Haben Sie Fragen zum Text?

Wollen sie eine Gesprächsrunde, einen Vortrag oder Seminare organisieren?

Dann schreiben Sie mir bitte an:

Andreas Wolf von Guggenberger

Großbeerenstraße 34

10965 Berlin

Deutschland

Tel: 0049 (0) 176 326 51 517

vonguggenberger@freenet.de

www.seelenlichtraum.de

Impressum

DER JESUSDIALOG

© Andreas Wolf von Guggenberger 2015

Handlung und alle handelnden Personen dieses Buches sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen wäre rein zufällig. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Titelbild:

© Sunset Panorama, Olga Khoroshunova

Lektorat:

Lektorat Dallmann

Dipl.-Ing. Jonas-Philipp Dallmann

Schollenhof 20

D-13509 Berlin

(030) 3384 1414

Lektorat-Dallmann@gmx.de

BoD - Books on Demand GmbH

ISBN: 9783739259178

Zur Einführung

Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden;
er war verloren und ist gefunden worden.

Lukas 15, 24.

Aus Stille und Schweigen, scheinbar aus dem Nichts, entspinnt sich ein Gespräch in der Nacht. Ein ICH voller Fragen und Zweifel begegnet einer Stimme, die sich ihm als Jesus Christus vorstellt. Ist es tatsächlich der biblische Jesus, der hier zu uns spricht?

Schnell wird deutlich, dass es darum im Grunde nicht geht. Die höhere Macht, die sich hier einem ICH (und damit uns Lesern) offenbart, speist sich aus einer Inspiration, die alle Menschen empfangen können, wenn sie nur aufmerksam auf die Stimme ihres Inneren, die Stimme ihrer Seele hören. So ist dieses Gespräch mit Jesus eigentlich eine Meditation um tiefe menschliche Fragen, um Erstes und Letztes. Um die Zerrissenheit des Menschen zwischen Schmerz und Glück, Liebe und Hass, Sehnsucht und Schuld, um die Bedeutung von Liebe und Eros, von Wahrheit und Lüge. So geht es auch um den Verlust des Weiblichen in den Kirchen, um Verwirrung und Missbrauch.

Jesus ist in diesem Gespräch aber nicht nur ein Wort oder gar eine Behauptung. Er, dessen Schmerzen von dem Schreiber, dem ICH, körperlich mitgefühlt werden, erzählt eindringlich von der tiefen Demütigung der Kreuzigung. So spricht er von seiner eigenen langen Suche nach der Wahrheit und schließlich von Maria Magdalena, seiner großen Liebe. Wir erfahren: Sie, seine Frau und Gefährtin, die Eingeweihte, war sein weiblicher Gegenpol, mit dem er stets die Verschmelzung suchte. Die Einheit zwischen Mann und Frau im Eros wurde von der Kirche stets verleugnet, ja herabgewürdigt. Schon die Jünger scheiterten daran, sich ihr eigenes Begehren gegenüber der sinnlich flirrenden Maria Magdalena einzugestehen, und auch Jesus selbst hat sie schließlich verraten, sie verlassen, um seinem göttlichen Auftrag zu folgen. Unendliche Schuld, unbegreifliches Elend ergoss sich über die Menschheit durch die Missverständnisse und Entstellungen der Lehren des Christentums: Religionskriege, Inquisition, Folter und schließlich sogar Zerstörung und Versklavung der Natur.

Doch dieses Gespräch sagt auch: Es gibt noch Hoffnung für uns Menschen. Der Jesus der Liebe, der Barmherzigkeit, des Verzeihens kann wieder lebendig werden in jedem von uns, in unserer Seele. Er wartet auf uns nicht richtend und strafend, sondern vergebend und liebevoll. Er will unser Glück; er will, dass wir uns in ihm selbst, in Gott, wiederfinden, in unserem Inneren mit ihm sprechen. Wir können ihn rufen. Er wird uns antworten.

Der vorliegende Dialog mit Jesus ist ein Versuch, ein Experiment. Er beruht auf echter Meditation und authentischen Inspirationen, die ich mit Worten hier so genau wie möglich nachzuzeichnen versuche. Nicht alles, was Jesus oder Gott hier sagen, hat den Anspruch, letzte Weisheit oder gar allgemeingültige Wahrheit zu sein, eigene Gedanken vermischen sich damit. Das sei normal, meinte er. Im denkenden Umkreisen des tief Geahnten, in dem Versuch, das Dunkle, nur halb Bewusste emporzuziehen ans Licht, hat dieser Text sein Ziel, seinen Sinn. Er ist ein Weg, den ich gegangen bin und auf dem ich Zwiesprache halten durfte mit meinen Inspirationen, Ahnungen, Empfindungen und der inneren Stimme Jesus. Zu ihnen gehört auch, mich auf meine eigenen Schatten einzulassen und negativen Gefühlen nicht auszuweichen, sondern sie zur Sprache zu bringen, um mich ihnen zu stellen.

