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Der Autor

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Dr. Dr. phil. Harald Walach ist Professor für Verhaltenswissenschaft an der Medizinischen Universität Poznan, Polen, und Gastprofessor für philosophische Grundlagen der Psychologie am Department für Psychologie der Universität Witten-Herdecke. Er hat sich intensiv mit Fragen der theoretischen Begründung verschiedener Phänomene beschäftigt, mit der Frage, wie Bewusstsein mit körperlichen Prozessen verbunden ist, und mit praktischen Fragen der Evaluation von Gesundheitsinterventionen. Er lehrt Achtsamkeit bei internationalen Medizinstudierenden an der Medizinischen Universität in Poznan und philosophische Grundlagen der Psychologie an der Universität Witten-Herdecke.

Harald Walach

Psychologie

Wissenschaftstheorie, philosophische Grundlagen und Geschichte

Ein Lehrbuch

4., aktualisierte Auflage

Unter Mitarbeit von Nikolaus v. Stillfried

Verlag W. Kohlhammer

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4., aktualisierte Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-036825-5

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-036826-2

epub:   ISBN 978-3-17-036827-9

mobi:   ISBN 978-3-17-036828-6

EXPERTUS INFALLIBILITER NOVIT – WER EINE ERFAHRUNG

GEMACHT HAT, HAT TÄUSCHUNGSFREIE KENNTNIS

JOHANNES DUNS SCOTUS (1266–1308),

SENTENZENKOMMENTAR

 

MeMorIae Vel gratia debita magistris amicisque in via et in patria,
insuper viatori in montibus, ullulo in sella imperatoris,
splendori helvetico de pratu superiore, fratri thomae
conversione perfecta, hugonique de palma.

