt ziehen.“

„Aber dann brauchen wir ja auch einen neuen Musiklehrer!“ rief die Königin, die leidenschaftlich gern Klavier spielte. Doch ihr Mann meinte: „Nun, meine Liebe, mir deuchte, du und unsere Töchter wären schon so virtuos, dass ihr eine Weile ohne Vorturner auskommt. Ein neuer Lehrer auf einmal ist genug, denke ich.“

Der König selber war völlig unmusikalisch. Ja, eigentlich konnte er gar nichts richtig gut und perfekt, außer Schwimmen und Regieren. Das machte er mit großem Erfolg, aber auf allen anderen Gebieten hatte er noch keine ungeahnten Talente an sich entdeckt.

Seine jüngste Tochter Finni war mit ihren sieben Jahren eine hervorragende Reiterin und eine Leseratte auch. Die ältere Tochter Fio konnte phantastisch zeichnen und singen (wenn auch nur im Geheimen und für sich, aber die Eltern hatten sie belauscht und waren hingerissen gewesen).

Und die Frau Königin war eine große Pflanzenkennerin und Klavierspielerin. Der König sah sie versonnen an. Sie ist nicht nur wunderschön, dachte er, sie ist auch so begabt und klug und gütig und... „Mein lieber Gemahl!“ weckte ihn die Königin auf und bohrte ihren Zeigefinger in seinen Bauch. „Was wohl die Mädchen dazu sagen werden?“ Jetzt schmunzelte der König und machte Finnis Stimme nach: „Oh, ach sooo...“ Die Königin lachte. „Und Fio?“ „Ah! Ist doch alles schietig“. Beide mussten sie gleichzeitig kichern und empört schlucken, aber der König hatte Recht, Fio hatte wirklich ein paar Ausdrücke auf Lager, die nicht in den Mund einer Kronprinzessin gehörten. Sechs Jahre unter Piraten blieb eben nicht ohne Folgen, und obwohl sie sich Mühe gab, fiel es Fio schwer, sich so gut zu benehmen wie ihre kleine Schwester. Die wurde von Maica zwar auch ständig verbessert und ermahnt, aber im Vergleich zu Fio war die Kleine ein Ausbund an Tugend und Sittsamkeit. Jedenfalls wenn sie musste. Fio und ihre Eltern wussten, dass Finni im Grunde eher wild und abenteuerlustig war und keinen gesteigerten Wert auf Rüschenkleider und die Hofetikette legte.

Die Königin räusperte sich. „Ja, sie sagt dieses Wort wirklich häufig. Zu häufig. Und dann ist sie jetzt auch in einem schwierigen Alter, das wollen wir nicht vergessen, oh du mein König!“ „Ist sie deshalb so verschlossen und schweigsam?“ murmelte ‚oh du mein König’. „Neulich bei der letzten Ratsversammlung hat sie die ganze Zeit in einer dunklen Ecke gesessen, mucksmäuschenstill, und hat zugehört. Als die Ratsherren weg waren, kam sie hervor und stellte kluge Fragen. Und sagte am Ende doch wieder schietig.“

Die Königin lächelte strahlend. „Ich bin so froh, dass sie wieder da ist! So froh!“

Finnis und Fios Zimmer lagen nebeneinander und hatten eine Verbindungstür. „Unsere Gemächer“, sagte Finni. „Unsere Kojen“, sagte Fio.

Vor dem Einschlafen saß sie meistens noch eine Weile bei ihrer kleinen Schwester auf deren großem Bett. Sie erzählten sich Geschichten oder klärten kurz noch, was am Tage wichtig gewesen war. Auf dem Bett hatte Finni endlich mehr von dem Medaillon erfahren, das Fio an einer dünnen Kette um den Hals trug und dass die Piraten ihr nicht hatten abnehmen können, weil es nämlich keinen Verschluss hatte. Fio hatte es zur Geburt von befreundeten Königen aus Schweden bekommen, die das letzte Glied der Kette und das Medaillon mit Zauberei geschlossen hatten. Der Anhänger selber war ein Runenschutzzeichen von großer Macht.

Finni war nach dieser Geschichte vor Aufregung noch eine Stunde wach geblieben. Mit Fio war alles so spannend! Auch von ihrer Entführung hatte Fio erzählen müssen, obwohl sie sich gar nicht mehr so genau daran erinnerte. Sie war damals ja erst sechs gewesen.