Es mag ein Wagnis sein, einen solchen Text zu veröffentlichen, sich ein Gespräch mit Jesus anzumaßen, gar in seinen Worten zu sprechen und zu schreiben. Vielleicht sollte man diesen Text, diese Mediation lesen mit der Zuversicht, die in den folgenden Worten des biblischen Jesus enthalten ist: „Ein guter Mensch holt aus seinem Herzen als der Schatzkammer des Guten nur Gutes hervor; ein böser Mensch jedoch aus seiner Schatzkammer des Bösen nur Böses. Denn wovon das Herz voll ist, davon läuft der Mund über.”1

Berlin, im Juni 2015

Andreas Wolf von Guggenberger


1 Lukas 6, 45.

Andreas Wolf von Guggenberger

geb. 1963 in Zürich, arbeitete in der Schweiz als Rezeptionist in der Hotellerie, war freier Verkäufer. Nach Berlin umgezogen, handelte er mit litauischer Keramik, ehe er sein Leben spirituell umorientierte. Neben einer Ausbildung zum Heilpraktiker ließ er sich zum medizinischen Masseur ausbilden, absolvierte eine Hypnoseausbildung nach Giligan, Lenk und Henning und in Neurolinguistischem Programmieren (NLP) bis zum Mastergrad. Es folgten Kurse in hypnosystemischer Hypnotherapie (EMDR), in Entspannungsverfahren (Leiter für Autogenes Training nach J.H. Schultz, Internationale Yogalehrerausbildung) und eine Ausbildung in tiefenpsychologischer Handschriftendeutung.

In seiner Arbeit als freier Graphologe baut er auf Erkenntnissen von Freud, Adler und Ludwig Klages auf und erstellt psychologische Persönlichkeitsprofile. Ferner bietet er Einzelcoachings, Suchtberatungen, Seminare und Vorträge an. Er setzte sich praktisch mit Sufismus, der Advaitaphilosophie und dem Herzensgebet auseinander, um danach seinen eigenen Weg zu finden, den er in seinen Büchern formuliert.

Ein Gespräch in der Nacht

ICH: Ich grüße dich, Jesus Christus, und bitte dich um deinen Segen.

JESUS: So geschehe es.

ICH: Ich bin etwas verwirrt, Jesus, und die Erregung in mir wächst …

JESUS: Das glaube ich, das würde mir ebenso gehen.

ICH: Ich fange einfach an zu schreiben und lasse mich von dir führen. Ist das in Ordnung?

JESUS: Ja, ich freue mich darüber. Und du wirst überrascht sein, wir waren uns in Nazareth sehr nah, näher als nah.

ICH: Wie meinst du das?

JESUS: Es spielt heute keine Rolle mehr. Gib dich uns einfach hin, unserem Schreiben, fühle und empfinde.

ICH: Das macht mir jetzt etwas Angst, dass du es bist, Jesus. Und dass ich gar nicht weiß, ob du es wirklich bist. Ich will nicht wegen Schizophrenie oder Größenwahn in die Psychiatrie eingeliefert werden.

JESUS: Hältst du dich selbst für verrückt?

ICH: Nein, ich schätze mein Denken eigentlich als relativ klar ein. Ich frage mich jedoch, wieso ich das schreiben soll.

JESUS: Was meinst du?

ICH: Ich meine, ich hatte nie eine Beziehung zu dir. Ich habe in diesem Leben wenig vorzuweisen, was an dich erinnert. Ich war nie Kirchengänger, habe mich nicht mal konfirmieren lassen. Und ich habe auch kein sogenanntes christliches Leben geführt …

JESUS: Wir waren ständig in Beziehung, dir war es aber nicht bewusst. Das ist völlig okay. Du warst einfach ein Mensch und neugierig, Schatten zu erleben. Ein bisschen Größenwahn hattest du ja manchmal, doch du hast ihn selbst bemerkt und sofort bekämpft.

ICH: Nett, dass du das so siehst, aber …

JESUS: Wer war es, der dir die Inspirationen eingab?

ICH: Ja, wer?

JESUS: Ich war es. Ich war der Lehrer, den du in dir bekämpft und geliebt hast. Ich war es, der dich so manches Mal verwirrte. Gerade durch deinen Widerstand, deinen Protest konnte ich dich führen.

ICH: Wie meinst du das?

JESUS: Du hast immer versucht, den klaren Weg zu finden. In deinem Schreiben hast du dich gegen alle inneren und äußeren Widerstände gewehrt. Deshalb konnte ich dich führen. So hast du das erlebt, wozu deine Neugier dich getrieben hat. So musstest du erst die Erfahrung der Schatten machen, um den Wert des Lichtes zu erkennen. Wie sonst hättest du schreiben können? Du warst nie größenwahnsinnig, Anna meinte es nicht wörtlich. Sie wollte deine Begeisterung etwas abkühlen, dass du dich nicht in Gedankenmodellen verläufst, dich überforderst. Doch auch in ihr war mein Geist. Darum ward ihr euch so nahe.

ICH: Jesus, ich saß damals in der Sauna und sah plötzlich durch deine Augen. Du blicktest Maria Magdalena und deine Mutter Maria an, vom Kreuz herab. Dabei zitterte mein ganzer Körper. Ich spürte deinen Schmerz. In deiner Liebe zu Maria Magdalena und zu deiner Mutter war ein unendlicher Schmerz …

JESUS: Ja, es tat entsetzlich weh, sie so leiden zu sehen. Ich fühlte ihren Schmerz. Es tat mir leid, was ich ihnen antat. Es muss schrecklich für sie gewesen sein, wie die Peitschen meine Haut zerfetzten, sie mich da blutend am Kreuz hängen sahen. Ich hing ausgezehrt, durstig über ihnen und wurde bespuckt wie ein räudiger Hund.

ICH: Ja, ich sah sie, durch deine Augen. Ich musste weinen. Da bat ich als Jesus den Vater, Gott, um Vergebung.

