Cover

Table of Contents

Allergien & Unverträglichkeiten lindern mit dem VIVAMAYR-Prinzip

Impressum

Einleitung

Grundlagen

Allergien und der Verdauungsapparat

Die Rolle von Histamin bei Entzündung und Allergie

Allergie und Lymphsystem

Unverträglichkeit von Kohlenhydraten

Wie erkennt man eine Allergie oder Intoleranz?

Behandlung allergischer Erkrankungen mit dem VIVAMAYR-Prinzip

Praktische Durchführung der VIVAMAYR-Therapie bei Allergie und Intoleranz

Praktische Tipps bei bestimmten Krankheitsbildern

Zusammenfassung: Von der Modernen Mayr-Medizin zum VIVAMAYR-Prinzip

Ausgewählte Literatur

Kontakt

Autoren

Prof. Dr. med. Harald Stossier

Dr. med. Georg Stossier

 

Allergien & Unverträglichkeiten

lindern mit dem VIVAMAYR-Prinzip

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildungsnachweis

Bilder: Archiv VIVAMAYR-Klinik, aus den gekennzeichneten Bildern.

Grafiken: Andrea Malek

 

 

 

 

Impressum

 

© Verlagshaus der Ärzte GmbH, Nibelungengasse 13, A-1010 Wien

www.aerzteverlagshaus.at

 

1. Auflage 2019

 

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwendung, vorbehalten.

 

ISBN 978-3-99052-191-5

 

Coverillustration: Francesco Ciccolella

Umschlaggestaltung und Satz: Malanda-Buchdesign, Andrea Malek, 8321 St. Margarethen/R.

Projektbetreuung: Marlene Weinzierl

Druck & Bindung: FINIDR, s.r.o., 73701 Český Těšín

Printed in Czech Republic

 

Autoren und Verlag haben alle Buchinhalte sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann keine Garantie für die Richtigkeit übernommen werden. Eine Haftung der Autoren bzw. des Verlags wird daher nicht übernommen.

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit – vor allem in Hinblick auf die Vermeidung einer ausufernden Verwendung von Pronomen – haben wir uns dazu entschlossen, alle geschlechtsbezogenen Wörter nur in eingeschlechtlicher Form – der deutschen Sprache gemäß zumeist die männliche – zu verwenden. Selbstredend gelten alle Bezeichnungen gleichwertig für Frauen.

 

Einleitung

 

Die Zahl allergischer Erkrankungen ist deutlich im Zunehmen begriffen. Heutzutage leidet bis zu einem Fünftel der Bevölkerung unter allergischen Krankheiten mit unterschiedlichen Symptomen. Angefangen vom Heuschnupfen im Frühjahr über asthmatische Beschwerden und juckende Hauterscheinungen bis hin zu Gelenksbeschwerden oder Beschwerden im Bereich des Verdauungsapparates reicht die Palette der Erkrankungen. Oft sind die Symptome der Erkrankung eindeutig einer Allergie zuordenbar, wesentlich häufiger jedoch wird weder von Seiten des Patienten noch von Seiten des behandelnden Arztes an eine Allergie gedacht. Hier ist unbedingt ein Umdenken erforderlich.

In einer ganzheitlichen Betrachtungsweise spielt unsere Lebensweise, insbesondere die Ernährung in Kombination mit der Regulationsfähigkeit unseres Körpers, eine wichtige Rolle. In den letzten Jahren wurde häufig von Sportlern berichtet, die durch Änderungen der Ernährungsweise ihre Leistungsfähigkeit steigern konnten. Den Grundstein für diese Entwicklung legte die Forschung, die einzelne Lebensmittel als „unverträglich“ erkannt hatte. – Nun ist der Spitzensportler sicher in einer Ausnahmesituation. Von ihm wird in Stresssituationen eine besondere Leistungsfähigkeit gefordert. Doch im Alltag haben viele von uns ebenso Stresssituationen wie ein Sportler im Wettkampf zu bewältigen. Von uns werden im beruflichen, im privaten, ja, in allen Lebenssituationen Höchstleistungen gefordert. Selbst von unseren Kindern und Jugendlichen erwarten wir Ähnliches im schulischen Bereich – und immer öfter auch in der Freizeitgestaltung. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Regulationsfähigkeit unseres Organismus gerade in solchen Belastungssituationen überfordert wird.

