James Cook (1728 --1779) wurde als englischer Seefahrer und Entdecker berühmt durch seine erste von drei Weltumseglungen, die er genauer kartografierte als jeder andere vor ihm. Er entdeckte zahlreiche Inseln und wies nach, dass der seit der Antike postulierte Südkontinent, die Terra australis incognita, nicht existierte.

Diese Expedition wurde unternommen, um den Durchgang des Planeten Venus vor der Sonnenscheibe – den Venustransit vom 3. Juni 1769 – auf Tahiti zu beobachten. Das Ziel des astronomisches Großprojekts war es, die Entfernung Erde–Sonne und die Abstände der Planeten im Sonnensystem aus den Beobachtungsdaten zu berechnen. Cook sollte dabei die an der Expedition beteiligten Wissenschaftler und den Astronomen Charles Green samt ihren Instrumenten sicher nach Tahiti und wieder zurück bringen.

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Der Naturwissenschaftler Dipl.-Math. Klaus-Dieter Sedlacek, Jahrgang 1948, studierte in Stuttgart neben Mathematik und Informatik auch Physik. Nach fünfundzwanzig Jahren Berufspraxis in der eigenen Firma widmet er sich nun seinen privaten Forschungsvorhaben und veröffentlicht die Ergebnisse in allgemein verständlicher Form. Darüber hinaus ist er der Herausgeber mehrerer Buchreihen unter anderem der Reihen 'Wissenschaftliche Bibliothek' und 'Wissen gemeinverständlich'.

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ISBN: 9783746001852

Inhaltsverzeichnis

Abb. 1: Kapitän James Cook, 1776

Erstes Kapitel.

Mein Auftrag. — Nach Amerika. — Ein Unglücksfall im Feuerland – Die Feuerländer und ihre Sitten. —- Fahrt nach der Südsee. —- Entdeckungen. —- Ankunft in Otahiti.

Als ich meine Bestallung erhalten hatte, die vom 25. Mai 1768 datiert war, ging ich an Bord des Endeavour, hisste die Kommandoflagge und segelte am 30. Mai nach Plymouth. Hier wurden der Mannschaft die Kriegsartikel und die Parlamentsakte vorgelesen. Zugleich wurde ihr ein zweimonatiger Sold im voraus bezahlt. Um 26. August stachen wir in See.

Um 12. September erblickten wir Porto Santo und Madeira, und am folgenden Tag kamen wir auf der Reede von Funchial an, wo wir das Schiff vor dem Stromanker festlegten. Um nächsten Tag riss beim Lichten das Seil des Ankerpfahls den Oberbootsmann Wein über Bord, und er ging mit dem Anker unter.

Dieser wurde sofort wieder gehoben, allein es war zu spät. Der Unglückliche, dessen Körper sich in das Seil verwickelt hatte, war ertrunken. In der Nacht vom 18. auf den 19. gingen wir wieder unter Segel.

Auf dem Weg von Teneriffa nach Bonavista sahen wir eine große Menge fliegender Fische. Am 25. Oktober segelten wir in der Länge von 29 Graden 30 Minuten mit den üblichen Feierlichkeiten durch den Äquator. Am Abend des 29. beobachteten wir jenen lichten Glanz in der See, den die Seefahrer so oft erwähnen. Über seine Entstehung waren die Forscher verschiedener Meinung. Wir waren der Ansicht, dass er von irgendeinem glänzenden Tier herrührt, und fanden, nachdem wir ein kleines Netz ausgeworfen hatten, unsere Meinung bestätigt, denn wir fingen eine Medusenart, die an Bord ein weißes Licht von sich gab. Gleichzeitig fingen wir auch verschiedene kleine Krebse, die, obschon sie zehnmal kleiner als Johanniswürmchen sind, doch ebenso stark wie diese leuchteten. Herr Banks konstatierte mit vielem Vergnügen, dass alle diese Tierchen noch von niemand beschrieben worden waren.

Abb. 2: Die Endeavour. beim Auslaufen.