JESUS: Der ganze Schmerz stieg plötzlich empor, Zeiten verschoben sich. Es war die Erkenntnis, was hier auf Erden alles geschehen wird. Ich konnte es nicht glauben. Wie viele Menschen in meinem Namen sterben werden, in meinem Namen sinnlos getötet wurden. Wie viele Frauen einsam mit ihren Kindern aufwuchsen, wie viele Kinder vaterlos in Armut darbten. Millionen Menschen lebten in Angst vor Strafe und Schuld, wurden so in den Glauben gezwungen und brachten andere ins Leiden. Das wollte ich nie. Es tat weh, als ich dies alles in deinem Körper, in diesem Augenblick erfasste.

ICH: Ja, es war ein tiefer Schmerz, als ich durch deine Augen blickte, dich fühlte, wir in diesem Augenblick fast Eins waren. Ich musste weinen. In diesem Moment war ich du und entschuldigte mich bei allen Seelen, die in deinem Namen verletzt worden sind. Ich entschuldigte mich sogar bei Gott, bat ihn um Verzeihung. Ich dachte immer: Mein Gott, was ist geschehen? Was habe ich nur getan? Was wurde aus meinen Worten gemacht?

JESUS: Das Entsetzlichste aber war, Maria Magdalena und meine Mutter leiden zu sehen, sie, die ich so geliebt habe.

ICH: Ja, zweimal sah ich in den nächsten Tagen durch deine Augen und fühlte deine tiefe Liebe zu Maria Magdalena. Du suchst sie noch heute. Du bist noch heute in Liebe mit ihr verbunden, willst sie wiederfinden, um dich wieder mit ihr zu vereinigen. Ich spüre jetzt wieder deinen Schmerz in meinem Zwerchfell.

JESUS: Sie war eine wundervolle Frau. Sie hatte eine solche Tiefe und Schönheit. Das jedoch ängstigte die Männer, die sie begehrten. Ihre Tür stand jedem offen. Viele kamen ängstlich und erfüllt von Fragen zu ihr. Sie hatte wunderbar zarte und heilende Hände, durch welche die Liebe floss. Das machte andere Frauen eifersüchtig. Doch Maria war stolz; sie ließ sich nicht unterkriegen.

ICH: Du musst sie sehr geliebt haben.

JESUS: Ja, ich habe sie geliebt. Du und ich wir waren uns sehr nah, näher als nah. Darum schmerzte es dich so, darum musstest du auch weinen.

ICH: Ja, Jesus, das war der Moment, in dem ich dich in mir ernstnahm. Es war die Wiederholung deiner Schmerzen, die ich in meinem Körper fühlte. Es waren nicht meine. Die Bilder und deine Stimme waren es. Sie drängen mich dazu, jetzt mit dir zu sprechen.

JESUS: Ja, ich verstehe.

ICH: Ich habe viele Fragen. Doch im Moment weiß ich nicht weiter. Die Bibel habe ich zwar mal gelesen, aber sie hat mich nie wirklich berührt. Als Jugendlicher im Internat habe ich sie sogar mit einer Luppe verbrannt. Das brachte mir viele Stunden Arrest ein …

JESUS: Du hattest einen verständnislosen Pfarrer, bist aber zu deinem Glauben gestanden. Du hast dich nicht von ihm unterkriegen lassen, im Gegenteil: Er hat in dir Kraft geweckt und Authentizität. Das hat mich berührt. Mach dir also darum keine Gedanken. Kirche und Pfarrer haben mir über die Jahrhunderte so vieles in den Mund gelegt, an meinen Worten klebt so viel Blut. Das wollte ich nie. Wo sind die Frauen in der Kirche? Habe ich je gesagt, dass Frauen nicht Pfarrerinnen oder Priesterinnen werden dürfen? Bei mir gab es keine Kirche. Niemand verstand meine Liebe zu Maria Magdalena, sie war mir die Nächste. Sie war es, die mir Beistand gab, die mich im Fieber pflegte und ölte. In meinen tiefsten Zweifeln stand sie mir bei. Niemand hat das verstanden. Stattdessen wurde sie von der Kirche als Hure herabgewürdigt. Ich habe sie nur leiden lassen – gefangen in meinem göttlichen Auftrag. Wie mich das schmerzt! Man machte sie zu einem Werkzeug, um meinen Mythos zu stützen, meine Heiligkeit, den Mythos von Jesus Christus. Sie war mir Frau und Geliebte. Mein Herz war sie, das mich lieben ließ. Durch ihre Augen lachte mich der Vater, die Mutter Schöpfung an. Sie gab mir Ruhe im Sturm. Sie war Hingebung, das vollkommene Dienen. Sie verkörperte die heilende, sanfte, erotische Lebenskraft der Schöpfung, wie es auch meine Mutter Maria tat; sie beide wirkten vom Geist Gottes bewegt.

ICH: Ist es in Ordnung, wenn wir eine Pause machen? Ich kriege gleich Besuch und spüre wieder diesen Schmerz von dir in mir. Wie es mir die Rippen zusammenzieht!

JESUS: Ja, ich muss unsere Worte auch erst überdenken. Ich bin dabei, in deinem Körper zu erwachen, meine Wahrnehmung verändert sich.

ICH: Gut, dann schließe ich hier und schreibe in der Nacht weiter. Ich danke dir, Jesus. Ich danke auch dir, Gott in Jesus, in Maria Magdalena und Maria, als Brama, Vishnu, Maheshwor, Shakti, Kali, Durga, Swarasotti und Santasossi. Oh, Gott, du und deine vielen Namen.

JESUS: Ja, es sind alles Aspekte, Manifestationen meines Vaters, unseres Vaters – des Geistes und Bewusstseins in den Kulturen und Religionen. Es ist schön, wenn du sie alle ehrst. Sie halfen dir, dich wieder in uns zu erkennen. Jetzt geh, kauf für euch beide etwas Gutes zu essen!