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Einige Worte zur Benutzung
  3. Danksagung
  4. Teil I:   Das Wesentliche
  5. 1   Was ist Wissenschaft? – oder: Die Detektivgeschichte als Modell für die empirische Wissenschaft
  6. Die Ehre des Israel Gow
  7. Quintessenz
  8. Literatur
  9. 2   Wissenschaft im historischen und sozialen Kontext
  10. 2.1   Absolute Voraussetzungen: Collingwood
  11. 2.2   Die soziale Bedingtheit wissenschaftlicher Erkenntnis: Fleck
  12. 2.3   Thomas Kuhn – Wissenschaftliche Revolutionen
  13. Zwei Beispiele: Die kopernikanische Revolution und die kognitive Wende
  14. 2.4   Wissenschaft als sozialer Prozess
  15. Ausbildung, Prüfung, Publikationen
  16. Eigenständigkeit und soziale Akzeptanz
  17. Wissenschaftliche Information
  18. Wissenschaft – Ein soziales Unternehmen
  19. Quintessenz
  20. Literatur
  21. 3   Psychologie: (mindestens) zwei Gesichter einer Wissenschaft
  22. 3.1   Komplementarität
  23. 3.2   Geist und Natur – zwei komplementäre Seiten in einer Wissenschaft
  24. 3.3   Das Besondere am Forschungsgegenstand Mensch
  25. 3.4   Beispiel Depression
  26. 3.5   Vorläufige Definitionen und Zusammenfassungen
  27. Quintessenz
  28. Literatur
  29. Teil II: Philosophiehistorisches Propädeutikum, oder: Im Galopp durch die Philosophiegeschichte
  30. Einführung
  31. 4   Themenvorgabe in der Antike
  32. 4.1   Thales von Milet (ca. 624 v.Chr. – ca. 546 v.Chr.)
  33. 4.2   Anaximander (ca. 610 v.Chr. – ca. 547 v.Chr)
  34. 4.3   Pythagoras (ca. 570 v.Chr. – ca. 510 v.Chr)
  35. 4.4   Heraklit (ca. 520 v.Chr. – ca. 460 v.Chr.)
  36. 4.5   Parmenides (ca. 520 v.Chr. – ca. 455 v.Chr.)
  37. 4.6   Leukipp und Demokrit (5. Jhd. v.Chr.)
  38. 4.7   Platon (ca. 427 v. Chr. – ca. 347 v. Chr.)
  39. Ideenlehre und Höhlengleichnis
  40. Seelenlehre
  41. Erkenntnislehre
  42. 4.8   Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.)
  43. Ontologie
  44. Wissenschaftslehre und Logik
  45. Kategorienlehre
  46. Physik
  47. Psychologie
  48. 4.9   Resümee
  49. Quintessenz
  50. Literatur
  51. 5   Spätantike, Neuplatonismus und Augustinus
  52. 5.1   Plotin (205 n. Chr. – 270 n. Chr.)
  53. 5.2   Augustinus (354 n. Chr. – 430 n. Chr.)
  54. 5.3   Pseudo-Dionysius Areopagita (5. Jhd. n.Chr.)
  55. Quintessenz
  56. Literatur
  57. 6   Vom Mittelalter zur Neuzeit
  58. Frühe Gelehrsamkeit
  59. Erste Universitäten
  60. 6.1   Thomas von Aquin (ca. 1225–1274)
  61. 6.2   Robert Grosseteste (ca. 1168–1253), Roger Bacon (ca. 1214–1292) und die ersten Anfänge der empirischen Wissenschaft
  62. 6.3   Die Aufklärung beginnt im Mittelalter
  63. 6.4   William von Ockham (1285–1349)
  64. Ockhams Rasiermesser und die Begründung der Erfahrung
  65. Sprachkritik
  66. Zum Beispiel »Ursache«
  67. Hinwendung zur Kreatur und zum Einzelnen
  68. Quintessenz
  69. Literatur
  70. 7   Beginn der Neuzeit
  71. 7.1   Die Renaissance
  72. 7.2   Francis Bacon (1561–1626)
  73. 7.3   Galileo Galilei (1564–1642)
  74. 7.4   Johannes Kepler (1571–1630)
  75. 7.5   René Descartes (1596–1650)
  76. Zweifel als Methode
  77. Mechanisierung des Lebendigen
  78. 7.6   Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716)
  79. Die Monade
  80. Prästabilierte Harmonie
  81. Moderner Denker
  82. Quintessenz
  83. Literatur
  84. 8   Newton, Hume, Kant und die Folgen
  85. 8.1   Isaac Newton (1642–1727)
  86. Kausalität, Lokalität
  87. Determinismus
  88. 8.2   David Hume (1711–1776)
  89. Das Kausalitätsproblem
  90. Das Induktionsproblem
  91. 8.3   Immanuel Kant (1724–1804)
  92. Analyse der Voraussetzungen von Erkenntnis
  93. Transzendentale Kategorien
  94. Analytisch und synthetisch
  95. Synthetische Urteile a priori und die Entstehung der Psychologie
  96. Motor der Aufklärung und Vater der Psychologie
  97. Ich, Autonomie, Ethik
  98. Quintessenz
  99. Literatur
  100. Teil III: Geschichte der Psychologie im deutschsprachigen Raum, Wissenschaftstheorie, Ethik
  101. 9   Von der Philosophie zur Psychologie
  102. 9.1   Nach-Kantianische Wissenschaft
  103. Idealismus
  104. Philosophie und Naturwissenschaft
  105. 9.2   Franz Brentano (1838–1917)
  106. 9.3   Die Entwicklung der Physiologie: Helmholtz und Fechner
  107. Helmholtz
  108. Fechner
  109. 9.4   Wilhelm Wundt (1832–1920)
  110. 9.5   Hugo Münsterberg und die Freiburger Schule der Psychologie
  111. 9.6   Die Wiener Schule
  112. 9.7   Die Würzburger Schule und die Grundlegung der Gestaltpsychologie
  113. 9.8   Klinische Psychologie
  114. Historische Voraussetzungen
  115. Charcot, Bernheim und Janet
  116. Freud und die Psychoanalyse
  117. Wissenschaftstheoretische und epistemologische Sonderstellung
  118. Bindungsforschung: Brückenschlag zwischen analytischer Entwicklungspsychologie und akademischer Psychologie