In der klassischen Medizin haben wir genaue biochemische Vorstellungen von einer Allergie. Es ist genau erforscht, wie der Stoffwechsel in solchen Situationen reagiert, welche chemischen Prozesse ablaufen, mit welchen Beschwerden zu rechnen ist und auch welche therapeutischen Möglichkeiten bestehen. Trotzdem gibt es viele Konstellationen und damit auch Menschen, die nicht in die bisher üblichen Schemata passen. Die Beschwerden dieser Personen lassen sich nicht einfach mit schulmedizinischen Methoden erklären. Unabhängig von der Art der biochemischen Reaktion können nämlich die auftretenden Beschwerden ident mit jenen einer Allergie sein, nur dass eben die Diagnostikkriterien eine Zuordnung zu einer echten Allergie nicht zulassen.

In diesem Buch versuchen wir zu erklären, wie der Begriff der Allergie auf moderne Weise etwas weiter gefasst werden kann und welche Faktoren im Hinblick auf unsere Lebensführung die zunehmenden allergischen Beschwerden erklären könnten. So findet es zum Beispiel vermehrt Anerkennung, dass wir nicht nur von Allergien im engeren Sinn sprechen, sondern auch von Unverträglichkeiten bzw. Intoleranzen. Besonderes Augenmerk werden wir auf Lebensmittelintoleranzen legen, da diese im Alltag einen entscheidenden Einfluss auf unser Wohlbefinden haben und deren Verlauf viele Erkrankungen (mit)beeinflusst.

Grundlagen

 

Der Begriff „Allergie“ wurde bereits im Jahr 1906 vom Wiener Kinderarzt Dr. Clemens von Pirquet geprägt. Mit diesem Begriff bezeichnete er ursprünglich die Reaktionsbereitschaft des Immunsystems nach dem Erstkontakt mit einem Antigen – einem artfremden Eiweißstoff im Organismus. Dies schloss sowohl eine Toleranz als Reaktion als auch eine überschießende Reaktion in Form einer Antikörperproduktion zur Bekämpfung des (vermeintlichen) Krankheitserregers mit ein. Mit zunehmender Kenntnis der biochemischen Abläufe wurde mit „Allergie“ schließlich nur noch die überschießende Immunreaktion bezeichnet. Heutzutage unterscheiden wir bei Allergien im Wesentlichen vier Reaktionstypen (siehe unter „Formen der Allergie”), welche nach Coombs und Gell lediglich die überschießende Reaktion nach einem Erstkontakt beinhalten. Wir werden allerdings bald erkennen, dass diese Betrachtung nicht mehr ganz zeitgemäß ist, und unser Verständnis der verschiedenen Reaktionen um die sogenannten Unverträglichkeiten erweitern müssen. Wenn auch die biochemischen Abläufe etwas anders sind, so bleiben doch die Auswirkungen und Beschwerden fast die gleichen.

Die Allergie ist also Teil des Regulationsvermögens des Immunsystems und an bestimmte Abläufe gebunden. Solche komplexen Abläufe sind grundsätzlich auch notwendig, um die Integrität des Organismus zu bewahren. Das Immunsystem ist wichtig, um entsprechende Abwehrmechanismen gegenüber Fremdstoffen aller Art vorweisen zu können. Ein banaler Infekt durch Viren oder Bakterien etwa erfordert das rasche Reagieren und Eingreifen des gesamten komplexen Immunsystems, damit der Organismus nicht Schaden erleidet. Hierbei sind viele Organe und Gewebe beteiligt, eine Vielzahl von biochemischen Abläufen steuern die Reaktionen der Abwehr.