ICH: Ich danke dir, Jesus.

JESUS: Ich danke dir.

NÄCHSTER Tag. Eine Nacht voller Wut und Schmerz.

ICH: Bist du da, Jesus?

JESUS: Ja, hier bin ich.

ICH: Das war eine anstrengende Nacht. Da waren wieder diese Schmerzen, deine Wut – unsere, die ich in mir fühlte. Doch sie erleichterten mich. Jetzt fühle ich mich befreit. Auch der Chinese gestern mit seiner Energieübertragung hat mir gutgetan.

JESUS: Ja, er war gut. Ich fühle mich auch besser. Ich war glücklich. Ich spüre immer den Schmerz und das Leid Maria Magdalenas und fühle mich schuldig. Maria würde nur lächeln, mich umarmen oder mich lachend ausschimpfen – doch so fühle ich im Moment.

ICH: Ist doch in Ordnung, Jesus, sei nicht allzu streng zu dir. Du hattest nach der Kreuzigung keinen Einfluss mehr auf das, was geschah.

JESUS: Hatte ich das nicht?

ICH: Ich denke nein.

JESUS: Lass uns auf gestern zurückkommen. Der Chinese hatte wirklich eine starke Energie. Sie war heilend. Er hat selbst viel gelitten. So weiß er, was Leiden und Krankheit bedeutet. Diese Erfahrungen geben seiner Energie Kraft. Es sind seine Erfahrungen, durch welche Energie fließt. Sie manifestieren sie, und seine geistigen Lehrer unterstützen ihn dabei.

ICH: Ich fühle mich heute wirklich besser. Morgens merkte ich sofort, dass ich heute endlich mit den Zigaretten aufhören kann. Ich habe zwar noch mal zwei geraucht, doch danach ging es mir richtig mies. Das Nikotin im Blut verändert meinen Körper, die Nerven und meinem Geist. Ein künstlicher Rhythmus setzte ein, ließ mich meinen natürlichen verlieren. Ich konnte fühlen, wie mein ganzes System sich durch die Zigarette, das Nikotin, umstellte. So beschloss ich, aufzuhören. Mehrere Stunden lang ist es mir gelungen. Ich bin sehr dankbar dafür.

JESUS: Ich fühle mich auch gut. Schmerz und Traurigkeit waren für einen Moment verschwunden. Ich erinnerte mich: Maria Magdalena und ich flüchteten vor der Glut der Sonne in das weiße Lehmhaus. Wir lagen auf der Strohmatte im Schatten. Sonnenstrahlen besuchten uns. Schatten kühlten uns sanft. Wir lagen da. Sie strich mit ihren Fingern um meine Lippen, ließ mich schweigen. Sie liebte die Stille, die Sprache ohne Worte. Ihr schwarzes langes Haar bedeckte einen Teil ihrer Schulter. Ihr Kleid war heruntergerutscht und hing an ihrer Brust. Sie war voll und weich. Ihr Geruch, ihre dunklen Augen ließen mich in ihr versinken, mich vergessen, wer ich war. Ich versank zwischen ihren Brüsten, während sie meinen Nacken liebkoste. Stolz standen die Knospen ihrer Weiblichkeit. Sie lockten mich lächelnd. Meine Zunge kreiste um ihre aufgerichteten Knospen und leckte das Salz. Ich liebte den Duft ihres Schweißes. Sie griff in mein Haar, biss mich in den Hals. Sie fauchte mich keck, herausfordernd an, lachte, als ihre Schenkel mich umschlangen.

ICH: Wunderschön, Jesus. Doch willst du wirklich vor mir dein Liebesleben ausbreiten?

JESUS: Ich will nur zeigen, wer wir wirklich waren, welche Schönheit sie in sich trug. Plötzlich aber wurde ich aus meiner Erinnerung gerissen. Wut stieg in mir empor. Ich sah die Kirchengeschichte. Sie kam mir leer vor und unsinnlich. Ihre Würdenträger schmückten sich mit falscher Anständigkeit und verlogener Moral, pflanzten Angst in das Gewissen der Gläubigen. Aus Angst vor einem Gericht nahmen Menschen unfreiwillig den Glauben an. Wir gaben euch aber die Freiheit, wie konnten sie sowas den Menschen antun? Habe ich, Jesus, je von Strafe gesprochen? Habe ich je gesagt, ihr sollt hassen, statt zu lieben? Ihr sollt eure Brüdern und Schwestern aller Kulturen und Religionen achten und lieben. Eure Brüder und Schwestern, aber auch Pflanzen und Tiere lieben und achten. Warum habe ich Maria Magdalena so geliebt? Sie war es, die mich berührte, die mir meine Füße massierte. Sie kühlte meine Stirn, als ich zitternd, gefangen im Zweifel des Fieberwahnes, am Feuer lag. Petrus und die anderen Jünger waren eifersüchtig. Sie haben Maria Magdalena nie akzeptiert. Alle begehrten sie und schämten sich dafür – sie liebten ja mich. Sie konnten nicht verstehen, dass ich als Sohn Gottes liebte. Verwirrt von den Lehren der Pharisäer, dem strengen Moralkodex der jüdischen Gemeinde, waren sie voller Selbstzweifel und Selbstzerknirschung. Sie waren mit ihrem eigenen Begehren konfrontiert. Die Jünger wollten nicht verstehen, dass ein Gottessohn lieben kann. Wenn Gott aber durch seinen Sohn nicht lieben kann, wie kann er dann über Liebe sprechen? Wenn ich über Liebe sprach, wie sollte ich nicht über das sprechen, was mich bewegte? Dies erfuhr ich durch Maria Magdalena. Sie gab meinen Gedanken Stille. Ihre Finger brachten meinen Geist zur Ruhe. So wurden die Worte meines Vaters befreit, und ich hörte sie hinter meinen Gedanken. Maria brachte mich zurück in meine Seele, ins Bewusstsein meines Vaters. Die Tiefe ihres Blicks öffnete mir meine Tiefe. Ihre Augen ließen mich eintauchen in das Bewusstsein, in das Licht des Vaters, das uns beide einhüllte. Sie gab mir Ruhe und Vertrauen, an mich zu glauben. Der Friede des Vaters umgab uns, als wir erschöpft im Liebesschweiß in Träumen versanken.

