Bianca Zessin

Lernaufgaben

Schritt für Schritt zum Ziel

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im

Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2017 Bianca Zessin

autorin.bz@web.de

Herstellung und Verlag

BoD-Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783744891899

Vorwort

Vorab einmal vielen Dank das sie sich in unserer heutigen Zeit, in der schwierigen Zeit für Pflegeberufe, die Minuten nehmen, um sich Gedanken zur effizienten Förderung unserer Auszubildenden zu machen. Damit ist der erste Schritt schon getan!

In unserer Arbeit wird mir Tag täglich bewusster, wie immens wichtig die geringe Zeit der Ausbildung für unsere Auszubildenden sein sollte. Auf der einen Seite möchten wir weiterhin motivierte und gut qualifizierte Mitarbeiter an unseren Standorten haben und auf der anderen Seite später von guten Pflegekräften gepflegt werden, wenn wir es einmal benötigen im Alter. Nicht selten treffen wir in der Praxis auf „frisch“ examinierte Pflegekräfte, denen es schon an den Grundkenntnissen mangelt. Anstatt uns über diese Pflegekräfte zu ärgern sollten wir uns alle bewusst machen, dass wir es sind die diese Kräfte ausgebildet haben. Jeder der in seinem Alltag in der Praxis mit Schülern arbeitet, für sie Verantwortung übernimmt, sie anleitet und beschäftigt bildet das Netzwerk für gute Ausbildung.

Was hilft uns ein Lehrplan für die schulische Ausbildung, wenn die Inhalte nicht in der Praxis gefordert und übertragen werden. Diese Verantwortung liegt bei uns Pflegekräften, wir bilden in erster Linie unsere zukünftigen Kollegen, Vorgesetzten und evtl. auch unsere eigene spätere Pflegekraft aus.

Wir haben zu verantworten, dass sie lernen können in guter Atmosphäre, ein Gefühl für Risiken, Verantwortung und Empathie entwickeln, Menschen in ihrer Individualität kennenlernen und respektieren können. Den einfühlsamen Umgang mit Angehörigen, der Umgang mit demenziell erkrankten Menschen, herausforderndes Verhalten einschätzen und sich selbst im Alltag zu schützen, das alles kann man nicht theoretisch behandeln, in Klausuren abfragen oder auswendig lernen.

All diese Dinge sind ein Prozess der selbst nach 3 Jahren Ausbildung noch lange nicht abgeschlossen ist, sondern während unseres gesamten Berufslebens weiter wächst an Erfahrungen und Übung.

Falls sie jetzt Bedenken haben meine Ideen wären wie in vielen anderen pädagogischen Werken zu theoretisch, nicht umsetzbar oder wieder eine Idee eines „Schreibtischtäters“, kann ich ihnen diese Sorge direkt nehmen. Ich arbeite in der Praxis, genau gesagt in einem ambulanten Dienst, habe nicht studiert und hatte auch gefühlt immer zu wenig Zeit für unsere Auszubildenden. Alle meine Ideen und Ansätze habe ich in der Praxis erprobt, werde stets Beispiele aus meinen Erfahrungen einbringen und arbeite noch immer mit der Methode der Lernaufgaben.

Die in diesem Buch beschriebenen Beispiele und Lernaufgaben, stammen alle aus der ambulanten Pflege, sind aber bis auf wenige Ausnahmen bei kleinen Textänderungen in allen Bereichen anwendbar.

Ich wünsche schon vorab viel Erfolg beim Ausprobieren und Sammeln von Erfahrungen.