„Es ging furchtbar schnell. Plötzlich saß ich nicht mehr in der Kutsche. Ich hatte einen ekligen Lappen im Mund und jemand rannte mit mir über der Schulter durch die Felder. Dann steckten sie mich in einen Sack und ein Wagen rumpelte mit mir davon. Angst hatte ich. Alles war dunkel. Und ehe ich mich’s versah, schüttelten sie mich aus dem Sack raus und ich saß an Deck eines Schiffes auf hoher See.“

Finni hatte an den Lippen ihrer großen Schwester gehangen und nur „Weiter“ hauchen gekonnt. Und Fio hatte weiter erzählt: „Das war das Piratenschiff. Um mich rum nur Kerle mit Bärten und Kopftüchern und Waffen, und alle lachten sie mich aus. Der Kapitän zog mich an den Haaren nach oben, und als ich schrie, ich wollte nach Hause, da kriegte ich eine Ohrfeige. Von da an hab ich dann gar nichts mehr gesagt. Keinen Ton haben die mehr aus mir raus gekriegt! Wie hab ich den Kerl gehasst! Kennst du das, wenn man vor Wut ganz ruhig wird?“

Finni hatte den Kopf geschüttelt. Soooo wütend war sie noch nie gewesen. „Hahaha, die sind schön verrückt geworden“, war Fio fortgefahren. „Aber geredet hab ich erst wieder in der Hafenkneipe, wenn’s die Wirtin nicht merkte. Die dachte, ich wäre stumm.“

Finni hatte unendlich viele Fragen und wurde nicht müde, von Fios Piratenzeit zu hören. „Du siehst aber schon sehr müde aus“, meinte Fio. „Nein, nein, nur noch was ganz kurzes Blutrünstiges“, bettelte Finni, obwohl ihr die Augen fast zufielen. „Na guuut“, sagte Fio und wartete ein bisschen – und Finni war eingeschlafen.

So eine Wilde, dachte Fio und ging rüber in ihr eigenes Zimmer. Sie hatte auf ein normales Bett bestanden. Nichts extra Großes extra Bequemes, da hätte sie sowieso nicht drin schlafen können. Auch mit der Kleidung hatte es anfangs Probleme gegeben, aber hier hatte sie in Finni eine Verbündete, die ihren Eltern klar gemacht hatte, dass Schmuck, Ornat und Seide für festliche Anlässe waren und Prinzessinnen einfachere Kleider für täglich haben konnten. „Aber Fio, du bist doch schon groß!“ hatte die Königin eingeworfen. „Dann eben ein großes, einfaches Kleid“, hatte Fio entschieden. Alle hatten geseufzt, die Mädchen zufrieden, die Eltern bedauernd, aber damit war die Angelegenheit beendet gewesen.

Fio saß auf dem breiten Fenstersims und schaute in den Himmel. Sie fühlte sich frei und zuversichtlich. Klar die Eingewöhnung war nicht leicht gewesen, aber inzwischen war sie endgültig angekommen und kein Fremdkörper mehr, der wie verloren im Schloss aneckte. Alle hatten ihr viel Zeit gelassen und sich viel Zeit für sie genommen, das wusste Fio und war dankbar, obwohl sie manchmal durchdrehte und auf nichts und niemanden mehr Lust hatte.

Tja, kann man nichts machen, dachte Fio und ging schlafen.

Inhaltsverzeichnis

  1. Neu im Schloss
  2. Am Blaubeerfelsen
  3. Fuchs und John MacPommeroy
  4. Strandurlaub
  5. Köder aufspießen
  6. Kiki und Falke
  7. Gut aussehen im Sturm
  8. Überall Winter
  9. Schlittschuhfest
  10. Sogar der Elfe ist kalt
  11. Großer Ball auf dem Smaragdberg
  12. Post und Handelskette
  13. Der Körper
  14. Zu viel Regen
  15. Krankheit im Königreich
  16. Eine für alle
  17. Hilfe im Schloss
  18. Mutter wird nicht gesund
  19. Beschlüsse in der Gärtnerei
  20. Jan und das Wildschwein
  21. Festmahl und Überfall
  22. Bei Martin und im Schlossteich
  23. Diese Art von Beratung
  24. Frühling, Sommer, Badelaken
  25. Zum Geburtstag Sahnetorte
  26. Martin ist auch in der Stadt
  27. Oben auf dem Deich
  28. Bienenstich und Steuerschatz
  29. Reisepläne fördern den Fortschritt
  30. Fio fährt mit ihrer Mutter
  31. Die Freundinnen in der Hafenkneipe
  32. Sanddornbeeren und ein Skelett
  33. Fio ist seetüchtig
  34. Wenn der König feiern will...
  35. ... gibt er einen Silvesterball