  119. Psychoanalyse
  120. Weiterentwicklungen der Psychoanalyse
  121. 9.9   Die positivistische Phase der Psychologie: Die Entwicklung des Behaviorismus
  122. 9.10 Kognitive Wende
  123. Kritik der behavioristischen Sprachtheorie
  124. Betonung der Kognitionen
  125. Wahrnehmung als komplexer Akt
  126. Erweiterung der Verhaltenstherapie
  127. Vom verhaltenstheoretischen zum kognitionistischen Forschungsprogramm
  128. Von der kognitiven Psychologie zu den Kognitionswissenschaften
  129. Von der Verhaltenstherapie zur kognitiv-behavioralen Therapie
  130. 9.11 Neben der Kognitiven Wende: Andere Bedeutsame Strömungen
  131. Existentialismus und Humanistische Psychologie
  132. Carl Rogers und die Anfänge der Humanistischen Psychologie
  133. Maslow und die Transzendierung der Selbstverwirklichung
  134. Frankl: Sinnsuche als grundlegend
  135. Die Transpersonale Bewegung
  136. C. G. Jung
  137. Jean Gebsers Kulturanthropologie
  138. 9.12 Exkurs: Bewusstsein, Spiritualität und Wissenschaft
  139. Quintessenz
  140. Literatur
  141. 10 Wissenschaftstheorie
  142. Einführung
  143. 10.1 Was ist eigentlich Wissenschaft?
  144. Was will Wissenschaft? Kriterien der Wissenschaftlichkeit
  145. Wissenschaft will vorhersagen: Das Wechselspiel von Theorie und empirischer Überprüfung
  146. 10.2 Theorie: Erklärung und Begründung
  147. Verwertung und Technik
  148. Grundlagenforschung
  149. 10.3 Beschreibung und Erklärung
  150. Das H-O-Schema der Erklärung
  151. 10.4 Grundlegende Begriffe und Definitionen innerhalb der Wissenschaftstheorie
  152. Wissenschaft
  153. Theorie
  154. Reduktion
  155. Hypothese und Satz
  156. Begriff
  157. Operationalisierung
  158. Beispiele und Konkretisierung
  159. Ein vorläufiges Ordnungsschema wissenschaftstheoretischer Positionen
  160. 10.5 Positivismus
  161. Wissenschaftssprache, Logik und Unbegründbarkeit
  162. Die »Eimertheorie« der Erkenntnis
  163. Kritik am Positivismus: Das Induktionsproblem
  164. Die »Theoriebeladenheit« von Beobachtungen
  165. 10.6 Kritischer Rationalismus – Popper
  166. Kritik am Positivismus
  167. Falsifikation als Methode
  168. Historisches Gegenbeispiel: Eddington testet Einsteins Vorhersage
  169. Die Erweiterungen des kritisch-rationalistischen Programms durch Lakatos
  170. Putnams Kritik am Falsifikationismus
  171. Falsifikationismus und statistische Hypothesentestung
  172. Kritik am kritischen Rationalismus und am lakatosschen Programm: Feyerabends »Anarchismus«
  173. Die Kritik der Frankfurter Schule
  174. Kleinster gemeinsamer Nenner
  175. 10.7 Neuere Entwicklungen innerhalb der Wissenschaftstheorie
  176. Systemtheorie
  177. Systemordnung und Thermodynamik
  178. Emergenz
  179. Die Bedeutung des Kontextes
  180. Multikausalität
  181. Systemhierarchien: Teilautonomie und Zugehörigkeit
  182. Theorie autopoietischer Systeme
  183. Komplexe und chaotische Systeme
  184. Konstruktivistische Ansätze
  185. Verschiedene Wirklichkeiten
  186. Unser Gehirn: Ein Wirklichkeitsgenerator
  187. Auswirkungen in der Psychologie
  188. Evolutionstheoretische Entwürfe
  189. Quintessenz
  190. Literatur
  191. Wissenschaftstheorie: Positivismus, Kritischer Rationalismus und ihre Kritik
  192. Systemtheorie, Komplexität und Nichtlineare Systemdynamik
  193. Konstruktivismus und evolutionäre Erkenntnistheorie
  194. 11 Das Leib-Seele-Problem
  195. 11.1 Begriffsbestimmungen
  196. Einfache und schwierige Probleme
  197. 11.2 Grundpositionen
  198. 11.3 Typologie neuerer Richtungen materialistischer Positionen
  199. Identitätstheorien
  200. Nicht-reduktiv materialistische Theorien
  201. Funktionalismus
  202. 11.4 Dualistische Positionen
  203. 11.5 Komplementarismus
  204. 11.6 Exkurs: Lokalität und Nichtlokalität – Kausalität und Verschränkung
  205. Nichtlokalität und Verschränktheit
  206. Quintessenz
  207. Literatur
  208. 12 Hermeneutik
  209. Hermeneutischer Zirkel und Horizontverschmelzung
  210. Wirkungsgeschichte und Tradition
  211. Anwendung
  212. Konkretisierungen
  213. Quintessenz
  214. Literatur
  215. 13 Introspektion und Phänomenologie
  216. Hintergrund, Geschichte und aktuelle Entwicklungen
  217. Kritik der Introspektion
  218. Buddhismus als Inspirationsquelle
  219. Quintessenz
  220. Literatur
  221. 14 Ethik
  222. Begriffsdefinition
  223. Kurze Geschichte und aktuelle Situation
  224. Ethik in der Wissenschaft
  225. Datenschutz und Schweigepflicht
  226. Experimente
  227. Abhängigkeit
  228. Güterabwägung
  229. Grenzprobleme
  230. Die Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit
  231. Quintessenz
  232. Literatur
  233. 15 Bausteine für eine Wissenschaftstheorie der Psychologie
  234. Personenverzeichnis
  235. Sachwortverzeichnis