Um 8. November erblickten wir die Küste von Brasilien. Wir lavierten dann bis zum 12. längs der Küste hin, und am 13. segelten wir dem Hafen von Rio de Janeiro zu. Wir waren vom 14. November bis zum 7. Dezember hier1. Dr. Solander war einmal an Land, ich selbst verschiedene Male, und Herr Banks fand ebenfalls Gelegenheit, sich durch die Wachen zu schleichen. Dr. Solander sagte mir in Bestätigung der verdammenden Urteile mehrerer Reisenden über die Sittenlosigkeit der Damen von Rio de Janeiro, dass sobald es dunkel geworden wäre, sich fast alle Damen in den Fenstern gezeigt und die vorübergehenden Herren, soweit sie ihnen zusagten, mit Blumen überschüttet hätten. Was in einem Land eine unanständige Vertraulichkeit ist, ist in einem anderen Land Sitte. Ich für meinen Teil kann nichts weiter sagen, als dass ich von der Wahrheit der Sache selbst sehr überzeugt bin.

Am 14. Januar 1769 liefen wir in die Le Mairestraße ein. Wir wurden aber durch die Strömung vertrieben. Und gingen schließlich in der „Bai des guten Successes“ vor Anker. Am 16. gingen Banks und Dr. Solander mit ihren Leuten, unserem Schiffsarzt Monkhouse und Herrn Green, dem Astronomen, an Land, um Pflanzen zu suchen. Dabei überfiel sie ein Schneegestöber. Eine eisige Kälte setzte ein, sodass Dr. Solander der ermüdeten Gesellschaft den Rat gab, sich des Schlafes zu erwehren. „Wer sich niedersetzt“, sagte er, „der wird einschlafen, und wer einschläft, wird nicht mehr erwachen!“ Und er war der Erste, der dem Drang zu schlafen folgte. Umsonst bat ihn Herr Banks, sich zu ermannen; er legte sich nieder. Und seinem Beispiel folgte der Schwarze Richmond, ein Diener von Banks, der auf alle Vorhaltungen nur antwortete, dass er nichts weiter verlange, als sich niederzulegen und zu sterben. Der Doktor erklärte — obschon er kurz vorher gewarnt hatte: „Hier einschlafen und sterben sei eins“ — er wolle gerne fortgehen, müsse aber vorher ein wenig schlafen. In kaum zwei Minuten fielen beide in tiefen Schlaf. Bald darauf kam einer von den ausgeschickten Leuten mit der angenehmen Meldung, dass an geschützter Stelle im Wald ein Feuer angezündet worden sei. Herrn Banks gelang es mit vieler Mühe den Doktor auszuwerfen Obgleich dieser nicht länger als fünf Minuten geschlafen hatte, so war er doch nicht mehr imstande seine Glieder zu gebrauchen; seine Muskeln waren so sehr eingeschrumpft, dass ihm die Schuhe von den Füßen fielen. Trotzdem erklärte er sich zum Marsch bereit, wenn man ihn unterstütze. Der arme Richmond war nicht wachzukriegen. Herr Banks ließ seinen zweiten Schwarzen und einen Matrosen, die am wenigsten von der Kälte gelitten zu haben schienen, als Wache zurück und versprach sie bald abzulösen. Hierauf schleppte er den Doktor zum Feuer hin. Später sandte er zwei Leute, nachdem sie sich durchwärmt hatten, mit dem Auftrag ab, Richmond mithilfe seiner Wache herbeizuschleppen.

Nach einer halben Stunde kamen sie mit der Nachricht wieder, dass sie trotz eifrigen Suchens und Rufens von den drei Zurückgebliebenen keine Spur entdeckt hätten.

Zum Unglück fing es stark zu schneien an, so dass man alle Hoffnung auf die Rettung der Verunglückten aufgab. Um Mitternacht hörte man in einiger Entfernung rufen. Herr Banks machte sich sogleich mit vier Leuten auf den Weg und fand den Matrosen, der kaum noch die Kräfte hatte, heranzutaumeln und um Hilfe zu rufen. Man brachte ihn sogleich zum Feuer, nachdem er die Richtung angegeben hatte, wo er sich von seinen Gefährten getrennt hatte. Herr Banks fand die Gesuchten dann auch glücklich auf. Richmond stand auf den Füßen, war aber nicht imstande, sich zu bewegen. Sein Gefährte lag auf dem Boden und war unempfindlich wie ein Stein. Banks alarmierte jedermann am Feuer. Allein die vereinten Kräfte der ganzen Gesellschaft reichten nicht hin, die Verunglückten nach dem Feuer zu schleppen. Die Finsternis und der tiefe Schnee erschwerten das Fortkommen derart, dass jeder Einzelne genug mit sich zu tun hatte. Da auch des fallenden Schnees wegen der Versuch, an Ort und Stelle Feuer anzuzünden, scheiterte, so sah man sich in die traurige Notwendigkeit versetzt, die Unglücklichen ihrem Schicksal zu überlassen. Man machte ihnen ein Lager von Zweigen zurecht und bedeckte sie mit Reisern und Laub. Die Kälte und der Schnee setzten den Rettern derart zu, dass einige von ihnen gefühllos zu werden begannen; Banks’ Diener Briscoe wurde so krank, dass man glaubte, er würde sterben. Endlich erreichten sie ihre Lagerstätte, doch brachten sie die Nacht in der fürchterlichsten Gemütsverfassung zu.