ICH: Du musst sie sehr geliebt haben.

JESUS: Ja, das habe ich. Ich wollte sie immer bei mir haben. Ich liebte auch Johannes, Petrus, Judas und die anderen. Doch sie war immer die Wichtigste für mich. Das haben die Jünger ihr nie verziehen. Viele Male mahnte ich Petrus und die anderen vor ihrer kalten Dogmatik. Ich mahnte sie vor ihrer Härte, mit der sie ihre Seele und die der Menschen verletzten. Ich zeigte ihnen, wie sie sich mit Schuldgefühlen, Ehrgeiz und Selbstzerknirschung demütigten und selbst bestraften. Doch sie gaben keine Ruhe, wollten uns trennen mit ihrer Wissbegier und Gottesgier. Nein, so war es nicht ganz … Ich habe übertrieben. Ihre Liebe zu mir war echt. Sie hatten alles aufgegeben für mich. Ich konnte sie nicht verstoßen und enttäuschen. Maria Magdalena selbst mahnte mich, sie nicht zu verraten. Ich sollte meinen Auftrag nicht verleugnen, indem ich mich ihr hingab und mit ihr über die Berge fliehen wollte.

„JESUS, du würdest dich selbst verleugnen, tu es nicht“, sagte sie.

SIE war wie meine Mutter Maria, die wahre Tochter der göttlichen Mutter Schöpfung. Sie gab mir Trost, Stärke und Führung. Sie führte mich zurück in den Geist des Vaters, wenn ich, geplagt von Zweifeln, von ihm abglitt. In seinem Geist tanzten wir, wo es weder Frau gab noch Mann, weder Gott noch Göttin. Sie waren miteinander verschmolzen als wirkende Erfahrung und Potential, als Liebe und Kraft. Sie leuchteten als Weisheit im ewigen Bewusstsein. Wir fühlten sie, fühlten, woher wir kamen. Es brauchte keine Worte. Mit jedem Kuss, jedem Zucken wollte ich tiefer in Maria eindringen. Ich wollte eins werden mit ihr, mit ihr sinnlich im Geist, mich körperlich verschmelzen, eins sein im Ganzen, mich loslassen. Im Erwachen dieser Sehnsucht, dieses Begehrens, spürte ich mich als Mensch und litt. Draußen am Feuer saßen die zwölf Jünger. Sie blickten misstrauisch, verärgert zu unserem Zelt. Sie drehten sich verschämt weg, wenn sie uns bei der Liebe hörten. Wir verstanden ihre Gedanken, spürten jeden Einzelnen in uns.

ICH: Jesus, du warst wütend und verletzt, gestern. Ich überlegte, ob ich schreiben soll. Doch da waren zu viele Gefühle. Du hast auf die Kirchen und Religionen geschimpft. Ich fühlte, wie der Schmerz deiner Pein sich in warm fließende Wut verwandelte. Du hast genug von dem Blut, das in deinem Namen vergossen wurde. Du bist bestürzt, wie deine Worte der Erkenntnis und Liebe Strafe, Leid und Krieg zu zeugen vermochten.