2 Am Blaubeerfelsen

Am nächsten Morgen verabschiedeten sie Maica und Lehrer Dorian. Der Zofe standen Tränen in den Augen, als sie die Prinzessinnen ein letztes Mal umarmte, und die rannen ihr dann über die Wangen, als Finni meinte: „Na, jetzt muss ich wohl selber auf alles achtgeben, denn so eine gute Zofe wie dich gibt’s ja kein zweites Mal!“ „Aber Maica, Beherrschung“, riet die Königin lächelnd, während sie der Kammerzofe die Hand drückte. Dann rollte der Wagen mit dem glücklichen Paar davon in die Stadt.

Im Schloss war es leerer geworden, das merkten alle, weshalb sich jeder auf eine Aufgabe stürzte, um beschäftigt zu sein: Die Königin schrieb Briefe, Finni ging lesen, Fio probierte, wie gut sie ohne Lehrer Klavier spielen konnte (schlecht, stellte sie belustigt fest), und der König inspizierte das Zimmer, welches für den Gelehrten aus London bereit gemacht worden war. Gut, dass der Mann schon in ein paar Tagen kommt, dachte er dabei, sonst bricht hier noch die Anarchie aus, so ganz und gar ohne Lehrpersonal...

Und gut, dass der Winter nun vorbei war. Keiner mochte mehr Eis und Schnee sehen. Vor allem seine Frau Königin suchte den matschigen Schlossgarten so eindringlich nach Blümchen und ersten Pflanzensprösslingen ab, dass diese eigentlich schon deshalb wachsen mussten. Als ob sie das neue Grün mit den Augen aus der Erde holen könnte. Der König schmunzelte und ging zurück in den Thronsaal, weil er heute noch zwei Stunden regieren musste. Als er aus dem Musikzimmer die holperigen Tonleitern seiner Tochter Fio hörte, erinnerte er sich an das Versprechen, das er ihr vor kurzem gegeben hatte: Einen Hund wollte sie gerne haben, und er hatte ihr einen versprochen.

Was er nicht ahnen konnte, war, dass Fio diese Angelegenheit selbst erledigen würde.

„Lass uns ausreiten, Fio“, meinte Finni am Nachmittag. Ihre kleine Schwester und ihr Pony Wirbelwind waren wirklich unzertrennlich und dauernd unterwegs, aber sie selber machte sich nicht so viel aus der Reiterei. Fio ging lieber zu Fuß, aber wer konnte Finni schon einen Wunsch abschlagen, wenn sie einen mit großen, braunen Augen anblickte und die Lippen spitzte? „Na gut“, sagte Fio also. Sie war schon zu groß für die Ponys, aber der schwarze Hengst des Königs hatte einen Narren an ihr gefressen und gebärdete sich jedes Mal wie verrückt, wenn sie im Stall auftauchte. Der Stallknecht Knut glaubte, dass der Hengst sich an sie erinnerte, dass er noch wusste, wie sie als kleines Mädchen an ihm herumgekrabbelt war.

Fio ritt also den großen Schwarzen und Finni den weißen Wirbelwind. Die Feldwege waren von der Schneeschmelze noch nass und schlammig, doch die Prinzessinnen kümmerte das wenig. „Galopp!“ schrie Finni und preschte davon, der Schwarze hinterher. Nasse Erdklumpen flogen nach allen Seiten und Fio lachte. Sie war zwar nicht besonders sicher im Sattel, aber vielleicht war Reiten ja doch nicht so verkehrt. Die Schwestern galoppierten querfeldein bis zum Waldrand. In den vergangenen Monaten hatte Fio sich bereitwillig alles zeigen lassen, was Finni ihr zeigen wollte. Diesen Wald zum Beispiel, wo es eine besondere Stelle mit riesigen Felsen gab, mitten zwischen den Bäumen, wo im Sommer die Blaubeeren wuchsen. Dann das Dorf Hölniken, aus dem das Königshaus Milch, Butter und Honig bezog und wo Finni viele Kinder kannte. Auch ihre beste Freundin Emma kam aus Hölniken. Den Kräutergarten und die Schlossgärtnerei, wo in einer alten Schiffslaterne die Elfe Himmelblauchen wohnte, mit der die Prinzessinnen oft zusammen saßen und sich unterhielten, und den finsteren Nordwald, über den der Oberförster Volker die Aufsicht hatte und dessen Sohn Jan Finnis Freund war. Jan, der sie auch auf der Suche nach Fio begleitet hatte. Und dann gab es im Schloss einen unterirdischen Geheimgang, den Finni ganz allein entdeckt und von dem nur Emma und Jan erfahren hatten. Und sie, Fio, jetzt auch. Außerdem redete Finni immerzu von einer Hexe namens Rumel, die in einem Häuschen im Nordwald hausen sollte, aber die hatte sie bisher noch nicht kennen gelernt.