Von den zwölf Personen, die in guter Gesundheit aufgebrochen waren, hielt man zwei für tot, ein Dritter war schwer erkrankt, die übrigen litten unbeschreiblich. Man war eine starke Tagesreise vom Schiff entfernt. Der Weg dahin ging durch unbekannte Wälder.

Wie leicht konnte man sich hier verirren! Außerdem war der Proviant aufgezehrt. Dabei diese furchtbare Kälte, die man selbst in Lappland für etwas Unerhörtes halten würde.

Dumpf vor sich hinbrütend wartete jedermann auf den Tagesanbruch Um sechs Uhr des Morgens fasste man Hoffnung. Das Gewölk fing an sich zu zerteilen, und man konnte den Ort sehen, wo die Sonne hervorbrechen wollte. Herr Banks ließ sofort nach den beiden Verunglückten sehen und erhielt die traurige Gewissheit, dass sie gestorben waren. Um acht Uhr stellte sich Tauwetter ein, und da sich die Kranken besser fühlten, so brach die Gesellschaft, nachdem sie einen Geier roh verspeist hatte, um zehn Uhr auf.

Nach einer dreistündigen, beschwerlichen Wanderung sahen sich die Verirrten am Strand und in der Nähe des Schiffes. Sobald sie an Bord waren, wünschten sie einander zu ihrer Rettung Glück; ich selbst hatte wegen ihres Ausbleibens große Angst ausgestanden und nahm daher freudigen Herzens an dem allgemeinen Jubel teil.

Abb. 3: Feuerländer Indianer in ihrer Hütte (nach einem alten Stich).

Um 20. Dezember suchte Herr Banks in Begleitung des Doktors das Dorf einiger feuerländischer Familien auf, das sich nach dem Bericht unserer Leute etwa zwei Meilen landeinwärts befinden sollte. Als sie sich dem Dorf näherten, kamen ihnen zwei Feuerländer im Sonntagsstaat entgegen und begrüßten sie mit lautem Freudengeschrei. Dann geleiteten die Feuerländer ihre vornehmen Gäste in das Dorf, das auf einem waldigen Hügel aufgebaut war und etwa aus fünfzehn äußerst primitiven Hütten bestand, die die Gestalt großer Bienenkörbe hatten. Von Hausgeräten war hier nichts zu sehen. Eine Rasenbank vertrat die Stelle eines Bettes und der Stühle, die Blase irgendeines Tieres diente als Wasserbehälter, ein Handkorb und ein Ranzen bildeten den ganzen Reichtum dieser Leute. Der ganze Stamm, Männer und Weiber, Jung und Alt, zählte kaum fünfzig Personen. Ihre Hautfarbe war eisenrostartig. Die Männer sind bis zu 5 Fuß 10 Zoll groß und in Bewegung und Haltung vierschrötig, die Weiber sind bedeutend kleiner. Die Kleidung besteht aus dem Fell eines Seehunds oder eines Guanicoes, das ungegerbt über die Schulter geworfen wird. Die Männer tragen das Fell offen; die Weiber, denen ein kleiner Lappen als „Feigenblatt dient, binden es mit einem Riemen um den Leib. Obwohl Männer wie Weiber sonst ganz nackt gehen, so bemalen sie doch ihr Gesicht mit weißen, grellroten und schwarzen Figuren und Streifen und tragen am Arm und an den Fußgelenken Armbänder aus kleinen Muscheln und Knochen. Die liebe Eitelkeit ging so weit, dass sie sogar Glaskorallen den Messern und Beilen verzogen.