JESUS: Ja, welches Recht nahmen sie sich heraus, den Menschen das Schönste, ihre Liebeskraft zu verdunkeln, sie mit Angst und Strafe zu belegen? Mit jedem Wort, jedem Gedanken an Hölle und Dämonen, wurden sie selbst zu Dämonen, indem sie durch Schriften und Predigten Irrlehren verbreiteten. Sie erzeugten Dämonen und Teufel durch die Bilder ihrer Reden, Schriften und Gedanken. Diese Bilder prägten sich über Generationen ein in die Gehirne und Seelen der Menschen. Dadurch wurden sie durch ihre Erinnerungen selbst zu ihren Bildern. Die Bilder ihrer Vorstellung wurden zu ihrer inneren Wirklichkeit. Schließlich waren die Mönche und Geistlichen besessen von ihren selbstgemachten Vorstellungen des Bösen, die sie in sich selbst bekämpften, sich selbst dafür bestraften und quälten. Dadurch verstärkten sie sie. Ihre Gedanken an das Schlechte wurden zu Erfahrungen. Diese Erfahrungen bauten sich in ihren Seelen auf, erfüllten sie. Dadurch wurden sie von ihnen beherrscht. So wurden sie selbst zu Dämonen der Inquisition, der Kreuzzüge und Religionskriege. Sie verfolgten, verbrannten die, die ihren Dogmen widersprachen, die sich um Wissenschaft, Heilung, Erkenntnis und Liebe mühten. Sie verbreiteten religiösen Terror, mit dem sie die Menschen in den Glauben zwangen. Sie verbrannten Gläubige, die die Natur, das leuchtende Bewusstsein darin, verehrten. Wie konnten sie das nur tun? Warum haben sie Tausende unschuldige Männer und Frauen sinnlos ihrer Macht geopfert, sie verfolgt, verbrannt und gefoltert? Habe ich, Jesus, je einen Mensch verdammt? Habe ich je einen geschlagen oder bestraft? Nein, ich nahm mich der Ausgestoßenen, der Armen und Kranken an, derer, die sich allein gelassen, selbst mit Leid und Schuld bestraften. Ich nahm mich sogar der Zöllner an, die sich in Wunschbildern von Macht verirrten, Menschen unterdrückten und peinigten. Ich integrierte Seelen, ihr Licht, das die Menschen aus Angst verloren hatten. Befreit erwachten sie, nahmen plötzlich wieder das Leben, die Schönheit wahr. Ich erweckte ihre Seelen, schenkte ihnen Frieden und Heilung in Gott. Ich nahm mich der tief Gefallenen an, der Leidenden. Sie alle habe ich gesucht. Den Verachteten, Ausgestoßenen und Entrechteten war ich Mutter und Vater. Was haben die Religionen daraus gemacht? Wie konnten sie den Menschen das nur antun? Mit jedem Wort der Strafe, der Angst, zeugten sie Angst, Strafe, dadurch als Reaktion darauf auch Gewalt. Das, was sie säten, wuchs in den Geist der Menschheit, in die Schöpfung hinein und entwickelt sich weiter. Mit ihren Bildern belasteten, beschmutzten sie das liebende und neutrale Bewusstsein Gottes mit Angst und Schuld. Sie quälten die Menschen. Sie machten aus meinem liebenden Vater ein strafenden. Ihre Reden trugen meinen Namen, Jesus Christus. Sie nahmen mich, um sich selbst zu erhöhen, sich über Gläubige, Andersgläubige und nicht Gläubige zu stellen. Sie aber sind der Spiegel der Vielfalt, in der sich die Einheit selber erschafft. Mit der Bibel erhöhten sich Geistliche und Priester, machten sich selbst vermeintlich zur Stimme Gottes und schließlich gar zu Gottesrichtern. Sie tarnten sich als Diener mit Lobpreisungen und falscher Demut. In Wirklichkeit aber verbreiteten sie das Böse durch Bilder voller Gewalt, der Hölle und Strafe in ihren Schriften. Sie entfachten blutige Kreuzzüge und führten sinnlose, erbarmungslose Religionskriege. Von ihren Machtansprüchen besessen und geblendet, stützten und nährten sie eitle Fürsten und Könige, um sie zu beherrschen. Mit den Worten ihrer Predigten pflanzten sie den Samen der Angst und Strafe in die Seelen der Menschen. Diese entwickelten sich in ihrem Inneren. Angst und Schuld erzeugten Frustration, Aggression und Gewalt unter den Menschen. Unter dem Deckmantel des Guten herrschten Gewalt und Unterdrückung. Die Menschen quälten sich selbst. War das meine Botschaft? Bin ich dafür gekreuzigt worden? In Kutten, Bischofsgewändern, dick und träge im Geist, wandeln sie in Demutshaltung einsam durch prächtige Kreuzgänge. Ja, sie wandeln einsam, wie sie selbst einsam geworden sind. Sie haben sich verlaufen in falschen Vorstellungen und Deutungen meiner Worte. Doch nicht an ihnen, sondern an mir, Jesus Christus, wie auch an anderen Propheten, klebt das Blut ihrer Worte und Taten. An mir klebt das verbrannte Fleisch, der Eiter entzündeter Wunden. In meinen Ohren klingen die Schreie der Verwundeten, das Weinen der einsamen Kinder und Frauen. All meine Wunden, die in unzähligen Jahrhunderten nicht heilen wollten – ich spüre jede einzelne davon, die in meinem Namen gebrannt wurden. Ich muss euer Unrecht der Liebe, eure Verachtung der Menschheit erleiden. Sie haben meinen Namen missbraucht. Wie konnten sie, Priester der Religionen, das Gleiche mit anderen Gesandten des Vaters tun? Wieder ist da dieser Schmerz, diese Wut. Ich bin in dir wieder Mensch geworden. Vergessen hatte ich das Empfinden dieser Gefühle. Wo ist Maria Magdalena? In solchen Momenten bräuchte ich sie so.

ICH: Jesus, dein Schmerz ließ mich nicht schlafen. Er ließ meine Gedanken wandern, zerrissen. Doch ich war zu müde. Ich wollte nicht aufstehen und schreiben.

