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Ina Haller lebt mit ihrer Familie im Kanton Aargau, Schweiz. Nach dem Abitur studierte sie Geologie. Seit der Geburt ihrer drei Kinder ist sie «Vollzeit-Familienmanagerin» und Autorin. Zu ihrem Repertoire gehören Kriminalromane sowie Kurz- und Kindergeschichten.

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Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig. Am Ende findet sich ein Glossar.

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© 2020 Emons Verlag GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagmotiv: Trevor Payne/Arcangel.com

Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer

Umsetzung: Tobias Doetsch

E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-96041-662-3

Originalausgabe

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Für Urs, Pascale, Rebecca und Manuela

Prolog

Er lehnte sich gegen den Baum und schaute auf das Grab. Endlich waren die Trauerfeierlichkeiten und der anschliessende Umtrunk vorbei. Nun war er alleine. Doch die Einsamkeit, nach der er sich den ganzen Tag gesehnt hatte, war auf einmal nicht mehr erstrebenswert.

Er hatte keine Ruhe gehabt, seinen Gedanken nachhängen zu können, und war gefordert gewesen, Gespräche zu führen. Der Trubel der vergangenen Tage, der mit der Beerdigung einen Höhepunkt erreicht hatte, war anstrengend und aufreibend gewesen, aber er hatte davon abgehalten zu grübeln. Da alles vorbei war, hatten die Gedanken Raum bekommen, in den Vordergrund zu treten. Alles wurde real – in der Stille, die ihn umgab. Diese Stille führte ihm die Endgültigkeit vor Augen.

Die Idee, am Abend nach der Beerdigung herzukommen, war nicht gut. Er hatte gehofft, hier endlich angemessen trauern zu können. Was war aber angemessen? Er fand keine Antwort auf diese Frage. Wieso konnte er die Trauer, nach der er sich gesehnt hatte, zu der er aber keine Ruhe gefunden hatte, jetzt nicht zulassen?

«Auf Knopfdruck geht das nicht», hätte sie vermutlich gesagt.

Er legte sein Gesicht gegen den Baum, und die Rinde kratzte über seine Wangen. Auf dem Weg stritten sich zwei Amseln. Zeternd flogen sie schliesslich davon.

Das alles nahm er nur am Rande wahr. Weiter betrachtete er die Kränze. Rosen, Flieder und Blumen, deren Namen er nicht kannte. In der Mitte seiner mit roten Rosen. Über ihm im Baum begann ein Vogel zu trällern. Ein anderer setzte ein. Er schaute aber nicht hoch, um festzustellen, um welchen Vogel es sich handelte, sondern betrachtete weiter das Grab. Ein warmer Luftzug, der nach dem nasskalten Wetter der vergangenen Woche daran erinnerte, dass eigentlich Sommer war, strich über sein Gesicht. Die untergehende Sonne malte ein Muster aus Licht und Schatten über den Friedhof. All das konnte sie nicht mehr erleben. Sie war tot. Er konnte oder besser wollte es nach wie vor nicht wahrhaben. Die Trauer schlug aus dem Nichts zu. Aber sie entsprach nicht dem Gefühl, das er sich erhofft hatte. Im Gegenteil. Sie drohte ihn zu ersticken. Er löste sich vom Baum und trat an das Grab. Langsam sank er auf die Knie und berührte einen der Kränze. Das, was von seiner grossen Liebe übrig geblieben war, war ein kleiner Haufen Asche, der sich in einer Urne befand, die hier vergraben war.

Nie hätte er an dem Morgen vor bald drei Wochen zu träumen gewagt, ihr Abschied könne das Ende ihres gemeinsamen Weges sein.

Er dachte an ihre leuchtenden Augen, als sie losgezogen war. An das ungute Gefühl, das ihn beschlichen hatte, als er die anderen kennengelernt hatte. Dieses Gefühl hatte sich verstärkt, als er ihr nachgeschaut hatte und sie aus seinem Blickfeld verschwunden war. Wegen dieser Nichtsnutze hatte sie mit dem Leben bezahlt. Es war nur deren Schuld. Diese Gewissheit bohrte sich wie ein Stachel in sein Fleisch.

Deutlich sah er die bestürzten Gesichter vor sich, als ihr Tod definitiv bestätigt worden war. Das Entsetzen, das zu Mitleid gewechselt war, als man ihre Leiche gefunden hatte. Heuchler! Mörder!

Ihr Tod war als Unfall deklariert worden. Das stimmte aber nicht. Sie hatten sie umgebracht, kamen aber straffrei davon und konnten weiter das Leben geniessen. Es war ungerecht. Gemein. Warum musste ihn das Schicksal so hart treffen?

Er legte den Kopf in den Nacken und schaute in den wolkenlosen Himmel. Eine Idee nahm in seinem Kopf Gestalt an. Ja, das würde er tun. Die Tat würde nicht ungesühnt bleiben. Er senkte den Kopf und betrachtete das Grab.

«Das verspreche ich dir», flüsterte er und stand auf.

EINS

Andrinas Verlobter Enrico Bianchi fuhr in die Parklücke und stellte den Motor ab. Er wandte sich Andrina zu. «Ich weiss, es ist ungemütlich, aber ein wenig frische Luft brauchen wir.»

Es herrschte das typische Wetter von Ende November. Obwohl der Hochnebel sich wie ein Deckel über das Mittelland gelegt hatte und die starke Bise das Ganze ungemütlicher machte, als es ohnehin war, hatten sie beschlossen, einen kleinen Spaziergang zu machen – nicht nur vor der Haustür.

Bevor Andrina die Wagentür öffnete, setzte sie die Kappe auf und stopfte einige Strähnen ihrer dunklen langen Haare, die sich aus dem Rossschwanz gelöst hatten, darunter.

«Brr», sagte sie und stieg aus. Wenn wenigstens Schnee liegen würde. Das würde ein wenig festliche Stimmung aufkommen lassen. Morgen in einer Woche war immerhin der erste Advent.

Hand in Hand schlenderten sie über den Parkplatz und überquerten die Strasse am Zebrastreifen Richtung Schloss Hallwyl. An der Mauer blieb Andrina stehen und schaute auf das Wasser. Anschliessend liess sie den Blick über das mittelalterliche Wasserschloss gleiten. Leider war es im Dezember geschlossen. Sonst hätten sie sich das Schloss anschauen können, anstatt bei dem ungemütlichen Wetter durch die Kälte zu stapfen. Inzwischen war sie nämlich nicht mehr so angetan von dem Plan, frische Luft zu schnappen.

Sie überquerten den Kiesplatz. An den Grabsteinen blieb Andrina stehen. Eine Infotafel verriet, dass nach dem Abbruch der Familiengruft bei der Kirche von Seengen die Grabsteine und Grabplatten der Familie von Hallwyl zum Schloss kamen. Andrina ging die Grabsteine entlang und las die Inschriften. Sie war oft hier gewesen, aber es lief ihr jedes Mal ein Schauer über den Rücken, wenn sie las, wie alt das Mädchen Mathilde Agnes von Hallwyl nur geworden war. Sie hatte nicht einmal ihren zehnten Geburtstag feiern können. Unweigerlich legte sie die Hand auf ihren Bauch, der sich inzwischen nach vorne wölbte. Trotz ihrer zierlichen Gestalt hatte man ihr die Schwangerschaft lange nicht angesehen. Jetzt war sie im fünften Monat, und es liess sich nicht mehr verheimlichen.