Die Sprache besteht zum größten Teil aus Gurgellauten, wie wir sie ausstoßen, wenn uns etwas in die falsche Kehle gekommen ist; doch sagen sie für Zierraten: halleca, und für Wasser: ooda. Sie leben in der Hauptsache von Muscheltieren. Die Waffe dieser Naturmenschen, Pfeil und Bogen, war der einzige Gegenstand, in dessen Verfertigung sie Geschmack und Begabung zeigten. Da sie im Besitz von unechten Ringen, Knöpfen, Tuch und sonstigem Zeug waren, und da seit vielen Jahren kein europäisches Schiff so weit nach Süden vorgedrungen ist, so liegt die Annahme nahe, dass dieser Stamm nomadisierend in der Terra del Fuego lebte und vom Norden gekommen sein musste.

Auch kannten sie die Waffe der Weißen, unser Gewehr, denn sie baten Herrn Banks einen Seehund zu erlegen, der sich in der Nähe zeigte. Unter ihnen herrschte vollkommene Gleichheit. Keiner war Herrscher im Land, trotzdem lebten sie in vollkommener Eintracht miteinander. Auch hatten sie keine Götzen und wohl auch keine Religion. Das abergläubische Geschrei, mit dem sie uns durch ihre „Priester“ beschworen, kann doch keine Religionsbetätigung2 sein. Im Ganzen genommen schienen diese menschenähnlichen, armseligen, hilflosen Wesen der Auswurf der Menschheit zu sein. Hingegen sind sie auch der bitteren Sorgen ledig, die uns unsere verfeinerte Kultur aufbürdet, um die Begierden, die sie schafft, stillen zu können.

Um 26. Januar steuerten wir vom Kap Horn ab.

Um 13. Februar befanden wir uns 12° westwärts von der Magellanstraße. Erst am 4. April sichtete Peter Briscoe, ein Diener Banks’, im Süden Land.

Ich richtete sogleich meinen Kurs dahin und fand, dass es sich um eine eiförmige Insel handelte, in deren Mitte sich eine Lagune befand. Ich taufte sie deshalb die Laguneninsel. Die kupferfarbigen Bewohner dieser Insel sammelten sich am Strand und trugen große Spieße, mit denen sie aufgeregt hin und her liefen.

Um ein Uhr steuerten wir nach Nordwesten und entdeckten eine neue Insel, die ich Thrumbkap nannte.

Um drei Uhr fanden wir eine armbrustartige Insel, die bewohnt war; ich hieß sie die Bow-Insel, Bogeninsel. Am 6. entdeckten wir verschiedene Eilande, die ich die „Gruppen“ nannte, am 7. die Vogelinsel, am 8. die Ketteninsel, am 10. Maitea, die Kapitän Wallis zuerst entdeckt und die er Osnabrückinsel genannt hatte.

Abb. 4: Ankunft in der Matavaibai.

Am folgenden Morgen früh entdeckten wir Otahiti.

Um 11 Uhr waren wir so nahe, dass verschiedene Kähne mit Eingeborenen, die Palmzweige mit sich führten, uns anliefen und uns die Zweige als Friedenszeichen überreichten. Um nächsten Morgen um 7 Uhr gingen wir in der Port Royal Bai, die von den Eingeborenen Matavai genannt wird, vor Anker. Die Eingeborenen umringten das Schiff sofort mit ihren Kähnen und brachten uns Kokosnüsse, Äpfel, Brotfrüchte und Fische, die sie uns für Glaskorallen und andere Kleinigkeiten überließen. Unter ihnen befand sich Owhah, ein alter Häuptling, den die früheren Begleiter des Kapitäns Wallis, Herr Gore und andere, die mich auf meiner Reise begleiteten, sofort erkannten.

Ich lud den alten Herrn an Bord und machte ihm einige Geschenke. Zugleich ordnete ich durch einen Befehl den Verkehr meiner Leute mit den Eingeborenen, um Preisdrückereien und anderem vorzubeugen. Hauptsächlich untersagte ich, dass Waren gegen irgendetwas anderes als Lebensmittel umgetauscht werden sollten. Sobald das Schiff gehörig gesichert war, ging ich mit den Herren Banks und Dr. Solander unter dem Schutz einer Abteilung Seesoldaten mit unserem Freund Owhah an Land. Die zahlreich versammelten Eingeborenen ließen uns grüne Zweige überreichen und bezeigten uns große Ehrfurcht. Am nächsten Tag kamen zwei Häuptlinge an Bord und wählten Herrn Banks und mich mit großem Zeremoniell zu ihren Freunden. Mataha lud uns dann zu sich ein.