Im Winter war zwar nur wenig Schnee gefallen, dafür war es aber umso kälter gewesen und alle hatten sie viel Zeit drinnen am Feuer verbringen müssen. Gut, dass es nun Frühling wurde, da konnten sie sicher bald einen Ausritt in den Nordwald zu Rumel wagen. Und an den Strand würde sie zu gerne mal wieder... Fio seufzte. Was man nicht alles wollte... Die sechs Jahre Leben auf und am Meer hatten Spuren bei ihr hinterlassen. Haut und Haare waren unter den kundigen Händen ihrer Mutter zwar wieder weich und prinzessinnenhaft geworden, doch „Wenn du jetzt noch ein bisschen rundlicher werden könntest...?“ hatte ihre Mutter vorgeschlagen, aber das war einfacher gesagt als getan. Fio aß, was sie konnte, aber sie wurde einfach nicht dicker. Am Ende werde ich von ganz alleine rundlich, dachte Fio missmutig und erinnerte sich ungewollt an die Wirtin der Hafenkneipe, bei der alles gewabbelt und gewogt hatte. Riesenbrüste, nee Danke, schloss Fio in Gedanken dieses unbequeme Thema ab, denn nun waren sie an den Felsen im Wald angelangt.

Sie ließen die Pferde frei grasen und Fio half ihrer kleinen Schwester, auf den höchsten Felsen zu klettern. „Reicht mir eure zarte Hand, hochverehrte Dame!“ sagte Fio und spielte den edlen Ritter. Finni machte gleich mit: „Gemach, holder Herr“, flötete sie zurück, während ihre Füße Halt an der Felswand suchten. „Ich bin ein Anbeter eurer Schönheit und verehre auch – Hauruck Finni, na los! – verehre auch eure hochwürdige Familie...“ Finni ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen: „Habt Dank für euer untadeliges Benehmen, Herr Ritter, und Kraft des mir verliehenen Amtes erlaube ich euch nun, an meiner Hand zu ziehen und, taddaa! Da bin ich.“ Jetzt stand sie neben Fio und beide sahen sich um. Sie waren hier auf einer Höhe mit den Baumwipfeln. Ein toller Platz. Fio streckte sich lang auf den Felsen aus, die warm von der Nachmittagssonne waren. Es war ein schönes Gefühl, für eine Weile einfach gar nichts zu tun.

„Bald kommt der neue Lehrer“, sagte sie mit geschlossenen Augen. „Hoffentlich will der nicht auch, dass wir sticken und nähen, ich kann die Nadeln echt nicht mehr sehen.“ Finni kicherte. „Ich auch nicht. Aber es ist ja ein Lehrer, keine neue Zofe. Der kann bestimmt etwas anderes.“ Sie steckte Fio und sich selbst auch einen Honigbonbon in den Mund. Die bekam sie von ihrer Freundin Emma, deren Taschen einen wirklich unerschöpflichen Vorrat an Bonbons zu enthalten schienen. Kein Wunder, ihre Mutter stellte die ja auch her. Fio gähnte herzhaft und verschluckte sich an

dem Bonbon. „Hchrr…“ Heiser krächzend kam sie mit rotem Kopf hoch und schnell klopfte Finni ihr kräftig auf den Rücken. „Die sind ja lebensgefährlich!“ ächzte Fio, als sie wieder Luft bekam. „Willst du was spielen?“ fragte Finni, deren Gesicht man ansah, dass sie genau das jetzt am liebsten gemacht hätte. „Och nö“, sagte Fio und drehte einen Kiesel zwischen den Fingern, „lass man.“ Fio war nur schwer für Spiele zu begeistern. Eigentlich mochte sie nur Verstecken und das Fadenspiel, das sie beide im Winter von ihrer Mutter gelernt hatten. Wem das Geflecht von den Fingern rutschte oder wer alles verknotete, hatte verloren. Im Knoten machen war Fio allerdings spitze, und Finni hatte sich viele von ihr zeigen lassen. Alles Seemanns- und Schiffsknoten. Manchmal war Fio neidisch, wenn sie Finni mit Emma und den anderen Kleinen herumtollen sah, aber mitmachen wollte sie auch nicht. Sie war ja schon groß. Und was machten Kinder in ihrem Alter? Arbeiten, soweit sie das bisher gesehen hatte.