«Was ist?», fragte Enrico. «Geht es dir nicht gut?» In seinen dunklen, fast schwarzen Augen las sie Besorgnis.

«Es ist alles bestens», erwiderte Andrina. Sie war froh, weil die Übelkeit, die sie von Anfang an begleitet hatte, inzwischen nachgelassen hatte.

Sie liefen weiter geradeaus in den Weg und schlenderten durch das Seengermoos Richtung See. Die Bise blies hier stärker, und Andrina spürte die Kälte, die durch den Wintermantel drang.

Viele hatten sich bei dem Wetter nicht vor die Tür gewagt. Es kamen ihnen nur zwei Jogger und ein Mann mit einem Schäferhund entgegen. Nach zehn Minuten erreichten sie die Anlegestelle «Seengen» von der Schifffahrt Hallwilersee. In der wärmeren Jahreszeit konnte man von hier zu Rundfahrten auf dem See starten. Als Nächstes gelangten sie zur Frauenbadi. Daneben lag die Männerbadi.

Hin und wieder war Andrina in dieser öffentlichen kostenlosen Seebadi geschwommen. Bei der Kälte heute schauderte ihr nur beim Gedanken, einen Fuss ins Wasser zu setzen. Sie gingen an dem einfachen roten Holzgebäude vorbei, in dem sich Umkleidekabinen, WCs und Duschen befanden, und traten an die Holztreppe. Sogar das Wasser sah bei diesem Wetter grau aus, und die Seerosen, die am Ufer wuchsen, schafften es nicht, der Szene einen Farbtupfer zu verleihen. Immerhin waren sie hier ein wenig vor dem Wind geschützt, der die Temperatur mindestens um zwei Grad tiefer empfinden liess, als sie war. Zwei Blesshühner schwammen vorbei, und ein Schwan näherte sich ihnen.

«Ich denke, das reicht heute mit frischer Luft», sagte Enrico, und sein Atem stand in einer weissen Wolke vor seinem Mund.

Dem musste Andrina zustimmen, und sie war froh über den Vorschlag.

«Gehen wir zurück?», fragte er. «Mir ist kalt.»

Andrina wandte sich ihm zu. Er hatte den Kragen seiner Jacke hochgestellt und mit dem Schal das Kinn abgedeckt. Die Kappe hatte er tief in die Stirn gezogen. Er fror eindeutig mehr als sie. «Manchmal bin ich froh, dass du ein wärmeverwöhnter Süditaliener bist.»

In Enricos Augen blitzte es, und sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. «Ich lebe gerne in der Schweiz, aber es gibt Dinge, die nicht unbedingt sein müssten. Dazu gehört dieses nasskalte Dauergrau im Winter.»

Bevor Andrina antworten konnte, ertönte ein lang gezogener Schrei. Für den Bruchteil einer Sekunde schauten sie einander an, bevor Enrico zum Ausgang der Badi rannte.

Andrina hastete hinter ihm her. Als sie vor die Badi trat, kam ihnen eine Frau entgegen, die wild mit einer Hand fuchtelte und einen Collie hinter sich herzog.

«Da liegt einer», stiess sie atemlos hervor, als sie bei ihnen angekommen war.

«Wo?», fragte Enrico.

«Er bewegt sich nicht.»

«Wo liegt wer?»

«Ein Mann … ich glaube, es ist ein Mann.»

«Wo?», wiederholte Enrico mit Nachdruck.

«Dort bei dem Pfahlbauhaus.» Sie deutete in die Richtung, aus der sie gekommen war.

«Wo ist er?», fragte Enrico, als sie beim Nachbau eines Pfahlbauhauses ankamen. Andrina sah sich um. Ausser Schilf, Bäumen und Wiese sah sie nichts.

«Da drin.» Die Frau deutete auf den niedrigen, kleinen Eingang. Andrina beugte sich vor, konnte aber nichts erkennen. Ausser dass es in der Rückwand ein Loch hatte, das den Blick auf die sumpfige Wiese freigab.

«Er liegt an der Wand auf der linken Seite.» Inzwischen hatte die sich überschlagende Stimme zu einem Flüstern gewechselt, das Andrina kaum verstehen konnte.

Enrico bückte sich und schlüpfte ins Innere. Er wandte sich nach links. Neben Andrina trat die Frau von einem Bein auf das andere und schimpfte mit ihrem Hund, der Enrico offenbar gerne gefolgt wäre. Den Collie interessierte die Tirade nicht, und er zog weiter an der Leine. Dabei wedelte er mit dem Schwanz.

«Er hat ihn gefunden», sagte die Frau, die wieder so leise sprach, dass Andrina sie fast nicht verstand. «Er lief weg und hat nicht auf mich gehört. Zuerst wusste ich nicht, wo er war, bis er anfing, laut zu bellen.» Sie sprach hastiger. «Als er nicht da rauskommen wollte, bin ich rein und habe den …»

Sie brach ab, als Enricos Kopf im Eingang auftauchte. Er kroch aus dem Haus, richtete sich auf und klopfte die Erde von der Hose.

«Er ist tot», sagte er. «Wir sollten die Polizei verständigen.»

Andrina verschränkte die Hände ineinander und starrte geradeaus. Sie sass in einem der Polizeiwagen, die auf dem Kiesplatz vor dem Schloss Hallwyl standen. Es war kalt im Wagen, und sie hätte zu gerne die Wagentür geschlossen, damit die Bise nicht durch das Wageninnere zog, aber sie wagte es nicht. Sie wagte überhaupt nicht, sich zu rühren, und konnte nicht sagen, wie lange sie bereits im Wagen sass und wartete. Sie betrachtete die Frontkonsole und überlegte, ob der Wagen eine Standheizung hatte. Falls das so war, hätte man sie bestimmt eingeschaltet.

Andrina war die Einzige, die sich in einem der Autos befand. Vermutlich hatte man ihr aufgrund der inzwischen nicht mehr zu übersehenden Schwangerschaft zugestanden, sich zu setzen.

Um sie herum herrschte geschäftiges Treiben. Beamte liefen zum See oder kehrten zurück. Vor einiger Zeit war ihnen ein Mann mit einem silbrigen Koffer in die Richtung des Pfahlbauhauses gefolgt. Andrina meinte, den Rechtsmediziner erkannt zu haben, dem sie ein- oder zweimal begegnet war, als sie mit Enricos Halbbruder Marco Feller, dem Leiter der Abteilung Leib und Leben, zusammen gewesen war. Marco war zu ihrem Bedauern ebenfalls vor Ort.

Sie legte die Hand auf den Bauch. Ihr Baby rührte sich nicht. Bestimmt spürte es ihre Anspannung.