Weil ich einen bequemeren Hafen zu finden hoffte, ließ ich zwei Boote aussetzen und ging mit Banks, Dr. Solander und den anderen Herren in Gesellschaft unserer beiden eingeborenen Freunde an Bord, um unter der Führung der letzteren die Reise anzutreten. Als wir eine Seemeile weit gerudert waren, winkten uns die Häuptlinge an Land zu steuern. Der Zulauf des Volkes war so groß, dass wir uns bald von etlichen Hundert Personen umringt sahen. Man geleitete uns sofort in ein stattliches Haus, wo uns Tootahah, der Regent des Landes, begrüßte und mit dem Geschenk wohlriechender Tücher bedachte. Das Tuch, das er Herrn Banks überreichen ließ, war 33 Fuß lang und 6 Fuß breit.

Herr Banks erwiderte das Geschenk mit einem seidenen Spitzenhalstuch und mit einem Taschentuch. Tootahah legte den neuen Staat mit stolzer und selbstgefälliger Miene an. Doch es ist Zeit, dass ich auch die Damen erwähne, die uns nach unserer Verabschiedung von dem Oberhäuptling in ihre Häuser geleiteten. Sie erwiesen uns alle Aufmerksamkeiten und schienen auch kein Bedenken zu tragen, ihre Gefälligkeiten allenfalls noch weiter zu treiben. Die Häuser hatten keine Seitenwände, man blieb also niemals ungesehen. Das hinderte die Schönen nicht, auf die Matten zu deuten, sich niederzulassen und uns zu sich hinabzuziehen. Wir beurlaubten uns jedoch von ihnen und gingen der Küste entlang. Unterwegs begegnete uns der Häuptling Tubourai Tamaide an der Spitze seiner Leute. Wir schlossen sofort einen Friedensvertrag mit ihm ab und folgten dann seiner Einladung zu einem Imbiss.

Während der Tafel erwies eine von den Gemahlinnen des Häuptlings, die Tomio hieß, Herrn Banks die Ehre, sich dicht neben ihn zu setzen. Tomio war nicht mehr in der Blüte ihrer Jugend und Schönheit. Aus diesem Grunde schenkte ihr auch Herr Banks keine besonderen Aufmerksamkeiten. Als ihm unter den Umstehenden ein sehr schönes Mädchen in die Augen fiel, winkte er sie heran. Die Schöne zierte sich anfänglich, folgte dann aber der Einladung. Nun beschenkte sie Banks mit Glaskorallen und anderen Kleinigkeiten. Tomio war zwar etwas beleidigt, aber sie blieb ebenso aufmerksam und höflich gegen ihren Gast wie zuvor. Diese Szene hätte wohl noch interessanter und rührender werden können, wäre sie nicht durch einen ernsten Zwischenfall gestört worden. Dr. Solander und Herr Monkhouse machten nämlich die unangenehme Entdeckung, dass sie bestohlen worden waren, und zwar war Ersterer um ein kleines Taschenperspektiv und Letzterer um seine Schnupftabakdose bestohlen. Dieser Diebstahl verdarb allen die gute Laune. Die Herren beschwerten sich bei dem Häuptling. Und um der Beschwerde mehr Nachdruck zu geben, sprang Herr Banks auf und stieß mit drohender Gebärde den Kolben seiner Büchse auf den Boden, wodurch er der ganzen Gesellschaft einen solchen Schrecken einjagte, dass sie Hals über Kopf zum Haus hinauslief. Dem Häuptling gelang es binnen Kurzem, die gestohlenen Gegenstände herbeizuschaffen und ihren rechtmäßigen Eigentümern auszuhändigen, worauf wir versöhnt nach dem Schiff zurückkehrten.


1 Cook wurde von dem ungebildeten Vizekönig, der sich den Durchgang der Venus als den „Durchgang des Nordsterns durch den Südpol“ erklärte, aufs Äußerste schikaniert, als Feind behandelt, scharf bewacht und in jeder Weise aufgehalten.

2 Die „Weißen“ galten den Mexikanern nicht als die Repräsentanten der guten Götter, sondern als die des Dämons. Als solche galten auch Cook und seine Leute den Feuerländern, deren primitive Religion in der Versöhnung des Bösen bestand, da ja das Gute nicht zu fürchten war.

Zweites Kapitel.