Das Immunsystem ist letztlich im gesamten Organismus verteilt, tritt aber schwerpunktmäßig in engen Kontakt mit dem Verdauungsapparat. Dies wohl deshalb, weil der Verdauungsapparat die größte Kontaktfläche mit unserer Umwelt darstellt. Alle Lebensmittel, die wir zu uns nehmen, sind ja primär noch Fremdstoffe, die erst durch die Verarbeitung im Darm für uns verwertbar werden. Daher ist es logisch und sinnvoll, dass das Immunsystem sich vorrangig in diesem Bereich befindet. Grundsätzlich schützt uns das Immunsystem und versucht lediglich, unsere Inte­grität und Individualität zu erhalten. Und nachdem dies den gesamten Organismus betrifft, führt diese Tatsache dazu, dass die Symptome bei relativ einheitlichen biochemischen Abläufen sehr unterschiedlich sein können. Sie hängen von den Organen ab, die am häufigsten betroffen sind. Zwar spielt der Ort des Kontaktes mit dem Allergen eine gewisse Rolle; er ist aber nicht der einzige Grund, warum in einem bestimmten Bereich des Körpers letztlich allergische Symptome auftreten können.

Gelangt eine körperfremde Substanz, das Antigen, in den Organismus, so reagiert das Immunsystem. Das Antigen wird durch verschiedenste Maßnahmen unschädlich gemacht. Hierbei sind zwei Dinge wichtig:

1. Antigene sind Eiweißstrukturen.

2. Das Immunsystem hat ein Gedächtnis.

Punkt 1 bedeutet, dass Eiweiß der Hauptauslöser von Allergien ist. Punkt 2 ist insofern von Bedeutung, als man einige Erkrankungen aufgrund der Immunität nur einmal durchleben muss. Dazu gehören bestimmte Kinderkrankheiten wie Mumps oder Röteln. In anderen Fällen ist es gerade dieses Erinnern an den Erstkontakt mit einem Allergen, das schließlich zu einer raschen und überschießenden Reaktion im Sinne einer Allergie führen kann.

Bedeutung von Eiweiß bei Allergien

Wie oben erwähnt sind Eiweißstrukturen die hauptsächlichen Verursacher von allergischen Reaktionen. Wir werden zwar in weiterer Folge auch Reaktionen auf Zucker als Unverträglichkeiten kennenlernen und besprechen, aber die Rolle von Eiweiß bei allergischen Erkrankungen ist eine ganz besondere.

Eiweiß bestimmt unsere Individualität – so könnte man dessen Funktion kurz und bündig beschreiben. Aber was bedeutet das?

Jeder von uns hat seine ganz persönliche Eiweißstruktur und definiert sich durch diese sozusagen selbst. Wahrscheinlich gibt es keine zwei Menschen auf diesem Planeten mit exakt derselben Eiweißstruktur. So individuell sind wir. Das ist auch notwendig, wenn unser Stoffwechsel optimal funktionieren soll. Wir unterscheiden genau zwischen „körpereigen“ und „körperfremd“ und letztlich akzeptiert der Organismus nur jene Strukturen, die auch unser Immunsystem als körpereigen und damit als ungefährlich einstuft. So gesehen hat unser Immunsystem eine wichtige Kontrollfunktion.

In der modernen Medizin muss diesem Umstand beispielsweise bei Organtransplantationen Rechnung getragen werden. Bevor eine Transplantation erfolgen kann, müssen Spender und Empfänger auf eine möglichst große Übereinstimmung der Strukturen überprüft werden. Und selbst dann noch muss – um den Erfolg der Maßnahmen zu gewährleisten – das Immunsystem langfristig behandelt werden, damit das Spenderorgan nicht abgestoßen wird.

Aus all dem Dargestellten geht hervor, dass uns der Eiweißstoffwechsel im Zuge der Allergieproblematik besonders interessieren wird.