Inzwischen hatte die Dämmerung eingesetzt. Bald würde der graue Tag von der dunklen Nacht überschattet werden. Zur jetzigen Jahreszeit fand Andrina es eine Erleichterung, wenn es dunkel wurde. In der Nacht musste sie dieses Dauergrau nicht mehr sehen. Heute jedoch fürchtete sie sich davor. In der Dunkelheit würde es keine Ablenkung geben. Genau diese Ablenkung suchte Andrina und schaute sich um. Niemand nahm Notiz von ihr, und sie fragte sich, ob man sie vergessen hatte.

Sie blickte zur Mauer und zum Wassergraben, der das Schloss umgab. In der Nähe der Grabsteine stand Enrico mit Max Wagner aus Marco Fellers Team. Sie konnte die Männer aus dieser Distanz fast nicht erkennen. Wagner machte Notizen und stellte offenbar eine Frage nach der anderen. Enrico schien regelrecht damit bombardiert zu werden. Sogar aus der Entfernung konnte Andrina trotz schwindenden Lichts Enricos Anspannung erkennen, obwohl er mit dem Rücken zu ihr stand.

Der Wind nahm weiter zu. Andrina verschränkte die Arme vor der Brust. Viel Schutz gab es nicht.

Die Frau, die die Leiche zuerst entdeckt hatte, stand an der Mauer zum Schlossgraben und wurde von Marco befragt. Sie hatte die Arme um ihren Körper geschlungen. Ihr Collie sass brav neben ihr.

Zwei Männer in weissen Schutzanzügen kehrten vom See zurück. Sie waren in eine Diskussion vertieft und gingen zu einem Kastenwagen, der in der Nähe des Eingangs vom Schloss stand.

Neben dem Wagen nahm Andrina eine Bewegung wahr und brauchte einen Augenblick, bis sie den Beamten erkannte. Silvan Brogli stieg neben ihr ein und liess sich auf die Rückbank fallen. Ausgerechnet er. Zu deutlich erinnerte Andrina sich an seine Vernehmungen in der Vergangenheit, die alles andere als angenehm gewesen waren. Immer wieder hatte er sie bei früheren Fällen als Tatverdächtige ins Auge gefasst.

«So schnell sieht man sich wieder», sagte er anstelle einer Begrüssung.

Andrina liess den Tonfall auf sich wirken, konnte aber nicht mit Bestimmtheit sagen, ob Sarkasmus in ihm mitschwang. Sie überlegte, ob sie darauf eingehen sollte, schwieg aber lieber.

«Leider ist der Umstand unseres Wiedersehens nicht erfreulich.»

Dieses Mal war sie sich sicher. Keine Anspielung schwang zwischen den Zeilen mit, und Andrina wandte sich ihm erstaunt zu. Brogli hielt eine Thermoskanne und einen Styroporbecher hoch. «Möchten Sie einen heissen Tee?»

Andrina war zu erstaunt, um sofort zu antworten. Die menschlichen Züge an diesem Mann waren fremd. «Das wäre nett», brachte sie nach einigen Sekunden hervor.

«Es tut mir leid, wenn Sie warten mussten.» Brogli füllte Tee in den Becher, den er Andrina reichte. Sie schnupperte. Kräutertee.

«Danke.»

Vorsichtig nippte sie an dem heissen Getränk. Wärme breitete sich über die Speiseröhre Richtung Magen aus. Von dort strahlte sie weiter im Körper aus, doch bis zu ihren Gliedmassen gelangte sie nicht. Inzwischen hatte sie das Gefühl, ihre Füsse seien aus Stein. Brogli stellte die Thermoskanne vor sich auf den Boden und nahm die Kappe ab. Seine grauen, sich lichtenden Haare standen wirr vom Kopf ab, aber er bemerkte es nicht und holte sein Notizbuch aus der Jackeninnentasche. Er schlug es auf und holte einen Stift hervor.

«Wir haben Sie in dem ganzen Trubel vergessen. Tut mir leid.» Das klang zerknirscht. Eine weitere Eigenschaft, die sie bisher ebenfalls nicht bei ihm beobachtet hatte. «Können Sie bitte berichten, wie Sie die Leiche gefunden haben?» Das war der Tonfall, mit dem er normalerweise mit ihr sprach. Andrina war augenblicklich auf der Hut und wappnete sich für das, was folgen würde.

«Nicht ich habe sie gefunden. Ich meine, im eigentlichen Sinne.» Andrina berichtete, wie sie beschlossen hatten, trotz des scheusslichen Wetters einen Ausflug zu unternehmen, und wie ihnen die Frau entgegengerannt war.

«Kennen Sie die Frau?»

«Nein. Ich bin ihr bisher nie begegnet.»

«Und die Leiche?»

«Ich habe sie, ehrlich gesagt, nicht gesehen.»

Brogli hob seine Augenbrauen.

«Als sie uns zu der Baute geführt hat, ist nur Enrico reingegangen. Von meinem Standpunkt aus konnte ich nichts in der Hütte erkennen.»

«Hat Herr Bianchi Ihnen etwas über die Person gesagt?»

«Er sei tot, und wir müssten die Polizei verständigen.»

Broglis Stift huschte über das Papier. Andrina hatte das Gefühl, er notiere jedes einzelne Wort, das sie sagte.

«Wer von Ihnen hat den Notruf getätigt?»

«Enrico. Im Anschluss bat er mich, zum Parkplatz zu gehen und mich um die Frau zu kümmern.»

«Die Frau? Hat sie Ihnen nicht ihren Namen genannt?»

«Nein. Sie stand unter Schock und hat kein Wort gesprochen, nachdem Enrico uns gebeten hatte, zum Schloss zu gehen.»

«Warum blieb Herr Bianchi zurück?», fragte Brogli.

«Er wollte, dass niemand anderer in das Haus ging.»

Hatte Enrico damit einen Fehler gemacht? Hoffentlich nahm niemand an, er könne etwas am Tatort verändert haben. Nach allem, was in der Vergangenheit vorgefallen war, konnte man das Verhältnis zwischen ihm und Marcos Team als schlecht bezeichnen. Alles beruhte auf gegenseitigem Misstrauen. Ihr war es nicht recht gewesen, als er beschlossen hatte, zurückzubleiben. Sie sah ihn vor sich, wie er sich gegen einen Baum gegenüber dem Eingang der Pfahlbautenrekonstruktion gelehnt und ihnen nachgeschaut hatte.

Brogli neigte den Kopf. Diese Geste war wie eine Aufforderung, weiterzusprechen.

«Damit keine weiteren Spuren vernichtet werden, hat er gesagt», fuhr Andrina fort und war sich bewusst, wie unbeholfen und defensiv das klang, und ärgerte sich darüber.

«Das hat er bereits selber gemacht.» Ein Grollen mischte sich in seine Stimme, und Andrina fröstelte stärker, als sie es ohnehin tat.

«Was?»

«Den Tatort verändert. Er hat den Toten bewegt.»

«Enrico dachte, der Mann sei verletzt, und wollte Erste Hilfe leisten.»