Die Bewohner von Tahiti. —- Ihre Stehlsucht. — Wir bauen ein Fort. — Lustbarkeiten — Oberea die Königin, und ihr Günstling. — Tootahah, der Regent. — Ringkämpfe. — Seltsame Besuchssitte. — Freie Liebe.

Am nächsten Tag ging ich mit den Herren Banks, Dr. Solander und Green an Land, um dort einen Platz für ein kleines Fort und unsere Sternwarte aufzusuchen. Wir waren bald über den Platz schlüssig und steckten auf der nordöstlichen Spitze der Bai die Grenzen ab, wo wir auch ein Herrn Banks gehörendes Zelt aufschlugen. Wie bei allem, was wir taten, so versammelte sich auch diesmal eine große Menge Zuschauer, die ohne Waffen gekommen waren, um uns.

Unter ihnen befand sich auch Owhah, dem ich durch Zeichen verständlich zu machen suchte, dass wir den Platz, den wir abgesteckt hatten, nicht für immer, sondern nur für die Zeit unseres Aufenthalts beanspruchten. Ich kann nicht sagen, ob er mich verstanden hat. Die Eingeborenen betragen sich zu meiner Freude gefällig und ehrerbietig; sie hockten ganz friedfertig außerhalb des abgesteckten Kreises nieder und schauten uns zu, solange wir arbeiteten.

Wir beschlossen, obwohl uns Owhah durch Zeichen abriet, uns im Innern des Waldes umzusehen. Wir ließen unsere Seesoldaten unter dem Befehl eines Unteroffiziers zur Bewachung des Zeltes zurück und begaben uns in Begleitung einer großen Anzahl Eingeborener in den Wald. Als wir über einen kleinen Fluss setzten, flogen einige Enten auf. Banks schoss und erlegte drei Stück davon. Der Schuss jagte den Eingeborenen einen solchen Schrecken ein, dass die meisten wie vom Blitz getroffen zu Boden fielen; doch sie erholten sich bald von ihrer Furcht, und wir setzten unsere Reise fort. Plötzlich fielen zwei Schüsse in der Richtung des Zeltes. Wir brachen in großer Besorgnis so schnell als möglich dorthin auf und fanden den Platz um das Zelt von den Eingeborenen geräumt.

Der wachhabende Unteroffizier meldete, dass einer der Eingeborenen dem Posten das Gewehr entrissen habe und damit entflohen sei. Man habe ihn verfolgt und erschossen, sonst sei niemand getötet oder verwundet worden. Wir rechtfertigten Owhah und den Häuptlingen gegenüber das Vorgehen unserer Leute und bedeuteten ihnen, dass wir niemand ein Leid zufügen würden, der uns und unsere Leute in Frieden lasse. Wir brachen hierauf das Zelt ab und gingen ärgerlich über den Vorfall an Bord.

Am folgenden Morgen war der Strand ziemlich leer. Niemand von unseren eingeborenen Freunden, selbst unser treuer Owhah nicht, ließ sich blicken Beweis genug, dass man uns grollte. Unter diesen Umständen segelte ich näher an die Küste und legte das Schiff so vor Anker, dass unsere Kanonen den ganzen nordöstlichen Teil der Bai und insbesondere den Platz bestreichen konnten, den ich zur Erbauung des Forts abgesteckt hatte. Am 17. starb zu unserem größten Leidwesen Herr Buchan, ein begabter Maler, den Herr Banks mitgenommen hatte, an den Folgen des Abenteuers auf der Terra del Fuego. Aus Rücksicht auf die Eingeborenen begruben wir ihn nicht auf der Insel, sondern wir übergaben seinen Leichnam unter großen Feierlichkeiten der See. Am Vormittag desselben Tages statteten uns Tootahah und Tubourai Tamaide ihren Gegenbesuch ab. Auch brachten sie Geschenke mit, Brotfrucht und ein gebratenes Schwein. Ich machte jedem ein Beil und einen Nagel zum Gegengeschenk. Am Abend gingen wir an Land und schlugen ein Zelt auf, worin Green und ich die Nacht zubrachten, um eine Finsternis des Jupitertrabanten zu beobachten; weil sich aber der Himmel bewölkte, wurde nichts daraus.