Besonders die enorme Zunahme von verschiedenen Lebensmittelunverträglichkeiten sollte den Blick auf diesen Bereich lenken. Eiweiß, das entweder aus tierischen oder pflanzlichen Quellen zugeführt wird, ist ja zum Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme kein körpereigenes Eiweiß. Als Lebensmittel hat es noch die tierische oder pflanzliche „Individualität“; sie muss erst durch den aufwendigen Verdauungsprozess abgebaut werden. Leider verläuft dieser Prozess bei vielen Menschen aufgrund unterschiedlicher Faktoren nicht mehr in gesunden Bahnen und wird so zu einem Hauptverursacher von Lebensmittelunverträglichkeiten und daraus resultierenden Erkrankungen. Aus diesen Gründen legen wir in der Therapie das Hauptaugenmerk auf die Wiederherstellung der Integrität des Verdauungsapparates durch eine gesunde Esskultur.

Die Entzündung als Reaktionsmuster

Die biochemischen Möglichkeiten des Immunsystems, körperfremde Stoffe zu eliminieren, sind im Wesentlichen die einer Entzündung. Dabei wird die Durchblutung durch vermehrte Permeabilität (Durchlässigkeit) betroffener Organbezirke gesteigert. Dies bringt mehr Flüssigkeit an den Ort des Geschehens und Enzyme aus den weißen Blutzellen werden versuchen, den Eindringling zu „verdauen“. Das betroffene Areal wird dadurch wärmer, es sind Schmerzen spürbar und die Körperregion ist gerötet, sofern an der Oberfläche sichtbar. Die normale Organfunktion wird kurz- bis mittelfristig gestört. Dieser normale Reaktionsablauf des Immunsystems wird auch Normergie (normaler Ablauf im Gegensatz zur überschießenden Reaktion bei einer Allergie) genannt.

Derartige klassische Entzündungsabläufe finden wir auch bei den verschiedensten Erkrankungen, weshalb es nahe liegt, auch diese nicht typisch allergischen Erkrankungen in Richtung Unverträglichkeit hin zu untersuchen.

Im Idealfall ist eine Entzündung ein sich selbst limitierender Prozess. Es werden verschiedene sowohl zur Aktivierung als auch zum Beenden der Entzündung notwendige Botenstoffe gebildet, die einen normalen gesunden Ablauf steuern. Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente spielen dabei eine besondere Rolle, da sie Bestandteil dieser Regulation sind und im Zuge dieses Prozesses verbraucht werden. Jede Entzündung ist auch ein „Mineralräuber“. Deshalb verbraucht eine chronische und überschießende Entzündung diese Mikronährstoffe vermehrt. Nicht selten führen uns die Beschwerden, welche aufgrund der resultierenden Defizite entstehen, zur eigentlichen Ursache vieler chronischer Erkrankungen: Sie werden letztlich durch Allergien oder Unverträglichkeiten ausgelöst.

Wir finden aber auch andere Mikronährstoff-verbrauchende Prozesse als Ursache von Allergien. Hier ist vor allem Stress zu nennen. Wir wissen zum Beispiel, dass durch Stress allergische Reaktionen ausgelöst werden oder deren Symptomatik verstärkt wird.

Allergie – ein „Grenzproblem“

Allergische Reaktionen entstehen an unseren Grenzflächen zur Umwelt, also dort, wo Fremdstoffe potentiell in den Körper eindringen können. So ist die Haut als größte sichtbare Kontaktfläche betroffen, aber auch unsere innere Oberfläche, die Lunge und der Verdauungsapparat mit ihren „Schleimhäuten“ werden in Mitleidenschaft gezogen. Wenn eine Allergie hier auch ihren Ursprung nimmt, heißt das trotzdem nicht, dass die Reaktion nur auf diese Organe beschränkt bleibt. Vor allem die zahlreichen daraus resultierenden Prozesse im Verdauungsapparat führen zu einer Vielzahl von Beschwerden, die weit weg vom Ort ihres Ursprungs liegen (siehe auch „intestinale Autointoxikation“).

Grenzen spielen aber nicht nur im Körperlichen eine Rolle, sondern auch im emotional-seelischen Bereich. Oft haben Allergiker auch im Alltag Probleme, Grenzen zu ziehen, also sich „abzugrenzen“. Solche emotionalen Muster können im sozialen Umfeld zu entsprechenden Konsequenzen führen, die als allergische Reaktion bewertet werden. Sie beeinflussen die Wahl der therapeutischen Maßnahmen selbstverständlich mit und werden durch diese im Rahmen der Therapie auch verbessert.