«Natürlich.» Ein kurzes Lächeln umspielte Broglis Mund. Ihm konnte die Aggressivität, die sich in Andrinas Stimme mischte, nicht entgangen sein.

«Hat Herr Bianchi Veränderungen am Tatort vorgenommen? Ich meine damit, hat er was mitgenommen?»

«Warum sollte er? Er hat geschaut, ob der Mann lebt. Nicht mehr und nicht weniger. Ob oder wie stark er dabei seine Lage verändert hat, weiss ich nicht. Bevor Sie fragen, er hat bestimmt kein zweites Mal das Haus betreten, bis Sie und Ihre Kollegen eingetroffen waren.»

Hoffentlich war das so, dachte Andrina. Hoffentlich hatte Enrico sich kein zweites Mal vergewissert, ob die Person tot war oder lebte. Sie wollte sich nicht ausmalen, mit welchem Ärger er zu rechnen hatte, falls er sich dem Toten ein weiteres Mal genähert hatte.

Sie sah sein versteinertes Gesicht vor sich, als er gemeinsam mit Marco Feller und Wagner auf den Platz vor dem Schloss gekommen war. Die Beamten hatten ihn wie eine Eskorte begleitet. Als sie den Parkplatz betreten hatten, hatte keiner der Männer gesprochen. Am liebsten wäre Andrina zu ihm geeilt, aber er hatte einen Blick in ihre Richtung geworfen und sie mit den Augen beschworen, dort zu bleiben, wo sie war. Wiederholt hatte sie sich gefragt, warum. Was war vorgefallen?

Es war Andrina nicht recht, dass Marco hier war. Er sollte sich wegen Befangenheit zurückhalten, spätestens nachdem er realisiert hatte, wer den Toten gefunden hatte. Es irritierte Andrina, dass er hier war und blieb. Was wollte er damit bezwecken?

Andrina dachte an den September zurück. Sie hatte Marco definitiv klargemacht, es gebe kein Zurück und ihre Beziehung sei definitiv vorbei. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Lass das. Konzentriere dich lieber.

«Wissen Sie, ob die Frau, die die Leiche gefunden hat, Veränderungen am Tatort vorgenommen hat?», fragte Brogli.

«Keine Ahnung, ob sie im Haus war.» Halt, das stimmte so nicht. Andrina erinnerte sich an das Gestammel der Frau, ihr Hund sei in dem Haus verschwunden. Brogli bemerkte ihr Zögern.

«Sie hat gesagt, ihr Hund sei fortgelaufen, und sie musste in das Haus, um ihn zu holen.»

In Broglis Gesicht arbeitete es. Die Missbilligung war deutlich, aber er hielt sich zu Andrinas Erleichterung mit Schimpftiraden zurück.

«Herr Bianchi hat nichts über den Zustand des Toten gesagt?», fuhr er fort.

Was sollte das heissen? War die Leiche etwa übel zugerichtet? Durch wen? Durch den Mörder oder Tiere? Wie lange lag die Leiche überhaupt dort? Allein die Vorstellung reichte aus, dass Andrina übel wurde. Sie schaffte es nur, den Kopf zu schütteln.

«Das reicht fürs Erste.» Er deutete auf den Becher in Andrinas Hand. «Möchten Sie noch Tee?»

Obwohl ihr nach wie vor kalt war, lehnte sie ab. Sie würde bestimmt nichts mehr herunterbekommen. Brogli stieg aus. Andrinas Erleichterung darüber verpuffte, als sie ihn auf Wagner und Enrico zugehen sah und Marco sich zu ihnen gesellte.

***

Andrina liess sich auf das Wohnzimmersofa fallen und beobachtete, wie Enrico Holz in den Ofen stapelte und es anzündete. Er schloss die Glastür und schaute zu, wie die Flammen zu züngeln begannen. Es kam Andrina vor, als wolle er ein Gespräch möglichst weit hinausschieben.

Auf der Heimfahrt hatten sie fast nicht miteinander gesprochen. Auch jetzt war kaum ein Wort gefallen. Andrina wagte nicht, das Schweigen zu brechen. Sie dachte an Enricos starres Gesicht, als er endlich von den Befragungen entlassen und auf sie zugekommen war. Sie waren in den Wagen gestiegen und heimgefahren.

Andrina brauchte nicht zu fragen, was der Grund für seine Einsilbigkeit war. Deutlich sah sie vor sich, wie Marco auf Enrico eingeredet hatte. Nettigkeiten waren das bestimmt nicht gewesen. An Enricos Stelle würde das bei ihr genauso für Verstimmung sorgen. Sie hatte ausserdem Angst, über das zu sprechen, was am Hallwilersee vorgefallen war.

Enrico stand auf und kam zum Sofa. Sein Gesicht war fahl. Die Blässe wurde durch seine schwarzen Haare und die dunklen Augen betont. Er setzte sich neben Andrina.

«Ich glaube, ich werde nie mehr warm», brach er das Schweigen. Seine Stimme klang neutral.

«Ich bin völlig durchgefroren.»

«Dabei hast du eine kleine Wärmflasche im Bauch.»

Es stimmte, seit sie schwanger war, fror Andrina nicht mehr so stark, wie sie es sonst tat. Heute war das aber nicht so. Andrina legte die Hand auf den Bauch.

«Hat Brogli sich anständig dir gegenüber benommen?» Seltsame Frage. Versuchte Enrico so den Einstieg zu einem Gespräch über den Toten?

«Ja, eigentlich schon.»

Sein Gesicht wurde ausdruckslos. Bei dir nicht?, fügte Andrina im Stillen an.

«Es war okay», sagte Enrico, als habe er geahnt, was in ihrem Kopf vor sich ging. «Sie waren nicht begeistert, weil ich in das Haus gekrochen bin und die Leiche angefasst habe.»

«Du hast Erste Hilfe leisten wollen.»

«Das habe ich auch erklärt. Trotzdem habe ich Spuren verwischt. Dabei hat der Hund bestimmt den grösseren Teil dazu beigetragen. Sie waren ausserdem misstrauisch, weil ich zurückgeblieben war. Ob sie mir meine Erklärung abgenommen haben, verhindern zu wollen, dass gegebenenfalls mehr am Tatort verändert wurde, weiss ich nicht.»

Andrina wurde das Gefühl nicht los, Enrico wurde als Verdächtiger gehandelt. Sogleich schüttelte sie den Gedanken ab. Das wäre unprofessionell. Trotz der alten Rivalität und der Tatsache, dass Andrina mit Enrico zusammen war. Falls Marco nach einer Möglichkeit suchte, Enrico etwas anzuhängen, gab es die Frau als Zeugin.

«War er schlimm zugerichtet?», fragte Andrina vorsichtig.

«Nein. Er hat ausgesehen, als würde er schlafen. Er lag auf der Seite und hatte die Beine angewinkelt. Sein Kopf lag auf dem Unterarm. Das Ganze machte einen beinahe bequemen Eindruck.»

So genau hatte Andrina es nicht wissen wollen.

«Es sah sogar friedlich aus», fuhr Enrico fort.

«Hatte er Verletzungen?»