Sie gähnte wieder. Alles schietig. „Sei doch nicht so lahm!“ beschwerte sich Finni, der es schwer fiel, still zu sitzen. „Es wird bald dunkel, wir reiten wohl besser zurück“, meinte Fio. Als die Pferde aus dem Wald herauskamen, ging die Sonne gerade unter, und sie konnten das Schloss in einiger Entfernung gegen den rosaroten Himmel sehen. Es sah sehr majestätisch und verzaubert aus. Und sie erreichten es besser vor Einbruch der Dunkelheit, wenn sie von ihren Eltern keinen Ärger bekommen wollten!

Finni spornte Wirbelwind eben zum Galopp an, als Fio ihr zurief, sie solle warten. Da war etwas im Gebüsch! Etwas scharrte, kratzte und schnaufte.

„Nicht!“ flüsterte Finni entsetzt, als Fio abstieg und vorsichtig näher ging. Hinter einem Busch lag ein völlig verdreckter, schlammbespritzter Hund und knurrte Fio an. „Oh“, sagte Fio zu ihm, „du bist aber hässlich und dreckig, und du bist wohl verletzt? Finni, er ist verletzt!“ „Ja, aber was willst du machen“, fragte Finni, die sich nicht herantraute. Das Knurren klang so unfreundlich.

„Oooch, du bist doch bloß ein Hund, was?“ diagnostizierte Fio ganz ruhig, und der Hund legte den Kopf schief und schien sich zu wundern. „Hier, ich schenkdir ein Stück Wurstbrot“, fuhr Fio fort und kramte in der Provianttasche. Finni wunderte sich auch. Hier schien sich ja jemand mit Hunden auszukennen! Der Hund schnappte sich das Brot, schlang es hinunter und knurrte nicht mehr. Stattdessen winselte er leise.

„Ich nehme ihn mit. Ich wickle ihn ein bisschen in meine Jacke – so, sch, sch, ist doch alles gut, nicht beißen, blöder Köter, sch, sch, na, geht doch. Wie komme ich jetzt aufs Pferd?“ „Ich schieb dich hoch“, sagte Finni, die schon abgesprungen war. „Stell einen Fuß in den Steigbügel, halt den Hund nur mit einem Arm, und dann schiebe ich dich von unten in den Sattel.“ Das klappte, und anschließend band Finni den schwarzen Hengst mit Wirbelwind zusammen, damit Fio nicht auch noch zu lenken brauchte. Die hatte schon genug damit zu tun, ihren Patienten und sich selbst festzuhalten. Galopp oder Trab war jetzt nicht mehr möglich, weshalb sie wirklich erst zu Hause ankamen, als es dunkel und kalt geworden war.

Fio hatte während des Rittes immer wieder leise mit dem Hund gesprochen. Das schien ihn zu beruhigen. Er strampelte jetzt weniger. Bei der Schlosstreppe mit den zwanzig Stufen angekommen, winkte Fio einem der Diener, der die Pferde in den Stall führen wollte. „Hier, eben mal halten“, mit diesen Worten gab sie ihm den Hund, kümmerte sich nicht um die entsetzten Blicke des Tieres und des Dieners, rutschte selbst aus dem Sattel und nahm das Jacken-Hunde-Paket wieder an sich. „Wo bringst du ihn hin?“ fragte Finni, die sich die Reaktion ihrer Eltern lebhaft vorstellen konnte. „In den Stall“, meinte Fio, „dann sehen Mama und Papa ihn nicht gleich.“

Das war eine gute Idee, denn König und Königin schlugen beim Anblick ihrer Töchter auch so schon die Hände über dem Kopf zusammen.

„Wie ihr ausseht!“ jammerte die Königin. „Schmutzig, zerschrammt, zerstrubbelt“, urteilte der König. „Und was stinkt denn hier so, Fio bist du das etwa?“ sagte die Königin. „·Wart ihr in Hölniken im Kuhstall?“ Danach gab es nur noch ein wenig Ärger wegen der Uhrzeit, den die Prinzessinnen schweigend über sich ergehen ließen, und anschließend wurden sie zu der dicken Badefrau geschickt, die mit Bürsten und heiß Wasser ihr Bestes tat, um die zwei Reiterinnen für das königliche Abendbrot herzurichten.