Stressreaktion nach Selye

Immunologische Reaktionen unterliegen wie alle Stoffwechselprozesse im Körper gewissen Gesetzmäßigkeiten. Letztlich sind es Reaktionen auf bestimmte Reize, die im Normalfall richtig erkannt, sinnvoll verarbeitet und zielgerichtet beantwortet werden. Diese Fähigkeit der Reizerkennung, -verarbeitung und -beantwortung erfolgt in charakteristischen stadienhaften Abläufen und ist Merkmal unseres Lebens. Diesen stadienhaften Ablauf beschrieb Dr. Hans Selye als „Stressreaktion“.

Selye – der stadienhafte Ablauf einer Stressreaktion (modif. nach Strienz)

Es kommt dabei durch den auslösenden Reiz zu einer kurzen Alarmphase mit anschließend erhöhter Adaptation (Anpassungsphase). Bei gutem Regulationsvermögen, also entsprechendem Ausgleich des Reizes, erfolgt die Rückkehr zur Ausgangslage: die Normergie (siehe Abb. 1a). Solche Reaktionen laufen jeden Tag in unserem Körper ab, ohne dass wir diese großartig wahrnehmen.

Oft aber bleibt der Reiz längere Zeit bestehen, kommt immer wieder oder wir können nicht adäquat darauf reagieren, sodass unser Organismus in einer gewissen Anspannung verbleibt. Denn letztlich ist es unser Bestreben, die Herausforderung zu überwinden. Diesem Prinzip liegt auch das Prinzip des lebenslangen Lernens zugrunde. Die Anspannung – oder wie Selye es nannte, die erhöhte Adaptation – können wir durchaus über einen längeren Zeitraum tolerieren (Monate bis Jahre). Gelingt es aber nie, die Anspannung zu überwinden, landen wir in der Erschöpfung (siehe Abb. 1b). Dies entspricht dann der von Selye definierten Stressreaktion:

Stress ist die Summe aller Adaptationsvorgänge, mit denen wir auf Reize, die von innen oder außen auf den Körper treffen, reagieren.

Damit wird klar, dass eine Stressreaktion nicht nur den Auslöser, sondern auch unsere Reaktionsfähigkeit dahingehend beinhaltet. Auch die Reaktionen bei allergischen Erkrankungen zeigen typische Charakteristika dieser Stressreaktion. Ganz allgemein kann ein Allergen als Auslöser einer Stressreaktion betrachtet werden und die Symptome als Folge dieser Reaktion. Dabei ist es oft schwierig zu beurteilen, wie lange jemand in der erhöhten Adaptation verbleibt bzw. verbleiben kann, bis es in die Erschöpfung übergeht. Dies hängt sicher von vielen Faktoren (Konstitution, Ernährung, Mineralstoffversorgung etc.) ab.

Wir wissen heute, dass die Abläufe dieser Reaktionen individuellen Schwankungen und Variationen unterliegen. Es gilt nicht immer das Alles-oder-Nichts-Prinzip; der Ablauf kann aufgrund individueller Gegebenheiten unterschiedlich sein (in der Abbildung dargestellt durch Kurve 1c und 1d).

Beteiligte Komponenten bei Allergie oder Intoleranz

Interessant ist auch, dass Selye selbst drei Organsysteme beschrieb, welche primär bei Stressbelastungen reagieren und Beschwerden verursachen:

Thymus – Immunsystem

Magen – Säure-Basen-Haushalt

Nebenniere – Hormonsystem

Natürlich sind möglicherweise auch noch andere Organsysteme mitbeteiligt, aber allein aus obiger Auflistung erkennt man bereits die engen Zusammenhänge mit der Allergie: Der Thymus hat eine entscheidende Funktion im Immunsystem und seine Mitbeteiligung im Rahmen von Stressvorgängen lässt die enorme Zunahme von Intoleranzen in einem neuen Licht erscheinen.