«Nein. Oder besser, ich habe keine gesehen. Ich habe nur nach seinem Puls gefühlt und sofort realisiert, dass er tot war.» Enrico starrte zum Schwedenofen. «Sogar die Augen waren geschlossen. So seltsam es erscheinen mag, es kam mir vor, als sei er in diese Hütte gekrochen, um zu schlafen, und sei dabei erfroren. Immerhin haben wir im Moment nachts Temperaturen um die null Grad.»

«Willst du damit sagen, er lag schon länger dort?»

Enrico lehnte sich nach hinten und legte den Arm um Andrinas Schultern. «Das kann ich nicht beurteilen. Seine Haut war jedenfalls kalt. Eiskalt, um es genau zu sagen.» Ein Schauer durchlief Andrinas Körper. «Ich bin kein Rechtsmediziner, um zu beurteilen, wie schnell eine Leiche bei Temperaturen von null bis vier Grad auskühlt.»

«Ein Obdachloser?», fragte Andrina.

«Das glaube ich weniger. Er trug eine dunkle Hose und ein graues Hemd mit Krawatte. Er sah eher wie ein Geschäftsmann aus, soweit ich das in dem schummrigen Licht in dem Haus erkennen konnte.»

«Warum sollte er dort reinkriechen?»

«Er könnte betrunken gewesen sein und nicht gewusst haben, was er tat.»

«Lag eine Flasche bei ihm?», fragte Andrina und hoffte, es war so. Zumindest wäre es in dem Fall kein Mord.

«Andrina, so genau habe ich mich nicht umgeschaut. Als ich realisierte, dass der Mann tot war, habe ich schnell den Rückzug angetreten, um keine weiteren Spuren zu vernichten.»

«Den Mann anzufassen ist nicht gleichbedeutend damit, Spuren zu vernichten.»

«Je nachdem schon. Durch das Reinkriechen bin ich über den Boden gerutscht und habe eventuell etwas verwischt.»

«Der Hund und die Frau haben Vorarbeit geleistet», sagte Andrina.

«Eben. Da brauchte es nicht zusätzlich jemanden, der eventuell die letzten vorhandenen Spuren beseitigte.»

«Kennst du ihn?»

Langsam fiel die Anspannung von Enrico ab. Es wurde warm, und Andrina kuschelte sich an ihn.

«Nein. Er muss um die Mitte dreissig sein, wenn ich das in dem Halbdunkel richtig erkannt habe. Vor seinem Kopf lag eine Brille, fein säuberlich zusammengelegt. Eben, es machte den Eindruck, als habe er sich dort für ein Nickerchen zusammengerollt.»

«Bei der Kälte finde ich das seltsam. Er könnte nicht nur betrunken gewesen sein, sondern zusätzlich Drogen genommen haben.»

«Das kann ich nicht sagen, aber ich denke, der Rechtsmediziner wird entsprechende Untersuchungen machen.»

ZWEI

«Das ist unser Programm für nächsten Herbst», sagte Elisabeth Veldt, die Verlegerin des Cleve-Verlages, bei dem Andrina als Lektorin tätig war. Sie hatten sich zu ihrer Montagmorgenbesprechung im Sitzungszimmer versammelt. Elisabeth sah müde aus. Der Eindruck der grauen Gesichtsfarbe wurde durch ihre kurz geschnittenen Haare verstärkt, die inzwischen mehrheitlich grau waren. Man konnte nur erahnen, dass die ursprüngliche Farbe einmal Dunkelbraun gewesen war. «Ich weiss, dieses Mal habe ich mehr Bücher als normalerweise ins Programm aufgenommen, und es hat zudem viele Debütautoren, aber ich wollte von den Krimis keinen absagen, weil die Qualität sehr gut war. Mir ist bewusst, welchen Aufwand das für euch bedeutet. Aber ich möchte das Team nicht aufstocken, da ich nicht weiss, ob wir das nächste Mal gleich viele Krimis aufnehmen werden und wie sich der Umsatz im nächsten Jahr entwickeln wird.»

Elisabeth rechnete offenbar nach wie vor damit, dass sowohl Gabi als auch Andrina nach der Babypause zurückkehrten.

Andrina war sich unschlüssig, ob sie nach der Geburt wirklich weiterarbeiten wollte. Enrico hatte gesagt, sie brauche nicht. Natürlich musste sie nicht, da sein Einkommen für sie mehr als ausreichend war.

Sie war sich jedoch nicht sicher, ob sie Teilzeit arbeiten wollte, um keine berufliche Lücke im Lebenslauf zu haben und um geistig fit zu bleiben. Elisabeth hatte durchblicken lassen, bereit zu sein, sich auf eine Teilzeitlösung einzulassen, da sie Andrina als zuverlässige Lektorin schätzte. Andrinas Schwester Seraina hatte angeboten, Tagesmutter für ihre Nichte oder ihren Neffen zu sein. Das wäre eine ideale Lösung, wie Andrina einräumen musste. Auf der anderen Seite wollte sie gerne ganz für das Kind da sein.

Sie schielte zu Gabi Hug hinüber. Soviel sie wusste, hatte sich Gabi ebenfalls noch nicht geäussert, ob und wie viel sie nach der Babypause arbeiten wollte. Langsam wurde es gemäss Elisabeth Zeit für einen Entschluss. Gabis Termin war Anfang Februar. Andrina hatte immerhin bis Ende April Zeit.

Elisabeth legte die Hand auf die ausgedruckte Excel-Liste. «Hat jemand von euch Lektoren einen bestimmten Wunsch, oder darf ich sie euch zuweisen?» Andrina schaute Kilian Gerber, der eine Doppelfunktion als Grafiker und Lektor im Verlag innehatte, und Gabi an.

«Mir ist es egal», sagte Kilian, und Andrina und Gabi nickten zustimmend.

Sie gingen die Liste durch, und jeder machte sich dazu Notizen. Nachdem die Lektorate verteilt waren, kam Elisabeth auf ein weiteres Thema zu sprechen.

«Gibt es offene Punkte für den kommenden Adventsapéro?» Dieser Apéro fand in diesem Jahr zum ersten Mal statt. Elisabeth fand es schade, dass man die Autoren nur über E-Mail und gegebenenfalls über Telefon und nicht persönlich kennenlernte. Daher hatte sie die Autoren zu einem Adventsumtrunk in den Verlag eingeladen. Die Resonanz war gross gewesen. Der Apéro sollte am Dienstag in einer Woche stattfinden.

«Gabi, hast du so weit alles organisieren können, oder gibt es Dinge, bei denen du Hilfe brauchst?»

«Es ist so weit alles klar», antwortete Gabi. Sie löste ihre dunkelblonden Haare und fasste sie zu einem neuen Rossschwanz zusammen. Die fahrige Geste vermittelte Andrina einen nervösen Eindruck. «Die Speisen sind mit dem Catering besprochen. Die definitive Information habe ich an alle Autoren verschickt, und die Verlosung der Bücher hat Lukas vorbereitet, soweit ich weiss.»

«Ja, es ist alles erledigt», warf Lukas ein.