Inhaltsverzeichnis

Von der Motivation zur Veränderung

Was gibt uns die Motivation etwas verändern zu wollen? Sind es die vielen Erfahrungen die uns selbst in der Ausbildung begegneten? Haben uns diese motiviert etwas „besser“ machen zu wollen? Vielleicht ist es auch die derzeitige Qualität von Ausbildung in unserem Arbeitsbereich, der Mangel an Zeit und die Unzufriedenheit der Schüler? Auf allen Seiten wird sich beklagt. Schüler, Praxisanleiter und Schulen sind sich eigentlich einig das Veränderungen kommen müssen, doch alle Pläne der Politik und die generalisierte Ausbildung werden an der Situation auf den Stationen, den Teams im ambulanten Dienst und vielen weiteren Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege, der Behindertenhilfe und Tagespflegen nicht viel ändern. Während wir auf ein Wunder warten, entlassen wir tausende schlecht ausgebildete und demotivierte Auszubildende nach dem Examen ins Berufsleben. Fehlende Praxiserfahrung und Fachwissen macht diese jungen Kollegen zu unsicheren, nicht selten überforderten Pflegekräften. Die Chance das ein Schüler der mit seiner Ausbildung zufrieden war auch im Betrieb bleibt ist dagegen sehr hoch. Das Rezept ist daher eigentlich simpel: Bilde deine Auszubildenden gut aus, kümmere dich um sie und du erhältst zuverlässige und treue Pflegefachkräfte für die Zukunft.

Investieren wir unsere Motivation und ein wenig Zeit! Zu Beginn sollten wir uns aber nicht nur unsere Motivation ansehen, sondern auch die der Auszubildenden. Wir sollten lernen zu verstehen warum ein Auszubildender ist wie er ist und was er braucht um eine selbstbewusste Fachkraft zu werden. Vielleicht bin ich im nachfolgenden Kapitel etwas zu hart mit meinen Kollegen, man möge es mir verzeihen, aber deutliche Worte sind bei dieser wichtigen Thematik auch angebracht. Seien sie nachfolgend einfach mal ehrlich mit sich selbst und sie werden sich und Andere klarer sehen und Beweggründe verstehen.

Der „gute“ Auszubildende

Was macht einen guten Auszubildenden aus? Uns fallen da etliche Eigenschaften ein die wir zweifelsohne aus dem Stegreif aufzählen können. Er ist motiviert, interessiert, sieht die Arbeit, ist fleißig, ist schnell, ist zurückhaltend, ist empathisch, fragt von sich aus, ist pünktlich, wirkt gepflegt, ist freundlich und vor allen Dingen ist er unauffällig in jeglicher Form. Zu diesen erwünschten Typen von Auszubildenden komme ich noch ausgiebig. Wenn wir unser Team nun einmal betrachten in dem wir arbeiten, wer erfüllt hier nach etlichen Berufsjahren und reichhaltiger Erfahrung in der Pflege, sei er auch noch so qualifiziert, diese Anforderungen? Wir erwarten das aber wie selbstverständlich von jedem jungen, unerfahrenen Auszubildenden und zwar vom ersten Tag seines Einsatzes auf der Station oder dem Team.

Ich zitiere an dieser Stelle gerne meine Dozentin aus der Weiterbildung zur Praxisanleiterin nachdem alle Anwesenden ausgiebig ihre Erwartungen präsentiert hatten. „Dürfen die das auch bei euch lernen?“ und „Das einzige was ihr von einem Auszubildenden am ersten Tag erwarten könnt, er ist pünktlich, er ist angezogen und nicht intoxikiert“.

Wenn man sich nun diese Aussagen verinnerlicht und den Auszubildenden bei ersten Kontakt begrüßt , kann man schon mal zufrieden sagen, dass er die Erwartungen in den meisten Fällen sehr wohl erfüllt. Was sonst in ihm steckt finden wir nun heraus.

Nachfolgend stelle ich hier einmal ein paar Auszubildenden-Typen vor die ich in meiner Praxis kennengelernt habe. Jeder dieser Auszubildenden würde sein Examen bestehen oder hat es bereits bestanden. Bei der Vorstellung fragen sie sich einfach einmal kurz, ob sie diesen Typus von Auszubildenden gerne auf ihrer Station oder Team gehabt hätten und überlegen sie, ob sie gerne mit ihm zusammenarbeiten würden, wo er ja jetzt eine examinierte Fachkraft ist.