Einleitung

 

 

Ein Buch über das Schreinerhandwerk wäre von Anfang an eine missglückte Sache. Zum einen würde es kaum etwas von dem Handwerk selbst vermitteln können. Handwerk und die damit verbundene Erfahrung kann man nur selbst ausüben und kennen, oder man kennt sie eben nicht. Zum anderen würde ein solches Buch nie die vielen Schattierungen, die vielen Eigenarten, lokalen Traditionen oder Spielformen einfangen können. Und dennoch wäre ein solches Buch über das Schreinerhandwerk eine lohnende Angelegenheit, denn es würde festhalten, was andernfalls flüssige, vergängliche Wirklichkeit wäre. In einem ähnlichen Sinne ist das hier vorliegende Buch eine überflüssige und zugleich notwendige Sache. Es wird auf keinen Fall die gelebte Wissenschaft einfangen können, dazu kommt ein Buch über Wissenschaftstheorie immer zu spät. Denn es kann nur reflektieren darüber, was bereits passiert ist und kann nur systematisieren, was Vergangenheit ist. Die lebendige, flüssige, kreative Gegenwart der Wissenschaft selbst kann sie allenfalls informierend befruchten, indem derjenige, der dieses Buch und die darin entwickelten Perspektiven kennt, vielleicht etwas anders an die Wissenschaft herangeht. Vielleicht geht der Leser oder die Leserin dann, wenn er oder sie (übrigens werden wir die Geschlechtsformen in diesem Buch anarchistisch handhaben ohne Anspruch auf politische Korrektheit) dieses Buch gelesen hat, etwas freudiger, etwas bescheidener, etwas wissender um die Gebrechlichkeit wissenschaftlicher Erkenntnis ans Werk. Wenn das Buch dies erreicht hätte, ist schon viel gewonnen. Zum anderen ist dieses Buch auch deswegen eine flüchtige und in gewisser Weise überflüssige Angelegenheit, weil in einem Buch über Wissenschaftstheorie nie die vielen praktischen Details, die lokalen oder disziplinären Teiltraditionen eingefangen werden können. Dennoch erscheint es uns sinnvoll und notwendig, einen Gesamtüberblick zu geben. Wir haben uns also entschlossen dieses Buch trotz allem zu schreiben, weil die Gründe für die Arbeit diejenigen, die für seine Überflüssigkeit sprechen, überwiegen:

Zum einen gibt es keine wirkliche Wissenschaftstheorie der Psychologie. Obwohl es uns mit diesem Buch vermutlich nicht gelingen wird, eine solche schlüssig und endgültig darzulegen, können wir vielleicht einen Beitrag dazu leisten, dass eine genuin psychologische Wissenschaftstheorie möglich, ja sogar wirklich wird. Zum anderen gibt es wenige Ansätze, die einen postmodernen Ausgangspunkt nehmen. Dies tun wir in dem hier vorliegenden Buch.

Damit meinen wir Folgendes: Eine der wesentlichen Einsichten der jüngsten Zeit ist, dass es kein endgültiges, festes, in sich stimmiges System geben kann, das sich selbst mit den von ihm entwickelten Mitteln als endgültig schlüssig belegen kann. Vielmehr ist jedes System oder jeder Ansatzpunkt immer ein endlicher und relativer. Wissenschaftstheorie kann sich hiervon nicht ausnehmen. Während lange Zeit die Doktrin gültig war, Wissenschaftstheorie wäre sozusagen die letztbegründende fundamentale Wissenschaft, die nicht nur die Praxis sondern auch die Methodik und die Gültigkeit der Ergebnisse von Wissenschaft belegen und begründen kann, so ist in neuerer Zeit immer klarer geworden, dass diese sogenannten präskriptiven, also vorschreibenden Ansätze der Wissenschaftstheorie haltlos sind. Stattdessen hat sich immer mehr die Einsicht durchgesetzt, dass Wissenschaftstheorie eben immer hinterherhinkt. Sie kann die gelebte Praxis der Wissenschaft reflektieren und so zu Aussagen darüber gelangen, welche grundlegenden Prozesse im Wissenschaftsprozess maßgebend und steuernd sind. Sie kann vielleicht auch Ansatzpunkte dafür liefern, wie Wissenschaft in der Vergangenheit weniger gut oder besser funktioniert hat, und daraus Hinweise entwickeln, welche zukünftigen Entwicklungen ratsam oder weniger ratsam sind. Derjenige, der hofft, in der Wissenschaftstheorie eine Art Leitwissenschaft zu finden, die platt gesagt, angibt »wo es lang geht«, wird und muss enttäuscht werden. Denn das ist die Lehre, die die Reflexion über Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten ergeben hat: Wissenschaft selbst ist ein sich selbst steuernder, sich selbst begründender, sich selbst reformierender und sich selbst reflektierender Prozess, jenseits dessen es keinen intellektuellen archimedischen Punkt mehr geben kann, der diesen Prozess wieder selbst grundlegt. Diese Auffassung machen wir uns in dem hier vorgelegten Buch zu Eigen und werden also eher verschiedene Hinsichten oder Perspektiven auf den Wissenschaftsprozess geben als diesen begründend fixieren. Wir werden eher verschiedene Sichtweisen und Praxisvarianten psychologischer Wissenschaft darstellen, ihr historisches Gewachsensein und ihre vorhandenen oder weniger vorhandenen Querverbindungen, als dass wir diese Praxisvarianten bewerten. Wir werden schließlich vor allem eine genuine psychologische Perspektive in dieser Reflexion über Wissenschaft vornehmen. Damit ist gemeint, dass wir den speziellen Gegenstand der Psychologie, nämlich den Menschen selbst, als konstituierend für einen neuen Typ von Wissenschaft begreifen wollen.