Nach Anbruch des Tages begannen wir mit dem Bau des Forts. Zu meiner Beruhigung machten sich die Eingeborenen dadurch nützlich, dass sie die im Wald gehauenen Pfosten und Faschinen herbeischleppten, die ich ihnen ehrlich bezahlt hatte. Kein Baum war ohne ihre Erlaubnis gefällt worden. Diese Rücksichtnahme auf ihre Eigentumsrechte machte so guten Eindruck, dass der Oberhäuptling Tamaide bei einem Besuch nicht nur seine Familie, sondern auch das Wetterdach eines Hauses und allerhand Baugeräte mitbrachte und erklärte, seine Residenz in unserer Nachbarschaft aufschlagen zu wollen. Am 22. veranstaltete Tootahah ein Konzert zu unseren Ehren. Das Orchester bestand aus vier Flötisten, die ihr Instrument mit der Nase bliesen, und vier Sängern, die immer eine und dieselbe Melodie spielten und sangen. An einem Abend lieh Dr. Solander einer von den Frauen Tamaides sein Messer, bekam es aber nicht wieder; am folgenden Morgen vermisste Herr Banks das Seinige. Bei dieser Gelegenheit will ich betonen, dass unterschiedslos die Männer und die Frauen dieses Volkes die größten Diebe auf Erden sind.

Bereits am Tag unserer Ankunft, als uns die Eingeborenen an Bord unseres Schiffes besuchten, waren die Häuptlinge ebenso beschäftigt unsere Kabinen zu bestehlen, wie ihre Leute die anderen Teile des Schiffes. Banks beschuldigte Tamaide, ihm sein Messer gestohlen zu haben. Der Oberhäuptling leugnete feierlich. Banks erfuhr bald, dass sein eigener Bedienter das Messer verlegt hatte, und er beeilte sich, den Häuptling zu versöhnen.

Am 26. stellte ich sechs Drehbassen im Fort auf, wodurch die Eingeborenen in Furcht gerieten; einige Fischer, die auf der Landspitze der Bai wohnten, verzogen deshalb nach dem Innern der Insel. Am nächsten Morgen langten zahlreiche Kähne an, und die Zelte im Fort wimmelten von Männern und Frauen, die aus allen Teilen der Insel hergekommen waren.

Ich hatte an Bord zu tun; allein unser Steuermann Mollineux, der schon einmal mit Kapitän Wallis in Otahiti war, ging für mich an Land. Als er in das Zelt des Herrn Banks trat, fiel ihm sofort eine Frau auf, die mit mehreren anderen dort saß. Kaum erblickte er sie, so erkannte er in ihr Oberea, die Königin der Insel, die nach dem Zeugnis des Kapitäns ihm so wertvolle Dienste geleistet hatte. Auch sie erkannte den Steuermann wieder. Oberea war sehr groß, ihre Haut war weiß und ihr Gesicht schien ungemein geistreich und empfindsam Sie war ungefähr vierzig Jahre alt und musste in ihrer Jugend sehr schön gewesen sein.

Als Banks hörte, wer sie war, erbot er sich, sie an Bord des Schiffes zu geleiten. Die Königin nahm den Vorschlag mit Freuden an und kam mit zwei Häuptlingen und ihren Frauen an Bord, wo ich sie feierlich empfing und mit Geschenken überhäufte. Am besten gefiel der erlauchten Dame eine Kinderpuppe. Alsdann begleitete ich sie an Land, wo wir Tootahah begegneten, der zwar nicht König, als Regent aber mit der höchsten Gewalt bekleidet war. Es schien ihm wenig zu gefallen, dass wir die Königin mit so großer Auszeichnung behandelten. Und als sie ihre Puppe zeigte, wurde er so eifersüchtig, dass ich ihm, um ihn zu versöhnen, auch eine Puppe schenken musste, die er sogar einem schönen Beil vorzog. Kurz danach fielen die Puppen so im Kurs, dass sie niemand mehr wollte.

Die Männer, die uns besuchten, pflegten ohne das geringste Bedenken an unserem Tisch zu speisen.

Die Frauen und Mädchen hingegen waren nie dazu zu bewegen gewesen. Auch heute lehnten sie unsere Einladung ab, verfügten sich aber in das Speisezimmer der Bedienten, wo sie es sich gut schmecken ließen.

Der Grund dieses Betragens blieb uns ein Rätsel.