Außerdem gilt: Stress macht sauer. Histamin etwa fördert die Säureproduktion im Magen. Die lokale Reaktion auf eine Allergie ist die Entzündung, diese wiederum führt zu einer lokalen Säurebelastung. Praktisch jede Form einer Gewebsübersäuerung kann also durch eine Allergie ausgelöst werden und sollte deshalb auch dahingehend untersucht werden. Klassische Beispiele sind meist chronische entzündliche Erkrankungen wie Fibromyalgie und alle rheumatischen Erkrankungen.

Ein Zeichen der engen Verknüpfung von Immun- und Hormonsystem bei Allergien ist die Beteiligung der Nebenniere an der Kompensation von allergischen Erkrankungen. Entwickelt sich eine Lebensmittelintoleranz, so bedeutet dies erst mal Stress für den Organismus. Konsequenterweise versucht unser Körper durch Aktivierung der Nebenniere über Adrenalin und Kortison – die beiden wichtigsten Hormone – dagegenzusteuern. Das gelingt kurzfristig ganz gut, allerdings wird die Nebenniere bei anhaltender Unverträglichkeit müde und kann nur mehr unzureichend gegen die nach wie vor bestehende Belastung ankämpfen. Körperliche Müdigkeit und Erschöpfung sind die Folge. Damit die Nebenniere weiter aktiv und reaktionsfreudig bleibt, benötigen wir dann immer stärkere, anhaltende Stimuli. Dies führt dazu, dass immer mehr von den unverträglichen Lebensmitteln zugeführt wird, um die Aktivierung der Nebennierenhormone zu gewährleisten. Es entwickelt sich eine sogenannte „Suchtallergie“, im Zuge derer gerade unverträgliche Lebensmittel gegessen werden, um die Nebenniere immer wieder anzuregen. Selbstverständlich ist dies für unsere Gesundheit ungünstig, weshalb der Teufelskreis therapeutisch unterbrochen werden muss, um eine nachhaltige Gesundung zu erreichen.

Die Beteiligung des Hormonsystems bei Allergien und Intoleranzen drückt sich nicht nur in einer hormonellen Dysbalance und Erschöpfung aus, sondern auch darin, dass heftige Menstruationsbeschwerden auftreten können. Histamin hat auch bei diesem Stoffwechselprozess eine steuernde Funktion. Eine überschießende Histaminproduktion intensiviert das Beschwerdebild.

Erkennt man nun die Zusammenhänge zwischen einer Allergie und Stress, so wird schnell klar, dass für eine effektive Therapie das Unterbrechen des Circulus vitiosus – des Teufelskreises aus Allergie, Entzündung, Stress, Erschöpfung und Burnout – notwendig ist. Wie dies mit dem VIVAMAYR-Prinzip in hervorragender Art und Weise gelingen kann, erfahren Sie im Kapitel Behandlung allergischer Erkrankungen mit dem VIVAMAYR-Prinzip.

Kennzeichen einer Allergie

Unter Allergie verstehen wir heute die über das eigentliche Ziel hinausschießende Reaktion des Immunsystems.

Dies setzt voraus, dass ein spezifischer Reiz eines Antigens – eines artfremden Eiweißstoffes – zur Gegenreaktion in Form einer Überempfindlichkeit führt. Dabei ist der Begriff des Antigens ein relativer und nicht absolut zu sehen. Das bedeutet, dass ein Antigen bei einer bestimmten Person zu einer Reaktion führen kann, bei einer anderen hingegen nicht. Entscheidend ist also die spezifische Reaktion des menschlichen Organismus. Antigene sind Moleküle (Stoffe, chemische Verbindungen), die bei spezifischen Zellen des Immunsystems eine immunologische Antwort auslösen. Streng genommen wäre es zu wünschen, dass die Antwort des Immunsystems genau auf dieses eine Antigen bezogen ist und bleibt. Wir müssen allerdings feststellen, dass es übergreifend auch Reaktionen auf andere Stoffe gibt, deren Struktur Ähnlichkeit mit dem eigentlichen Antigen aufweist. In diesem Fall sprechen wir von einer Kreuzallergie (siehe S. 23 f.). Als Antigen kommen sehr viele Stoffe in Betracht, die in zum Teil höchst unterschiedlicher Form Kontakt mit unserem Körper aufnehmen, wie in der folgenden Tabelle aufgelistet.