Elisabeth legte ihre Hände auf den Tisch. «Wunderbar. Ich freue mich auf den Anlass. Falls unverhofft etwas auftaucht, bei dem du Hilfe brauchst, lass es uns wissen. Hat sonst jemand was?»

«Ja, ich», sagte Andrina. «Ich muss heute früher gehen, da ich meine Aussage bei der Polizei unterschreiben muss.»

«Welche Aussage?», fragte Kilian verwundert.

«Andrina steckt mitten in einem Kriminalfall», mischte sich Lukas augenzwinkernd ein, bevor Andrina antworten konnte.

«Worin ermittelst du?», fragte Kilian. Er sah aus, als habe er sich seit einigen Tagen nicht rasiert. Der Dreitagebart verlieh ihm zusammen mit seinen millimeterkurz geschnittenen dunkelblonden Haaren einen verwegenen Eindruck.

«Gar nicht», rief Andrina. «Ich bin nur Zeugin.»

Genau das hatte sie vermeiden wollen. Als sie am Morgen im Verlag angekommen war, hatte sie Lukas nur kurz informiert. Seine weiteren Fragen hatte sie abgeblockt.

Erwartungsvoll schauten Kilian und Lukas sie an. Gabis Miene dagegen hatte sich verfinstert. Marco musste ihr bereits davon berichtet haben. Kurz nach ihrer Trennung waren Gabi und Marco zusammengekommen. Eigentlich sollte Gabi inzwischen klar sein, dass Andrina keine Gefahr für ihre Beziehung darstellte.

So kurz wie möglich fasste Andrina den vorgestrigen Nachmittag zusammen.

«‹Zeugin› klingt zu harmlos», sagte Lukas. Seine braunen Haare konnten einen Schnitt vertragen. Zusammen mit der Brille sah er wie ein zerstreuter Professor aus, obwohl er erst Ende dreissig war. «Es handelt sich um einen Mordfall. Du hast wirklich ein Talent, solche Dinge anzuziehen.»

«Das bedeutet nicht automatisch Mord. Der Mann kann betrunken gewesen sein, Drogen genommen oder Selbstmord begangen haben, indem er irgendwas geschluckt und sich dort verkrochen hat.»

«Suizid ist auch Mord», sagte Lukas.

Andrina unterdrückte ein Seufzen.

«Sprichst du von dem Toten, der am Hallwilersee gefunden wurde?», fragte Kilian.

Dieses Mal konnte Andrina den Seufzer nicht unterdrücken.

«Das heisst, ja, nehme ich an. Sehr mysteriös», sagte Kilian.

«War es Selbstmord?», fragte Lukas.

«Keine Ahnung», antwortete Andrina.

«Komm schon.»

«Gemäss Nachrichten scheint es so zu sein», sagte Andrina ausweichend.

«Du weisst keine weiteren Details?»

«Nein.»

«Was sagt dein Freund?», wandte Lukas sich an Gabi.

«Nichts.» Gabis Gesichtsausdruck war abweisend.

Sie wusste sicher mehr, aber Andrina konnte verstehen, dass sie sich nicht dazu äussern wollte. Bestimmt hatte Marco sie gebeten, nicht darüber zu sprechen. Andrina dachte daran, wie Marco mit ihr über einzelne Fälle gesprochen hatte, als sie zusammen gewesen waren. Wenn sie an diese Gespräche dachte, schauderte es ihr, und sie war froh, dass dieses Kapitel der Vergangenheit angehörte.

«Irgendwas wird er gesagt haben», hakte Lukas nach.

«Er wird sich nicht gross dazu äussern können, da sie erst einmal die Obduktion abwarten müssen», sagte Andrina und erntete einen wütenden Blick von Gabi.

«Genug», fuhr Elisabeth dazwischen. «Natürlich kannst du früher gehen, um deine Aussage zu unterschreiben, Andrina.»

***

Andrina schob Wagner ihre unterschriebene Aussage zu.

«Ihnen sind keine weiteren Details eingefallen?», fragte Brogli, der neben Wagner sass. Andrina schätzte seine Anwesenheit nicht und hatte ursprünglich gehofft, er werde nicht mit dabei sein. Trotzdem war ihr Brogli lieber, und sie war froh, dass Marco sich nicht hatte blicken lassen.

«Nein.»

«Nichts, was Ihnen seltsam erscheint?», hakte er nach. «Auch im Nachhinein nicht?»

«Es tut mir leid. Ich habe nichts gesehen. Keine weitere Person. Es waren bei dem Wetter sowieso wenig Leute unterwegs.»

«Sie bleiben dabei, nur dem Mann mit dem Schäferhund, zwei Joggern und Frau Fluri begegnet zu sein», sagte Brogli.

«Wer ist Frau Fluri?»

«Die Dame mit dem Collie», sagte Wagner. Er hatte eine neue Brille, fiel Andrina auf. Das Blau des Gestells sollte vermutlich einen farblichen Kontrast zu seinen grauen Haarstoppeln darstellen.

«Es waren keine weiteren Personen da», wiederholte Andrina und bemühte sich, sich ihre Ungeduld nicht anmerken zu lassen. Warum akzeptierte Brogli ihre Aussage nicht, sondern bohrte weiter? Hoffte er, sie werde sich widersprechen? Lass das, dachte Andrina. Du musst aufgrund der Vergangenheit keine Rückschlüsse auf sein Verhalten ziehen. Vermutlich wollte er sicher sein, dass sie sich an alle Details erinnerte, und bohrte deshalb nach. «Genauso habe ich in der Umgebung nichts bemerkt, was mir – auch im Nachhinein nicht – verdächtig erschienen war.»

Wagner legte Andrinas Aussage in eine Klarsichtmappe.

Auf einmal wurde Andrina heiss. «Warum fragen Sie so hartnäckig nach, wenn es Selbstmord war?», fragte sie und wünschte sich in der nächsten Sekunde, diese Frage nicht gestellt zu haben, als sie Broglis Blick sah.

«Wer sagt das?», fragte er.

«Die Medien übertrumpfen sich mit Neuigkeiten.» Andrina versuchte sich möglichst locker zu geben.

«Diese Informationen stammen nicht von uns.» Broglis Verärgerung war deutlich.

«Es ist kein Selbstmord?»

«Das können wir weder ausschliessen noch bestätigen, solange die Obduktionsergebnisse ausstehen», sagte Brogli.

«Eine äussere Verletzung hat der Rechtsmediziner nicht festgestellt», ergänzte Wagner. «Wir müssen die Untersuchungsergebnisse der Körperflüssigkeiten abwarten, ob Drogen im Spiel waren», fuhr er fort. «Genauso testen wir auf Betäubungsmittel und Schlafmittel, obwohl die Spurensicherung keine Medikamente oder leeren Schachteln am Tatort gefunden hat.»

«Warum bindest du ihr das alles auf die Nase?», rief Brogli verärgert. «Diese Details muss sie nicht wissen.»

«Restliche Medikamente könnten bei ihm zu Hause sein», sagte Andrina, ohne auf Broglis Einwand einzugehen. Sie konzentrierte sich ganz auf Wagner. «Oder eine andere Möglichkeit: Er könnte die Medikamente mitgenommen, aber vorher die Packungen entsorgt haben, damit man die Schachteln nicht findet.»