JESUS: Ist schon in Ordnung. Ich kannte ja meinen Auftrag, er war mir ja gezeigt worden von Gott. Wenn man ihn sieht, stellt man sich das Ziel so glanzvoll vor. Man klammert sich an die Möglichkeiten. Wie grausam ist dann das Erwachen in der tatsächlichen Erfahrung! Dieses Erwachen, wenn der Mensch sein wahres Gesicht zeigt, die Masken seiner Wünsche und Sehnsüchte zerrissen werden. Sie schwärmten, schrieben und sprachen über die Liebe, über Revolutionen der Menschlichkeit. Sie verbargen dahinter ihr wirkliches Gesicht, das nun zum Vorschein kam: Sehnsüchte und Wünsche, Hilflosigkeit und Angst. Doch Angst und Hilflosigkeit passten nicht in ihr Selbstbild – Straßen der Revolutionen, des Nationalismus´, füllten sich mit Blut. Wir in unserem ICH haben keine Identität. Es ist nur eine vergängliche, sich stets wandelnde Vorstellung, mit der wir uns verwechseln. Wir sind unsere eigene ewige Seele. Sie ist als Geist und Licht unser göttlicher Teil. Der menschliche Teil ist unser ICH mit der Persönlichkeit, mit dem Körper. Die Menschen wollen ihre Unwichtigkeit in der Schöpfung nicht erkennen. Sie drehen sich um sich selbst, wie es die Sonnen und Planeten tun. Es würde den Sinn ihrer Existenz in Frage stellen, wenn sie es täten. Doch gerade Kirchen und Religionen haben dieses Wissen: Sie wissen, dass wir Seelen nie sterben und nie gelebt haben. Als Seelen sind wir unsterblich, ewig. Wir sind sanft und liebend. Schmerz, Angst und Hass sind uns zuwider. Wir sind nur eine kurze Zeit hier auf Erden, für ein Körperleben. Viele meiner Deutungen, was Gott meinen könnte, wurden reduziert. Nie habe ich Liebe mit Angst und Strafe verknüpft; Gott ist nie strafend. Die Schöpfung ist liebend und bedingungslos. Wir sind Seelen, sanft, mitfühlend und friedlich.

ICH: Kannst du mehr von den Seelen erzählen?

JESUS: Nur als Geist in unserer Seele können wir uns als Menschen erkennen. Wir beobachten durch den Geist, erkennen und fühlen uns durch unser ICH im Körper. So erkennen wir in Erinnerungen unsere alten Leiderfahrungen. Wir können sie verwandeln in Glück, Friede und Erkenntnis, um in uns selbst wieder Heimat zu finden. Erst, wenn wir unser ICH nicht mehr bekämpfen, wir uns wiedererkennen in unserer inneren Vielfalt, erkennen wir uns selbst – in der Erziehung, in der Kultur, in der Religion und in der Evolution. Erst wenn wir uns in der Tiefe unserer Ebenen erkannt haben, werden wir erfüllt sein von Frieden und Ruhe. Dann werden wir wieder liebende und verwirklichte Seelen sein. Unser Erfahrungshunger ist dann gestillt. Wir erkennen, dass wir uns verwechselt haben mit Teilen von uns. Dann erkennen wir uns wieder als Seele, werden uns unserer selbst als Geist und Bewusstsein bewusst. Durch sie sehen wir mit unseren Augen, hören mit unseren Ohren und erkennen uns in unseren Gedanken. Durch Geist und Bewusstsein fühlen und empfinden wir im Körper. Unser Geist ist Teil von Gottes Geist. Sein geistiges Licht und Bewusstsein ist unser Seelenlicht, durch das wir uns selbst wahrnehmen. Der Schöpfungsgeist, sein Bewusstsein und Licht, sie sind manifestationslos. Er gibt sich uns bedingungslos liebend hin. Er nährt uns mit seinen Erfahrungen vergangener Schöpfungen, spiegelt uns unsere Erfahrungen. In ihnen erfahren wir uns durch unsere Gefühle und Gedanken als Menschen. Wir sind eine leuchtende Seele, ein Tropfen im strahlenden Urmeer des Geistes, der Gottesseele. Unser ICH ist das Auge des Fisches, der sich selbst, erschaffen vom Meer, als Meer sucht.

ICH: Ein schönes Bild.

JESUS: Tausend Jahre lang lehrte man die Menschen, sie seien Sünder. Das prägte den Menschengeist. Wut, Angst und Zorn wurden immer mächtiger in ihm. Aus schlechtem Gewissen, Angst vor einem vermeintlichen Gottesgericht flohen die Menschen zum Glauben, in gute Taten. Freiwillig, aus freiem Willen und Herzen? Sie wurden gottergebene Gläubige oder wandten sich ab von den Religionen, verlachten sie. Es blieb ihnen nichts anderes übrig. Doch sie taten dies alles nicht aus freiem Willen. Sie hatten keine Wahl. Daraus erwuchsen über Generationen Arroganz, falsche Machtansprüche, Gewalt, Selbstqual und Selbsterniedrigung. Das wirkt noch heute in unserem Inneren weiter, vergessen, in tief verdrängten Ebenen. So spiegelt diese verdrängte Angst sich im Geist einzelner Familien. Es zeigt sich im ICH der Familienmitglieder, das auf sie reagiert. Es unterdrückt diese Erfahrungen; zugleich verwandelt das Gewissen diese alten Energien in positive Handlungen.

ICH: Das heißt, der Geist mit seinen vergangenen Erfahrungen und seinem Gedächtnis ist das verarbeitende Zentrum der Seele. Das ICH im Menschen ist das handelnde und ausführende Organ des Geistes. Habe ich das richtig verstanden?