Die Psychologie ist als Wissenschaft jung. Ihren Beginn kann man ins Jahr 1879 datieren, als Wilhelm Wundt das Psychologische Laboratorium in Leipzig begründete, oder ins Jahr 1874, als Brentano dies in Wien versuchte. Wenige Jahre später wurde ein ähnliches Laboratorium in Freiburg von Hugo Münsterberg gegründet, der anschließend von William James nach Harvard gerufen wurde und dort die empirische Psychologie aufbaute. Alles in allem kann die Psychologie als Wissenschaft also maximal auf 140 Jahre Geschichte zurückblicken. Dies ist gesehen auf die Zyklen und historischen Dimensionen der Wissenschaft jung, wenn nicht geradezu unreif.

Bedenken wir: Am 12. Mai 1543 wurde zum ersten Mal von Andreas Vesalius in Basel eine Leiche öffentlich im Rahmen einer akademischen Vorstellung seziert und damit die medizinische Wissenschaft der Anatomie begründet. Heute, 470 Jahre später, haben wir ein einigermaßen vollständiges Wissen der menschlichen Anatomie, was Muskeln, Blutgefäße, Knochen und Bänder angeht. Unser Verständnis der Neuroanatomie ist immer noch bruchstückhaft. Und die Anatomie als Wissenschaft ist bei weitem noch nicht an ihr Ende gelangt. Wie soll es da bei der menschlichen Psyche, die vielleicht zum kompliziertesten gehört, was sich die Wissenschaft zum Gegenstand nehmen kann, innerhalb von vielleicht vier bis fünf Wissenschaftlergenerationen zu einem konsolidierten, geschweige denn einheitlichen Wissenschaftsfeld kommen? Was viele Anfänger der Psychologie und auch viele innerhalb der Psychologie tätigen Wissenschaftler bemängeln, nämlich die Vielzahl der Ansätze, die kaum überschaubare Fülle von Teildisziplinen, den Wirrwarr von Einzelergebnissen, der kaum jemals die Chance zu bieten scheint, in ein einheitliches Gebäude integriert zu werden, all dies sind nicht notwendigerweise Anzeichen einer Wissenschaft, die auf dem falschen Wege ist, sondern Zeugnis sowohl der Komplexität des Gegenstandes als auch der historischen Situation der Psychologie als Wissenschaft unterwegs. Weit davon entfernt, diesen Zustand beklagen zu wollen und weit davon entfernt, einer verfrühten und auch kolonialisierenden Vereinfachung das Wort reden zu wollen, plädieren wir hier geradezu für die Notwendigkeit dieser Fülle von divergierenden Ansätzen methodisch scheinbar widersprüchlicher Traditionen.