3 Fuchs und John MacPommeroy

So kam Fio also zu einem Hund. Heimlich hatte sie sich schon lange ein Haustier gewünscht, und wenn der Findling zunächst auch eher wie ein Matschmonster aussah, so kam nach zweimal Baden ein ganz normaler graubrauner Hund zum Vorschein, dessen Vorderbein geschient wurde und der nach einer großen Portion Futter mit dem Schwanz zu wedeln begann. „Hässlich ist er aber immer noch“, urteilte Finni achselzuckend. „Aaach, es geht doch nicht nach Schönheit“, verteidigte ihn Fio. „Dafür hat er treue Augen, lustige Ohren, sogar einen grauen Bart hat er, guck mal...“ „Vielleicht ist es ja ein Hundekönig“, meinte Finni und streichelte seinen Rücken. „Wie soll er denn heißen?“ „Fuchs“, sagte Fio, „weil er einen richtigen Fuchsschwanz hat.“ „Fuchs!“ schrie Finni. „Du kannst einen Hund doch nicht Fuchs nennen! Da kommt er ja ganz durcheinander! Wenn ihr mal in den Wald geht und es läuft ein Fuchs vorbei, sagst du dann Hundi zu dem?“ „Ach du bist blöd“, lachte Fio, „und jetzt ist es sowieso zu spät, getauft ist getauft.“ „Wie, wo denn getauft, ohne Wasser?“ „Mit Spucke“, grinste Fio. „Und du bist eklig!“ rief Finni, aber sie lachte auch. Diese große Schwester war manchmal ganz schön verdreht. „Bisschen ausgedünnt ist sein Fuchsschwanz aber schon.“ „Na ja“, antwortete Fio zufrieden, „er ist eben ein alter Hundekönig.“ Zum Glück schien die dicke Schlammschicht alle Flöhe und dergleichen erstickt oder vertrieben zu haben, denn sonst hätte Fio kein so leichtes Spiel mit ihren Eltern gehabt. Es gabstattdessen nur kurzen Ärger, und danach durfte Fuchs bleiben und vor Fios Zimmertür schlafen.

„Na aus dem Bett wirst du jetzt bestimmt nicht entführt“, meinte Finni, „Fuchs passt auf.“ Der König hätte seine Tochter zwar lieber in Begleitung eines Schoß- oder Jagdhundes gesehen, aber sie war ihm zuvorgekommen. Und sie war restlos glücklich mit diesem strubbeligen Vierbeiner. Sie selber merkte wahrscheinlich gar nicht, dass sie jetzt öfter lächelte, und sie war auch nicht mehr so unruhig wie in den ersten Monaten nach ihrer Rückkehr ins Schloss.

Fuchs gewöhnte sich praktisch über Nacht an sein neues zu Hause und wich Fio nicht mehr von der Seite, solange sie ihn nicht wegschickte. Schließlich hatte sie ihn gerettet und fütterte ihn.

An dem Tag, an dem der neue Lehrer eintreffen sollte, standen alle drei vor dem Spiegel: Finni, Fio und Fuchs. Fuchs kratzte sich mit dem Hinterbein am Kopf und verschwand dann aus dem Blickfeld. Fio starrte finster ihr eigenes Spiegelbild an. Sie hatte sich gekämmt und drückte nun die Haare am Kopf platt, so dass ihr Gesicht schmal zwischen einem rotbraunen Vorhang hervorlugte. „Das sieht aber traurig aus“, bemerkte Finni. „Was soll ich denn machen?“ Fio ließ mutlos die Arme sinken, woraufhin ihre leicht gelockten Haare wieder hochwippten. „Schon besser, und jetzt flechte ich dir einen Zopf quer über den Scheitel“, verkündete Finni, die nach sieben Jahren mit ihrer Zofe einfach mehr Ahnung hatte von Schönheit, Zurechtmachen und Frisuren. „Wenn du meinst“, seufzte Fio, „schlimmer geht’s nimmer.“ Beide mussten sie kichern. Dabei gab es eigentlich keinen Grund, weshalb Fio so unentschlossen und unzufrieden mit ihrem Äußeren war. Sie sah einfach nicht, dass sie hübsch war, und sah auch keinen Sinn darin, sich herauszuputzen. „Alles schietig“, murmelte sie aus alter Gewohnheit, wahrend ihre kleine Schwester fröhlich vor sich hin summend mit ihren Haaren kämpfte.