Am nächsten Morgen erwiderte Herr Banks den Besuch der Königin. Es war nicht mehr sehr früh, als er erschien. Trotzdem sagte man ihm, dass sie noch unter der Wetterdecke ihres Kahnes schlafe. Er begab sich dorthin in der Absicht sie zu wecken, weil er glaubte, dass er sie durch diese etwas familiäre Art schwerlich beleidigen würde. Als er aber in ihre Kajüte blickte, fand er sie mit Obadec, einem stattlichen jungen Mann von fünfundzwanzig Jahren, zusammen.

Banks wich beschämt zurück. Man gab ihm aber zu verstehen, dass dergleichen Intimitäten landesüblich seien; außerdem wäre es kundig, dass Obadec der Günstling der Königin wäre. Zu höflich, Herrn Banks lange antichambrieren zu lassen, kleidete sich Oberea schnell an und ging dann in seiner Begleitung nach den Zelten.

Kapitän Wallis hatte eines der Steinbeile der Insulaner nach England gebracht, nach dessen Muster die Admiralität ein eisernes Beil verfertigen ließ, das ich mitnehmen musste, um den braunen Herrschaften mit unserer Industrie zu imponieren. Als ich Tootahah dieses Beil zum Geschenk machte, um ihn wegen des Forts, das ich mit zwei Vierpfündern und sechs Drehbassen bewehrt hatte, zu beruhigen, war er von dem Geschenk derart entzückt, dass er in der Furcht, das Geschenk würde mich reuen, sofort davonlief, um es in Sicherheit zu bringen. Leider wurde uns nebst mehreren anderen Gegenständen ein Quadrant gestohlen, den wir unter jeder Bedingung haben mussten.

Meine Leute setzten daher den guten Tootahah als Geisel gefangen. Zum Glück kam ich rechtzeitig zurück, um ihn zu befreien. Wir erhielten die gestohlenen Sachen ausgeliefert. Die Insulaner grollten mehrere Tage, allein es gelang uns, sie wieder vollständig zu versöhnen. Wir statteten Tootahah einen feierlichen Besuch ab.

Das Volk erwartete uns in so großer Menge am Strand, dass wir kaum hindurch gekommen wären, wenn nicht ein großer, mit einem Turban bekleideter Mann da gewesen wäre, eine Art von Zeremonienmeister, der mit einem weißen Stock um sich hieb und Platz schuf. Dieser seltsame Herr geleitete uns zum Oberhaupt, indes das Volk uns zujauchzte: „Tai Tootahah!“, Tootahah ist euer Freund! Wir fanden ihn gleich einem biblischen Erzvater, umgeben von den Ältesten seines Staates, unter einem Baum thronend. Ich überreichte ihm zu den bedungenen Versöhnungsgeschenken noch ein Oberkleid von englischem Tuch, das er mit großer Freude empfing und sofort anlegte, und ein Hemd, das er seinem Zeremonienmeister übergab.

Dann lud er uns zu einem Wettkampf, einem Ringkampf ein, den er uns zu Ehren veranstaltet hatte.

Wir wurden nach einem großen Platz geführt, der von einem etwa drei Fuß hohen Rohrgitter umgeben und an die Residenz des Oberhäuptlings angebaut war. Tootahah saß in der Mitte der Preisrichter; wir zogen es vor, uns frei umherzubewegen. Als alles bereit war, traten die Kämpfer in den Kreis.

Sie waren bis auf ein Hüfttuch nackt. Die Anfangszeremonien des Ringkampfes bestanden darin, dass die Ringer in gebückter Haltung langsam rund im Kreise herumgingen und dabei die linke Hand auf ihre rechte Brust legten, während sie mit der rechten Hand den Takt auf ihrem linken Arm schlugen, eine Herausforderung an alle, die mit ihnen ringen wollten. Die direkte Herausforderung bestand noch darin, dass der einzelne Ringkämpfer seinen Gegner zum Kampf einlud, indem er die Hände auf die Brust legte und mit den Ellenbogen wippte. Hatte der Gegner dasselbe getan, so fuhren beide aufeinander los, wobei jeder seinen Gegner regellos zu packen suchte, an den Beinen, an den Armen, um den Leib und selbst an den Haaren, wobei nur die rohe Kraft entschied. Doch musste der Sieger den Besiegten auf den Rücken legen. Während des Ringens tanzten Tänzer einen der charakteristischen monotonen Tänze. Mit Erbitterung wurde nirgends gerungen. Wir konstatierten sogar, dass die Besiegten über ihr Pech lachten und scherzten. Das Wettringen dauerte etwa zwei