Wenn wir von einer Wissenschaftstheorie speziell für die Psychologie sprechen, so meinen wir damit auch die Tatsache, dass Wissenschaftstheorien, die bislang innerhalb der Psychologie vorgelegt worden sind, unserer Meinung nach alle einen entscheidenden Fehler haben: Sie versuchen, Wissenschaftsmodelle, die in anderen Wissenschaften, z. B. der Physik, Chemie, Astronomie, Mathematik oder biochemischen Grundlagenwissenschaften erfolgreich waren, auf die Psychologie zu übertragen, so als könnte man die Methode der Bauschreinerei einfach auf die Modellschreinerei übertragen. Genau dies ist unserer Meinung nach das Dilemma, das Manko und auch die entscheidende Schwäche aller bisher vorgelegten Versuche, und genau dies ist auch der Grund, weswegen wir hier einen neuen Versuch vorlegen, Wissenschaftstheorie für die Psychologie verfügbar zu machen. Wir sind der Meinung, dass eine gute Wissenschaftstheorie der Psychologie nicht einfach nur eine Adaptation der vorliegenden Wissenschaftsmodelle aus anderen Disziplinen sein kann. Vielmehr muss die Psychologie durch ihre Geschichte und ihre eigenen Passversuche zu einer genuin eigenen Auffassung gelangen, wie Wissenschaft funktionieren kann, soll und muss, wenn es um die Wissenschaft der Psychologie, also der Wissenschaft vom Erleben und Verhalten des Menschen geht. Dass dieser Weg nicht geradlinig sein kann, dass er vielmals in mäandernden Wendungen verläuft, auf denen scheinbar rückschrittliche Tendenzen anscheinend fortschrittliche abzulösen scheinen, um dann in eine ganz andere Richtung weiter zu strömen, dass dies so ist, scheint uns nicht nur normal, sondern geradezu notwendig zu sein. Psychologie muss die ihr eigene Wissenschaftsform in dem Maße erarbeiten und neu erfinden, in dem sie als Wissenschaft überhaupt erst zu sich selbst gelangt. Dies ist ein historischer Prozess und die Eigenart der Historie ist, dass sie aufgrund der Reflexion von Vergangenem Gegenwärtiges zuallererst begreifen lässt.

Im gleichen Sinne erscheint es uns notwendig, in diesem Buch Geschichte sprechen zu lassen. Denn durch das Verständnis, wie Wissenschaft im Allgemeinen und wie die Psychologie im Besonderen entstanden und geworden ist, in diesem Verständnis wird sich auch die Gegenwart der Psychologie und ihre zukünftige Methodik erhellen lassen. Dieser historische Standpunkt, den wir in diesem Buch einnehmen, ist alles andere als eine antiquierte Wendung nach rückwärts. Sie ist vielmehr aus dem Wissen erwachsen, dass nur dort Gegenwart gut verstanden und gelebt werden kann, wo ihre Bedingungen bewusst sind und ihre Herkunft erhellt ist. Auch dies ist im Übrigen eine genuin psychologische Erkenntnis, die wir sozusagen auf die Wissenschaft, aus der sie entstammt ist, selbst anwenden.

Dieses Buch legt einen Grundlagentext vor, der Studierenden der Psychologie beim Einstieg ins Studium behilflich sein soll, aber auch jenen, die zu späteren Zeitpunkten ein vertieftes Verständnis gewinnen wollen. Aktive Wissenschaftler mögen durch unsere Gedanken angeregt werden, eigene Beiträge zu liefern oder ihr eigenes Tun und Handeln anders oder neu zu verorten.

Das Buch ist im Wesentlichen in folgende Teile gegliedert:

•  Wir bringen zunächst eine ganz kurze und kursorische Skizze der Grundhaltung, in der dieses Buch geschrieben ist. Die ersten Kapitel können also gewissermaßen als Vorgeschmack dessen gelesen und gewertet werden, was in kommenden Kapiteln ausgefaltet wird. Wer also nach den ersten drei Kapiteln Lust aufs Weiterlesen bekommt, wird auf den folgenden Seiten vertiefendes Material finden. Wem nach den ersten drei Kapiteln nicht mehr zum Weiterlesen zumute ist, der wird auch in der Folge kaum anderes finden.

•  Anschließend folgt ein philosophisches Propädeutikum, das speziell auf die Bedürfnisse der Psychologie ausgerichtet ist. Darunter verstehen wir einen kursorischen Grundlagenkurs in philosophischer Geistesgeschichte. Obwohl die Psychologie sich als moderne Wissenschaft betrachtet, hat sie viele Themen, viele methodische Fragestellungen und Ansatzpunkte, viele Entscheidungen über grundlegende Methoden und Inhalte, die selten reflektiert werden, aus der philosophischen Tradition übernommen. Nicht nur, dass die Psychologie aus der Philosophie entstanden ist. Die Philosophie und ihre Geschichte ist gleichsam die Wurzel und der Nährboden, aus der und in der unsere Wissenschaften wurzeln und keimen. Eine mindestens kursorische Kenntnis dieser Tradition scheint uns für eine profunde Ausübung jeglicher Wissenschaft und vor allem der Wissenschaft der Psychologie unabdingbar. Wer sich diese Kenntnis im Rahmen der Schulbildung oder anderer Kurse bereits angeeignet hat, kann diese Kapitel kursorisch oder selektiv zur Kenntnis nehmen. Dem Studierenden in den Anfangssemestern soll damit eine gewisse geistesgeschichtliche Grundlage gegeben werden.

•  Nach der Geschichte der Philosophie werden wir die Geschichte der Psychologie im Spezielleren behandeln, um verständlich zu machen, wie vielgestaltig die Forschungstraditionen innerhalb der Psychologie sind.