„Ein zwei drei Strähnen, so, die anderen alle zurück, und jetzt den Zopf- halt still, Fio! Hier nehme ich auch ein paar Haare mit, so, so zur Seite, und jetzt lang runter – fertig!“ Ehe Fio protestieren konnte, hatte sie ihrem Modell noch eine silberne Kette um den Hals gelegt und klatschte entzückt in die Hände. „Mama hat gesagt, wir sollen uns schön machen“, wehrte sie ab, als Fio den Mund aufmachen wollte, und beendete damit das Thema. Mit sich selber war sie in zwei Minuten fertig. Einmal glattkämmen, Krone drauf, Armband um. „Du, deine Krone haben wir ganz vergessen“, fiel ihr dabei ein. „Hab ich hier“, sagte Fio und setzte sie auf. Finni verstummte. Dann flüsterte sie: „Du siehst ganz, ganz toll aus!“ Fuchs gähnte und pupste.

Im Thronsaal trafen sie mit ihren Eltern zusammen, die eben im Gespräch mit einem schwarzgekleideten Mann waren. Beim Eintreten der Prinzessinnen drehten sie sich um, der Mann in Schwarz aber so ruckartig, dass es schon wieder komisch aussah. „Ladies...“ sagte er dabei, und Finni, die höflich sein wollte, sagte auch „Ladies!“ zu ihm, als sie sich gegenüber standen. „Nee, das sind wir doch!“ flüsterte ihr Fio ins Ohr. „Wir knicksen jetzt bloß!“ Finni war erstaunt, dass ausgerechnet ihre große Schwester mal Ahnung von der Hofetikette hatte. „MacPommeroy, John MacPommeroy, ich bin erfreut, ihre Bekanntschaft zu machen“, sagte der neue Lehrer jetzt und verbeugte sich vor Finni und Fio, die ihm fasziniert dabei zusahen.

Dieser Lehrer hatte einen wahnsinnig sympathischen Akzent, er rollte das „R“ ganz rund und dehnte manche Vokale, wo man sie gar nicht dehnt, „Bekaaanntschaft“ sagte er zum Beispiel. Genau die vertieften Mister MacPommeroy und die Prinzessinnen bei ihrer ersten Unterrichtsstunde und in allen folgenden, in denen sie fünf Hauptfächer behandelten: Astronomie, Geographie, Dichtung, Sprachen und Philosophie.

In allen war ihr Lehrer so belesen wie erfahren, und weil er außerdem mitreißend erzählte und mit wenigen Strichen alles anschaulich darstellen konnte, gingen Fio und Finni mit Begeisterung in seinen Unterricht, der in der Bibliothek stattfand. Finni mochte vor allem Astronomie und Dichtung (was sie selbst erstaunte), und Fio war ein ausgesprochenes Sprachtalent und auch gut in Geographie, aber MacPommeroys Lieblingsfach war Philosophie, und sobald seine königlichen Schülerinnen ein wenig Englisch gelernt hatten, begann er seine Philosophiestunden mit einem Shakespeare-Zitat, welches er sodann auf die alten griechischen Meister bezog und schließlich fragte, wie sie selbst darüber dächten. „Beware of jealousy, it is the green eyed monster that mocks the flesh it feeds on! Nun, erinneeern wir uns an Aristoteeeles – ja, und nun Sie, Hoheit?“

Den Schwestern war das zu abgehoben. Kopfschüttelnd sahen sie einander an und Fio erklärte:

„I have no idea - and could you please explain what is mocks“.

Es wurde ein toller Sommer. Die Fensterläden des Bibliothekturmes blieben bis spät in die Nacht hinein weit offen. Näh- und Sticknadeln lagen vergessen in den Schubladen, und wenn sie keinen Unterricht hatten, dann schwammen die Prinzessinnen im Schlossteich, ritten, beziehungsweise liefen durch den Wald, die eine auf ihrem Pony, die andere mit ihrem Hund. Sie versteckten sich mit Finnis Freundin Emma in den Kerkern des unterirdischen Geheimganges, um sich Gruselgeschichten zu erzählen, und suchten

anschließend Trost in der Schlossküche, wo der Koch Matias mit Stachelbeeren, Honig und Schwarzbrot experimentierte. Und zwar erfolgreich!