«Ein interessanter Aspekt», sagte Wagner. «Das geht nur mit Pillen. Ich hoffe, unser Rechtsmediziner kann einen Befund liefern.»

«Wenn man zu Hause bei ihm Packungen findet …», fuhr Andrina fort.

«Dazu müssten wir erst einmal wissen, um wen es sich handelt.» Wagner schob Andrina ein Bild zu, das in einer Klarsichtmappe steckte. «Er hatte nichts dabei, was ihn identifizieren könnte.»

Widerwillig senkte Andrina den Kopf. Das Foto zeigte einen Mann mit kahl rasiertem Kopf bis zu den Schlüsselbeinen. Die Schulterpartie war muskulös. Seine Augen waren geschlossen, und es sah aus, als schliefe er. Allerdings passte die graue Gesichtsfarbe genauso wenig wie der Stahltisch, auf dem er lag, zu dem friedlichen Ersteindruck.

«Und?», fragte Wagner.

«Nie gesehen», brachte Andrina mühsam hervor. Inzwischen hatte sie einige Tote gesehen, aber ihr war es nicht gelungen, sich gegen das Entsetzen zu wappnen, das sie jedes Mal dabei empfand.

«Bist du sicher?»

Andrina musterte den Mann ein weiteres Mal. Sie musste Enrico recht geben. Der Mann musste Anfang bis Mitte dreissig sein. Allerdings konnte das täuschen.

«Es tut mir leid. Ich kann euch nicht weiterhelfen.»

***

«Ich kann euch gerne eine Offerte für die Reise machen», sagte Sarah.

Als Andrina das Polizeikommando verlassen hatte, hatte ihr Handy geklingelt. Enrico hatte sie gefragt, ob sie spontan in der Stadt abmachen könnten. Er habe eine Überraschung. Sie hatten sich bei der Stadtbibliothek getroffen, waren ein Stück den Graben entlangspaziert und hatten vor einem Reisebüro angehalten.

«Unsere Ferien im Herbst sind leider ins Wasser gefallen», hatte Enrico gesagt. «Es ist dringend Zeit, das nachzuholen.»

Zum einen hatte Andrinas Schwangerschaftsübelkeit nachgelassen, und ihr Bauch war noch nicht so gross, dass er sie in ihrem Alltag einschränkte. Zum anderen würden sie, wenn das Baby erst einmal da war, so schnell keine grosse Reise unternehmen, waren seine Argumente gewesen. Bevor Andrina einen Einwand erheben konnte, hatte er sie in das Reisebüro geschoben.

Die Reiseberaterin hatte sich als Sarah vorgestellt. «Wir duzen uns», hatte sie erklärt. «Ich hoffe, das ist in Ordnung.»

Sie war Andrina sofort sympathisch gewesen. Sie schätzte die Braunhaarige auf Anfang bis Mitte dreissig.

Auf die Frage, wohin es gehen sollte, hatte Enrico geantwortet, an einen Ort, an dem es um diese Jahreszeit angenehm warm, aber nicht zu heiss sei und der nicht allzu weit weg sei.

«Andrinas Zustand spricht gegen eine weite Reise von mehreren Stunden Flug», hatte Sarah gesagt. «Aber wir finden für euch sicher eine passende Destination.»

Sie waren verschiedene Destinationen durchgegangen und schliesslich bei den Kanarischen Inseln gelandet. Ein direkter Flug mit einer Dauer von circa fünf Stunden war für Andrina in Ordnung. Allerdings merkte sie an, im Januar eventuell keine Ferien nehmen zu können. Diesen Einwand wischte Enrico beiseite, als er die Kataloge durchblätterte. «Du hast deine Ferientage in diesem Jahr nicht ausgeschöpft.»

Vom Nachbartisch stand ein blonder Mann auf, der ihnen als Thomas vorgestellt worden war. «Kaffee, Tee oder Wasser?», fragte er und deutete auf seine Tasse.

«Nein danke», erwiderten Andrina und Enrico gleichzeitig.

«Für mich gerne einen Kaffee», sagte Sarah. «Was haltet ihr von zwei Inseln? Die Inseln liegen nicht weit auseinander, und die Flugzeit beträgt zum Beispiel von Teneriffa nach Lanzarote weniger als eine Stunde», wandte sie sich an Enrico und Andrina, als Thomas in einem Raum verschwunden war, in dem Andrina die Küche vermutete.

Während sie die Möglichkeiten durchgingen, musste Andrina einräumen, dass es anfing, ihr Spass zu machen. Sie entschieden sich für Lanzarote und Teneriffa.

«Kann ich das so buchen?», fragte Sarah.

«Ich muss es zuerst meiner Chefin beibringen. Aber sie wird bestimmt nichts dagegen haben.» Hoffentlich war das so. Andrina dachte an die Arbeitsflut, die gerade anfiel. «Ich melde mich morgen bei dir.»

«Das ist für mich gut so.» Sarah stand auf und kam um den Tisch herum. «Ihr habt euch eine schöne Reise ausgesucht.»

«Schön, dass es so kurzfristig klappt», sagte Enrico und reichte ihr die Hand.

«Ich würde am liebsten mitkommen, um dem ungemütlichen Wetter zu entkommen.»

Sie verabschiedeten sich. Als sie auf die Strasse traten, zog Andrina den Reissverschluss ihrer Jacke hoch. «Ich muss sagen, bei dem ungemütlichen Wetter freue ich mich auf die Wärme.»

Hand in Hand schlenderten sie den Graben entlang.

«Wie war es im Polizeikommando?», fragte Enrico, als sie durch den Kasinopark gingen.

«Herr Brogli und Max haben mir meine Aussage zum Unterschreiben gegeben. Ausserdem haben sie mir ein Foto vom Toten gezeigt. Ich kenne ihn nicht. Und wie war es bei dir?»

Andrina musterte ihn. Enrico hatte ihr gesagt, er werde im Laufe des Vormittags vorbeigehen.

«Haben sie dir ein Foto gezeigt?», fragte sie, als Enrico nicht antwortete.

«Ja.»

«Und?»

«Nach wie vor, ich kenne ihn nicht.» Andrina war über die Gereiztheit erstaunt, mit der er das sagte. Fragen brannten ihr auf der Zunge, aber sie hielt sie zurück. Sie konnte sich gut vorstellen, dass Enrico Marco begegnet war, was wohl nicht erfreulich gewesen war.

DREI

Andrina unterdrückte ein Gähnen. Zum Glück war übermorgen Samstag. Die Müdigkeit, die ein Dauerbegleiter während der Schwangerschaft geworden war, half nicht, sich zu konzentrieren. Sie bekam sie heute überhaupt nicht in den Griff und kam mit ihrer Arbeit nicht vom Fleck.

Gabi war eindeutig schneller. Andrina wusste, Gabi hatte bereits am Montag mit dem Lektorat eines ihr neu zugewiesenen Krimis angefangen und war seit drei Tagen dran. Immerhin hatte Andrina vorhin die Druckfahne eines Krimis, der im Januar erscheinen würde, an die Autorin gesendet.