•  Der nächste Teil befasst sich mit einem für die Psychologie zentralen Problem, das selten innerhalb der Psychologie thematisiert wird: dem sogenannten Leib-Seele-Problem. Darunter ist die Frage zu verstehen, wie – philosophisch gesprochen – die unterschiedlichen Bereiche von Psyche und Organismus, von seelischen und leiblichen Vorgängen zusammenhängend gedacht werden. Die Beantwortung dieser Frage hat nämlich viele methodische und praktische Konsequenzen. Es ist nützlich, sich über diese Tatsache Rechenschaft abzulegen und mindestens einmal in seinem Studenten- oder professionellen Leben diesen Sachverhalt reflektiert zu haben. Deswegen widmen wir ihr einigen Raum, in dem nicht nur das systematische Problem angerissen wird, sondern auch die neuere Diskussion skizziert wird.

•  In einem weiteren Abschnitt werden sodann die modernen und aktuelleren Positionen der Wissenschaftstheorie, besonders diejenigen, die von Psychologen gerne für sich reklamiert werden, diskutiert.

•  Wir schließen das Buch mit einigen Überlegungen zur Ethik und zur Praxis und fassen unsere Position in einem Schlusskapitel zusammen. Weit davon entfernt, das komplexe Thema Ethik komplett und vollständig aufrollen zu können oder zu wollen, denken wir dennoch, dass es notwendig ist, im Rahmen einer solchen Einführung auf die wesentlichen ethischen Grundprobleme, ihre Tradition und Geschichte und ihre Praxisrelevanz für therapeutisch und in der Forschung tätige Psychologen hinzuweisen.

Einige Worte zur Benutzung

Der Text dieses Buches folgt im Aufbau im Wesentlichen dem Vorlesungsplan, den Harald Walach über viele Semester in einem zweisemestrigen Vorlesungszyklus am Institut für Psychologie der Universität Freiburg i. Br. entwickelt hat. Dadurch ist zwar ein gewisser innerer Aufbau vorgegeben, der unserer Meinung nach durchaus sinnvoll ist. Die Kapitel können aber auch für sich selbst gelesen und bearbeitet werden. Aus diesem Grund sind auch einige Redundanzen im Text. Sie sollen Quereinsteigern das Verständnis erleichtern und dienen didaktisch der Wiederholung und Vertiefung.

Wir haben in diesem Text bewusst auf viele Literaturangaben verzichtet, die aller Erfahrung nach Studierende in den Anfängen eher verwirren statt hilfreich zu sein. Am Schluss jedes Kapitels ist weiterführende Basisliteratur in Fettdruck markiert, Spezialliteratur zur Vertiefung mit einem Stern, und andere Literatur, die wir zur Argumentation heranziehen. Die Literatur ist nummeriert, um den Bezug zum Text herzustellen.

Dieses Buch ist ein sehr persönliches Buch, das den Weg des Autors als philosophierendem Psychologen und psychologisierendem Philosophen über die letzten 40 Jahre folgt. Insofern ist es ein subjektives und auch ein notwendigerweise einseitiges Buch. Es ist bewusst selektiv, es vermeidet bewusst den Anschein enzyklopädischen Wissens. Die Lücken und Grenzen dieses Buches kommen daher, dass die Möglichkeit eines Einzelnen, alles zu überblicken, in unserer Zeit immer geringer werden. Gleichzeitig ist dadurch für den Leser auch die Chance gegeben, eigenes Verständnis zu entwickeln und zu vertiefen. Aus diesem Grunde möchten wir alle Leser explizit zu Rückmeldungen über Fehler, Unklarheiten, Lob und Kritik einladen und anregen. Dies wird bei späteren Auflagen die Gelegenheit bieten, Versäumtes nachzuholen, Löcher zu füllen, unmarkiertes Gelände zu kartographieren. Wir haben versucht, trotz des Anspruchs auf wissenschaftliche Gültigkeit lesbar und verständlich zu bleiben. In diesem Sinne soll dieses Buch nicht nur informativ, sondern auch unterhaltsam sein, und wir wünschen allen Lesern Freude dabei.

Danksagung

Dieses Buch verdankt sein Entstehen vor allem denen, von denen ich selbst gelernt habe und die mir Anregungen und Hilfen gegeben haben. Allen voran zu nennen ist mein wissenschaftlich-psychologischer Lehrer, Prof. Jochen Fahrenberg, der mir durch das Angebot, diese Vorlesung zu halten, die Möglichkeit gab, die entsprechenden Gedanken und Texte zu entwickeln. Er hat das Entstehen des Manuskripts mit einigen wegweisenden kritischen Gedanken begleitet, für die ich sehr dankbar bin. Viele seiner Anregungen habe ich aufgegriffen, andere nicht, sodass der Text durchaus von mir zu verantworten ist, auch und vor allem dort, wo er als ergänzungsbedürftig erlebt wird.