Fio fand die Kinder im nahegelegenen Dorf Hölniken ganz nett, vor allem Marian und die anderen größeren, nur hatten die meistens keine Zeit, weil sie arbeiten mussten. Wenn Fio Zeit hatte, kletterte sie gerne in die alte Weide am

Schlossteich und war alleine mit sich selbst. Nur Fuchs durfte zuhören, wenn sie dort oben schaurig schöne Seemannslieder sang. Oder Fio stieg auf den höchsten Turm des Schlosses und legte sich hinter den Schießscharten in die Sonne um zu lesen oder zu zeichnen. Einen Zeichenblock schleppte sie eigentlich immer mit sich herum. Einen ganz kleinen. Und ein perfekter Tag ging damit zu Ende, dass die Mädchen ihrer Mutter beim Kämmen halfen (die Königin hatte sehr lange, sehr rote Locken) und dann noch bei ihr auf dem königlichen Ehebett saßen und redeten.

Finni schlief meistens dabei ein, aber Fio und die Königin blieben noch lange wach. Auch der König kam gewöhnlich dazu, und sie freuten sich einfach, dass sie wieder zusammen waren, dafür brauchten sie keine Worte. Sechs Jahre ohne ihre große Tochter war eine lange, eine zu lange Zeit gewesen, die nur nach und nach wieder aufgeholt werden konnte, und diese Momente, in denen Eltern und Tochter still aber dicht beieinander saßen, halfen dabei ungemein.

4 Strandurlaub

Der unterhaltsame und lehrreiche Sommer wurde insgesamt zweimal unterbrochen. Ende Mai wurden Fio und Finni krank. Mit Hals- und Kopfschmerzen lagen sie im Bett und mochten weder essen noch trinken. Die Königin war natürlich hartnäckig und verabreichte einen Kräutertee nach dem anderen, legte kalte Tücher auf heiße Stirnen und vertraute im Übrigen auf die königlichen Immunsysteme ihrer Töchter.

MacPommeroy nutzte die Unterrichtspause, um alle Nase lang eine Schachpartie gegen den König zu gewinnen und sich ansonsten seinen Studien zu widmen. Aber nach einer Woche fand er, die Prinzessinnen könnten schon wieder eine Bettlektüre vertragen und las ihnen vor. Auf Englisch, Französisch, Italienisch und Holländisch, je nach Lust und Laune. Fio behauptete sogar heiser, die Hälfte verstanden zu haben, während Finni vor allem fand, dass Italienisch schön und Holländisch lustig klang. Verstanden hatte sie nichts. „Doesn´t matter, just listen“, hatte MacPommeroy dazu gesagt.

Eines schönen Tages im August kündigte er dann an, ab morgen gäbe es zehn Tage „Holiday“. „Qu ´est-ce que c´est?“ fragte Finni, die stolz war, endlich ein bisschen Französisch gelernt zu haben. „Oh dear, sie wissen nicht... gut nun, holiday bedeuteeet wir können tun zehn Tage lange was wir wollen, es ist frei. Kein Unterricht. Sie dürfen sammeln neue Kräfteee für neue philosophy Stunden.“ Finni und Fio freuten sich und schmiedeten Pläne, allerdings ganz verschiedene, wie sich bald herausstellte.

Als die Familie an der Abendbrottafel zusammen saß, sagte Finni, sie wolle in ihren Holidays mit Jan im Nordwald herumreiten und die Hexe Rumel besuchen, und Emma mit auf einen Ausflug in die Stadt nehmen. In der Kutsche. Allein. Finni war vergangenen Monat acht Jahre alt geworden und bestand seitdem bei allem Möglichen darauf, es ganz alleine zu machen; aber für die Stadt gaben ihre Eltern nur ihre Einwilligung, wenn die Kammerzofe der Königin mitging. „Und ihr sie nicht abhängt und verloren geht“, mahnte die Königin. „Und du, Fio?“ fragte sie dann. „Ich will an den Strand, ich will das Meer sehen“, sagte Fio, woraufhin ihr Vater plötzlich ganz hibbelig wurde und sie anstupste: „Du, Tochter, willst du auch alles alleine machen, oder hättest du was dagegen, wenn ich mitkomme? Ich könnte auch was von diesem Holiday gebrauchen! Wir könnten zum Beispiel das Fischerdorf besuchen, wo sie uns geholfen haben, als du noch auf der Pirateninsel warst. Die Fischer würden sich bestimmt freuen! Was meinst du.“ Wenn ihr Vater so begeistert war, wie sollte sie ihm Nein sagen? „Na gut, komm mit, aber du darfst nicht ständig auf mich aufpassen, ja? Sonst kann ich keine neuen Kräfteee sammeln.“ So war alles ausgemacht.