Der Fleißige

Er ist sofort interessiert an den Abläufen, fragt immer ob er noch helfen kann, er erledigt seine Arbeit schnell und effektiv, in ruhigen Phasen sieht man ihn immer Wäschesäcke wegbringen, Betten beziehen und wenn es in der Pause klingelt springt er wie selbstverständlich auf. Gerne lädt man hier unbeliebte Arbeit ab, auf dem Flur sieht man ihn selten, wenn man etwas von ihm möchte muss man ihn häufig suchen, er ist ja immer beschäftigt aber so ungeheuer fleißig. Schnell wird dieser Schüler jeglicher Kontrolle entwischen und Anleitung wird er nicht bekommen, denn er macht ja alles. In der Beurteilung wird stehen, wie motiviert er war, hat sich gut ins Team eingebracht, war zuverlässig und zeigte viel Einsatzbereitschaft. Tolle Beurteilung, sicher gut für die Vornote (in der Altenpflege von Wert) und ein gutes Gefühl auf beiden Seiten. Überprüfung von Kompetenzen, Lernerfolge und fachliches Begründen der Tätigkeiten leider Fehlanzeige. Angekommen und Abgetaucht in der Hektik des Alltags. Ob dieser Schüler über eine Fachkompetenz verfügt, ob er Hygienestandards einhält und ob er Behandlungen und Pflege richtig durchführt, wird kaum einer beurteilen können. Zum Examen bekommt er weiche Knie. Da wird schnell noch mal nachgeschlagen welche Waschrichtung denn nun richtig ist und gehofft der Patient möge nicht zu anspruchsvoll sein am Tag der Prüfung.

Der Unsichere

Dieser Auszubildende wird am ersten Morgen leise um die Ecke kommen, vorsichtig nach einem Ansprechpartner fragen und sich schnell eine Bezugsperson herauspicken. Wann immer es möglich ist, heftet er sich an die Fersen der Anderen, scheut eigenverantwortliches Arbeiten und wirkt schnell überfordert. Nötigt man ihn etwas zu tun was er ja vielleicht schon können müsste und das auch noch alleine wird er sehr nervös an die Arbeit herangehen. Wer nervös ist macht Fehler, und wer Angst hat erst recht! Er wirkt schnell etwas schusselig und an irgendeinem Punkt werden sie ihm sicher einmal vor den Kopf werfen: „das musst du doch schon können und in der Schule hattet ihr das auch schon“.

Für diesen Schüler dreht sich die Spirale immer weiter abwärts wenn er stets darin bestätigt wird, dass er es ja eh nicht kann. Er vermeidet somit jede Situation die seine „Fehler“ preisgeben da er gelernt hat, dass er diese Wissenslücken und Kompetenzlücken nicht haben sollte. Sicherlich wird er immer wieder Anleitung fordern, wird aber über den Grad von Vorführung durch Anleiter und Beobachtung nie hinwegkommen. In der Beurteilung wird er wahrscheinlich als Interessiert, etwas unsicher und wenig Eigeninitiative zeigend beschrieben. Zum Examen sind Prüfungsängste vorprogrammiert.

Der Besserwisser

Dieser Charakter hat wahrscheinlich im theoretischen Unterricht stets gute Noten, ein hohes Maß an Selbstbewusstsein und schreckt nicht davor zurück das auch allen mitzuteilen. Dieser Schüler wird in der Praxis sein theoretisches Wissen zu 100% umsetzen wollen, er korrigiert die anleitenden Fachkräfte und bemängelt die aus seiner Sicht mangelhafte Pflege und Struktur auf Station. Bei allen im Team wird er zunehmend unbeliebt sein. Keiner ist bereit ihn mit in die Pflege zu nehmen geschweige denn, mit ihm seine Ansichten aus zu diskutieren. Schnell wird der Besserwisser mit Tätigkeiten beschäftigt bei denen er niemanden mehr stören kann. Zur praktischen Prüfung wird er alles geben, seine mangelnde Empathie und seine mangelnde Kompetenz der fachlichen Entscheidung und Begründung zum Wohle des individuellen Bewohners wird ihm viele Punkte kosten.

Der Alleskönner