Für die grundlegende Einführung in das philosophische Denken, viele Auseinandersetzungen, persönliche Gespräche und Tutorien bin ich meinem philosophischen Lehrer Prof. Friedrich A. Uehlein besonders dankbar. Ohne diese gründliche Schulung wäre es mir nie möglich gewesen, das entsprechende Problembewusstsein zu entwickeln.

Viel gelernt über Wissenschaftstheorie habe ich von meinem wissenschaftstheoretischen Lehrer Prof. Erhard Oeser, dessen Gedanken und Anregungen mich sehr inspiriert haben. Prof. Thomas Slunecko hat einige der hier vorgelegten Kapitel sorgfältig korrigiert und kommentiert, wofür ich ihm dankbar bin. Auch wenn er aus Gründen der zeitlichen Belastung nicht als Koautor fungieren wollte, empfinde ich ihn aufgrund seiner Anregungen, Kritik und Bemerkungen als stillen Teilhaber.

Für Einsichten über die Bedeutung und das Wesen der introspektiv-partizipativen Forschungsmethodik bin ich meinem klinischen Lehrer Dr. Theo Glantz (†) dankbar.

Nicht zuletzt möchte ich mich bei einigen Generationen von Freiburger Studierenden bedanken, die meine Vorlesungen mit Aufmerksamkeit verfolgt und mit wohlwollender Kritik bedacht haben, sodass mir die Stärken und Schwächen meines Konzepts klarer bewusst geworden sind. Transkription und Gestaltung des Textes verdanken sich der tatkräftigen und kompetenten Mitarbeit von Andreas Sommer, ohne den es mir nicht möglich gewesen wäre, einen solchen Text inmitten vieler anderer Verpflichtungen zu verfassen.

Nikolaus von Stillfried hat bei der gründlichen Überarbeitung und Erweiterung des Textes zur 3. Auflage maßgeblich mitgewirkt, dafür ebenfalls meinen herzlichen Dank.

Die Tatsache, dass ich mir überhaupt den Luxus erlauben kann, mit meinen Forschungsthemen im akademischen Bereich präsent zu sein und obendrein ein solches Buch zu verfassen, ist der großzügigen finanziellen Förderung durch das Samueli-Institut zu verdanken, das mir persönlich und einer Reihe meiner Mitarbeitern die Möglichkeit des wissenschaftlichen Arbeitens über lange Jahre gegeben hat. Dafür bin ich den Gründern des Instituts, Henry und Susan Samueli, und seinem Leiter, Dr. Wayne Jonas, aus tiefstem Herzen dankbar. Dem früheren Leiter des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene, an dem ich tätig war, Prof. Dr. Franz Daschner, danke ich für seine wissenschaftliche und menschliche Offenheit. Prof. Thomas Ostermann danke ich dafür, dass er mir mit einer Berufung als Gastprofessor an das Department für Psychologie der Universität Witten-Herdecke die Möglichkeit gegeben hat, das Thema wieder neu im Kontext des Bachelor-Studiengangs zu vermitteln.

 

Berlin, im Mai 2020

Harald Walach

Teil I:   Das Wesentliche

1          Was ist Wissenschaft? – oder: Die Detektivgeschichte als Modell für die empirische Wissenschaft

 

 

Wissenschaft hat viel mit der Arbeit eines Detektivs gemeinsam. Beide finden ein Ensemble von Fakten vor, die in irgendeinem geheimnisvollen Zusammenhang zu stehen scheinen. Beide suchen sie verbindende Strukturen, die die Fakten erklären, möglicherweise zukünftige Fakten vorhersagen und vielleicht zur Aufklärung eines Rätsels beitragen können. Für den Detektiv ist das Rätsel sein konkreter Fall, für die Wissenschaft die Welt als Ganzes oder ein Teil daraus, den sich ein Wissenschaftler zu bearbeiten ausgesucht hat. Wollen wir anhand einer Detektivgeschichte diese Gemeinsamkeiten etwas genauer unter die Lupe nehmen.

Es handelt sich um eine Geschichte, die der englische Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton von seiner Detektivfigur Pater Brown erzählt [2, 3]. Wir geben sie in Auszügen wieder, und wer Lust auf einen kleinen Ausflug in die Welt der Belletristik hat, sei eingeladen, im Folgenden den Originaltext der Geschichte in Auszügen direkt zu verfolgen.

Die Ehre des Israel Gow