Nicht alle diese Auslöser wirken direkt allergisierend; einige Faktoren begünstigen oder verstärken eine Reaktion. Stress oder verschiedene physikalische Reize wirken indirekt und benötigen bestimmte Voraussetzungen, damit sich eine Allergie entwickelt. So unterschiedlich die allergisierenden Faktoren auch sein mögen, so uniform sind die daraus resultierenden biochemischen Abläufe.

Allergieauslösende Faktoren

Formen der Allergie

Primäre Allergie

Über die Klassifikation einer Allergie entscheidet die Art der Immunglobulinreaktion. Die beiden Forscher Coombs und Gell schufen 1968 eine Einteilung in vier verschiedene Reaktionstypen:

Typ I: Sofortreaktion – Anaphylaxie

Die Reaktion wird durch Immunglobuline der Klasse E (Abkürzung: IgE) vermittelt. Diese Immunglobuline machen zwar nur einen geringen Anteil von ca. 0,001 Prozent aller Immunglobuline aus, führen aber sehr rasch, d. h. innerhalb von Sekunden bis Minuten, zur Reaktion (Soforttyp). Spezifische Immunglobuline werden als Reaktion auf den Kontakt mit dem Antigen gebildet und führen zur Freisetzung von gefäßaktiven Stoffen wie Histamin. Heftigste Entzündungsreaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock als lebensbedrohliche Maximalvariante sind möglich. Klassischerweise tritt diese Reaktion bei Pollen- oder Arzneimittelallergien und bei Kontakt mit Insektengift auf, aber fast nie bei Lebensmitteln.

Typ II: Frühreaktion – Zytotoxischer Typ

Die Allergene sind an den Zelloberflächen lokalisiert. Nach einem Erstkontakt werden Immunglobuline der Klasse G (Abkürzung: IgG) und der Klasse M (Abkürzung: IgM) gebildet. IgG machen etwa 75 Prozent aller Immunglobuline aus, IgM etwa 10 Prozent. Mit einer Latenz von 12 bis 24 Stunden kommt es als Folge von Zellzerstörung (zytotoxische Reaktion) zu Entzündungsvorgängen. Diese Ereignisse finden z. B. bei Blutgruppenreaktion bzw. bei Unverträglichkeiten gegenüber fremdem Gewebe statt.

Typ III: Frühreaktion – Immunkomplexbildung

Das Antigen und der entsprechende Antikörper bilden einen Komplex. Diese Komplexe aktivieren das Immunsystem und führen durch Ablagerung im Gewebe wieder zu erheblichen Entzündungsreaktionen. Typischerweise finden diese Vorgänge bei Nieren- und Gefäßerkrankungen statt.

Typ IV: Spätreaktion

Hier erfolgt die Sensibilisierung spezifischer Zellen: der T-Lymphozyten. Es handelt sich um weiße Blutzellen zur Immunabwehr, die erst etwas später – nach circa 48 bis 72 Stunden – eine Entzündungsreaktion auslösen. Typischerweise tritt dies bei Kontaktekzemen und bei Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen auf.

 

Diese vier Arten der biochemischen Reaktion bilden die Grundlage sogenannter primärer Allergien. Solche primären Allergien werden also durch Insektengifte, verschiedene Chemikalien, Pollen, Fremdgewebe oder durch in Tabelle 1 unter „direkte Auslöser“ angegebene Substanzen verursacht. Die beschriebenen Reaktionen können zwar auch durch Lebensmittel ausgelöst werden, das kommt aber eher selten vor und stellt die Ausnahme dar. Wenn sie allerdings auftreten, dann sind sie gravierend und mitunter sogar lebensbedrohlich. Die betroffenen Personen kennen solche Lebensmittelallergien sehr gut aus eigener leidvoller Erfahrung und sollten auch immer eine Notfallmedikation bereithaben.