JESUS: Ja, fast. Das ICH ist das handelnde und ausführende Organ der Persönlichkeit, sie verdeckt die tieferen geistigen Ebenen unserer Seele. Darum können wir die Seele nur schwer identifizieren, können uns nicht mehr daran erinnern, woher wir einst kamen. Das ICH selbst hat keine Identität. Es wird von Persönlichkeitsanteilen der Erziehung beherrscht. Sie wollen sich im Menschen Ausdruck und Wirkung verleihen. Das ICH aber will sich durch Ideen eine eigene Identität erschaffen, die es dann verteidigt. Der Mensch will sich profilieren, positionieren. In seinem Inneren fühlt sich das ICH in seinen vergänglichen und wandelnden Identitäten bedroht. Daraus entstehen Angst, Machtansprüche, Verwechslungen und Selbstlügen. Mitmenschen könnten sie in uns aufdecken, uns auslachen und beschämen. Das ist oft verwirrend und demütigend. Darum kämpft das ICH um seine künstliche Identität der Maske, um seine Ideen. Mit der Maske passt es sich an die Ansprüche der Mitmenschen an, an ihre Meinungen. Im Menschen sucht es durch Handeln Macht. So verwechseln die Menschen sich mit ihrem ICH, hören ihre dahinterliegende innere Stimme des Geistes nicht mehr. Sie haben sich als Seele vergessen. Sie haben ihr Seelenbewusstsein verloren. Das Selbstbild des ICHs wird nun über das Sein der Seele gestülpt. Das erzeugt Angst, ein Gefühl von Mangel und Fehlerhaftigkeit. Je mehr die Angst wächst, umso mehr wird sie abgewehrt und auf Mitmenschen, auf das Fremde projiziert. Das geschieht auch in den Religionen; sie bestehen ja aus Menschen. Sie werden von Menschen gedacht und gefühlt, sie sind darum auf natürliche Weise fehlerhaft. Dadurch aber entstehen auch Feindbilder. Diese wiederum müssen dann durch Denkmodelle legitimiert werden. Dadurch erhöhen religiöse Institutionen sich mit einem falschen Absolutheitsanspruch. Das ist ihre gegenseitige Projektion. Eine andere Religion wird dann zum Feind. Das Gleiche geschah den Menschen: Sie wurden degradiert zu Sündern, entwertet, fühlten sich belastet durch falsche Deutungen einer vermeintlichen Erbsünde. Das Menschlichste an ihnen – Fehlerhaftigkeit, Unzulänglichkeit, Sexualität – wurde herabgewürdigt zur Amoral. Doch gerade sie, die Zweifel, ließen ja Vielfalt und Erkenntnisse entstehen. Die Kirchen bekehrten, missionierten die Menschen gegen sich selbst. Sie wurden gleichsam gegen sich selbst bekehrt. Daraus entstanden tiefes Leid, Gewalt und Unterdrückung. Doch damit wurde mein Missionsgedanke falsch gedeutet, entstellt. Diese falschen Deutungen brachten so viel Unglück! Sie führten zum Untergang ganzer Völker und Kulturen. Gedeckt von falscher Demut, erhoben die Kirchen, die religiösen Gemeinschaften sich selbst zu Gott, indem man den Gläubigen predigte, in Gottes Willen zu handeln. Sie erhoben sich über ihre Mitmenschen und richteten sie. So wurden Kulturen zerstört, auch der alte Naturglaube. Die Menschen vergaßen dadurch ihre Seelen, ihre Rückangebundenheit. Als die Zerstörung vollbracht war, saßen die Eingeborenen, die Besiegten entwurzelt an Hauswänden, eine Flasche in der Hand, die Augen rot unterlaufen. Sie stanken nach Schweiß und Alkohol. Beschämt, gebrochen und versklavt saßen sie da. Dies lieferte der christlichen Mission und Seelsorge den Vorwand, sich selbst in den Gebrochenen zu beweisen, indem sie ihnen dann wieder halfen. Das Christentum wollte lange nicht sehen, dass sie sie selbst zerstört, sie sie selbst dorthin gebracht hatten. Stattdessen wollen sie sie retten und bekehren, um sich selbst in der Seelsorge zu beweisen. Wann werden die Religionen sich selbst retten? Sie verlangen von den Gläubigen, einander zu dienen und zu teilen. Wann beginnen die Religionen selbst damit? Wann endlich werden sie anfangen, sich gegenseitig zu dienen und voneinander zu lernen? Sie sind ein Spiegel der Vielfalt, gleichwertig und dienend im Dienst der Schöpfung. Würden sie dies beherzigen, wäre sofort ein riesiges Gewaltpotential auf der Welt aufgelöst.

ICH: Glaubst du, sie werden sich selbst retten?

JESUS: Vielleicht. Dann müssten sie andere nicht mehr retten … Doch schon das Wort retten ist im Grunde falsch. Ich fange wieder an, wie ein Mensch zu denken und zu fühlen. Vor Gott muss niemand gerettet werden. Er will nur, dass wir sind, was wir in ihm sind. Er gab uns das Sein, unsere Gedanken, Gefühle, den Körper, um uns selbst zu erfahren; damit sind wir akzeptiert, geliebt. Wir dürfen dankbar sein, dürfen das Leben ehren. Es lebt uns durch den Schlag des Herzens. Das genügt. Wir müssen nichts tun. Er ist ja alles – die Einheit und wir in ihm sind Teile seiner Vielfalt. Er braucht nichts, wir können Gott nichts geben. Wir dürfen uns an unserem Sein erfreuen; er gab es uns. Er will nur, dass wir uns wieder als Seele in ihm erkennen. Sie ist ein Teil seines Lichtes, seines Geist, der als Bewusstsein in uns und um uns, alles in sich verbindet, ihm Raum gibt. Nur deshalb ist Kommunikation möglich. Die Seele ist wie eine Blume. Die Liebe mit ihren duftenden Blüten des Eros´ wurde in den Botschaften der Kirchen, im Sündenbild der Frauen, mit Unreinheit besudelt. Maria Magdalena wurde von der Kirche zur Hure gestempelt, herabgewürdigt und entehrt. Sie war meine Geliebte, meine engste Vertraute und Eingeweihte. Sie war es, die die Jünger nach meinem Tode weiter lehrte. Die Kirche erkannte sich selbst nicht und führte einen blutigen Kampf gegen Gott, gegen das Leben, gegen die Menschen. Tausende