Sie hatte sich auf das Lektorat des Romans gefreut, der als nächster auf ihrer Pendenzenliste stand. Das Exposé hatte vielversprechend geklungen. Aber Andrina fand keinen Zugang zur Geschichte, obwohl der Schreibstil flüssig und die Geschichte spannend war.

Lukas, der ihr gegenüber an seinem Schreibtisch sass, machte einen konzentrierten Eindruck und schien mit seiner Arbeit gut voranzukommen.

Eine Teilschuld, auf der Stelle zu treten, gab Andrina dem Auffinden der Leiche am Hallwilersee. Eine grosse Schuld trug sie aber selber. Sie hatte es gestern ungeschickt angehen lassen, als sie Elisabeth nach Ferien für Anfang Januar gefragt hatte. Elisabeth war alles andere als erfreut gewesen. «Wir haben genug zu tun.» Diese Diskussion war zum Thema, wie es nach der Geburt des Kindes weitergehen solle, gedriftet. Früher oder später hatte Elisabeth nachhaken müssen. Gabi hatte inzwischen durchblicken lassen, weiterarbeiten zu wollen, aber nicht zu hundert Prozent. Elisabeth könne sich durchaus vorstellen, dass Andrina und Gabi sich eine Stelle teilen würden, wenn beide aus dem Mutterschaftsurlaub zurück seien. Als Überbrückung dazwischen könne sie einen Temporärersatz organisieren.

Andrina war sich nach wie vor nicht im Klaren, was sie nach der Mutterschaftspause machen wollte. Sie verspürte den Drang, ganz für ihr Kind da zu sein. Ihre Mutter hatte gearbeitet, und sie wurde häufig von den Grosseltern betreut. Nicht, dass ihre Grosseltern nicht herzlich gewesen waren. Heute war sie sich aber bewusst, dass sie ihre Mutter in der Zeit vermisst hatte. Dieses Gefühl, zu wenig Zeit mit ihren Eltern verbracht zu haben, konnte aus heutiger Sicht zusätzlich mit dem tödlichen Unfall zusammenhängen, den ihre Eltern gehabt hatten, als Andrina fünfzehn gewesen war. Wie schnell etwas Einschneidendes passieren konnte, sprach für Andrina dafür, nach der Geburt nicht mehr zu arbeiten.

Immerhin hatte Elisabeth am Ende des Gesprächs den Ferien zugestimmt, ihr aber erklärt, froh zu sein, wenn Andrina ihr nach den Ferien die Entscheidung mitteilen könne, ob sie bleibe oder nicht. Sie würde gerne planen. Andrina fühlte sich unter Druck gesetzt.

Nur mit Mühe konnte sie das Gespräch aus dem Kopf verbannen und beschloss, vor dem Lektorat etwas anderes zu erledigen. Sie öffnete Outlook und las die Info-E-Mail mit dem Link zur Verlagsvorschau durch, die sie gestern verfasst hatte und die sie an die Autoren Frederik Hefti, Jan Burkhard und Sandra Baumann schicken wollte, deren Krimis als nächste erscheinen würden.

«So ein genialer Krimi!», rief Lukas. Eigentlich war er hauptsächlich für das Marketing verantwortlich, hatte aber ähnlich wie Kilian eine Doppelfunktion inne. Er sprang beispielsweise ein, wenn Gabi und Andrina überlastet waren und keine Zeit für das Korrektorat eines Romans hatten. So wie in diesem Fall.

Erstaunt hob Andrina den Kopf.

«Hier stimmt alles. Ich habe fast nichts zu tun.»

Andrina erhob sich und stellte sich hinter Lukas.

«Gabi und der Autor haben super Vorarbeit geleistet. Ich muss so gut wie nichts anmerken.»

«Worum geht es?» An diesem Krimi hatte Andrina nicht mitgearbeitet.

«Um eine Gruppe, die das Leben der Pfahlbauer in der Schweiz erforscht. Und plötzlich ist einer aus der Gruppe tot – seine Leiche wird an einem Fundort mit Gegenständen aus der Zeit der Pfahlbauer drapiert. Hinzu kommt der flüssige Schreibstil vom Autor David Dubach.»

Andrina überflog einige Zeilen und musste Lukas zustimmen. Schon dieser kurze Teil der Lektüre war angenehm und spannend geschrieben.

Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Andrina war erstaunt, Susannas Stimme zu hören.

«Hast du Lust, mit mir in der Mittagspause eine Kleinigkeit essen zu gehen?», fragte sie.

Andrina hatte Susanna im Zuge der Ermittlungen des Toten am Hallwilersee nicht gesehen und fragte sich, ob sie involviert war. Und ob das hier tatsächlich nur die Anfrage für eine gemeinsame Mittagspause war oder mehr dahintersteckte.

***

Andrina setzte sich an einen Zweiertisch am Fenster gegenüber von Susanna.

Zu Andrinas Erstaunen hatte Susanna um kurz vor zwölf Uhr mit ihrem Opel vor dem Verlag gewartet. «Ich lade dich ein», hatte sie gesagt und war mit Andrina zum Gasthof Schützen im Schachen gefahren.

Eine Frau brachte die Karte und fragte, was sie zu trinken wünschten. Beide bestellten Mineralwasser.

«Nach einer Kleinigkeit zum Mittagessen sieht das nicht aus», sagte Andrina, als sie die Karte studierte.

«Das ist längstens überfällig. Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen.»

Das letzte Mal hatte sie Susanna im September getroffen, als Enrico entführt worden war. Seit Abschluss des Falls hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt. Das hatte nicht an mangelndem Interesse, sondern eher an dem gefüllten Alltag gelegen. Andrina empfand September nicht als «ewig her». Verwundert musterte sie Susanna. Ihr Gesicht war blass, und ihre Haare, die die Farbe eines Weizenfeldes vor der Ernte hatten, sahen stumpf aus. Andrina hatte den Verdacht, es könnte einen anderen Grund für dieses Treffen geben.

«Wie geht es dir?», fragte Susanna. Ihr Blick huschte kurz zu Andrinas Bauch.

«Gut. Die Übelkeit ist zum Glück weg. Überall heisst es, die Mitte einer Schwangerschaft sei die schönste. Man ist die Übelkeit los, aber noch nicht so voluminös, dass man sich nicht mehr richtig bewegen kann.»

«Stimmt das?»

«Gegenüber dem ersten Drittel auf jeden Fall. Wie es im Vergleich zu später ist, kann ich nicht sagen, aber ich denke, es hat etwas an dieser Aussage.» Sie dachte an Gabi, die bestimmt zwanzig Kilo zugenommen haben musste und wie eine Dampflok schnaubte, wenn sie die Treppe zum Büro hochstieg.

«Wisst ihr, was es gibt?»

«Wir wollen es nicht wissen», antwortete Andrina. «Egal, ob Bub oder Mädchen, es ist unser Kind. Hauptsache, es ist gesund.»

«Das ist eine schöne Einstellung.»