Es ist aber auch klar, dass die Einteilung in Typ I bis Typ IV nach Coombs und Gell nur ein grobes Schema darstellt. Denn eine allergische Reaktion ist nach vielen verschiedenen biochemischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Eine einfache Einteilung nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip wie bis noch vor wenigen Jahren ist heute sicher nicht mehr zulässig. Daher muss für die Zukunft die Betrachtung entsprechend um die im Folgenden dargestellten biochemischen Erkenntnisse erweitert, die Diagnostik verfeinert und die Therapie individueller gestaltet werden. Oft laufen auch mehrere Reaktionen gleichzeitig ab bzw. beeinflussen sich gegenseitig.

Kreuzreaktionen

Eigentlich ist eine Allergie dadurch definiert, dass eine Reaktion auf ein spezifisches Antigen erfolgt. Sind bestimmte Anteile eines Allergens zufällig ident mit jenen anderer Stoffe bzw. weisen sie ähnliche Strukturen wie andere Stoffe auf, so kann eine Reaktion auch auf diesen – an sich nicht allergisierenden – Stoff erfolgen. Und zwar unabhängig vom Erstkontakt.

Kreuzallergie bedeutet also, dass eine Reaktion auch dann auftritt, wenn kein Kontakt mit dem eigentlichen Allergen stattgefunden hat.

Hierdurch findet sich oft eine Kombination von Nahrungsmittelallergien mit pollenassoziierten Allergien. Häufige Kreuzreaktionen zeigt die folgende Tabelle.

Kreuzreaktionen im Überblick (nach Jarisch*)

Dabei ist festzuhalten, dass die Kreuzreaktion nicht zwingend auftreten muss. Sie kann vorhanden sein, nur gegenüber einem oder mehreren Lebensmitteln auftreten oder auch gänzlich fehlen. Eine Vorhersage lässt sich nur schwer treffen, eine individuelle Überprüfung ist notwendig (siehe Diagnostik im Kapitel „Wie erkennt man eine Allergie oder Intoleranz?”). Es ist in jedem Fall zu empfehlen, jene Lebensmittel, die potentiell Kreuzallergien auslösen, zumindest während der pollenbelastenden Zeit zu meiden bzw. zu reduzieren. Dies vermindert die Symptomatik in vielen Fällen erheblich. Besonders hervorzuheben ist, dass die jeweiligen Lebensmittel bei pollenassoziierter Lebensmittelallergie durch Kochen oft wieder verträglich werden. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur sogenannten Histaminintoleranz. Pollenallergiker vertragen beispielsweise gekochte Karotten, nicht aber, wenn diese roh gegessen werden.

 

 

In den letzten Jahren mussten wir durch praktische Erfahrung lernen und akzeptieren, dass es eine Reihe von Beschwerden und Erkrankungen gibt, die sich wie eine Allergie darstellen, aber nicht in die kategorische Einteilung Typ I bis IV nach Coombs und Gell passen. Daher wurden dafür verschiedene Begrifflichkeiten wie Intoleranz, Unverträglichkeit, erhöhte Sensibilität und viele mehr verwendet. Vor allem im Bereich der Lebensmittelreaktionen finden wir zum Teil heftigste Beschwerden und Symptome, die die Lebensqualität massiv beeinträchtigen können. Die Begriffe „Allergie“ und „Intoleranz“ werden dabei oft synonym verwendet, was in Anbetracht der bekannten biochemischen Unterschiede nicht immer zum klaren Verständnis beiträgt. Aber nicht nur neue Begriffe sind notwendig, um die Abläufe zu beschreiben: Wir brauchen überhaupt ein neues Verständnis und eine ganzheitliche Sichtweise, um dem Phänomen der Unverträglichkeiten auf die Spur zu kommen. Deshalb werden wir zunächst die Folgen von Stressreaktionen im Körper näher beleuchten, bevor wir einen ausführlichen Blick auf die Bedeutung des Verdauungsapparates für die Entwicklung von Allergien als auch von Intoleranzen werfen.

Allergien und der Verdauungsapparat

 

Welche Rolle spielt nun der Verdauungsapparat bei der Entstehung von allergischen Erkrankungen?